Erklärung
Für den Fall,
dass dieser Staat,
wo ich arbeite,
einem zweiten Staate,
wo andre Leute arbeiten,
den Krieg erklärt,
erklär ich
jenen Leuten
schon heut
den Frieden.
Der Bremer Schriftsteller Otmar Leist (1921–2012) sprach dieses Gedicht erstmals am 10. Oktober 1981 auf der Groß-Kundgebung gegen den NATO-Doppelbeschluss im Bonner Hofgarten.
23 Prozent
Im Zeitraum von 2017 bis 2021 war Saudi-Arabien nach den Angaben von Statista Research Departement der größte Empfänger konventioneller Rüstungsexporte der USA. Genau 23 Prozent der Lieferungen des weltgrößten Waffenlieferanten gingen an die letzte absolute Monarchie auf unserem Planeten. Jetzt kam die Watsche. Nicht zuletzt auf Druck der Saudis hatte das Ölförderkartell OPEC Plus am 5. Oktober verkündet, ab November täglich zwei Millionen Barrel Rohöl weniger fördern zu wollen. Nachdem sich die führenden Politiker des Westens beim saudischen Kronprinzen und Regierungschef Mohammed bin Salman gegenseitig die Klinke in die Hand gaben – ihre Empörungsstatements nach der Ermordung Jamal Khashoggis ließen sie sicherheitshalber zu Hause – verkündeten sie allesamt, dass die westliche Energieversorgung gesichert sei. Ja, man werde auf der Arabischen Halbinsel gleichsam den Standort grüner Energiegewinnung qualifizieren. Und nun das …
US-Präsident Joe Biden drohte grimmig: „Das wird Konsequenzen haben.“ Sein Parteifreund Ro Khanna sekundierte greinend: „Sie [also die Saudis – GH] bekommen fast 73 Prozent ihrer Waffen aus den Vereinigten Staaten. Wir sind buchstäblich für die gesamte Luftwaffe Saudi-Arabiens verantwortlich. Wenn wir wegen Putin in einer Krise sind, wenn wir mehr an der Zapfsäule bezahlen, sollte ein Verbündeter, dem wir seit Jahrzehnten helfen, versuchen, uns Amerikanern zu helfen. Stattdessen schaden sie uns.“ Offenbar plant Washington Sanktionen – mit Datum 30. Februar 2023 … Ich gehe jede Wette ein: Diesen „Festlandsdegen“ wird man nicht fallen lassen. Eher lässt das Weiße Haus die Ukraine sausen.
Als Deppen stehen am Ende die Westeuropäer da.
BARLACH IN GÜSTROW
Geh hin, wohin
dir niemand folgt.
Schreib, was
uns eingeschrieben steht.
Hände, Füße, Gesicht
entwachsen dem Berg,
dem Baum. Was hält uns
zusammen, wenn die Engel
eingeschmolzen sind? Das
Erhabene, zeitlos, entrückt
uns den Zeiten. Würde ist
Bewegung im Schmerz, dem
heimatlichen. Hinter Feuern
löschen Tränen die Finsternis,
rufen mich Bronze, Holz. Geh,
wie Du kannst, Wanderer,
Wind. Der Augenblick
wird kommen, der dich
sichtbar macht.
September 2022
Ein Präzedenzfall …
Adolf Hitler hielt die Rede, aus der dieser Auszug stammt, am 26. September 1938. Vier Tage später würde das Münchner Abkommen unterzeichnet:
Zehn Millionen Deutsche befanden sich außerhalb der Reichsgrenze in zwei großen geschlossenen Siedlungsgebieten: Deutsche, die zum Reich als ihrer Heimat zurückwollten! […] Es gibt eine Grenze, an der die Nachgiebigkeit aufhören muß, weil sie sonst zur verderblichen Schwäche würde.
Ich hätte kein Recht, vor der deutschen Geschichte zu bestehen, wenn ich die zehn Millionen einfach gleichgültig preisgeben wollte. Ich hätte dann auch kein moralisches Recht, der Führer dieses Volkes zu sein. Ich habe genug Opfer des Verzichts auf mich genommen.
