Aussagen über die Dummheit
Ein Versuch zur Definition. Dummheit sei: Mangel an Verstand; nach Immanuel Kant: zu geringe Urteilskraft, „einem solchen Gebrechen (wäre) gar nicht abzuhelfen.“ (ein schwacher Trost); Trägheit des Denkens; Widerstand gegen erwiesene Einsichten; „Faulheit ist Dummheit des Körpers, Dummheit ist Faulheit des Geistes“, dem Wanderer nach Syrakus, Schriftsteller und Journalisten Johann Gottfried Seume gibt man ob dieser Erkenntnis uneingeschränkt Recht. Der weise Konfuzius hegt ebenfalls Gedanken zum Thema: „Dummheit ist nicht wenig wissen, […] Dummheit ist, glauben, genug zu wissen.“
Der Begriff, wie man sieht, bewegte und bewegt die Gemüter, Philosophen, Psychologen, Soziologen und Literaten, Naturwissenschaftler ebenso wie die Schöngeister. – Ermutigenden Trost spendet Erasmus von Rotterdam. Er vertritt die Meinung, dass ohne gewisse Dummheiten überhaupt kein Mensch auf die Welt käme, (wobei Dummheiten noch einen anderen Wertegrad besitzen als die Dummheit schlechthin).
Neben anderen klugen Köpfen nahm der österreichische Schriftsteller Robert Musil (1880-1942) in einem Vortrag, den er 1937 in Wien hielt, umfänglich Stellung zur Dummheit. Musil begann seine Ansprache mit dem zeitlos gültigen Satz: „Einer, der sich unterfängt, über die Dummheit zu sprechen, läuft heute Gefahr, auf mancherlei Weise zu Schaden zu kommen; […] es kann sogar als Störung der zeitgenössischen Entwicklung ausgelegt werden.“ Einige seiner Überlegungen lauten: Dummheit und Eitelkeit liegen dicht beieinander, und die Rohheit ist die Praxis jener. – Der Autor unterscheidet zwischen einer „schlichten“ und einer „höheren“ Dummheit. Die eine sei etwas langsam im Denken, während die andere nicht aus Mangel an Intelligenz „als vielmehr deren Versagen aus dem Grunde, dass sie sich Leistungen anmaßt, die ihr nicht zustehen.“ Sie ist die gefährliche von beiden, denn sie kann, an Einzelne gebunden, zur „konstitutionellen der Allgemeinheit werden.“
Robert Musils Quintessenz: „Gelegentlich sind wir alle dumm“ (sprich unwissend), „wir müssen gelegentlich auch blind oder halbblind handeln, oder die Welt stünde still.“ Das hinwiederum lässt hoffen. – Wie man der schädlichen Ignoranz beikommen kann, las ich auf einer Tragetasche der S. Fischer Verlage: „Lesen gefährdet die Dummheit.“ Ergo: Bürger greift zum Buch!
Erstaunlich ist es, wen alles und auf welche Art die Dummheit in Denkzwang hielt: Albert Einstein beschäftigte sich nicht nur mit der Relativitätstheorie, sondern auch mit der Dummheitstheorie: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ – Wenig ermunternd ist Erich Kästners Ansicht: „Die Dummheiten wechseln, aber die Dummheit bleibt.“ – Theodor Fontane ergänzt: „Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit an.“
Der Goethe-Liebhaber Thomas Mann erkannte ebenso die Gefährlichkeit der Dummheit. Ein Satz des Weimarer Klassikers aus dem Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ erschien ihm so zutreffend für die gegenwärtige Weltlage (die Gegenwart von 1948), dass er ihn umgehend einem Bekannten mitteilte: „Das Menschenpack fürchtet sich vor nichts mehr als vor dem Verstande; vor der Dummheit sollten sie sich fürchten, wenn sie begriffen, was fürchterlich ist.“ – Thomas Manns Zustimmung glich einer Kurzhymne: „Prächtiger Satz. Glänzend! Erschöpfend!“ Dem ist rundheraus zuzustimmen. Aber diese Einsicht konnte auch schon vor Jahrhunderten dem Übel nicht abhelfen.
