27. Jahrgang | Nummer 15 | 15. Juli 2024

Bemerkungen

Biden – die richtigen Fragen

Nachdem US-Präsident Biden den gemeinsamen TV-Auftritt mit seinem Herausforderer Trump Ende Juni unfreiwillig zu einer Demonstration seiner unüberseh- und unüberhörbaren zerebralen Defizite gemacht hatte, legte er auf den NATO-Gipfel in Washington vergangene Woche nach. Unter anderem indem er den ukrainischen Präsidenten mit „Präsident Putin“ anredete. Bundeskanzler Scholz ließ sich dazu in seiner Pressekonferenz zum Abschluss des Gipfels auf Nachfrage nur ein lapidares „Versprecher passieren.“ Das gebot allein die Höflichkeit gegenüber dem Gipfel-Gastgeber.

Gerard Baker allerdings, der Editor in Large des Wallstreet Journals, musste sich in seiner Kommentierung von Bidens TV-Debakel und der daraufhin einsetzenden Absetzbewegung der US-Demokraten von ihrem bis dato sakrosanken Präsidentschaftskandidaten keine vornehme Zurückhaltung auferlegen: „Ein Großteil seiner Partei hat keine Verwendung mehr für ihn. Sie versuchen verzweifelt, ihn loszuwerden und ihn in einem bemerkenswert zynischen Akt […] gegen jemanden auszutauschen, der für ihre Sache nützlicher ist. […] Es ist verlockend, der demokratischen Maschinerie, die verzweifelt gegen ihn [Biden – G.M.] mobilisiert, zu sagen: Das könnt ihr nicht machen. Ihr könnt uns nicht jahrelang täuschen […] und in die Irre führen, dass dieser Mann sowohl brillant in seinem Job war als auch eine heilende Kraft für die nationale Einheit, und uns jetzt, wo euer Betrug aufgedeckt ist, sagen, dass es Zeit für Bonzo sei, ins Bett zu gehen […].“

Sehr grundsätzliche Fragen knüpfte Baker überdies an den Sachverhalt, dass Biden von den Demokraten überhaupt noch einmal nominiert worden war: „Wie demokratisch ist es eigentlich, uns aufzufordern, für einen Mann zu stimmen, von dem sie wissen, dass er nicht in der Lage ist, einen Satz zu beenden, geschweige denn weitere vier Jahre? Was genau werden wir im November wählen, wenn wir für Mr. Biden stimmen? Ein oder zwei Jahre einer Verwaltung, in der nicht gewählte Berater, Parteifunktionäre, intrigante Familienmitglieder und zufällige Mitläufer täglich kritische Entscheidungen über Krieg, Frieden, die Zusammensetzung der Justiz und die Grenzen der Staatsgewalt treffen – gefolgt von einer Präsidentin Kamala Harris, die ebenfalls unfähig ist, allerdings ohne die Ausrede des Alters? Die Verachtung, die all dies für die Demokratie offenbart, ist fast so groß wie die Verachtung für den Versuch, eine Wahl zu kippen. So viel zur moralischen Überlegenheit, die die Demokraten für sich in Anspruch nehmen.“

Gabriele Muthesius

Zwiespältiges Ende eines formidablen Skandals

Wiederholt hatte das Blättchen in den vergangenen Jahren über den von der Vorgängerregierung des jetzigen Berliner Senates, speziell von dessen Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und ihrer Staatssekretärin Beate Stoffers, losgetretenen und über Jahre mit nachgerade fanatischer Inbrunst betriebenen Skandal um die Berliner Ballettschule berichtet (siehe Blättchen 9/2020, 10/2020, 18/2021, 8/2024). Unter fadenscheinigen Anschuldigungen und auf ehrabschneidende Art und Weise waren die beiden Leiter des hoch professionellen und weltberühmten Ausbildungsinstitutes, Ralf Stabel sowie Gregor Seyffert, geschasst worden. Allerdings war die Bildungsverwaltung in etlichen Gerichtsverhandlungen nicht in der Lage, für die an den Haaren herbeigezogenen Anwürfe gegen Stabel und Seyffert rechtsfeste Beweise vorzulegen.

Bereits im März dieses Jahres ist Seyffert von der jetzigen Bildungsverwaltung offiziell rehabilitiert worden. Die Verwaltung bedauert, dass in der öffentlichen Debatte „der Eindruck entstanden ist, dem Künstlerischen Leiter seien fachliche und künstlerische Verfehlungen vorzuwerfen […] Die gegenüber Prof. Seyffert erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit Kündigungen haben sich als gegenstandslos erwiesen.“

Mit einer vergleichbaren Formulierung wurde Anfang Juli auch Ralf Stabel rehabilitiert.