*
Wladimir Putin am 1. Oktober 2022 bei der Verkündung des Anschlusses der Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson an die Russische Föderation:
Die Sowjetunion gibt es nicht mehr. Man kann die Vergangenheit nicht zurückholen. Russland braucht es heute auch nicht. Wir wollen es nicht. Aber es gibt nichts Stärkeres als den Willen von Millionen von Menschen, die sich aufgrund ihrer Kultur, Sprache, Traditionen als Teil Russlands verstehen, deren Vorfahren jahrhundertelang in einem Staat nebeneinander gelebt haben. Es gibt nichts Stärkeres als den Willen dieser Menschen, in ihre wirkliche historische Heimat zurückzukehren.
*
Daniela Dahn irrt, wenn sie meint, dass „hoffnungsvolle Erwartungen [hinsichtlich „patriotischen Gewinns von einem Krieg“] höchstens noch politische Eliten, mit ihren für die Völker maßlos überzogenen Prioritäten geopolitischer Erwägungen“, hegen würden. So jedenfalls behauptet sie in ihrem neuen Buch „Im Krieg verlieren auch die Sieger“. Die Bilder aus Russland – und den annektierten Gebieten! – strafen diese These Lügen.
Aus dem öffentlich-rechtlichen Universum
Man erinnert sich – als dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Lande die jüngste Gebührenerhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat verweigert worden war (Sachsen-Anhalt hatte sich quergestellt), hub ein Geschrei an in den Sendeanstalten von ARD und ZDF mit dem Tenor: Ohne das zusätzliche Geld sei der Verfassungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – die „Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, dies in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinung beschränkten, sondern jede Vermittlung von Information und Meinung umfassenden Sinne“ (Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz) – gefährdet.
Und da könnte durchaus was dran sein! Denn bevor auch nur eine einzige Fernsehminute von „Der Bergdoktor“, den ubiquitären SOKOs (Potsdam, Köln, Wismar, Leipzig, Kitzbühel, sonstwo) oder den immer grottigeren sonntäglichen „Tatorten“ produziert werden kann, müssen erstmal die vertraglich zugesicherten Saläre der Spitzenkräfte und deren sonstige Apanagen bezahlt werden. Das summiert sich für die Gebührenzahler im Falle des WDR-Häuptlings Tom Buhrow schon mal auf schlappe knapp 750.000 Euro pro Jahr (411.000 Gehalt, 337.000 Pensionsrückstellungen). Plus 7er BMW mit Massagesitzen.
Ein weiteres hübsches Raffke-Beispiel aus dem Umfeld der (geschassten) rbb-Skandal-Intendantin Patricia Schlesinger wurde jetzt ruchbar: 2020 hatte die Dame einen Dienstvertrag für die juristische Direktorin des rbb unterschrieben, der dieser ein (finanziell) stressfreies Leben bis zum seligen Ende verbrieft: Demzufolge erhält die andere Dame eine Grundvergütung von 195.000 Euro brutto jährlich sowie eine „variable Vergütung“ von bis zu 8,33 Prozent, außerdem eine monatliche Aufwandsentschädigung von 250 Euro plus eine Kfz-Pauschale von 500 Euro. Noch nicht genug? Keinesfalls! Denn nach der Berentung muss ja auch gelebt werden können. Dafür steht der Direktorin ein lebenslanges Ruhegeld zu. Dieses soll 50 Prozent der vereinbarten Vergütung plus variabler Anteil betragen, jährlich rund 106.000 Euro. Mit jedem weiteren Dienstjahr erhöht sich das Ruhegeld um einen Prozentpunkt, bis zur Höchstgrenze von 60 Prozent. Und weil man damit kaum große Sprünge machen kann, darf die Rentnerin, „ohne dass eine Anrechnungspflicht besteht“, kräftig dazuverdienen – vor der Rente bis zu einer Höhe von 50 Prozent des Nettobetrages aus der zuletzt vereinbarten Gesamtvergütung und in der Rente dann gar 90 Prozent. Auch für die Hinterbliebenen ist gesorgt. Im Todesfall sichert der Vertrag dem (hoffentlich) trauernden Witwer ein Witwengeld von 60 Prozent des Ruhegeldes zu, also derzeit mindestens rund 60.000 Euro jährlich. Gleichzeitig profitiert nicht nur dieser. Mit einem sogenannten „Sterbegeld“ bedacht werden neben dem Ehepartner auch leibliche sowie angenommene Kinder, Geschwister und …
Doch keine Bange – der Verfassungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist deswegen nicht in Gefahr. Die Sendeanstalten konnten sich die abgelehnte Gebührenerhöhung per Verfassungsbeschwerde ja schließlich doch noch ertrotzen!
