24. Jahrgang | Nummer 9 | 26. April 2021

Bemerkungen

Zittern vor den Russen? Unbedingt!

Um der russischen (und chinesischen) Bedrohung auch künftig trotzen zu können, sei es unbedingt erforderlich, dass alle NATO-Staaten ihre Rüstungsausgaben auf mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern. Das fordern die USA ziemlich ultimativ seit Jahren, und das wird der deutschen Öffentlichkeit auch von einschlägigen einheimischen Politikern regelmäßig eingetrichtert. Damit befasst sich in der aktuellen Ausgabe des in Potsdam erscheinenden Magazins WeltTrends Hellmut Hoffmann, Botschafter a. D. und von 1982 bis 2016 im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik.

Hoffmann konstatiert, dass „das Zwei-Prozent-Ziel politisch große Wirkungskraft entfaltet“ habe. Und: „Die meisten Medien unterstützen es in ebenso frappierender wie oberflächlicher Einmütigkeit.“ Allerdings: „Dem aufmerksamen Betrachter müsste auffallen, dass eine sicherheitspolitisch fundierte Begründung für dieses Ziel im Sinne des Lagebeurteilungs-Einmaleins jedes Stabsoffiziers, nämlich: 1. Feindlage, 2. Eigene Lage, 3. Bewertung, 4. Entschluss, nie geliefert wird. Wenn unter ‚Feindlage‘, von mancherlei spekulativen Zuschreibungen über ‚Absichten‘ (intentions) abgesehen, keine auf Streitkräftepotentialen (capabilities) fußende Realanalyse gebracht wird, lässt sich eine seriöse Bewertung der verteidigungspolitischen Lage nicht vornehmen und schon gar nicht ein fundierter Entschluss fassen. Unter den einschlägigen Studien schießt die der Münchner Sicherheitskonferenz den Vogel ab, indem sie auf 224 Seiten 43 Schaubilder zu allen möglichen Themen aufbietet, kein einziges jedoch zu einem NATO-Russland- oder EU-Russland-Streitkräftevergleich, obwohl die Autoren Russland offen als potentiellen Gegner identifizieren.“

Der Autor fragt folgerichtig: „Ist dies noch Nicht-Information oder bereits Des-Information?“ Denn: „Wenn man sich […] die Mühe macht, die vom renommierten Londoner Institute for Strategic Studies (IISS) veröffentlichten Daten zu den weltweiten Rüstungsanstrengungen zu betrachten, erkennt man Kräfteverhältnisse, die den insinuierten deutlich zuwiderlaufen“:

  • Verteidigungshaushalt (in Milliarden US-Dollar): NATO 1048, davon USA 738; Russland 43; China 193;
  • Aktives Personal: 2019 (in Millionen): NATO 3,2, davon USA 1,8; Russland 0,9; China 2,0;
  • Flugzeugträger: NATO 16, davon USA 11; Russland 1; China 1;
  • Kampfflugzeuge und Bodenkampflugzeuge: NATO 5043, davon USA 3002; Russland 711; China 1558;
  • Luftüberwachungsflugzeuge: NATO 134, davon USA 111; Russland 18; China 29;
  • Angriffshubschrauber: NATO 1290, davon USA 862; Russland 414; China 276;
  • Kampfpanzer: NATO 9042, davon USA 2509; Russland 3300; China 5650;
  • Artillerie: NATO 26271, davon USA 6941; Russland 5754; China 9406.

Fazit: „Im Licht dieser Daten wird klar, warum die Verfechter des Zwei-Prozent-Ziels Streitkräftevergleiche zu dessen Begründung nicht heranziehen“ – weil „der mit der Zwei-Prozent-Forderung suggerierte Nachholbedarf der NATO in Bezug auf Russland und China ein Fall von fake news ist“.