Berlin ist ein irreparabler Imageschaden entstanden, denn die Ballettschule, das einstige Vorzeige- und Renommierinstitut, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Tiefpunkt in diesem Jahr: die Absage der öffentlichen Ballett-Gala, die früher vor ausverkauften Häusern stattzufinden pflegte. So sehen künstlerische Bankrotterklärungen aus.

Den materiellen Schaden in mindestens sechsstelliger Höhe trägt die Öffentliche Hand, also der Steuerzahler, denn in den Jahren, in denen die Bildungsverwaltung alle Prozesse verlor, mussten die Gehälter der Geschassten natürlich weitergezahlt werden.

Ungeschoren davongekommen indessen sind Scheeres und Stoffers.

agp

Lesen oder liegenlassen – das ist hier die Frage

Dieser Text ist wie eine Filiale von Tchibo – man erwartet Kaffee und bekommt stattdessen ein Sammelsurium von allem Möglichen angeboten. Bei diesem Buchtitel erwartet frau eine Biografie oder Analyse der Reden und Schriften von Sahra Wagenknecht und erhält stattdessen Ausführungen des Historikers, Germanisten und Philosophen Klaus-Rüdiger Mai zu diesem und jenem: Personen, zeithistorischen Ereignissen, literarischen und philosophischen Texten.

Noch am nächsten dran am Thema und am interessantesten ist das einführende Kapitel „Vorspiel auf dem Theater“. In ihm analysiert der Autor die Ursachen für den schnellen Erfolg des BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) – im Gegensatz zur gescheiterten Bewegung Aufstehen. Sahra Wagenknechts Positionen haben sich in dieser historisch gesehen kurzen Zeitspanne zwischen beiden Anläufen nicht geändert – insofern ist die Frage nach den Gründen für den nunmehrigen Erfolg spannend. Klaus-Rüdiger May sieht sie im permanenten Krisenmodus der derzeitigen Ampelregierung. Dieser „Normalzustand“ wird nun ausgiebigst von ihm analysiert – Zitate von Wagenknecht dazu finden sich in diesem Kapitel nicht, stattdessen Verse aus Deutschland. Ein Wintermärchen von Heinrich Heine: „Franzosen und Russen gehört das Land, / Das Meer gehört den Briten, / Wir aber besitzen im Luftreich des Traums / Die Herrschaft unbestritten“.

Passt durchaus, ist aber eben die Analyse des Autors und nicht von Sahra.

Am weitesten entfernt vom Buchtitel ist das sechste Kapitel „Armes schönes Ding“, in dem der Autor sich seitenlang über Goethe, Peter Hacks und Georg Lukács auslässt und deren Werke analysiert. Freundlicherweise lässt er uns zumindest wissen, dass Sahra sie wiederholt gelesen hat und insbesondere in Peter Hacks eine Zeit lang ihren Mentor gesehen hat.

Im 13. Kapitel tauchen die Biografien von Dietmar Bartsch und Petra Pau auf, und wieder wird Peter Hacks mit seinem Dramolett „Der Parteitag“ über die Helden der PDS zitiert.

Insgesamt entsteht beim Lesen des Buches der Eindruck, dass der Autor den Namen Sahra Wagenknecht gebraucht/benutzt/vernutzt um uns seine Weltsicht kund zu tun und den Verkaufserlös seines Buches zu steigern. Vorhang auf und alle Fragen offenlautet der letzte Satz seines Textes, den ich hier gern übernehme.

Viola Schubert-Lehnhardt

 

Klaus-Rüdiger Mai: Die Kommunistin. Sahra Wagenknecht: Eine Frau zwischen Interessen und Mythen, Europaverlag, München 2024, 288 Seiten, 24,00 Euro.

Foucault oder der Philosoph als „Arzt der Cultur“

Im Sommer 1966, kurz nach dem Erscheinen seines diskursanalytischen Buches Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, begann Michel Foucault mit der Arbeit an einem höchst bemerkenswerten Text, der im vergangenen Jahr erstmals in Frankreich veröffentlicht wurde und nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt: Der Diskurs der Philosophie. Ausgehend von einer umfassenden Betrachtung des abendländischen Denkens seit der Zeit von René Descartes charakterisiert er die Philosophie darin als eine spezifische, historisch bestimmte Art von „Diskurs“, dessen Aufgabe die Diagnose der Gegenwart ist.