Zwölf Regeln zur Züchtung krimineller Kinder
„Zwölf Regeln zur Züchtung krimineller Kinder“ hat die Ortspolizei einer kanadischen Stadt in der Zeitschrift Industry (Toronto) im Jahr 1964 veröffentlicht. Sie lauten:
1. Erfüllt euren Kindern von klein auf jeden Wusch. Sie wachsen dann im Glauben auf, dass die Welt zu ihrem Unterhalt verpflichtet sei.
2. Wenn sie hässliche Ausdrücke aufschnappen, so lacht darüber. Eure Kinder bilden sich dann ein, gescheit zu sein und werden dadurch ermutigt, noch „gescheitere“ Wendungen aufzuschnappen, die euch dann später um Kopf und Kragen bringen.
3. Verweigert euren Kindern jegliche geistige Erziehung. Wartet damit bis zu ihrer Volljährigkeit und lasst sie dann selber entscheiden.
4. Verwendet nie das Wort „falsch“. Es könnte in euren Kindern zu einem Schuldkomplex führen. Damit entwickelt ihr in ihnen die Anlage dazu, dass sie später, wenn sie einen Wagendiebstahl ausführen, des Glaubens sind, die Gesellschaft stünde gegen sie und drangsaliere sie.
5. Sammelt alles auf, was eure Kinder um sich herum liegen lassen: Bücher, Schuhe, Kleidung. Tut alles für sie, damit sie lernen, jede Verantwortung auf andere zu schieben.
6. Lasst sie jedes Druckerzeugnis, dessen sie habhaft werden können, lesen. Achtet darauf, dass Essbestecke und Trinkgläser keimfrei sind, aber sorgt dafür, dass eure Kinder ihre geistige Nahrung aus der Mülltonne beziehen.
7. Streitet euch häufig in Gegenwart eurer Kinder. Damit erreicht ihr, dass sie nicht allzu entsetzt sind, wenn später die Familie zerbricht.
8. Gebt euren Kindern an Taschengeld, was sie verlangen. Lasst sie nie selber etwas verdienen. Warum sollten sie etwa so schwer erarbeiten, wie ihr es habt tun müssen?
9. Gebt jedem Wunsch eurer Kinder nach Essen, Trinken und Bequemlichkeit nach. Seid auch darauf bedacht, dass ihre sinnlichen Triebe Befriedigung erfahren. Ihnen ihre Wünsche versagen, könnte bei ihnen zu schädlichen Verdrängungen führen.
10. Nehmt stets ihre Partei gegen Nachbarn, Lehrer und Polizei. Sie alle sind gegen eure Kinder eingenommen.
11. Geraten eure Kinder wirklich in Schwierigkeiten, so entschuldigt euch selber mit den Worten: „Wir haben nie etwas für sie tun können.“
12. Seid auf ein Leben voll Kummer und Schmerz vorbereitet. Ihr werdet es vermutlich bekommen.
Archiv für Kriminologie 134. Band 1964.
Grüne Friedenspolitik – ein Euphemismus?