Sarcasticus

Risikoabwägung

In seinem höchst unterhaltsamen Buch „Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen“ (22. Auflage, 2018) präsentiert Rolf Dobelli in einem Kapitel mit dem Untertitel „Warum Sie für das Nullrisiko zu viel bezahlen“ folgendes Beispiel: „Angenommen, Sie müssen Russisch Roulette spielen. Die Trommel Ihres Revolvers hat Platz für sechs Patronen. Sie drehen die Trommel wie ein Glücksrad, halten den Revolver an Ihre Stirn und ziehen den Abzug. Erste Frage: Wenn Sie wissen, dass sich vier Patronen in der Trommel befinden – wie viel wären Sie bereit zu bezahlen, um zwei der vier Patronen aus der Trommel zu entfernen? Zweite Frage: Wenn Sie wissen, dass der Revolver nur eine einzige Patrone enthält – wie viel Geld wäre es Ihnen wert, um diese eine Patrone entfernen zu dürfen?“

Nicht ganz unerwartet fährt der Autor fort: „Für die meisten Leute ist der Fall klar: Sie sind bereit, im zweiten Fall mehr zu bezahlen, weil damit das Todesrisiko auf null sinkt.“

Doch dann kommt’s: „Rein rechnerisch macht das keinen Sinn, denn im ersten Fall reduzieren Sie die Sterbenswahrscheinlichkeit um zwei Sechstel, im zweiten Fall um nur ein Sechstel. Der erste Fall sollte Ihnen also doppelt so viel wert sein.“

Rein rechnerisch argumentiert Dobelli völlig korrekt, allerdings mit dem klitzekleinen Haken, dass man im Falle der stärkeren Risikominimierung um zwei Sechstel zwar glasklar gerechnet hätte, im Falle des Falles aber trotzdem tot wäre. Es scheint also Situationen im Leben zu geben, in denen das Bauchgefühl gegenüber dem klaren Denken signifikant von Vorteil ist …

Thaddäus Faber

Neue US-Atombomben nach Europa

Dass die an sechs Standorten in fünf europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande, Türkei) stationierten US-Atombomben durch das stark verbesserte Modell B61-12 ersetzt werden sollen, war bereits vor zehn Jahren Thema im Blättchen (siehe zum Beispiel Ausgabe 17/2011).

Zum aktuellen Stand der Dinge haben die US-Experten Hans M. Kristensen und Matt Korda in der Januar-Ausgabe 2021 des Bulletins of the Atomic Scientists folgendes mitgeteilt: „Die NATO arbeitet an einer umfassenden Modernisierung des Nuklearpotentials in Europa, die die Aufrüstung [upgrading] von Bomben, Flugzeugen und des Waffenlagersystems umfasst. Die B61-12 ist schätzungsweise zwölf Fuß lang, wiegt etwa 825 Pfund und ist für den Abwurf aus der Luft entweder im ballistischen oder im Schwerkraftmodus vorgesehen […]. Die B61-12 soll ab 2022-2024 in Europa eingesetzt werden. Zu diesem Zeitpunkt werden die älteren B61-3- und B61-4-Bomben an die Vereinigten Staaten zurückgegeben. Die B61-12 wird […] mit einem steuerbaren Leitwerk ausgestattet sein, um die Genauigkeit und die Abstandsfähigkeit zu erhöhen, was es den Einsatzplanern ermöglicht, für bestehende Ziele eine geringere Sprengkraft zu wählen, um Kollateralschäden zu reduzieren. Die erhöhte Genauigkeit wird den taktischen Bomben in Europa die gleichen militärischen Fähigkeiten verleihen wie den strategischen Bomben in den Vereinigten Staaten. Obwohl die B61-12 nicht als ausgewiesener Erdeindringkörper konzipiert wurde, scheint sie eine begrenzte Fähigkeit zur Erddurchdringung zu besitzen, was ihre Fähigkeit erhöht, unterirdische Ziele in Gefahr zu bringen.“

Sollten die B61-12 bis spätestens 2024 am deutschen Atombombenlager – dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel – eingetroffen sein, wird dafür allerdings kein deutsches Trägersystem mehr zur Verfügung stehen, da die derzeitigen Kampfbomber vom Typ Tornado, die die Vorgängermodelle der B61-12 transportieren können, nicht über die notwendige technische Ausstattung für das neue System verfügen. Bekanntlich will die Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer deshalb US-Jets vom Typ F-18 „Hornet“ las Atomwaffenträger einkaufen – für mindestens 7,67 Milliarden Euro, so die Angabe der Süddeutschen Zeitung.

hpg

Authentisch und schnoddrig – ein Rockpalast-Konzert 1985

Konzerte im WDR-Rockpalast hatten in den achtziger Jahren Kultcharakter. Die verantwortlichen Organisatoren bewiesen meist ein gutes Händchen bei der Wahl der beteiligten Künstler.