Robert Musil: Über die Dummheit. Alexander Verlag, Berlin 2019, 60 Seiten, 7,00 Euro.
Zinnober
Endlich einmal eine Erfolgsmeldung bei Deutschlands großem Autobauer Volkswagen. Die kam jüngst vom Betriebsrat und wurde auch vom Personalvorstand Gunnar Kilian flankiert, der den Erfolg „feierte“. Was war geschehen nach all den vergangenen Schreckensmeldungen aus Wolfsburg?
„Absatzrekord“, „Verkaufsrekord“, „Topseller“ meldeten diverse Blätter. Geht es nun wieder voran mit der schwächelnden Wirtschaft? Zumindest in Teilbereichen ist es so. Allerdings nicht beim Golf & Co., nein, es geht um die Wurst. Genauer um die Currywurst.
Gemeldet wurde ein Verkauf von 8,552 Millionen Stück in den Kantinen und Supermärkten für das Jahr 2024. Bei der Volkswagen Kernmarke VW waren es 5,2 Millionen PKW und Transporter. Lediglich alle Konzernmarken weltweit zusammengerechnet erreichen einen geschrumpften Absatz von 9,02 Millionen und übertrafen gerade noch die Wurstbraterei.
Die Verbannung des bereits 1973 aufgelegten Klassikers aus einer VW-Kantine in Wolfsburg hatte 2021 bundesweit für Wirbel gesorgt. Vor allem die Reaktion des in Currywurstfragen bekanntlich kompetenten Altkanzlers Gerhard Schröder befeuerte damals die Debatte: „Currywurst mit Pommes ist einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion. Das soll so bleiben.“ Das wusste auch schon vorher der Barde aus dem Ruhrpott. Wie sang einst Herbert Grönemeyer: „Gehste inne Stadt / Wat macht dich da satt? / ‚Ne Currywurst / Kommste vonne Schicht / Wat schönret gibt et nich’ / Als wie Currywurst.“
2023 kam endlich ein Einsehen und VW hob den Currywurst-Bann in der betreffenden Kantine wieder auf. Seitdem geht es unaufhörlich bergauf. Mit der Wurst.
Als Information am Rande, die Volkswagen-Currywurst hat nicht nur eine eigene VW-Teilenummer (199 398 500 A), sondern auch eine eigene Wikipedia-Seite, da ist uns um die Zukunft von VW nicht mehr Bange.
PS: Es ist ja – anders als die Altbundeskanzlerin es einst verkündete – nichts alternativlos im Leben, nach dem Verfassen der obigen Zeilen muss noch eine neuere Meldung nachgereicht werden: Konzernchef Oliver Blume erklärte auf der Jahrespressekonferenz, dass es zur Bewältigung der Krise „einen großen Lösungsraum“ gebe. Auch ein Einstieg in die Rüstungsindustrie sei für VW denkbar, um die ungewisse Zukunft einiger VW-Werke in Deutschland zu retten. „Wir schauen uns sehr gezielt an, was dort an Notwendigkeiten ist, wenn es dann beispielsweise auch um Militärfahrzeuge gehen sollte.“ Was hier so verquast daherkommt, bedeutet ein Zurück zu den Wurzeln für VW. Der Konzern verfügt schließlich historisch über wichtiges Know-how in der Fertigung von Militärfahrzeugen. Entstanden ist er doch durch einen Auftrag von Adolf Hitler an Ferdinand Porsche. Am 26. Mai 1938 wurde in Anwesenheit des „Führers“ die Grundsteinlegung des VW-Werks in Wolfsburg gefeiert. Kurze Zeit später nutzte die Wehrmacht den Typ 82 Kübelwagen als Einsatzfahrzeug im Krieg.
Das Geld liegt nach den neuesten Bundestagsbeschlüssen für die Rüstungsindustrie auf der Straße. Die Rüstungskonzerne werden sich vor Aufträgen gar nicht mehr retten können.
