Neues von den Grünen
Washington – kein Bammel vor den Grünen: Auch in den USA ist längst zur Kenntnis genommen worden, dass nach den Bundestagswahlen vom 26. September Die Grünen mit einiger Wahrscheinlichkeit mindestens an der Regierungsausübung teilhaben werden. Doch schlaflose Nächte bereitet das in Washington ganz offensichtlich niemandem. Warum das so ist, fasste Steven Erlanger kürzlich in der New York Times zusammen: „[…] dies sind nicht die Grünen des Kalten Krieges, eine radikale Partei, entsetzt über das nukleare Patt zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten über ein geteiltes Europa. Die Grünen sind jetzt zentristisch, begierig nach Macht, mit einem überraschend flüchtigen Blick auf internationale Angelegenheiten und darauf, wie Deutschland sich verändern muss, ohne das Großkapital zu verprellen.“ Sollten Die Grünen an die Macht kommen, würde dies „möglicherweise auch eine Verschiebung hin zu einer durchsetzungsfähigeren Außenpolitik in Deutschland einläuten, insbesondere gegenüber China und Russland“, denn Die Grünen ähnelten in ihrer Kritik an Moskau und Peking „den amerikanischen Neokonservativen“ und seien „gegen Nord Stream 2, die russische Erdgaspipeline nach Deutschland, die die Ukraine und Polen umgeht. Sie sind auch gegen den Investitionsdeal der Europäischen Union mit China. Sie setzen sich für die europäische Zusammenarbeit, die Förderung der Demokratie, die Verteidigung der Menschenrechte, die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO und das starke Bündnis mit den USA ein“. Auch im Hinblick auf die Bundeswehr „befürwortet die Partei mehr Ausgaben, um sicherzustellen, dass das beklagenswert schwache deutsche Militär in der Lage ist, seine NATO-Verantwortung zu erfüllen“.
Offensichtlich buchstabiert sich aus US-Sicht höchst verlässlicher Bündnispartner heute so wie Die Grünen.
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Grüne und Kampfdrohnen: Dass führende Köpfe von Bündnis 90 /Die Grünen, was Grundpositionen ihrer Partei anbetrifft, immer flexibler werden und daran arbeiten, nach der nächsten Bundestagswahl selbst für die CDU/CSU gegebenenfalls als Koalitionspartner kompatibel zu sein, pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. „US-Atomwaffen raus aus Deutschland“, das wird mit dieser Partei in der Bundesregierung oder gar an deren Spitze wohl, um es diplomatisch auszudrücken, kein Nahziel mehr werden. Dies war kürzlich in diesem Magazin beleuchtet worden – siehe Ausgabe 2/2021.
Der jetzige Wahlparteitag der Grünen hat weitere Indizien für das Streben der Führung der Grünen nach mehr Systemkompatibilität, man könnte auch sagen Stromlinienförmigkeit geliefert. Gleich im Dutzend wurden Änderungsanträge der nach wie vor radikaleren Basis weggebügelt: „Das Wort Deutschland aus der Präambel streichen? Findet nicht statt. Tempo 70 auf Landstraßen? Lieber nicht“, beobachtete etwa die Berliner Zeitung. DER SPIEGEL registrierte: „Göring-Eckardt bremst Grüne bei CO₂-Bepreisung“. Und so weiter und so fort …
Apropos Katrin Göring-Eckardt: Bereits vor einiger Zeit hat die ostdeutsch sozialisierte Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Bundestag den Grünen ins Stammbuch geschrieben, dass sie „noch nie eine pazifistische Partei [waren]“, und für Auslandseinsätze der Bundeswehr auch ohne UNO-Mandat plädiert. Zu dieser zumindest leicht bellizistischen Note passt, dass jetzt auf dem Wahlparteitag eine weitere Grundposition der Grünen geschreddert wurde. Waren Beschaffung und Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen durch die Bundeswehr zuvor kategorisch abgelehnt worden, so sollen nun die Bedingungen dafür neu geprüft werden, denn, so zitiert die Süddeutsche Zeitung aus dem beschlossenen Wahlprogramm, „bewaffnete Drohnen könnten Soldaten in gewissen Situationen besser schützen“. Wobei das verschämte „in gewissen Situationen“ natürlich Auslandseinsätze meint, auch solche ohne UNO-Mandat, und der Begriff „schützen“ nur vordergründig kaschiert, dass solche Drohnen sich prinzipiell immer auch für extralegale Tötungen eignen. Dieser Terminus technicus hat sich inzwischen bekanntlich für die von den USA seit Jahren durchgeführten luftgestützten Mordaktionen auf dem Gebiet anderer Staaten (siehe Das Blättchen 7/2012 und 25/2015) eingebürgert.