„Der Philosoph muss ganz einfach sagen, was ist.“ So die Forderung zu Beginn der Untersuchung. Zugleich müsse er aber auch klarstellen, wie Foucault gegenüber Sartre später formulieren wird, „worin unsere Gegenwart sich von allem anderen, also der Vergangenheit, unterscheidet, und zwar absolut unterscheidet“. Im Sinne von Nietzsche beschreibt Foucault den Philosophen als „Arzt der Cultur“, der „aber nicht die Aufgabe hat, zu heilen; es obliegt ihm nicht, die Dinge zu verbessern, die Schreie einzudämmen oder zu versöhnen; er gewährt nicht zurück, was der Dissens erschüttert hat“. Woraufhin sich natürlich fragen lässt: „Hat er als Arzt ohne Heilmittel, dem es nie gegeben sein wird, zu heilen, überhaupt die Macht, zu sagen, wo das Übel liegt, den Finger in die unheilbare Wunde zu legen, die Krankheit aufzudecken und beim Namen zu nennen?“ Foucault sieht die Aufgabe des Philosophen erst dann als erfüllt an, „wenn es ihm schließlich gelingt, das einzuholen, was ,heute‘ ist, um es für einen Augenblick im Netz seiner Worte aufblitzen zu lassen. Er ist nur der Mensch des Tages und des Moments: ein Vorübergehender, der dem Vorübergehen näher ist als jeder andere.“ Letzthin besteht die Rolle der Philosophie darin, auch in Beziehung zu allen Formen eines „nichtphilosophischen Aktuellen“ zu treten, um schließlich „die Alltagsprosa der Welt auf die Ebene eines philosophischen Diskurses zu bringen“.

In einem seiner Notizhefte hielt Foucault am 17. Juli 1966 fest: „Streng genommen hatte [die Philosophie] noch nie so viel zu sagen und zu tun wie jetzt; unter diesen Umständen hat man den Eindruck, dass sie ewig leben muss. Doch genau genommen wird sie sich ändern, wenn sich die aktuelle Konfiguration unserer Kultur selbst geändert haben wird.“ – Den in allen Bereichen stattfindenden Wandel vor Augen ist es genau diese Forderung, die den Diskurs nicht nur der Philosophie, sondern der Moderne im Allgemeinen bestimmen sollte.

 

Mathias Iven

 

Michel Foucault: Der Diskurs der Philosophie. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger, hrsg. von Orazio Irrera und Daniele Lorenzini unter Leitung von François Ewald, Suhrkamp Verlag, Berlin 2024, 349 Seiten, 34,00 Euro.

 

 

Anekdote

Ein Mann kommt zum Priester und bittet ihn, eine Messe für seinen verstorbenen Hund zu lesen, denn er habe diesen überaus geliebt. Der Priester ist empört: Man feiere in der katholischen Kirche doch keine Messen für Hunde! Der hinterbliebene Halter könne es ja mal bei den Protestanten versuchen, bei denen gebe es so etwas vielleicht. Der Mann, nun noch trauriger, schickt sich an zu gehen, nicht jedoch ohne zu äußern, dass er wegen seiner großen Liebe zu seinem Vierbeiner eine Spende von einer Million Dollar gemacht hätte. Darauf der Priester: „Warten Sie doch! Warum haben Sie nicht gleich gesagt, dass der Hund katholisch war?“

Anthony de Mello

Kraus’sche Boshaftigkeiten – Weiber sind Grenzfälle II

Zur Vollkommenheit fehlte ihr nur ein Mangel.

 

Eine Frau muß so gescheit aussehen,

daß ihre Dummheit eine angenehme Überraschung bedeutet.

 

Die geniale Fähigkeit des Weibes, zu vergessen,

ist etwas anderes als das Talent der Dame,

sich nicht erinnern zu können.

 

Die Frau ist da, damit der Mann durch sie klug werde.

Er wird es nicht, wenn er aus ihr nicht klug werden kann.

Oder wenn sie zu klug ist.

 

Sie verkürzen sich die Zeit mit Kopfrechnen:

er zieht die Wurzel aus ihrer Sinnlichkeit und sie erhebt ihn zur Potenz.

 

Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!

 

Die weibliche Orthographie schreibt noch immer „genus“ mit zwei

und „Genuss“ mit einem „s“.