An einem Abend im Februar 1985 waren in der Hamburger Markthalle der kanadische Songwriter Bruce Cockburn und der Berliner Liedermacher Manfred Maurenbrecher zu bestaunen.

Dreizehn Lieder von Maurenbrecher aus dessen Konzertteil sind nun auf einer CD-/DVD-Veröffentlichung zu finden.

Durch die Kooperation mit dem umtriebigen Rockmusiker Herwig Mitteregger (unter anderem Mitglied der Ex-Nina Hagen Begleitband Spliff) gelang es in der ersten Hälfte der 80er Jahre, dass MM einen Plattenvertrag bei dem Majorlabel CBS erhielt. Und mit seiner damaligen Begleitband konnte sich Maurenbrecher auf dem musikalischen Podium des WDR präsentieren.

Auch schon in seinen frühen Künstlerjahren war MM ein genauer Beobachter des Alltags. Und mit seiner für ihn charakteristischen Schnoddrigkeit komprimierte er dessen Besonderheiten zu Liedertexten, die ihn – bis zum heutigen Tage – als aufmerksamen und sensiblen, aber beileibe nicht zynischen Zeitgenossen auszeichnen.

Tom Waits, einer seiner musikalischen Vorbilder, findet sich in der Setlist mit dem von MM übersetzten Lied „In der Nachbarschaft“ wieder.

Da aus sattsam bekannten Gründen derzeit keine Konzerte stattfinden können, bietet die Rockpalast-Ausgrabung zumindest einen gewissen Ersatz.

Maurenbrecher war und ist ein sehr authentischer Künstler, dem eher die Rolle eines klugen und wortmächtigen Außenseiters zukommt. Anfang Mai kann er übrigens seinen 71. Geburtstag feiern – herzliche Glückwünsche an den seit über vierzig Jahren unverständlicherweise unterbewerteten Künstler!

PS: Und wer noch mehr O-Ton von Manfred Maurenbrecher aus der damaligen Zeit möchte, dem sei die soeben erschienene Buchveröffentlichung „Der Rest ist Mut – Vom Liedermachen in den Achtzigern“ (be.bra Verlag, April 2021) empfohlen.

Thomas Rüger

Manfred Maurenbrecher: Live at Rockpalast 1985, CD/DVD 2021, MIG-Label; 18,99 Euro.

Covid-Nassauer

Murphy’s Law besagt bekanntlich: „Anything that can go wrong will go wrong.“ („Alles, was schiefgehen kann, wird schiefgehen.“). Und das Pandemie-Hickhack der Bundesregierung und zahlloser weiterer Akteure liefert gerade wieder einmal Beispiele in Fülle für die ungebrochene Relevanz dieses Gesetzes.

Etwa die Sache mit den Krankenhäusern.

Von März bis September 2020 zahlte der Staat (also wir alle, die wir Steuern entrichten) eine Pauschale von 560 Euro, wenn Krankenhäuser Betten freihielten – je Bett und Tag. In Erwartung eines rasanten Anstiegs der Covid-19-Patientenzahlen.