Anstelle mit der Currywurst nun lieber mit dem Volkspanzer aus der Krise?
An den Frieden
Friedensgöttin, komm, ich flehe
Dir mit hochgehobner Hand,
Komm herab von deiner Himmelshöhe,
Dich bedarf mein armes Vaterland.
Sieh im Maienmonde wollen
Heere ziehen in das Feld.
Wie sie schon die Augen blutig rollen,
Zu verheeren eine ganze Welt.
Freude flieht vor Mavors Rufe,
Der sich schlachtendurstig naht;
Seiner kriegerischen Rosse Hufe
Stampfen, knicken unsre Frühlingssaat.
Blumen sterben, wo die Sohle
Eines erznen Kriegers geht;
Traurig liegt das Röschen, die Viole,
Jedes Blümchen auf zertretnem Beet.
O so komm, du Friede, nieder,
Sänftige der Krieger Sinn.
Tausend Deutsche, alle brav und bieder,
Grüßen dich, du Himmels-Königin.
1782
Film ab
Im Abspann des Films wird darüber informiert, dass alle 15 Minuten Maurice Ravels Komposition „Bolero“ irgendwo auf der Welt erklinge. Dabei hätte es den meisterlichen Ohrwurm fast nicht gegeben, denn der Komponist war von seinem Stück zunächst so wenig überzeugt, dass er überredet werden musste, es überhaupt zu veröffentlichen. Und bei der Uraufführung als Ballett hielt er dessen erotische Interpretation durch die russische Tänzerin Ida Rubinstein, die Ravel beauftragt hatte und der das Stück gewidmet ist, für so vulgär, dass er die Vorstellung zeitweise verließ … Die Uraufführung wurde ein fulminanter Erfolg.
Vom üblichen Biopic-Kinoeinerlei hebt der Film sich sehr wohltuend ab – durch seine langsame, einfühlsame Erzählweise und durch gehaltvolle, psychologisch stimmige Dialoge. Geprägt wird das Geschehen insbesondere von dem offenbar lebenslangen Hang des erwachsenen Ravel zum Vergrübeltsein und zu Melancholie, wozu persönliche Schicksalsschläge wie das fünfmalige Scheitern, vor einer Kommission für ein vierjähriges Stipendium (Studium an der Kunstakademie) zu bestehen, und der Tod der ihm eng verbundenen Mutter beigetragen haben. Auch um die Asexualität Ravels – aus seinem ganzen 62-jährigen Leben ist keine einzige ausgelebte Beziehung bekannt – macht der Film keinen Bogen, ohne allerdings Spekulationen über deren Ursachen Raum zu geben.
In späteren Jahren soll Ravel gesagt haben, der „Bolero“ sei das einzige Meisterwerk, das er je zustande gebracht habe – „leider enthält er keine Musik“.
„Bolero“, Regie und Drehbuch (Mit-Autorin): Anne Fontaine; derzeit in den Kinos.
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„Flow“ hat den diesjährigen Oscar als Bester Animationsfilm völlig zu Recht gewonnen, denn die Animationen sind phantastisch. Und teils anrührend, ohne auf die Tränendrüsen zu drücken. Von den 140 Minuten ist keine einzige langweilig, obwohl nicht jede davon im herkömmlichen Sinne auch verständlich ist. Aber warum sollte man angesichts grandioser Farben und Bilder auch unbedingt alles verstehen müssen …
Ansonsten sind im world wide web Fake News und Kokolores über den Streifen im Umlauf, dass es einem die Schuhe auszieht:
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„Lebensfrohe schwarze Katze überlebt Flutwelle“ (NDR). Nonsens: Zum Überleben à la long fehlen in der von einer augenscheinlich alttestamentarischen Katastrophe heimgesuchten Welt des Films einfach zu viele Grundvoraussetzungen.
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Der Film „kommt ohne Text aus, ist aber von reichhaltigen Tierlauten durchzogen“ (Wikipedia). Fake News: Außer gelegentlichem Miauen und Bellen kommt „Flow“ auch nahezu ohne weitere Tierlaute aus.