 

Eine Frau muß wenigstens so geschickt kokettieren können,

daß der Gatte es merkt.

Sonst hat er gar nichts davon.

 

Eifersucht ist ein Hundegebell, das die Diebe anlockt.

 

Eine Frau wird doch nicht soviel Rücksicht auf die Gesellschaft nehmen,

daß sie den Ehebruch immer begeht, den ihr die Leute nachsagen?

 

Weil beim Mann auf Genuß Verdruß folgen muß,

muß folgen, daß beim Weib auf Treue Reue folgt.

 

Jedes Weib sieht aus der Entfernung größer aus als in der Nähe.

Bei den Weibern ist also nicht nur die Logik und die Ethik,

sondern auch die Optik auf den Kopf gestellt.

Aus-Leser Jürgen Hauschke

Die Orthographie des Originals wurde beibehalten; weitere Boshaftigkeiten in den
Blättchen-Ausgaben 10 bis 14/2024.

 

Der Lindenbaum

von Wilhelm Müller (1794 – 1827)

Am Brunnen vor dem Tore
da steht ein Lindenbaum;
ich träumt’ in seinem Schatten
so manchen süßen Traum.

 

Ich schnitt in seine Rinde
so manches liebe Wort;
es zog in Freud’ und Leide
zu ihm mich immerfort.

 

Ich mußt’ auch heute wandern
vorbei in tiefer Nacht;
da hab’ ich noch im Dunkeln
die Augen zugemacht.

 

Und seine Zweige rauschten,
als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle,
hier find’st du deine Ruh’!

 

Die kalten Winde bliesen
mir grad’ ins Angesicht,
der Hut flog mir vom Kopfe,
ich wendete mich nicht.

 

Nun bin ich manche Stunde
entfernt von diesem Ort,
und immer hör’ ich’s rauschen:
Du fändest Ruhe dort!

 

Heinrich Lund / Wilhelm Suhr (Hrsg.): Deutsches Dichterbuch,

Verlag Herrosé & Ziemsen, Wittenberg o.J.

 

PS: Horst Koch – neben Ulrich Roski (siehe Blättchen 5/2021) , Insterburg & Co. sowie Schobert & Black einer der legendären westdeutschen „Blödelbarden“ der 1970er Jahre – fand im Flamenco eine zeitgemäße Wiedergabevariante. Höre hier. Wem das jedoch zu neben der Spur ist – hier noch eine etwas konventionellere Version.

Längst vergessen?!

Fundstücke aus DDR-Jahrgängen der Weltbühne, die dank einer Spende aus Leserhand nunmehr im Blättchen-Archiv stehen.

Die Redaktion

Predigten und Loblieder

Kaum ist man auf der Welt, da beginnen schon die Ermah­nungen: „Iß ordentlich! Du sollst deinen Teller leeressen!!“ Eines Tages plötzlich verkehren sich diese Predigten ins Gegenteil: „Iß nicht so viel! Deine Hüften!!“ Schmeckt einem das Essen auch weiterhin, so steigern sich die Vorhaltungen zu schlimmen An­drohungen: Dicke sollen schlecht auf den Füßen sein, Atemnot kriegen und Zucker; und das Herz – ach das erst … Das Le­ben ist hart! Als wir nicht essen wollten, mußten wir; und wenn wir wollen – dürfen wir nicht mehr.

Auf die Dünnen hingegen wird ständig ein Loblied gesungen: sie seien leistungsstark, beweglichen Geistes und gesund bis ins hun­dertelfte Jahr … bei Zwieback, Quark und Saft. Als ob solche Diätvorschriften die Dicken be­kehren könnten! Sie wollen dann schon lieber nur hundertzehn Jahre alt werden – was ja auch ein stattliches Alter ist.

Wenn es in einer unfeinen Redensart heißt, daß die geistig weniger Bedarften besonders viel essen, so ist das eine übereilte mutwillige Behauptung (wahr­scheinlich die eines dünnen Eife­rers, als er vor seinem Quarknapf saß). Das Gegenteil ist schnell bewiesen.

Als zum Beispiel Jean Paul einst den Haupteinwohner von Weimar, wohnhaft am Frauenplan, besuchte, stellte er hinter­her überrascht fest: „Auch frisset er entsetzlich.“ Gottseidank ist nichts vollkommen. Und Eßgewohnheiten, Leibesumfang und geistige Fähigkeiten lassen sich nicht immer in Einklang brin­gen.