Besonders profitiert davon haben, wie inzwischen aktenkundig ist, die rund 500 Psychiatrischen Kliniken im Land – also jene Häuser, die für die Aufnahme von Covid-Patienten grundsätzlich am wenigsten geeignet waren und sind. Denn weder verfügen die in der Regel über Beatmungsgeräte noch Intensivstationen, vom geeigneten Fachpersonal für die Behandlung einer Lungenkrankheit ganz zu schweigen. Iris Hauth, zuständig in der Geschäftsleitung der Alexianer, eines katholischen Krankenhaus-Konzerns mit gut einer Milliarde Euro Umsatz im Jahr, für die Psychiatrie-Sparte mit mehr als 2000 Betten an verschiedenen Standorten, resümierte denn auch folgerichtig: „Wir haben in unseren Fachkliniken nie einen Covid-Patienten zugewiesen bekommen.“ Und: „Intensivpatienten hätten wir auch nicht behandeln können.“

Kassiert wurde trotzdem: Dank der Pauschale haben 80 Prozent aller deutschen Psychiatrie-Kliniken in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres mehr verdient als in Vorjahren. Und da mit der Zahl ihrer (abgewiesenen) stationären Patienten auch die eigenen Kosten gehörig heruntergefahren werden konnte, belief sich das Plus unter dem Strich auf knapp eine Milliarde Euro.

Als es nach einem Vierteljahr auch den Verantwortlichen im Gesundheitsministerium allmählich schwante, dass die Pauschalregelung offenkundig ohne störenden Sachverstand verzapft worden war; wurde die Freihalteprämie für die Psychiatrien aber nicht etwa abgeschafft, sondern – halbiert. Gezahlt wurde weiter …

Alfons Markuske

Rechenexempel

Mal angenommen, Ihnen unterbreitete jemand das Angebot, Ihnen 30 Tage lang entweder a) täglich 1000 Euro, insgesamt also 30.000 Euro, zu zahlen oder b) am ersten Tag 1 Cent, am zweiten Tag 2 Cent, am dritten 4 Cent, am vierten 8 Cent und so weiter. Für welche Variante würden Sie sich spontan entscheiden?

Da Sie seit reichlich einem Jahr durch Corona und Corona-Bekämpfung ordentlich malträtiert, aber auch einschlägig fortgebildet sind, entscheiden Sie sich natürlich für Variante – b). Denn mögen Sie zwar auch weiterhin kein Experte für Wachstumsverläufe sein, so haben Sie doch inzwischen reichlich von exponentiellem (das heißt besonders rasantem) Wachstum* gehört:

  • „Die Christian Drostens der Republik haben schon früh gewarnt, dass die Zunahme der Corona-Infektionen exponentiell und nicht linear ist“ (taz, 24.03.2020);
  • „Das Wachstum ist sogar super-exponentiell“ (DIE WELT, 16.10.2020);
  • „angesichts eines […] dramatischen exponentiellen Anstiegs der Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus“ (Bundeskanzlerin Merkel, Regierungserklärung vom 26.11.2020);
  • „Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach glaubt an keine Umkehr des exponentiellen Wachstums“ (Berliner Zeitung, 03.2021);
  • „Wir sind in der dritten Welle und im exponentiellen Wachstum“ (Bundeskanzlerin Merkel, Regierungserklärung vom 03.2021.)

Und so brächte Ihnen Ihre Entscheidung für Variante b) schließlich über 5,3 Millionen Euro ein. Dagegen wären die 30.000 von Variante a) – Peanuts.

Andererseits – hätte es bei den Corona-Fallzahlen exponentielles Wachstum gegeben, dann hätte Aussicht bestanden, dass es vom Nachweis der ersten Infektion in Deutschland (gesetzt als Tag eins) an keine 28 Tage, also nicht mal einen Februar lang, gebraucht hätte, um alle 83 Millionen Einwohner (Stand: 2019) zu infizieren. Nur gut, dass uns die facettenreiche Corona-Bekämpfung der Bundesregierung und der anderen „Christian Drostens der Republik“ vor diesem Schlimmsten bewahrt hat …

Hannes Herbst

* – Dazu Wikipedia: „Exponentielles Wachstum […] beschreibt ein mathematisches Modell für einen Wachstumsprozess, bei dem sich die Bestandsgröße in jeweils gleichen Zeitschritten immer um denselben Faktor vervielfacht. Der Wert der Bestandsgröße kann im zeitlichen Verlauf […] steigen (exponentielle Zunahme) […]. Ein solcher Verlauf kann […] durch die Verdopplungszeit […] eindeutig angegeben werden. Anders als lineares […] Wachstum verursacht exponentielles Wachstum auch bei anfangs nur kleinen Veränderungen im weiteren Verlauf deutlich größere, so dass ein exponentielles Wachstum ab einem bestimmten Zeitpunkt jedes lineare […] Wachstum um Größenordnungen übersteigt.“