Wegen dieser erneuten Volte der Grünen allerdings zu behaupten, dass deswegen schon jede am 26. September für diese (augenscheinlich auf dem Wege in die Normalität befindliche) Partei abgegebene Stimme die Wahlurne bereits zur Büchse der Pandora machte, wäre womöglich noch übereilt. Aber ist es ganz auszuschließen?
Denn wer da hat, dem wird gegeben …
… heißt es bekanntlich im Matthäus-Evangelium. Ob damit bereits zu dessen Entstehungszeit intendiert war, dass Superreiche möglichst wenig – mit der eindeutigen Tendenz in Richtung gar nichts – in Form von Steuern zum Gemeinwohl beitragen sollten, darf zwar durchaus füglich bezweifelt werden, dass es in der US-Realität gleichwohl so ist, daran besteht hingegen nicht der geringste Zweifel. Die amerikanische Nichtregierungsorganisation Propublica hat gerade wieder die „true tax rate“ (wahre Steuerquote) der 25 reichsten Amerikaner ermittelt: Die lag zwischen 2014 und 2018 bei durchschnittlich 3,4 Prozent. (Zum Vergleich: Alle anderen US-Amerikaner mussten 2018 im Schnitt 24 Prozent ihres Einkommens an den Fiskus abdrücken.) Und der Mensch mit der niedrigsten „true tax rate“ von allen heißt laut Propublica – Warren Buffett (mit einem Nettovermögen von 85,6 Milliarden US-Dollar, Stand: Dezember 2020 der Viertreichste weltweit).
Also – Schluss mit Kilometerpauschale, Werbungskosten und dem ganzen anderen lachhaften Klein-Klein beim Sparen von Steuern!
Nicht kleckern, sondern klotzen!
Einfach Reichtum ohne Ende anhäufen, dann sinkt die Steuerquote quasi wie von selbst.
Spätgotik vom Feinsten
Endlich ist Kultur wieder live zu erleben, und die Gemäldegalerie auf dem Berliner Kulturforum startet mit einem Paukenschlag – einer 130 Werke der Malerei, Grafik, Bildhauerei und Buchkunst umfassenden Schau zur Spätgotik, während der es etwa ab dem Jahr 1430 in den Künsten zu epochalen Umbruch in Europa kam.
Über die Exponate der jetzigen Ausstellung schwärmte Ingeborg Ruthe in der Berliner Zeitung: „Sie scheinen zu atmen, die Madonnen des Martin Schongauer oder des Hans Multscher vom Wurzacher Altar. So auch das Apostel- Martyrium des Malers Stefan Lochner, wo dem heiligen Bartholomäus die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen wird und unterm Foltertisch ein Schinderknecht ungerührt die Messer schärft. Die Szenerie ist so anschaulich wie kein Kriminalfilm unserer Zeit sie zu schildern vermag. Konrad Witz wagte es um 1440, den Gesichtsausdruck der Jungfrau Maria, während der Engel ihr die von Gott auferlegte künftige Rolle verkündet, skeptisch, ja gar abwehrend aussehen zu lassen. Und dem Meister der Karlsruher Prozessions-Tafeln mangelt es nicht an Brutalität und Bösartigkeit, sodass man sich vorstellen möchte, wie Betrachter der Tafeln anno 1450 angstvoll auf die ‚Arbeit‘ der Folterknechte geschaut haben. Der neue Wirklichkeitsgehalt der Kunst führte dazu, dass aus den anonymen Werkstattzuschreibungen nunmehr einzelne Künstler berühmt wurden, deren Stil bis heute erkennbar ist.“
Gemäldegalerie Kulturforum, bis 5. September; Di/Mi/Fr 10:00–18:00/Do bis 20:00, Sa/So 11:00–18:00 Uhr). Vorerst noch mit Negativtest oder Impfnachweis.