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„Der lettische Animationsfilm ‚Flow‘ […] macht glücklich.“ (Spiegel) Schwachsinn: Dem betreffenden Rezensenten wäre vermutlich auch mit einem Akuttermin beim Psychiater nicht mehr zu helfen.
Die den gesamten Film bis kurz vor Schluss beherrschende Szenerie, für die im Übrigen nicht der Ansatz einer Erklärung geliefert wird, wirkt, als hätte Gott sich entschieden, die Sintflut zu wiederholen und dabei den Kardinalfehler des ersten Durchlaufs zu vermeiden: Dieses Mal existieren danach Menschen offenbar nicht mehr. Wenn man sich den derzeitigen Zustand der Welt betrachtet: Könnte man das Gott wirklich verübeln?
„Flow“, Regie und Drehbuch (Mit-Autor): Gints Zilbalodis; derzeit in den Kinos.
Fliegen lernen
Das ist eines der wenigen Bücher, wo mensch nicht weiß, was schöner ist – der Text oder die Bilder. Beides zusammen ist auf alle Fälle ein Kunstwerk – und das ideale Geschenk für alle Gelegenheiten, d.h. für Menschen, die gerade auf der Suche nach ihrem weiteren Weg sind, als auch für Menschen, die einfach glücklich und zufrieden sind.
Eckhart von Hirschhausen beschreibt seine für ihn bedeutsame Begegnung mit einem Pinguin, die nicht nur ihn zum Innehalten und Nachdenken angeregt hat, sondern durch die Erzählung davon auch andere Menschen. Das Buch endet mit Berichten derselben über den Einfluss dieser Geschichte auf ihre Gedanken- und Lebenswelt. „Lebenshilfe“ ist ein großes Wort – dieses kleine Buch kann dazu beitragen, indem es Menschen anregt, über ihr Leben nachzudenken und sich solche Fragen zu stellen wie: Was kannst du? Was willst du? Wann hast du Freude? Wann haben andere mit dir Freude? Wie kannst du jeden Tag kleine Schritte in diese Richtung tun?
Wem diese Fragen „zu groß“ erscheinen, der könne auch kleine Schritte gehen: Was waren am heutigen Tag drei Momente, die besonders schön waren? Was lief besser als erwartet? Was hat mich positiv überrascht?
Die tollen Bilder inspirieren dabei (leider kann eine Rezension keine Bilder enthalten – fällt mir erstmals auf und ich bedaure es sehr). Teilweise sind sie mit Sprüchen unterlegt wie „Shit happens. Mal bist du die Taube, mal bist du das Denkmal.“ oder: „Warum willst du so sein wie andere? Andere gibt es schon genug.“
Das Buch wirft auch Fragen auf nach unserem Umgang mit der Natur beziehungsweise der Erde. Wem gehört eigentlich die Antarktis? – Niemanden, darauf hatte sich die Staatengemeinschaft 1959 geeinigt – aber wer weiß das schon und wer hält sich daran? Insofern schließt das Buch mit dem wichtigen leider oft vergessenen Hinweis: Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.
Dr. med. Eckart von Hirschhausen: Der Pinguin, der fliegen lernte. Eine Geschichte über das Leben, die Liebe und das Glück. Mit Fotografien von Stefan Christmann, dtv, München 2025, 167 Seiten, 14,99 Euro.
Egonek konnte auch anders
Egon Erwin Kisch, Der rasende Reporter, Spitzname Egonek, war handfestem Nonsens offenbar nicht abgeneigt. Das war und ist der Weltbühne (Wb), Ausgabe 31/1985*, zu entnehmen. Unter Bezug auf den 1985 erschienenen Reportagenband „Kisch war hier“ von Klaus Haupt und Harald Wessel wurde den Lesern „eine literaturgeschichtliche Sensation“ enthüllt: Kisch habe „im Paris der dreißiger Jahre mit einem gewissen Jürgen Kuczynski literarische Leistungsvergleiche im gehobenen poetischen Genre ausgetragen – im Dichten von Stabreimen“!