Aus anderen Quellen

Dank Bundesverfassungsgesetz ist der vom Berliner Senat erfundene Mietendeckel erst einmal wieder perdu. Heribert Prantl hat daran einiges auszusetzen: „Karlsruhe war der Meinung, dass für so einen Deckel das Land nicht zuständig ist, dass der Bund ihn produzieren müsste. Ob dieser Deckel passt, wie dieser Deckel passt, ob er zu groß oder zu klein oder objektiv untauglich ist, ob und wo und wie und wann so ein Deckel helfen könnte, um die Mietpreisexplosionen […] zu stoppen – die höchsten Richterinnen und Richter sagen zu all dem weder Muh noch Mäh. Das, was sie zur Zuständigkeit schreiben, ist nachvollziehbar; aber war es auch zwingend, hier Schluss zu machen? Wie die gewaltigen Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen sind – dafür hat sich das Bundesverfassungsgericht anscheinend nicht interessiert. Es hat das Berliner ‚Mietdeckel-Gesetz‘ einfach formal vom Tisch gewischt. Kurzum: Es ist dies eine unbefriedigende, ja ärgerliche Entscheidung.“

Heribert Prantl: Prantls Blick – die politische Wochenvorschau, sueddeutsche.de, 18.04.2021. Zum Volltext hier klicken.

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Im Spätherbst 2020 hatte eine von NATO-Generalsekretär Stoltenberg einberufene Expertengruppe, der unter anderem der frühe Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière präsidierte, ein Strategiepapier zur Reform des Paktes vorgelegt und dabei einen Fokus auf die russische Bedrohung gelegt; Titel: „NATO 2030: vereint für eine Neue Ära“ (zum Wortlaut hier klicken). Am 12.03.2021 hat sich eine Gruppe hoher ehemaliger französischer Offiziere kritisch mit diesem Papier auseinandergesetzt – auch um „eine Bestandsaufnahme über die Ursachen und die Realität dieser russischen Bedrohung vorzunehmen, und zwar anhand einiger historischer Erinnerungen. Denn in der Tat beginnt die Geschichte ja nicht im Jahr 2014, und es ist ein Zeichen […] historischer Böswilligkeit in bezug auf die europäisch-amerikanisch-russischen Beziehungen, […] von der Beschwörung der ‚konstruktiven Partnerschaft‘, die von der Nato Anfang der 1990er Jahre ins Leben gerufen worden sei, direkt zur Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 überzugehen, als ob zwischen 1991 und 2014, zwischen dem ‚netten Russland‘ von damals und dem bösen ‚russischen Bären‘ von heute, nichts passiert wäre.“

„Europa nicht unter US-amerikanische Vormundschaft stellen“, zeit-fragen.ch, o. D. Zum Volltext hier klicken. (Zum Original hier klicken.)

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Im Hinblick auf die auf dem Fliegerhorst der Bundesluftwaffe in Büchel in der Eifel lagernden US-Atombomben behaupten deren Befürworter – wie etwa Bundesaußenminister Maas (SPD) oder die Regierungen Polens wie auch der baltischen Staaten – ja bekanntlich, dass diese für die NATO-europäische Sicherheit nachgerade unverzichtbar seien. Kürzlich hat allerdings Oliver Meier, Experte am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) darüber informiert, dass die USA heimlich, still und leise „ein Drittel aller Atombomben aus Europa abgezogen“ haben. Maier kommentierte: „Die Stille rund um diese Verringerung verblüfft. Zu Zeiten des Kalten Krieges hätte ein so signifikanter Abzug von Atomwaffen Schlagzeilen gemacht. Nun also eine erhebliche Reduzierung der US-Atomwaffen in Europa, ohne dass dies in Berlin kommentiert oder erkennbar in Brüssel diskutiert wird. Diese Leerstelle lässt […] Rückschlüsse auf die politische und militärische Bedeutung der in Europa stationierten US-Waffen zu.“

Unberührt vom jetzigen Abzug bleibt aber das Vorhaben der USA, die verbliebenen veralteten Bomben in Kürze gegen das stark verbesserte Modell B61-12 auszutauschen (siehe dazu weiter oben in diesen Bemerkungen).