Der Parteitag von Bündnis 90 / Die Grünen tagte als 48. Bundesdelegiertenkonferenz mit über 800 Delegierten vom 14. bis zum 16. Oktober 2022 in Bonn. Nach außen verlief er überwiegend in Harmonie. Doch bereits im Vorfeld gab es große Irritationen: Genehmigt und mitgetragen von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock wurden deutsche Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien. Nach Informationen des SPIEGEL nickten auch die beiden Minister der Grünen Mitte September die Deals der Bundesregierung mit einer Diktatur ab, die den weltweiten „Export“ des radikalen Wahhabismus vorantreibt, die Frauen unterdrückt, Regimekritiker hinrichtet sowie für Tod und Hunger im benachbarten Jemen maßgeblich verantwortlich ist. Nur „eigentlich“ sind seit 2018 direkte deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien wegen des Krieges in Jemen verboten. Trotzdem dürfen die Saudis nun Ausrüstungsteile, Bewaffnung und Munition für die Kampfflugzeuge Eurofighter und Tornado einkaufen. Über die Beteiligung an europäischen Rüstungsprojekten mit Großbritannien, Frankreich und Spanien und Deutschland genehmigte der Bundessicherheitsrat die Exporte für die deutsche Rüstungsindustrie. Der Bundeskanzler reiste wenig später nach Saudi-Arabien.
Auf dem Parteitag spielte dieses kontroverse Thema keine große Rolle mehr. Es brodelte nur noch hinter den Kulissen. Zwar wurde ein Antrag verabschiedet, in dem der Bundessicherheitsrat aufgefordert wird, „zu einer vollständigen Umsetzung des Waffenembargos für Saudi-Arabien zurückzukehren“, doch das ist nur für die Galerie, nicht für die konkrete Politik gedacht.
In ihrer Rede sprach Baerbock zwar von den „Dilemmata“ vor denen sie stehe und davon, es gäbe Momente, in denen die Werte und Normen der Grünen „aufeinanderclashen“ würden. Ihre überraschende Schlussfolgerung: Fortsetzung und Stärkung europäischer Rüstungskooperation, um Geld zu sparen, das dem Sozialstaat fehle, wenn dies nicht geschehe. DER SPIEGEL spitzte es so zu: „Eurofighter für Saudi-Arabien, um die Kindergrundsicherung finanzieren zu können?“ Es sollte noch berichtet werden, dass die Grünen in Bonn erneut eine „feministische“ und „wertegeleitete“ Außenpolitik beschlossen. Dazu die Außenministerin forsch fordernd: „Frau, Leben, Freiheit – das ist der Maßstab für unsere Politik. Das muss der Maßstab für alle Regierungen weltweit sein.“
Müßig zu erwähnen ist, die Grünen wollen die Ukraine mit allem unterstützen, was von dort angefordert wird und was Bundeswehr und Rüstungsindustrie bereitstellen können. Zahlreiche Redner, darunter Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, beenden ihre Beiträge mit den Worten „Slawa Ukrajini!“, was mit „Ruhm der Ukraine!“ zu übersetzen ist, und in den 1930er und 1940er Jahren der Schlachtruf der faschistoiden Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) Stepan Banderas war. Heute ist es der offizielle Gruß der ukrainischen Streitkräfte. Pazifistische Ursprünge bei Grünen im Westen und bei Mitgliedern von Bündnis 90 im Osten scheinen marginalisiert zu sein. Im Zweifel siegt der Pragmatismus der Regierenden über alle Prinzipien, auch die einer ehemaligen Friedensbewegung.
Der Berichtsteil zu Diskussionen und Beschlüssen um die Laufzeitverlängerung von AKW und um deren Anzahl wurde wegen seiner extrem kurzen Halbwertszeit nach einem (Ohn-)Machtwort des Kanzlers vom Autor gestrichen.
Live im Stahlwerk der DDR
DDR-Blues und Pop sind abgearbeitet, ebenso Punk und Jazz, nun wird noch etwas auf der Heavy-Metal-Welle gehämmert. Die „Heavys“, die laut Statistiken der Staatssicherheit nach den Skinheads in den 1980er Jahren die größte Subkultur bildeten, waren zunächst unerwünscht, da sie sich mit Klängen westlicher Herkunft beschäftigten. Im DDR-Fernsehen fand Heavy Metal niemals statt, auch Platten gab es fast nicht.
Die Fans sparten ihr Geld und besorgten sich in Ungarn wichtige Pressungen, aber auch Material für die Herstellung von typischem Outfit. Eingeschmuggelte Metal-Zeitschriften aus der BRD und Aufnahmen auf Kassetten gingen von Hand zu Hand. Als das mit der Heavy Metal Musik nicht mehr aufhören wollte, schaltete sich die FDJ ein und organisierte für willige Musiker Auftrittsmöglichkeiten und Übungsräume. Der Jugendsender DT 64 rief die Sendung „Tendenz Hard bis Heavy“ ins Leben. Immer mehr Bands gründeten sich, die vor allem für die Fans die Originale nachspielten und ab und an eigene Songs kreierten, die sie sogar im Rundfunk aufnehmen konnten.
