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„´Kriegstüchtig´ – weitere Anmerkungen“ von Gabriele Muthesius
Frau Muthesius zitiert aus dem in Rede stehenden Buch: „Gibt es hier denn gar keinen Sinn und Verstand mehr? Ob Deutschland über 50, 500, 5000 oder 50.000 Panzer verfügt: Eine Atommacht drückt einmal auf den Knopf und dann ist nichts mehr mit Kriegstüchtigkeit.“ Warum so inkonsequent? Wäre es – folgte man dem Autor Marcus Klöckner – nicht zwingend logisch, gar keine Panzer mehr zu haben; vulgo die Bundeswehr völlig abschaffen? Dazu genügte der Satz: Ich bin dafür, die Bundeswehr abzuschaffen – eine politisch berechtigte Forderung. Ob klug? ist eine andere Frage…
Und der Autor ersparte sich wohl einiges persönliches Ungemach, welches dadurch ausgelöst wird, dass er meint feststellen zu müssen, dass „die Gesellschaft …. ´mit Realitätsverkennung und Verdrängung´“ auf „eine zunehmend enthemmte Militarisierung von Politik und Gesellschaft“ reagiere, wie bei Muthesius auch zu lesen ist. Richtig ist, dass Stimmen aus dem linken und rechten pazifistischen Lager nicht mehr die Diskurshoheit haben angesichts der sicherheitspolitischen Realitäten. Und vielleicht ist daher die „Gesellschaft“ ja weiter als Muthesius und Klöckner und verkennt in Teilen gar nicht die Realität und verdrängt auch nichts? Nämlich dass ein neuer Kalter Krieg längst Realität ist.
„… dass ein neuer Kalter Krieg längst Realität ist“, bei dieser Feststellung, werter Herr Wohanka, scheint bei Ihnen ja fast so etwas wie Genugtuung mitzuschwingen. Die Aussicht auf nochmal 45 Jahre wechselseitige nukleare Bedrohung jedenfalls scheint Sie nicht merklich zu schrecken. Im Falles des Falles wäre Deutschland allerdings mit Atomwaffen nicht zu verteidigen, nur zu zerstören. Das wussten westdeutsche Wissenschaftler schon in den 1970er Jahren. „Kriegsfolgen und Kriegsverhütung“ hieß die entsprechende Studie. Die neue russische Mittelstreckenrakete namens Oreschnik (Mach 10; von keiner Raketenabwehr abzufangen) kann 6 Kernsprengköpfe à 150 Kt transportieren. 2 dieser Raketen auf die 12 größten deutschen Städte – und das war’s.
Schon im Kalten Krieg von 1945 bis 90 waren Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft übrigens kein Weg, die existenzielle atomare Bedrohung zu beseitigen und den Kalten Krieg zu beenden. Das gelang erst, nachdem die Idee aufgekommen war, es statt mit Konfrontation mal mit Kooperation zu versuchen. Egon Bahr bekam, nachdem er diesen ketzerischen Ansatz 1963 in Tutzing erstmals öffentlich geäußert hatte, zwar noch Prügel, selbst aus der eigenen SPD, aber ab 1969 wurde daraus der Erfolg der Neuen Ost-Politik und des Helsinki-Prozesses, der 1990 in der Charta von Paris für eine neue europäische Sicherheitsarchitektur kulminierte.
Aber vielleicht sind Sie ja einfach zu jung, als dass Ihnen diese Historie geläufig sein könnte …
Wladislaw Hedeler vermisst in seiner aktuellen Buchbesprechung die von den Autoren angestrebte „Neubewertung“ Lenins. In der Tat sieht es eher nach einer akademischen Frage aus, ob es sich um zwei Strömungen oder zwei verschiedene Parteien handelt; vor allem dann, wenn die eine Seite die andere mit militärischer Gewalt aus dem politischen Leben entfernt.
Wichtiger ist wohl die Frage, was denn der Grund für diese Differenzen war. Hierzu möchte ich auf die Ansicht der ungarischen Autoren György Konrád und Iván Szelényi verweisen, wonach für Lenin die reale Arbeiterbewegung letzten Endes zweitrangig war: „Lenins größte Erkenntnis bestand darin, dass die sozialistische Wende eben nur in Osteuropa möglich sei. Der Sieg der Revolution war nicht durch die Existenz des Proletariats, sondern durch die Vorbereitung der Intelligenz möglich geworden.“ Ausführlicher habe ich diese Thesen einmal im redaktionellen Teil referiert:
https://das-blaettchen.de/2021/01/kritik-am-sowjetmarxismus-55543.html
Dort findet sich auch ein Verweis auf einen früheren Beitrag, in dem ich zeigte, wie diese Überlegungen durch letzten Endes wirksame Repression ihr Zielpublikum verfehlten.
Erwähnenswert scheint mir ferner ein Text eines deutschen Verfassers, der in Russland publiziert wurde. Es handelt sich um einen Beitrag, der bei einer Tagung in Tomsk in Sibirien im Jahr 2009 in meiner Abwesenheit von anderen Teilnehmern vorgetragen wurde. Reisekosten waren bewilligt, Flugtickets gebucht – nur das Visum blieb aus.
https://das-blaettchen.de/2012/06/begegnungen-im-niemandsland-deutsch-russische-diskurse-ueber-demokratie-und-diktatur-13138.html
Wer diese Überlegungen plausibel finden mag, sei darauf hingewiesen, dass es sich um eine Art Werkstattbericht zu einem sehr kompakten Buch handelt, das im Jahr 2010 erschien. Es ist bei „Books on Demand“ verlegt – nahezu unauffindbar, wie aus den ärmlichen Umsätzen hervorgeht. Das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe sind aber ebenfalls online zugänglich:
http://www.bernhard-mankwald.de/
Zum Schluss mein Dank an den Rezensenten für die interessanten Lesehinweise.
Zu Heino Bosselmann: Ja natürlich, auch im 3. Reich wurde abseits der Konzentrationslager gelebt und ebenso im Chile Pinochets. Allerdings habe ich natürlich nicht nur auf diese scheinbare Trivialität hervorgehoben, bestanden, sondern auf Erfahrungen hingewiesen und praktische Lebensweisen (wie etwa die Lage der Frauen, den Freiraum am Arbeitsplatz), die positiv bei den Zeitzeugen nachklingen.
Mir ging und geht es darum, die einseitige Hervorhebung der Gewalterfahrung an Grenze, durch Staatssicherheit und Gefängnisse in den Beschreibungen der DDR im vereinten Deutschland zu kritisieren. Jene Einseitigkeit dient vor allem als Kontrastfolie zum Staat der Bundesrepublik, wenn die Gegenseite besonders schwarz dargestellt wird, hebt sie sich besonders strahlend davon ab. Das eigentliche Problem ist: Die heutigen Defizite der praktischen Demokratie erscheinen dadurch als nicht so dringend zu beheben. Also, eine realistischere Darstellung der DDR, samt ihrer Defizite und Vorzüge, erleichtert die Kritik unserer heutigen Gesellschaft, welche Not tut.
Und ich stimme Herrn Bosselmann natürlich zu, wenn er auf die Notwendigkeit hinweist, den heutigen Schülern diese realistische Sicht auf die DDR zu vermitteln, die ihnen nicht nur aus den Erzählungen ihrer Großeltern oder Verwandten, die in der DDR gelebt haben, zuwachsen kann.