Leider wartete Herbert Rudolf, der Autor der betreffenden Wb-Bemerkung mit dem Titel „Apokryphes von Kisch?“ nur mit einem einzigen Beispiel auf. Das allerdings hatte es in sich:
Errötend sah die keusche Magd,
wie hinterm Zaun der Moische kackt.
Das Ganze, also der Beitrag in der Weltbühne, hatte allerdings ein Nachspiel, denn natürlich handelt es sich hier – der sachkundige Blättchen-Leser wird bereits gestutzt haben – nicht um einen Stab-**, sondern vielmehr um einen Schüttelreim. Das monierte Jürgen Kuczynski denn auch in einem Brief an die Redaktion, der in der Ausgabe 33/1985 zum Abdruck kam. Harald Wessel (JK: „mein so gebildeter Freund“) wurde konzediert, lediglich „Kischs enorme Begabung für Schüttelreime mit einer solchen für Stabreime verwechselt […]“ zu haben. Herbert Rudolf hingegen kam nicht so glimpflich davon. JK geißelte das „kulturelle Verbrechen Rudolfs, Schüttelreime ‚ein dubioses Freizeitschaffen‘ zu nennen. Nein, wir lassen uns das kulturelle Erbe von K. und K. (Kisch und Kuczynski), die die größten Schüttelreimer der internationalen Arbeiterbewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts*** waren, nicht rauben […].“ Und: „Ich meine, Herbert Rudolf und leider mit ihm noch so viele andere haben noch viel zu lernen, bevor sie die ganze kulturelle Bedeutung des Schüttelreims und ähnlicher Formen der edlen Dichtkunst voll erfassen. Das sollte ihm, da er doch ganz offenbar eine Begabung für Stabreime hat, nicht allzu schwerfallen. Wenn man die Reimdichter in drei Gruppen erfaßt:
die überaus begabten,
die Baum und Raum reimen,
die mittelbegabten,
die Droschke und Moschee reimen,
die schlechten,
die Amsel und Sandbank reimen,
dann kann man Rudolf als Stabreimer doch zu der ersten Gruppe zählen.“
* – Fündig geworden ist die Redaktion in den gesammelten Jahrgängen der Weltbühne von 1976 bis 1993, die sich – handlich in Halbjahresbänden eingebunden – dank einer Spende aus Leserhand im Blättchen-Archiv befinden. Wer ältere Jahrgänge ab 1945 bis 1975 oder auch aus den Exiljahren der Weltbühne – in gebundener Form – abgeben möchte, setze sich bitte per Mail mit der Redaktion (redation@das-blaettchen.de) in Verbindung. Alle weiteren Jahrgänge von 1905 bis 1933 sind bereits im Bestand.
** – Beispiel: Milch macht müde Männer munter.
*** – Man kann dieses Ranking durchaus goutieren, obwohl Fachleute darauf verweisen, dass auch der an der Münchner Räterepublik führend beteiligte und 1934 von den Nazis im KZ Oranienburg ermordete Schriftsteller und Publizist Erich Mühsam ein aussichtsreicher Kandidat fürs Treppchen wäre:
Wer dichten will, der thäte gut,
Er macht‘ es so, wie‘s Goethe thut.
Von deutschen Dichtern lies am meisten,
die, die soviel wie Mühsam leisten.
Sinfonischer Wirtshauspop
Sie kennen sich schon seit vielen Jahren. Doch als Trio mit dem Bandnamen LIND haben sie sich erst vor kurzem zusammengeschlossen.
Die langjährig Aktiven präsentieren eine musikalische Melange der wirklich besonderen Art: Benno „Cellini“ Gerlach (Gesang, Cello), Karl Helbig (Gesang, Saxofon, Tuba) sowie Tim „Doc Fritz“ Liebert (Gesang, Waldzither, Mundharmonika, Stomp).