Feiste Musikkomödien
Das Adjektiv „feist“ umschreibt der Duden mit „(unangenehm, widerlich) fett, dick“. Alles andere als eine positive Zuschreibung also …
Unter dem Namen „Ganz schön feist“ trat vor etwa fünfundzwanzig Jahre ein deutschsprachiges Musiktrio aus Göttingen auf, das später als Duo in der Besetzung Mathias Zeh (Leadsänger, Gitarrist,Texter – firmiert salopp und schlicht als „C.“) und Rainer Schacht (Multiinstrumentalist und Background-Sänger, auch für die Kompositionen zuständig) und mit dem leicht abgewandelten Namen „Die Feisten“ reaktiviert wurde.
Die paarweise Combo ist, wenn keine pandemischen Sonderbedingungen vorliegen, bundesweit unterwegs.
Corona taucht auch im soeben erschienenen Album „Radio Uwe & Claus“ mehrmals auf. Im Lied „Lagerkoller“ wird eine familiäre Quarantäne-Situation besungen; der „Stammtisch“ findet über Zoom statt und beim Lied „Verschwörungstheorie“ werden etliche gängige verquere Theorien auf die Schippe genommen.
Apropos auf die Schippe nehmen: „Die Feisten“ stehen eher für den feinen (selbst-)ironischen Ton, Polemik gehört nicht zu ihrem Stil. Beim oberflächlichen Anhören mutet es wie belangloser deutscher Schlager an, aber es lohnt hier, genauer hinzuhören. Der Texter „C.“ ist nicht nur beeindruckend reimfest, er beherrscht auch meisterhaft die Klaviatur der subtilen und feinsinnigen Töne.
Nicht nur im deutschen Liedgut landet man ja, wenn es um Humor geht, des Öfteren in gefährlichen Untiefen. Aber es besteht, um eine maritime Metapher zu bemühen, bei den „Feisten“ nicht die Gefahr, dass man auf dubiosen Stränden von den Wellen flacher Witze umspült wird.
Die vermeintlich glatten Lieder sind bei genauerem Hinhören durchaus widerborstig. Im Fokus stehen weniger die große Politik, sondern eher menschliche Schwächen und alltägliche Leiderfahrungen: vom manischen Sammler, der sich nicht trennen mag von allerlei Klunker und halbkaputten Erinnerungsstücken („Ordnungssystem“) bis zum Shoppen mit der neuen Liebesflamme bei Ikea („Andrea“).
Immerhin wurden die beiden Künstler 2017 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet!
Sie selbst nennen übrigens ihren Musikstil „ZweiMannSongComedy“ und präsentieren die Songs minimalistisch mit verschiedenen akustischen Instrumenten oder a cappella. Neben akustischer Gitarre und Bass kommen Instrumente wie Mandoline, Sitar, Timple, Cajón, Ukulele, Bassbox und eine Udu zum Einsatz.
Die Feisten: Radio Uwe & Claus, CD 2021, Label: Soulfood, 17,99 Euro.
Die Letzten der Mohikaner?
Ist die Zeitung auf Papier anachronistisch geworden? Als ich beispielsweise meine Abo-Zeitung, eine große Berliner Zeitung, einmal nicht erhielt und um Nachlieferung bat, antwortete man mir, Nachlieferung ist nicht – ich könne die Zeitung ja digital lesen. Kurz darauf habe ich das Abonnement gekündigt. Doch wie arbeitet es sich für Reporter, die bei kleineren Zeitungen über kleinere lokale Ereignisse berichten, etwa im Sport oder für Kultur? Regisseur Jean Boué ist dieser Frage anhand dreier Beispiele noch vor der Pandemie nachgegangen. Sein Film „Die letzten Reporter“ hat es in die Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis geschafft – wohl des Themas wegen. Er erzählt schlicht und schnörkellos, hat Protagonisten verschiedenen Alters, die man in ihrer Arbeit gern beobachtet.
Was für einen älteren Leser eine Herausforderung darstellt, ist es erst recht für einen nicht mehr jungen Journalisten: sich auf Online-Journalismus umstellen. Thomas Willmann schreibt seit Jahrzehnten für die Schweriner Volkszeitung über Sport. Nun muss er sich darauf einstellen, auch auf Facebook darüber zu berichten, wie in Grabow Fußball gespielt wird – einschließlich der Nachwuchsförderung.