„Ich werde das Jahr zweitausend erleben“, sagte der Dünne – fiel von der Leiter, nachdem er eine Sprosse betre­ten hatte, die es nicht mehr gab – und starb.

Es muß eben doch jeder nach der eigenen Fasson dick oder dünn, klug oder weniger klug werden.

Renate Hoffmann

Weltbühne, 35/1981

Die Schreibweise des Originals wurde beibehalten.

 

Film ab

Wer auch immer die Idee hatte, im Jubiläumsjahr 2024 anlässlich des 250. Geburtstages von Deutschlands größtem Maler der Romantik Peter Schamonis Hommage an denselben aus dem Jahre 1986 (eine deutsch-deutsche Koproduktion) wieder auf Kinoleinwände zu bringen, dem- oder denjenigen gebührt hohes Lob! Gemälde CDFs sind mit kongenialen Kameraaufnahmen (Gérard Vandenberg) der originalen Landschaften (Kreidefelsen auf Rügen, Klosterruine Eldena in Greifswald, Elbsandsteingebirge und andere) in vergleichbaren optischen „Stimmungslagen“ kombiniert, dass es ein ums andere Mal frappiert. Überdies offeriert der Film eine Wiederbegegnung mit westdeutschen Schauspielgrößen in ihren noch altersfernen Jahren wie Helmut Griem, Otto Sander und Udo Samel. Und mit Wolfgang Greese, einem bekannten Kino- und TV-Gesicht aus der DDR. Wie auch mit Rolf Hoppe (bereits 1982 mit „Mephisto“ von Istvá Szabó, Hoppe als Nazi-Größe Hermann Göring, mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film geehrt), dessen Rolle bei Schamoni allerdings so klitzeklein ausfiel, dass ihm keine Nennung im Abspann zuteil wurde.

„Caspar David Friedrich – Grenzen der Zeit“, Drehbuch (Mit-Autor) und Regie: Peter Schamoni; derzeit wieder in manchen Kinos; als DVD 15,99 Euro.

 

Aus anderen Quellen

Der US-amerikanischen Historikerin und Publizistin Anne Applebaum wird hierzulande in diesem Jahr nicht nur der Carl-von-Ossietzky-Preis (siehe Blättchen 12/2024), sondern auch der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.

Zu DDR-Zeiten, wenn’s geschmäcklerisch oder schlimmer wurde, witzelte man hinter vorgehaltener Hand gern: „Die Genossen werden sich schon etwas dabei gedacht haben.“ In den vorliegenden Fällen halt die Preis-Jurys …
Petra Erler hingegen denkt sich ihren Teil: „Was ist nun der spezielle Beitrag von Anne Applebaum zum Frieden? Man kann lange suchen und wird nichts finden außer tiefer Verachtung für das heutige Russland unter Putin, Hass auf den russischen Präsidenten persönlich und Geschichtsklitterei, die sich als Aufarbeitung von autoritären Systemen präsentiert. […] Anne Applebaum, das zieht sich durch ihre Veröffentlichungen wie ein Rotes Band, will beispielsweise den Siegfrieden der Ukraine. Sonst wäre kein Frieden zu machen. Sie träumt von der Ablösung Putins und schrieb 2023 im Atlantic: ‚Doch selbst der denkbar schlechteste Nachfolger, selbst der blutigste General oder der tollwütigste […] ist Putin vorzuziehen, denn er wird schwächer sein  […].“

Petra Erler: Neue „Normalität“ – Ein deutscher Friedenspreis für Anne Applebaum und das ewig „gestrige“ China, petraerler.substack.com, 01.07.2024. Zum Volltext hier klicken.

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Aus seinem Rückblick auf die Auslösung des Ersten Weltkrieges kommt Leo Endel zu dem Fazit: „Dramatische Zufälle wie die Schüsse von Sarajewo wird man, namentlich zu Zeiten starker Spannungen, in den Beziehungen zwischen hochgerüsteten Großmächten immer einkalkulieren müssen. Aber man könnte, würde man es denn wollen, im Vorfeld (und auch später noch) einiges dafür tun, die möglichen Folgen zumindest zu begrenzen. Es gibt Risiken, die nicht eingegangen werden dürfen!“

Leo Ensel: Die Schüsse von Sarajewo oder: Wenn ein Zufallsfunke genügt … – Vor 110 Jahren begann der I. Weltkrieg, globalbridge.ch, 28.06.2024. Zum Volltext hier klicken.