Den hieraus entwickelten Musikstil bezeichnen sie selbst als „sinfonischen Wirtshauspop“ oder „zeitlosen Trad’n’Roll“.
Dieses Trio verkörpert eine ungeheure Lebens- und Spielfreude. Das Repertoire umfasst selbstgeschriebene Titel, klassische Adaptionen und Bearbeitungen traditioneller Stücke aus Thüringen und Sachsen.
Das Eröffnungslied „Vorm Glas“ dreht sich um das Trinken. Im Booklet wird ausdrücklich betont, dass es sich um ein Trinklied mit einer philosophischen Komponente (daher kein Sauflied) handelt. Das Lied „Julisand“ basiert auf einem Gedicht von Wolfgang Borchert.
LIND widmet sich aber auch zeitkritischen Themen. So basiert der Song „Flut“ auf dem sogenannten Jahrhunderthochwasser der Elbe vor gut einem Jahrzehnt. Ein musikalisch wilder Zwischenteil in diesem Lied soll deutlich machen, wie wütend die drei Musiker ob der menschlichen Ignoranz unserer Umwelt gegenüber sind.
Vergleiche mit Folkgruppen aus den 1970er und 1980er Jahren wie Zupfgeigenhansel oder Biermösl Blosn taugen nur bedingt. LIND offeriert einen eigenen, frischen Sound. Und es gelingt ihnen spielend der Spagat zwischen volkstümlichen Klassikern und moderner Folk-Musik.
LIND: De Leit, CD, Label CPL Music, 2024, ca. 16 Euro.
Zwei Bücher
Goethe und der Frieden
Immer wieder findet ein Krieg ganz in unserer Nähe statt. Als es uns so richtig bewusst wurde, fand ein großes Totschießen in Jugoslawien statt. Hier mischte die Nato mit und auch Deutschland schickte Waffen, Flugzeuge und Soldaten. Nun ist schon wieder in Europa Krieg, denn Russen und Ukrainer schlagen sich bekanntlich die Köpfe ein. Aus Deutschland gibt es Waffen und Gelder ohne Ende. Dabei geht es gar nicht so sehr um die friedliche Beilegung des Konflikts und um die Rettung der Menschen. Es geht, wie man bei Trumps Forderungen sehen kann, einfach nur um Bodenschätze und Getreide. Krieg fand in der Welt schon immer statt, da die Menschheit einfach nicht anders kann und die kriegslüsterne Schraube im Hirn leider nicht bei allen festgezogen wurde. Gut ist, dass die Gruppe der Kriegsgegner immer größer wird. Dazu gehören auch berühmte Menschen aus der Kultur, Musiker und vor allem Schriftsteller, die ihre Meinung gegen den Krieg in Büchern und Schriften festhalten und damit manchen Denkanstoß vermitteln. Johann Wolfgang Goethe war auch ein Kriegsgegner. Er hat in vielen Gedichten, Theaterstücken und vor allem in Briefen immer seine Meinung mitgeteilt, die sich gegen den Krieg richtete und bei vielen Gelegenheiten trat er für den Frieden ein. Nun sammelten Mario Leis und Marisa Quilitz alles von Goethe zusammen, was gereimt oder nicht gereimt gegen den Krieg und für den Frieden verfasst wurde. So schrieb er für die Versöhnung und verurteilte Gewalt und kriegerische Aktionen. Das vorliegende Buch ist äußerst aktuell und die Ausschnitte stammen u.a. aus „Egmont“, aus Briefen und Reden. „Süßer Friede, Komm, ach komm in meine Brust!“
Mario Leis, Marisa Quilitz (Hrsg.): Goethe und der Frieden, Reclam Verlag, Ditzingen 2024, 143 Seiten, 7,00 Euro.