Die aktuelle Box des Labels „Buschfunk“ enthält erst einmal „Live im Stahlwerk“ von der Combo Formel 1, die laut und vernehmlich rufen: „Willste nicht uffstehn“, den „Fußballfan“ beschreiben und eine Geschichte vom „Eddie“ vorstellen. Grandios auch „Mach keine Wellen“, das herrlich dreckig, knallschotend und vernehmlich einen fast leeren Raum ausfüllt. Noch einmal Norbert Schmidt (voc), Wolfgang Densky (g), Detlef Dudziak (bg), Peter Finck (dr) und den aus der Slowakei stammenden und einstmals bei den Jazzrockern Collegium Musicum mitwirkenden Andrey Horvath hören und sich daran erinnern, wie sie bei den Konzerten Bands aus dem kapitalistischen Ausland (Iron Maiden, Saxon, Black Sabbath) mehr als nur nachspielten. Weiter gibt es in der schmalen Box den Sampler „Kleeblatt Nr. 22“, der zu einer Serie gehörte, die neue Bands vereinigte und sich hier an die Heavy-Metal-Szene anschleimte. Mit dabei sind Plattform, MCB und Cobra, die den „Einstufungstest“ vor den staatlichen Behörden bestanden und trotzdem ordentlich auf Gitarren und Schlagzeug einprügelten. Die Drei beriefen sich auf Judas Priest, Saxon und Running Wild und vermischten den Sound kräftig mit eigenem Material. Cobra wollte als Poserband gelten und präsentierte live eine abgefahrene und bunte Bühnenshow. Plattform sangen krachende und knackende Lieder, z.B. „Heavy Braut“. Ganz verrückt trieben es MCB aus Magdeburg, mit denen Amiga ein ganzes Album aufnehmen wollte, welches aus kulturpolitischen Gründen nie veröffentlicht wurde. Nun gibt es drei Lieder (sic!), die Leidenschaft auf Speed und Black Metal aufzeigen. Um im Rundfunk gespielt zu werden, nahmen MCB „Eisenmann“ und den Knaller „Heavy Mörtel Mischmaschine“ (Yeah, was für ein Titel!) auf. Neben den zwei offiziellen Veröffentlichungen legte man der Box drei Alben bei, die Rundfunkmitschnitte enthalten und die Vielfältigkeit der DDR-Metal-Szene aufzeigen. Auf „Speed Up“ sind Merlin, Headless (Berlin) und Hardholz aus Tambach-Dietharz (Thüringen) verewigt. Die Musiker aus dem Thüringer Wald hatten sich Metallica aus Vorbild auserkoren und wegen einiger Verbote erst nach der Wende eine „Best Of“ veröffentlichen können. Immer dabei das Power-Stück „Wieland der Schmied“. Mit Speed Metal und Halloween im Kopf verarbeiteten Merlin vor allem historische Themen, sangen über den Zauberer Merlin und König Artus.
Die Zusammenstellung „Tendenz Hard bis Heavy“ vereinigt die besten Songs aus der gleichnamigen Radiosendung. So gibt es Crystal und Biest, die 1986 trotz Schlägerei im Görlitzer Kulturhaus „beste Amateur-Heavy Band der DDR“ wurden. Slayer und Grave Digger hätten ihre helle Freude an Biest gehabt. Mit dabei außerdem Feuerstein, die sich an Motörhead versuchten und stimmlich viel zu bieten hatten. 1975 fanden sich Babylon, die 1983 das Keyboard verbannten und sich an AC/DC und Krokus abarbeiteten. Den Song „Geisterstunde“ hörte man 1988 auf dem Album „Dynamit“ wieder, das allerdings sehr abgeschwächt und blutlos in die Läden kam. Schließlich wagte sich die FDJ sogar an ein Heavy-Metal-Festival. Am 3. März 1988 kam es in der Hauptstadt der DDR zu einer Vereinigung der bekanntesten Heavy Metal Bands. Neben Biest, Plattform, Merlin und Cobra durften auch Dr. Rock, Pharao und Mephisto den „Palast“ zum Einsturz bringen. Was etwas später die BRD vollendete.