Oliver Meier: Heimlich abgerüstet, zeit.de, 13.03.2021. Zum Volltext hier klicken.

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Die weltweiten „Rüstungsexporte“, so Herbert Wulf, „sind weiterhin auf einem hohen Niveau, die Militärhaushalte steigen weiter, die Rüstungsindustrie boomt und die Rüstungskontrollverhandlungen stecken in einer Sackgasse. Angesichts der verstärkten geopolitischen Rivalitäten erleben wir das Gegenteil von einem ‚Vorstoß für Frieden und Versöhnung‘. Wir stehen am Anfang eines neuen Wettrüstens […].“

Herbert Wulf: Globaler Rüstungsboom, ipg-journal.de, 06.04.2021. Zum Volltext hier klicken.

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Beim Hamburger Nachrichtenmagazin DIE ZEIT war Christoph Dieckmann (aufgewachsen in Dingelstedt und Sangerhausen, Theologiestudium in Leipzig und Berlin) als Chronist von Neufünfland, auch Ferner Osten geheißen, lange Einzelkämpfer. In einem Kollegengespräch aus Anlass seines 65. Geburtstages sagte er zu diesem Blatt, das „in Ostdeutschland so wenig gelesen wurde“ (Hensel / Machowecz) unter anderem: „Ein riesiges Problem, nicht nur der ZEIT, sondern aller überregionalen Westblätter vom Spiegel bis zur FAZ. Theo Sommer (Chefredakteur, später Herausgeber der ZEIT) fragte mich: ‚Warum verkaufen wir im Osten nur drei Prozent der Auflage?‘ Ich sagte: ‚Herr Sommer, wir haben hundert Redakteure. Einer davon kommt aus dem Osten, das ist ein Prozent. Wenn wir drei Prozent unserer Zeitungen im Osten verkaufen, dann nenne ich diese Bilanz beglückend!‘“

Jana Hensel und Martin Machowecz: „Das war eine Exotenrolle“, zeit.de, 05.04.2021. Zum Volltext hier klicken.

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„Bei ‚Hunger‘“, schreibt David Signer, „denkt man an die ärmsten Länder der Welt, an Bürgerkriegszonen, gescheiterte Staaten und Dürregebiete wie Tschad, Zentralafrika oder Haiti. Die USA hingegen sind die wirtschaftsstärkste Nation der Welt. Und trotzdem grassiert hier der Hunger. 54 Millionen Amerikaner, also etwa ein Sechstel, waren Ende letzten Jahres auf Unterstützung angewiesen. Noch im Jahr 2019 betraf die Ernährungsunsicherheit 10,5 Prozent der Bevölkerung; durch die Pandemie hat sich dieser Anteil in den USA laut einer Studie des Think-Tanks Brookings Institution mehr als verdoppelt. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung hat also nicht immer Zugang zu Essen. In Familien ist der Wert sogar noch bedeutend höher. Und dies in einem Land, das mehr Nahrung produziert, als konsumiert werden kann.“

David Signer: Einst waren sie Ärzte oder Elektrotechniker – heute stehen sie für eine kostenlose Mahlzeit an. In Amerika grassiert der Hunger, nzz.ch, 07.04.2021. Zum Volltext hier klicken.

Letzte Meldung

Während den um sich greifenden Corona-Depressionen durch nahezu täglich neue Tatarenmeldungen der Treibstoff nicht ausgeht, wird Positives häufig einfach zu schnell übersehen: Nach der neuesten Vermögensstatistik des amerikanischen Institute for Policy Studies konnten die weltweit 2365 Milliardäre ihre Vermögen zwischen dem 18. März 2020 und dem 18. März 2021 um rund vier Billionen Dollar oder um 54 Prozent steigern.
Chapeau!
Ob trotz oder gar wegen Corona interessiert bei solchen Zahlen eigentlich nur noch am Rande …