23. Jahrgang | Nummer 9 | 27. April 2020

Antworten

Rolf Stabel und Gregor Seyffert, geschasste Ballettschuldirektoren – Sie wurden aufgrund einer üblen Intrige aus Ihren Ämter an der Staatlichen Ballettschule Berlin und Schule für Artistik getrieben. Dieser Tage hat die Journalistin Birgit Walter in der Berliner Zeitung eine umfangreiche Darstellung dieser Vorgänge veröffentlicht. Wir hätten das gerne nachgedruckt. Es sind Platzgründe, die uns davon abhielten, eine Nachnutzungsgenehmigung zu erbitten. Wir teilen die Einschätzungen der Kollegin Walter. Hier wird perspektisch auf dem Umweg über die Demontage verdienstvoller Persönlichkeiten eine international hoch geachtete Einrichtung auf den Status des üblichen Mittelmaßes zurechtgestutzt. Uns erinnert das an ein chinesisches Sprichwort: „Was weiß der Frosch von der Weite des Meeres!“
Uns dagegen dürfen Sie unterstützend an Ihrer Seite wissen.

Berliner Polizei-Twitterin, leider anonym – Diese hübsche Nachricht hatten Sie angesichts der auch in der Hauptstadt geltenden Kontaktsperren um die Ostertage verbreitet: „Wenn ein Mädchen zusammen mit 31 Gästen in seinen 16. Geburtstag reinfeiert und die eigene Mutter offenbar für diesen Zweck kurzfristig ein 2,5-Zimmer-Apartment in Mitte angemietet hat, kommen wir leider nicht nur zum Gratulieren vorbei.“ Wir finden dies aus doppeltem Grund bemerkenswert. Einerseits zeigt es, dass auch die vielgescholtene Berliner Landespolizei Humor hat, andererseits ist im Berliner Bezirk Mitte die Wohnungsnot offenbar nicht so dramatisch, wie es böse Menschen immer wieder behaupten. Man muss halt nur das bissel Miete bezahlen können … Schön übrigens, dass Ihre Kollegen vor dem Ausfertigen der Strafbescheide das Gratulieren nicht vergessen haben.

Gesine Schwan (SPD), ungefragte Ratgeberin – Im Deutschlandfunk plädierten sie kürzlich dafür, anstehende Präsidentschaftswahlen zu verschieben, da es doch ganz offenkundig sei, dass nicht alle Kandidaten „die Chance haben, ihre Argumente unters Volk zu bringen“. Wir reiben uns verwundert die Augen. Präsidentschaftswahlen? Jetzt darf das Volk den Präsidenten wählen? Sie sprechen aber von den polnischen Präsidentschaftswahlen. Nun können Sie gerne polnische Politik diskutieren und bewerten. Wir machen das auch. Aber wann bei unseren Nachbarn Wahlen stattfinden und wann nicht, das ist ausschließlich Sache der Polen selbst. Ebenso wie die französischen Präsidentschaftswahlen Sache der Franzosen sind und die deutschen Sache der Deutschen. Obwohl, wir dürfen ja nicht … Kommt möglicherweise von unseren eigenen Defiziten die deutsche Lust, sich ständig in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen?

Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin, neuerdings ein Durchgreifer – Am Tag nachdem die Kanzlerin die post-österliche Corona-Abrüstungsbotschaft verkündigt hatte, traf sich auch Ihr Senat und … fiel in seine gewohnten Verhaltensmuster zurück: Die Mehrzahl der notwendigerweise zu fassenden Beschlüsse wurde auf die Folgewoche vertagt. Sie nennen so etwas Kompromiss und schieben die Drohung an die Untertanen gleich nach: „Wer jetzt nicht bereit ist, diese Kompromisse mitzutragen, risikiert damit, dass es keine Lockerungen gibt.“ Das nennt man einen richtig harten Hund. Von wegen, Sie können keine Führungsstärke zeigen! Nur an der noch härteren, der richtig harten Schulsenatorin Sandra Scheeres beißen auch Sie sich die Zähne aus. Die will noch eine Woche vor dem magischen Kanzlerinnen-Termin die Schulen wieder aufmachen – eigentlich schon am 20. April mit dem Beginn der Abi-Prüfungen. Aber Sie sind ein Meister im Erklären. „Jede Lockerung müsse sorgfältig in ihrer Wirkung auf das Infektionsgeschehen analysiert werden“, zitiert Sie die Berliner Zeitung.
Die Schulöffnung ist also ein Feldversuch, um herauszufinden, wie sich so etwas auf das Infektionsgeschehen auswirkt. Merke: Gibt es keine Infektionsmöglichkeiten, kann man nichts analysieren. Noch nicht einmal sorgfältig.

Friedrich Dürrenmatt, immer wieder Lesenswerter – In Ihrem vorzüglichen Kriminalroman „Der Verdacht“ mit Ihrem auf den Tod krebskranken Kommisär Bärlach, den Sie dem Vernehmen nach bereits am Ende Ihres ersten Krimis („Der Richter und sein Henker“) sterben lassen wollten und der sein Nochnichtlebensende (ebenso wie wir diesen Zweitling) dem vergleichsweise schnöden Sachverhalt zu verdanken hat, dass Ihnen der Verleger des Schweizerischen Beobachters, in dem der Erstling ursprünglich als Fortsetzungsroman erschienen war, doppeltes Salär für einen Nachfolgeband geboten hatte, findet sich folgender Eintrag: „Der Kampf gegen die Dummheit und den Egoismus der Menschen war seit jeher schwer und kostspielig, mit der Armut verbunden und mit der Demütigung; aber er ist ein heiliger Kampf, der nicht mit Jammern, sondern mit Würde ausgefochten werden muß.“
Das, geschätzter Dürrenmatt – und so viel Vermessenheit muss sein dürfen –, hätten Sie auch dem Blättchen ins Poesiealbum geschrieben haben können.

Mattia Binotto, DNA-Fachmann aus Maranello, sonst Motoringenieur – Sie sind Chef der bewundernswürdigen Scuderia Ferrari, in der derzeit Sebastian Vettel und Charles Leclerc die Motore gelegentlich aufheulen lassen. Natürlich steckt Ferrari Unmengen Geld in diese Vorform des autonomen Fahrens namens „Formel 1“. Da es einen gewissen Zusammenhang zwischen der Menge des investierten Geldes und der Wahrscheinlichkeit eines Rennsieges gibt, müssen Sie es als geradezu unsittliche Zumutung empfinden, diesen Aufwand wegen der Herstellung einer vorgeblichen Chancengleichheit von jährlich 175 Millionen US-$ pro Saison und Team bis 2022 auf 130 Millionen zu senken. „Wenn die Obergrenze noch weiter abgesenkt wird, wollen wir nicht an einen Punkt gelangen, an dem wir uns andere Optionen überlegen müssen, unsere Racing-DNA zu entfalten“, drohen Sie jetzt in The Guardian. „Racing-DNA“, das ist doch mal was Neues! Geschickter lässt es sich nicht ausdrücken, dass es bei dieser Art Sport nur noch um das große Geld geht. Die „Kleinen“ sollen gefälligst die Klappe halten und die „Großen“ das unter sich ausmachen lassen.
„Gleich und gleich gesellt sich gern“, heißt es. Red Bull (Fahrer: Max Verstappen und Alexander Albon) vertritt offenbar eine ähnliche Meinung.