AMIGA Heavy Metal. Various, 5-fach-CD, 2022, Buschfunk, 25,95 Euro.
Unglaublich?
Das Bundesgesundheitsministerium hat das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL wissen lassen, dass 800 Millionen (sic! für jeden Einwohner des Landes demzufolge zehn) Corona-Schutzmasken aus der Nationalen Notreserve – der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zu Beginn der Pandemie rund 5,8 Milliarden Masken für sechs Milliarden Euro kaufen lassen – entsorgt werden müssten, weil sie ihr Haltbarkeitsdatum überschritten hätten. Deshalb würden sie nun „thermisch verwertet“, ergo der Müllverbrennung zugeführt. Erste Ausschreibungen fänden gerade statt.
DER SPIEGEL dazu: „Nun ist bekannt, dass selbst Millionen Jahre altes Himalayasalz binnen kurzer Zeit abläuft, sobald es in Deutschland in Umlauf gebracht wurde. Allerdings frage ich mich, welche Mängel dazu führen könnten, dass die Masken nach nicht einmal drei Jahren unbrauchbar würden. Ist das Gummiband ausgeleiert? Ist der Stoff porös? Hat das Metallteil im Nasenbereich Rost angesetzt?“
Und setzt noch einen drauf: „Man kann nur hoffen, dass bei der ‚thermischen Verwertung‘ nun wenigsten noch etwas Fernwärme abfällt.“
Aus anderen Quellen
Angesichts der Gefahr, dass der Ukraine-Krieg zu einem alles vernichtenden Atomkrieg eskalieren könnte, vertritt Daniela Dahn den Standpunkt, dass „die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen zurücktreten“ müsse. „Souveränität ist ein hohes Gut, aber auch ein relatives, das an Höhe verliert, wenn dagegen der Zusammenbruch der Weltwirtschaft, des Weltklimas, also der Lebensgrundlage der Menschheit in Stellung gebracht wird. Es mag ja sein, dass die Frage, ob die Ukraine als souveräner Staat weiterexistieren kann, derzeit die zweitwichtigste Frage der Welt ist; die wichtigste aber bleibt auf immer die Frage, ob die Menschheit weiterexistieren kann.“
Daniela Dahn: Vom Wirbel des Krieges gepackt, berliner-zeitung.de, 11.10.2022. Zum Volltext hier klicken.
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Die Entscheidung der Führung Russlands, „eine Teilmobilisierung vorzunehmen“, könne, so Andrej Kortunov, Generaldirektor des Russischen Rates für Internationale Angelegenheiten (RIAC), „als Weigerung interpretiert werden, taktische Atomwaffen direkt gegen die ukrainischen Streitkräfte einzusetzen. Wäre die Option einer nuklearen Eskalation tatsächlich in Betracht gezogen worden, hätte es kaum eine Notwendigkeit für eine Teilmobilisierung gegeben.“ Zugleich sieht Kortunov ein gravierendes Defizit auf russischer Seite: Es müsse „klar und unmissverständlich definiert werden, welches Ausmaß und welche Form der westlichen Unterstützung für die Ukraine Russland als Überschreitung einer ‚roten Linie‘ ansehen würde. […] Was wir in der gegenwärtigen Situation brauchen, ist ein Höchstmaß an Klarheit, nicht an Unsicherheit. Wie auf dem Schild: ‚Halten Sie sich davon fern – es wird Sie töten‘.“
Андрей Кортунов: Красная линия неясного цвета, kommersant.ru, 07.10.2022. Zum Volltext hier klicken.