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Zentralcomputer in der DDR
Mit dem Buch kam ich erst einmal nicht zurecht, da ich nicht der Computermensch bin und ab und an mit der ganzen modernen Technik auf Kriegsfuß stehe. In der DDR begegnete ich der elektronischen Technik eher zufällig, ich hörte nur, dass in Westdeutschland immer bessere und kleinere Technik auf den Markt kam und in den Firmen, Haushalten und in der Schule Einzug hielt und bald nicht mehr wegzudenken war. Ok, ich kannte so manchen EDV-Raum, in dem riesige Anlagen standen und Lochkarten mit Daten erzeugt wurden. In der Landwirtschaft, in der ich tätig war, kam Hightech erst gegen Ende der DDR zum Einsatz. Ein Gewächshaus wurde etwa von einem Zentralcomputer gesteuert, der das Öffnen der Fenster und das Gießen und den Pflanzenschutz steuerte. Nun las ich René Meyers Buch „Von Robotron bis Poly-Play“ und bin immer noch ganz fasziniert. Robotron, Mikroelektronik Erfurt und Elektronische Bauelemente Teltow hießen die führenden Betriebe und es gab 10.000 Beschäftigte, die Computer, Bauelemente und Zubehör fertigten. Zum Weltniveau gehörte das Material aus der DDR nie, auch wenn man das „Programm zur Entwicklung, Einführung und Durchsetzung der maschinellen Datenverarbeitung“ herausbrachte. Es gab aber dann trotzdem Spielekonsolen, Haushaltsgeräte, Taschenrechner und dazu kreative Köpfe und eine sich entwickelnde junge Computerszene. Renè Meyer hat bereits über sechzig Fachbücher geschrieben und eine Sammlung von Heimcomputern und Spielekonsolen aus fünf Jahrzehnten zusammen getragen. Der Streifzug durch die Computerwelt der DDR hat mich schließlich gepackt, da er spannend geschrieben ist und alles enthält, was ich bisher nicht wusste. Wer einmal mit Lesen angefangen hat, kann nicht mehr davon lassen. Mein Exemplar hat nun ein Comuterfreak, der es begeistert liest, obwohl es noch ein richtiges Buch mit Seiten zum Umblättern ist.
René Meyer: Von Robotron bis Poly-Play. Computer und Videospiele in der DDR , Das Neue Berlin, Berlin 2024, 288 Seiten, 20,00 Euro.
Aus anderen Quellen
„Könnte Russland denn wirklich beabsichtigen, Deutschland und Westeuropa anzugreifen. Und welchen Sinn sollte das haben? Was könnte Russland in Westeuropa wollen?“, fragt Wolfgang Bittner und fährt fort: „Es gibt weder Rohstoffe noch gäbe es strategische Vorteile. Was aber will die westliche Allianz? Da geht es seit Langem schon darum, Russland zuerst zu ruinieren und dann wirtschaftlich und strategisch zu vereinnahmen.“
Wolfgang Bittner: Vorbereitungen auf den Krieg, uncutnews.ch, 13.03.2025. Zum Volltext hier klicken.
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„Antworten Sie ruhig ganz ehrlich“, fordert Egon W. Kreutzer auf: „Krieg führen zu wollen ist ja keine Schande, sondern steht gleichwertig neben dem Wunsch, in Frieden zu leben. Beides hat seine Nachteile, beides hat seine Vorteile. Von daher wäre die Frage, ob Krieg geführt werden soll, die klassische Frage für eine Volksabstimmung überhaupt. Fragt man aber das Volk, dann droht die Gefahr von Zufallsmehrheiten. Und nichts ist schlimmer als das. Zu Recht werden Zufallsmehrheiten von wahren Demokraten gefürchtet. Da ist die Furcht des Teufels vor dem Weihwasser ein Dreck dagegen. Besser ist es da schon, das Parlament zu befragen. Da ist man an der richtigen Adresse. Deswegen heißt die Bundeswehr ja auch Parlamentsarmee – und nicht Volksarmee.
Egon W. Kreutzer Hätten Sie gerne Krieg mit Russland?, egon-w-kreutzer.de, 04.03.2025. Zum Volltext hier klicken.
