24. Jahrgang | Nummer 5 | 1. März 2021

Später Nekrolog

von Thaddäus Faber

In der Gattung schräger Humor gehörte Ulrich Roski in der alten Bundesrepublik unbestreitbar zu den Meistersingern einer etwas absonderlichen Sparte, die er selbst als Höheren Blödsinn apostrophierte und folgendermaßen definierte: „Höherer Blödsinn ist nicht nur, wenn man am Ende trotzdem lacht, sondern auch nicht mehr weiß warum.“

Soweit zur Theorie.

In der genialischen Praxis Roskis führte dies zum Beispiel zu einer Eloge auf das Landleben, von dessen Naturnähe und Unverkrampftheit ja heute viele schwärmen, das aber in der Bundesrepublik der 1970er Jahren einige Eigenheiten aufwies.

Roski legte den Finger genüsslich in die Wunde: Als des Bauers offenbar einziger weiblicher Nachwuchs einen Studenten der Chemie auserkor, machte der Papa eine unmissverständliche Ansage:

„Ich würde dich, mein Töchterchen
Viel lieber mit dem Schlächter seh’n
Der hat ein Haus am Strande
Und ist kein armer Hund“
Das Leben auf dem Lande
Ist ja so gesund.

Doch das Kind war unbotmäßig und traf sich in einer lauen Nacht verfänglich mit dem Noch-nicht-Akademiker:

Sie machten sich ein Feuerchen
Dann machten sie ein Bäuerchen
Und brachten’s auch zustande
Und das mit gutem Grund
Denn das Leben auf dem Lande
Ist ja so gesund.

Das nahm der Bauer ausgesprochen unsportlich:

Dann kam Papi sieh mal an
Mit einem Ochsenziemer an
Stieß sie aus dem Gewande
Und schlug sie windelwund
Das Leben auf dem Lande
Ist ja so gesund.

Darob war das Vater-Kind-Verhältnis irreparabel.

Die Tochter suchte – samt ihrem Angebeteten – das Weite, was „sie ohne weit’res fand“.

Happy ending:

Sie lebt mit ihm in Lüdenscheid
In mäßiger Zufriedenheit
Nur hört sie was vom Lande
Kriegt sie Ausschlag überm Mund
Doch soviel nur am Rande
Denn sonst ist sie gesund.

Auch autobiographisch (?) ließ Roski manches durchscheinen:

Mama war Portugiesin, und mein Daddy war aus Rom
Sie war beinah eine Riesin, er dagegen mehr ein Gnom
Sie nahmen es genau mit ihrer ehelichen Pflicht
Mama hat es überstanden, doch der Daddy leider nicht.

Die Folge: offene Unterhaltsfragen.

Die Lösung: ein Farmer aus Kentucky, den die Mama erhörte – wir „zogen in die Staaten, zu dem Typen auf die Farm“.

Die bot Western-Klischees tapfer Paroli und auch nicht:

Ein Mercedes und ein Fahrrad, das war alles, was da stand
Aber nicht ein einz’ger Gaul, nicht mal ein Halfter an der Wand
Nur eine Kuh, die musst’ ich hüten, denn so wollte es der Brauch
Und auch etwas schießen lernen, nur so für den Hausgebrauch.

Es kam, wie es die Brüder Coen (siehe „The Ballad of Buster Scruggs“) nicht besser hätten erfinden können:

Die Kuh sprang eines Tages übern Zaun und ging auf Tour
Und lief direkt in den Mercedes, der zum Ernteeinsatz fuhr
Ich sprach damals schon gut englisch und erklärte meinem Boss:
„Man, die Cow ist übern Fence gejumpt und hat dann deinen Benz gerammt.“

Darob war auch das Stiefvater-Stiefkind-Verhältnis irreparabel.

Der Jüngling schwang sich in den Sattel – des Fahrrads, Pferd war ja keins da – und los ging’s.

Die Gegenden wechselten. Mit „dem Fahrrad durch die Wüste, selten Kino, niemals Frau’n“.

Dann ab in luftigere Höhen:

Ich kam in die Rocky Mountains, das heißt deutsch: Gebirg’ aus Stein
Und ging dort in eine Bar, natürlich immer noch allein
Ich rief: „Los, bringt was zu trinken, Jungs, sonst seh’ ich für Euch schwarz!“
Die Bestellung in den Rockys macht man anders als im Harz.

Wenig später schlug das Schicksal dann ebenso unvermittelt wie unbarmherzig zu:

Auf dem Weg nach San Francisco sprach mich wieder jemand an:
„Hey Boy, ich brauch’ für mein Geschäft noch einen richtig harten Mann.“
Ich verabsäumte zu schießen, was stets unvernünftig ist
Und ging mit in seine Firma. Heute bin ich Prokurist.

Leider steht zu vermuten, dass unser aller Schöpfer auch einen Faible für diesen begnadeten Barden hatte, dass ihm aber die miese Empfangsqualität in seiner Höhe irgendwann nicht mehr zusagte: „Den will ich live!“ Und so berief er Ulrich Roski bereits im Jahre 2003, erst 59-jährig, zu sich. Anderenfalls hätten wir mit ihm am 4. März 2021 auf seinen 77. Geburtstag anstoßen können. So trösten uns nur die alten Vinyl-Scheiben … und natürlich der Kentucky Bourbon im Glas.