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Dmitri Trenin – bis 2021 Chef der Carnegie-Dependance in Moskau und nunmehr Leading Research Fellow am staatlichen russischen Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (IMEMO) – äußerte zum Ukraine-Krieg: „Viele im Land sagen, dass Russland immer noch mit halber Kraft kämpft, […] mit vielen Selbstbeschränkungen. Wie die jüngste Sabotage gegen ‚Nord Stream‘-Trassen in der Ostsee und der aktuelle Terroranschlag auf die Krimbrücke zeigen, haben Russlands Gegner keine solchen Einschränkungen. Die öffentliche Meinung im Land fordert, soweit ich höre, zunehmend, dass die [politische] Führung und das Militärkommando zur Führung eines echten Kriegs übergehen.“
An anderer Stelle lehnte Trenin eine Gleichsetzung der Kuba-Krise von 1962 und der jetzigen Ukraine-Krise als „nicht passend“ ab und begründete dies folgendermaßen: „Die Unterschiede zwischen diesen Situationen sind tiefgreifend und prinzipiell. Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind nicht mit den sowjetisch-amerikanischen vergleichbar. 1962 betrachtete Washington Moskau als gleichberechtigten militärpolitischen und ideologischen Rivalen, war nicht nur zur Konfrontation, sondern auch zu einem Kompromiss mit der UdSSR bereit. 60 Jahre später erscheint Russland der amerikanischen politischen Klasse als zweitklassiges oder sogar drittklassiges Land, das als Elemente der nationalen Macht nur noch Energieressourcen und Kernwaffen hat.“
Яанус Пийрсалу: Подрыв Крымского моста: российская общественность теперь требует полномасштабной войны против Украины, postimees.ee, 10.10.2022. Zum Volltext der deutschen Übersetzung hier klicken.
Дмитрий Тренин: На пути к последней черте, kommersant.ru, 12.10.2022. Zum Volltext der deutschen Übersetzung hier klicken.
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Zum gerade laufenden NATO-Atomkriegsmanöver „Steadfast Noon“ vermerken Oliver Klasen und Claudia Koestler, „dass diesmal stärker als sonst gezeigt werden soll, dass die Nato selbst auf ein Schreckensszenario wie einen Atomkrieg gut vorbereitet ist“.
Oliver Klasen / Claudia Koestler: Das Wichtigste zur Nato-Atomübung, sueddeutsche.de, 17.10.2022. Zum Volltext hier klicken.
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Die Ukraine, so David Goeßmann, „ist nicht der einzige Ort, an dem sich die Atomkriegsgefahr gerade verschärft. Auch der Streit um Taiwan könnte eine gefährliche Eskalationsspirale mit offenem Ausgang starten […]. Es gibt zwar keine expliziten Warnungen vonseiten Chinas und der USA, Atomwaffen einzusetzen. Doch die nukleare Drohung lauert deutlich im Hintergrund.“
David Goeßmann: Kennen Sie den anderen nuklearen Krisenherd der Welt? heise.de, 18.10.2022. Zum Volltext hier klicken.
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Nicht dass man es nicht längst wüsste – auch im Spätkapitalismus schei…t der Teufel immer auf den größten Haufen –, doch über die jeweils aktuellste Bestätigung echauffiert man sich trotzdem jedes Mal wieder aufs Neue: „Die Superreichen werden reicher“, übertitelte die Süddeutsche Zeitung dieser Tage ihren Beitrag über den jährlichen Global Wealth Report der Allianz, der 60 Länder erfasst, und schob ein paar Details nach: „Das reichste Prozent der Gesamtbevölkerung besitzt 42,9 Prozent des globalen Nettovermögens, die Top-Zehn-Prozent der Vermögenden kontrollieren 86 Prozent.“ Und: In den Krisenjahren am meisten profitiert hätten Milliardäre. Ihre Zahl sei seit 2020 um mehr als 570 auf 2668 Personen gewachsen. Diese Gruppe teile sich ein Vermögen von 12,7 Billionen Dollar.
Da aber kein Umsturz der bestehenden Wirtschaftsordnung in Sicht ist und ständiger (Sozial-)Neid womöglich Magengeschwüre verursacht, sollte man es vielleicht doch besser mit einer Maxime halten, die von der deutschen Ex-Bundeskanzlerin sinngemäß folgendermaßen überliefert ist: „Wenn es etwas nützte, würde ich mich jetzt auch aufregen.“
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