Eine anders geartete Zeitung sind die Osnabrücker Nachrichten – ein Anzeigenblatt, das umsonst in den Briefkästen landet und auch wegen Werner Hülsmanns ironischer Kolumne „Werners Cocktail“ gern gelesen wurde. Der letzte Kulturredakteur des Blattes nimmt altershalber Abschied von seinen Kollegen.
Die neue Generation wird von der zur Zeit der Dreharbeiten 25-jährigen Anna Petersen repräsentiert. Sie gehört zu den wenigen jungen Journalisten, die sich für Lokalberichterstattung begeistern können. Bei der Landeszeitung Lüneburg fühlt sie sich mit ihren Lesern eng verbunden. Denn das ist eine Lücke, die auch Netz-Plattformen schwer füllen können – die Zeitung ist näher am Lokalgeschehen und wird sich nicht überleben, meint sie.
Jean Boué hat seinen Film über einen längst noch nicht aussterbenden Zweig des Journalismus nicht mit innovativen Mätzchen aufgepeppt. Er begleitet seine Protagonisten und lässt sie in Ruhe erzählen. Das wirkt filmisch manchmal etwas zäh, aber die Begeisterung der Lokaljournalisten für ihre Arbeit macht das wett.
Die letzten Reporter, Regie: Jean Roué, ab 24. Juni 2021 in ausgewählten Kinos.
Auf den Punkt gebracht
SPIEGEL: Sie wollen unbedingt regieren.
Habeck: Absolut, ich bin ein Mann der Exekutive. Die hat mich geprägt. […] Meine Jahre im Kabinett als Umwelt-und Landwirtschaftsminister waren die politisch befriedigendsten für mich. […] Macht auszuüben ist der Sinn von Politik.
DER SPIEGEL, 23/2021
„Während Baerbock sich in einer Art Bullshit-Inquisition abwechselnd fragen lassen muss, warum die Grünen so viel verbieten, und dann wieder, warum sie nicht den Mut zum Verbieten haben, sagt und tut Laschet einfach nichts. Aber das macht er gut.“
DIE ZEIT, 23/2021
Das ist alles müßig.
Es ist, wie es ist und es kommt, wie es kommt.
Franziska Giffey,
auf die Frage, ob sie sich im Rückblick auf
den Skandal um ihren aberkannten Doktortitel
womöglich anders verhalten hätte
Berliner Zeitung, 18.06.2021
Der Wahn des Einfältigen ist die blinde Wut.
Der Wahn des Gewitzten ist die Selbstreflexion.
Botho Strauß
Trump auf Samtpfoten
Dass sich selbst mit den Frühwerken von Marx und Engels die Welt besser verstehen lässt als ohne, dafür hat dieser Tage Kollege Gabor Steingart, früher mal an der Spitze des Handelsblattes, ein hübsches Beispiel geliefert. Er hat „Die deutsche Ideologie“ aus beider Federn herausgekramt, um den „Nebelbildungen im Gehirn der Menschen“ (Marx/Engels) auf die Spur zu kommen und ist auf das bekannte Diktum gestoßen: „Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein.“
Und schon in seinem nächsten Satz war Steingart bei seinem Thema: „Wer also Bidens ethisch grundierte Forderungen an Deutsche und Russen (baut keine gemeinsame Gaspipeline) und Chinesen (teilt endlich unsere westlichen Werte) mit den knallharten ökonomischen Interessen der USA abgleicht, wird schnell feststellen: Biden sagt Freiheit und meint amerikanisches Schiefergas. Er postuliert die Menschenrechte und träumt von einem saftigen Exportüberschuss. Er spricht von ‚der Gemeinschaft des Westens‘ und im Hintergrund hört man den Kaufmanns-Chor, der leise ‚America First‘ anstimmt.“ Es folgen, bei Steingart, ein paar Lesehilfen – unter anderem: „Der Widerstand gegen die Gaspipeline von Russland nach Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern wurde von Trump eröffnet und Biden führt ihn fort. Nord Stream 2 sei ‚ein schlechter Deal für Europa‘, sagt der neue Präsident im Ton des alten. Das Ziel Putins sei es, ‚Europa zu spalten und Europas Energiesicherheit zu schwächen‘. Was Biden in Wahrheit sagen will, ist das Folgende: Die Amerikaner sind mit viel Aufwand zur größten Öl-Fördernation der Welt aufgestiegen. Jetzt wäre es doch schön, wenn einer diese guten, weil demokratisch explorierten Rohstoffe kaufen würde. Das politisch unkorrekte Russen-Gas könnten die Deutschen guten Gewissens abbestellen. United we stand!“
Schließlich das Fazit: „Wir lernen, was wir schon vorher ahnten: Machtpolitik ist Ethik für Fortgeschrittene. Und Biden ist, wenn es um die Außenwirtschaftsbeziehungen geht, ein Trump auf Samtpfoten. Oder um es mit den Worten des einstigen amerikanischen Präsidenten Calvin Coolidge zu sagen: ‚The business of America is business.‘“
So schön kann Parteilehrjahr sein!