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„Die vereinbarte europäische Sicherheitsordnung“, so Wolfgang Richter, „erodierte […] bereits Jahre vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dies ist keineswegs nur Moskau anzulasten. Auch westliche Staaten haben die inklusive OSZE abgewertet, ihre Prinzipien missachtet und Rüstungskontrollabkommen gekündigt oder unterminiert, die als gegenseitige Rückversicherung dienen sollten. So haben die USA unter Präsident George W. Bush den KSE-Vertrag und die gesamteuropäische Sicherheitskooperation einer neuen geopolitischen Agenda geopfert.“

Wolfgang Richter: Der Ukrainekrieg und die Sicherheit Europas, welttrends.de, o.D. Zum Volltext hier klicken.

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Zum Ukrainekrieg stellt Michael Brie fest, „dass zwischen dem unmittelbaren Auslöser eines Krieges und den Ursachen des Krieges zu unterscheiden ist. Ausgelöst wurde der jetzige große Krieg durch den Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar. Es ist trotzdem falsch, ihn als russischen Angriffskrieg zu bezeichnen, denn dies nimmt den Anlass des Krieges für sein Wesen. Die Übernahme der westlichen Sprachregelung bei der Bezeichnung des Krieges kommt einer ideologischen Kapitulation der Linken gleich. Sozialistinnen und Sozialisten

sollten endlich lernen, diesen Krieg ausgehend von einer präzisen Bestimmung seines Hauptcharakters zu bezeichnen.“

Michael Brie: Ohne Frieden ist alles nichts! Herausforderungen einer sozialistischen Linken, sozialismus.de, 7/8-2024. Zum Volltext hier klicken.

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Die noch laufende große Berliner Ausstellung anlässlich des 250. Geburtstages von Caspar David Friedrich ist auch im Blättchen nur positiv besprochen worden (siehe Ausgabe 12/2024). Dass aber auch ziemlich kritische Anmerkungen durchaus ihre Berechtigung haben, zeigt ein Beitrag der Kunsthistorikerin Iris Berndt. Unter anderem schreibt sie: „Bewusst wurde in den Ausstellungstexten auf zeithistorischen und politischen Kontext verzichtet, der Napoleon-Hasser Caspar David Friedrich ist ebenso ausgeklammert wie der Demokrat, der 1830 in Dresden aus Angst vor einer Hausdurchsuchung die Papiere aus seinem Schreibtisch verbrannte.

Wenn zu lesen ist, dass Caspar David Friedrich seit 1799 regelmäßig auf der Dresdener Ausstellung vertreten war, so ist dies unrichtig, wie schon ein kurzer Blick in die publizierten Kataloge zeigt. Die wichtigste Lücke von 1808 bis 1811 fällt in die französische Besatzungszeit, Friedrich boykottierte diese Ausstellungen, und zwar wegen Sachsens Haltung zu Napoleon. […] Also mehr als eine kleine Ungenauigkeit.“

Iris Berndt: Ausstellung zu Caspar David Friedrich in Berlin – Leerstellen, Fehler und dürftige Gemeinplätze, berliner-zeitung.de, 09.07.2024. Zum Volltext hier klicken.

Zusammengetragen von Wolfgang Schwarz.

Letzte Meldung

Nach allem, was man so liest und hört, ist die Berliner Ampelkoalition seit längerem besonders erfolgreich darin, die deutsche Wirtschaft in die Grütze zu reiten. Nur bei der einheimischen Rüstungsindustrie scheint ihr das nicht so recht zu gelingen. Ein Indikator dafür ist das weitere Hochschnellen der Waffen- und anderer militärischer Exporte. In den ersten fünfeinhalb Monaten des laufenden Jahres betrug der Wert der vom Bundessicherheitsrat (dazu gehören neben dem Bundeskanzler unter anderem die Minister des Auswärtigen, der Verteidigung, der Finanzen und der Wirtschaft) erteilten Ausfuhrgenehmigungen fast 7,5 Milliarden Euro, wie eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ergab. Das sind rund 30 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2020.

Setzt sich die Exportfreudigkeit der Regierung fort, wovon ausgegangen werden darf, würde in diesem Jahr erstmals die 15-Milliarden-Euro-Marke überschritten werden. Bereits 2023 waren die genehmigten Rüstungsausfuhren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von knapp 8,4 Milliarden im Vorjahr auf 12,2 Milliarden Euro gestiegen.

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