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„Mitte Februar“, Tristan Coloma, „erreichte der Preis für eine Feinunze Gold (31,104 Gramm) rund 2900 US-Dollar. Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs des Goldpreises in den vergangenen Monaten stellt sich für die Akteure an den internationalen Goldmärkten zwangsläufig die Frage, ob demnächst ein Einbruch oder zumindest eine Kurskorrektur bevorsteht. Oder wird der Goldpreis doch endlich die symbolische Schwelle von 3000 US-Dollar überschreiten? […] Diese Fragen sind umso drängender, weil das gelbe Edelmetall vor einem Jahr nur rund 2000 US-Dollar pro Unze kostete. Innerhalb der letzten 12 Monate gab es also einen Wertzuwachs von rund 45 Prozent.“
Tristan Coloma: Weltgoldrausch. Warum der Goldpreis immer weiter steigt, monde-diplomatique.de, 13.03.2025. Zum Volltext hier klicken.
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Deutsche Medien berichteten jüngst über Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND), wonach das Corona-Virus doch einem entsprechenden wissenschaftlichen Labor im chinesischen Wuhan entstammen könnte. Diese Erkenntnisse sollen durch die aktuelle Bundesregierung unter Kanzler Scholz (SPD) ebenso vor der Öffentlichkeit zurückgehalten worden sein wie unter dem Vorgängerkabinett unter Kanzlerin Merkel (CDU). Eine umfangreiche Recherche der Investigativjournalisten Georg Mascolo und Holger Stark dazu wurde von der Zeit und der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht und kann hier leider nicht verlinkt werden, da Bezahlschranken den Zugang limitieren.
In der Recherche geht es unter anderem um eine Sitzung im Kanzleramt am 04.04.2023 zum Thema „Aktuelle Diskussionen zum Ursprung von Sars-CoV-2“, an der Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) teilnahmen. Christian Drosten, Virologe und Charité-Professor, der während der Pandemie einer der wichtigsten Regierungsberater war, referierte den neuesten Stand der Forschung: Es gebe keinerlei wissenschaftliche Belege für einen Ursprung durch eine gentechnische Veränderung oder einen Laborunfall, für die Theorie einer natürlichen Herkunft seien hingegen weitere Indizien hinzugekommen.
Jetzt hat Drosten zu den BND-Erkenntnissen Stellung genommen: „Ich kann […] schon allein mangels Datenzugang kein wissenschaftliches Urteil abgeben.“
„Drosten: Keine Einschätzung zu BND-Daten über Corona-Ursprung möglich“, sueddeutsche.de, 13.03.2025. Zum Volltext hier klicken.
Letzte Meldung
Zum Redaktionsschluss bestätigte der Bundesrat das riesige Schulden- und Rüstungspaket mit großer Mehrheit, welches der Bundestag in seiner letzten Sitzung gegen die Stimmen von Linken, BSW, FDP und AfD und wenigen Abweichlern aus Union, SPD und Grünen beschlossen hatte. Manche Gegner des Pakets hofften auf das Verfehlen der nötigen Zweidrittel-Mehrheit. Dazu kam es nicht, da Bayern (CSU mit den Freien Wählern), Bremen (SPD mit den Linken) und Mecklenburg-Vorpommern (ebenso SPD mit den Linken) im Bundesrat zustimmten. Das wird den Linken vermutlich für längere Zeit nachgetragen werden. Lediglich die Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz enthielten sich.
Schlagwörter: Alfons Markuske, Bolero, Bundesrat, Christian Daniel Friedrich Schubart, Clemens Fischer, Computer, Corona, Currywurst, DDR, Der Pinguin, Die Linke, Dummheit, Eckart von Hirschhausen, Egon Erwin Kisch, Erich Mühsam, Flow, Frieden, Goethe, Gold, jühau, Jürgen Kuczynski, Klein Zaches, Krieg, LIND, Mario Leis, Marisa Quilitz, Renate Hoffmann, René Meyer, Robert Musil, Russland, Schüttelreim, Stabreim, Thomas Behlert, Thomas Rüger, Viola Schubert-Lehnhardt, Volkswagen, Zinnober