Auf Gates* nach Wyoming
Dass Bill Gates, der mit Microsoft zum einst reichsten Menschen der Welt geworden ist, diese gern mit sogenannten Mini-AKWs, einer völlig neuen Generation von Atomkraftwerken, die bisher mehr Fragen aufwirft als sie beantworten kann, beglücken möchte, ist in diesem Magazin bereits thematisiert worden – siehe Ausgabe 3/2020. Jetzt geht das Projekt in die nächste Phase: Das von Gates gegründete Unternehmen Terrapower wird im bevölkerungsärmsten, aber besonders weiträumigen US-Bundesstaat Wyoming** ein Natrium-gekühltes Mini-Atomkraftwerk mit 345 MW Leistung und mit einem Energiespeicher auf Salzbasis errichten, um Planung, Bau und Betrieb der neuen Technologie zu testen, die Terrapower zusammen mit dem japanischen Konzern GE Hitachi entwickelt hat. Als Brennstoff dient niedrig angereichertes Uran mit einem Gehalt von fünf bis 25 Prozent an Uran-235.
Das US-amerikanische Energieministerium steuert eine Finanzspritze von 80 Millionen US-Dollar bei.
Davon, dass auch für die neue Technologie die Frage der nuklearen Endlagerung (siehe ausführlich Blättchen-Ausgabe 10/2013) völlig ungeklärt ist, lässt Gates sich offenbar ebenso wenig bremsen, wie von dem Einwand von Kritikern, dass der Bau von neuen Atomkraftwerken zu lange dauere, um dem Klimawandel schnell und wirksam beizukommen. Besser sei es, auf bereits im breiten Einsatz befindliche Methoden zur Erzeugung erneuerbarer Energie zu setzen.
* – Gesprochen: geht’s. Aber in diesem Falle hergeleitet von Bill Gates; siehe auch den Beitrag „Nonstop Nonsens“ in dieser Ausgabe.
** – Frankreich hat seine atomare Wiederaufbereitungsanlage La Hague bekanntlich am Übergang zur offenen See, am Nordzipfel der Halbinsel Cotentin platziert, damit der radioaktive Fallout im Falle eines Super-Gaus, so der Wind mitspielt, aufs Meer treibt. Wyoming hat zwar keinen Zugang zum Meer, ist aber trotzdem so etwas wie ein US-amerikanischer Cotentin: auf einer Fläche von weit mehr als der halben Größe Deutschlands lebt lediglich eine halbe Million Amerikaner, weniger als in jedem anderen US-Bundesstaat. Honi soit qui mal y pense – ein Schelm, wer Arges dabei denkt!
Aus anderen Quellen
Das Friedensgutachten ist das gemeinsame Gutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute (BICC / HSFK / IFSH / INEF) und erscheint seit 1987. Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten untersuchen darin internationale Konflikte aus einer friedensstrategischen Perspektive und geben klare Empfehlungen für die Politik. In der kürzlich publizierten jüngsten Ausgabe heißt es unter anderem: „Globale Krisen und Herausforderungen können nur durch Kooperation gemeistert werden. Die Erosion der internationalen Ordnung in den vergangenen Jahren zeigt, dass Europa im internationalen Machtgefüge handlungsfähiger werden muss. Gerade für Friedensförderung und Sicherheitspolitik gilt: Europa kann mehr – und muss mehr tun.“
2021 / Europa kann mehr / friedensgutachten. Zum Volltext hier klicken.
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Zwar lag der US-amerikanische Politikwissenschaftler und politische Ökonom Francis Fukuyama vor 30 Jahren, nach dem Ausklingen des Kalten Krieges, mit seiner Hypothese vom „Ende der Geschichte“ grandios daneben, doch das ist in der Wissenschaft nicht ehrenrührig: 98 Prozent aller ursprünglich formulierten Hypothesen erweisen sich beim Versuch wissenschaftlicher Nachweisführung als verkehrt. Fukuyama gilt nach wie vor als einer der besten Kenner des politischen Systems in den USA, für das er jetzt diagnostizierte: „Wir erleben einen noch nie da gewesenen Moment des Zusammenbruchs unserer demokratischen Institutionen. Eines der wichtigsten Merkmale einer funktionierenden Demokratie ist die erfolgreiche, friedliche Übergabe der Macht. Zum ersten Mal seit dem Bürgerkrieg ist das aufgrund des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar nicht geschehen.“
Marcus Gatzke / Rieke Havertz: „Es gibt keine amerikanische Identität mehr“, zeit.de, 25.05.2021. Zum Volltext hier klicken.
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Der Bundestag hat zwar in dieser Legislaturperiode die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ebenso wenig zustande gebracht wie die gesetzliche Regelung eines Labels für Nutztierhaltungsstandards, doch für neue Wanzen zum Ausschnüffeln durch Geheimdienste hat es immerhin gereicht. Heribert Prantl fasst den Stand der Dinge zusammen: „Nicht nur die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch die deutschen Geheimdienste dürfen künftig Smartphones und Rechner hacken, um dort die Telekommunikation abzugreifen; davor schützt keine Verschlüsselung. Die Geheimdienste dürfen nämlich zugreifen, bevor Messenger wie Whatsapp, Signal oder Thema die Kommunikation verschlüsseln können.“
Heribert Prantl: Prantls Bilck – die politische Wochenvorschau, sueddeutsche.de, 13.06.2021. Zum Volltext hier klicken.
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In dieser Rubrik wurde bereits mehrfach auf die verdienstvollen Recherchen von Anja Reich und anderen Kolleginnen der Berliner Zeitung im Fall des Vertragsarbeiters Manuel Diogo verwiesen (Ausgaben 23/2020 und 7/2021), der in der DDR bei einem tragischen Unfall zu Tode gekommen war. Dieser Fall ist vor einigen Jahren von einem westdeutschen „Aufklärer“ zum Mord durch Neonazis mit anschließender Vertuschung durch DDR-Organe uminterpretiert worden, wobei eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, der MDR, maßgeblich daran beteiligt war und ist, diese Version als weitere Facette des Unrechtsstaates in die Öffentlichkeit zu tragen. Der jetzige Beitrag befasst sich insbesondere mit diesen Aspekten .
Anja Reich: Haltung statt Fakten: Wie der MDR die Aufarbeitung seiner Fehler verweigert, berliner-zeitung.de, 16.06.2021. Zum Volltext hier klicken.
Letzte Meldung
Wer befürchtet haben sollte, dass Joseph Biden, der neue US-Präsident, dem Wahnsinn der amerikanischen Militärausgaben – 2020 verpulverte Washington knapp dreimal mehr für Streitkräfte und Rüstungen als China und Russland zusammen – Einhalt gebieten könnte, der darf sich entspannt zurücklehnen: Die Biden-Administration hat dem Kongress für das Finanzjahr 2022 einen Haushaltsantrag für nationale Verteidigung in Höhe von 752,9 Milliarden Dollar vorgelegt, davon 715 Milliarden direkt für das Pentagon. Für letzteres eine Steigerung um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Wer sich allerdings daran erinnern kann, wie Bidens heutige Vizepräsidentin Kamala Harris noch zu Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes ihren jetzigen Chef abgekanzelt hatte – Biden habe den Irak-Krieg 2003 nicht nur unterstützt, sondern als Vorsitzender des zuständigen Senatsausschusses die Öffentlichkeit und den Kongress dafür mobilisiert; er sei immer ein verlässlicher Befürworter großer Militärbudgets in Friedenszeiten gewesen, ein Kalter Krieger in jeder Hinsicht, der auch mit der Agenda der Wall Street konform ging –, der konnte jetzt schwerlich anderes erwarten …
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