23. Jahrgang | Nummer 21 | 12. Oktober 2020

Bemerkungen

Wo landet der deutsche Atommüll?

Das weiß seit Anfang 1977, als der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht verkündete, dass in Gorleben ein nationales Endlager für hochradioaktiven Atommüll entstehen soll – also nach immerhin 43 Jahren – immer noch niemand. Denn Gorleben in der geplanten Form hat die Anti-Atomkraft-Bewegung letztlich den Garaus gemacht. Am 1. Oktober 2000 wurde das Projekt per Moratorium auf Eis gelegt.

Jetzt ist Gorleben auch offiziell erst einmal aus dem Rennen. Denn die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die seit etlichen Jahren nach dem besten Ort sucht, „um hoch radioaktiven Atommüll eine Million Jahre lang“, so die Süddeutsche Zeitung, die damit zumindest den Zeithorizont verdeutlichte, „möglichst sicher zu lagern“, hat jetzt einen Zwischenbericht vorgelegt. Diesem Papier zufolge sind als „geologisch geeignet“ 90 deutsche Teilgebiete mit einer Fläche von mehr als 240.000 Quadratkilometern in der engeren Auswahl – also etwa 54 Prozent des bundesdeutschen Territoriums.

Nur Gorleben eben nicht mehr. Die von der BGE dafür gelieferte Erklärung lässt aufhorchen: Der vorgesehene Salzstock bei Gorleben weise keine durchgängig wasserundurchlässige Deckschicht auf.

Das war nämlich bereits zu Beginn der 1980er Jahre festgestellt worden. Trotzdem haben verantwortliche Politiker und zuständige Behörden weitergemacht, bis insgesamt über 1,6 Milliarden Euro in Gorleben versenkt waren.

Das jetzige BGE-Zwischenergebnis soll dazu beitragen, bis 2031 zu einer Entscheidung über den künftigen Lagerort der hoch radioaktiven deutschen Abfälle – gerechnet wird derzeit mit 27.000 Kubikmetern in rund 1900 Behältern – zu gelangen und ab 2050 mit der unterirdischen Deponierung zu beginnen.

Dass allerdings der Begriff Endlager im Hinblick auf nuklearen Abfall – sobald es sich um Plutonium mit einer Halbwertzeit von circa 25.000 Jahren oder vergleichbare Substanzen handelt – schon per se in die Kategorie Fake News fällt, ist im Blättchen bereits in der Ausgabe 10/2013 ausführlich erläutert worden.

Wolfgang Schwarz

Keine bewaffneten Drohnen – die Drohnendebatte war eine Scheindebatte

Annegret Kramp-Karrenbauer hat bei der Haushaltsdebatte im Bundestag keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Entscheidung für bewaffnete Drohnen jetzt durchdrücken will. Die geplante Bewaffnung der Heron TP ist nur der Anfang. Wenn diese Drohne bewaffnet wird, dann wird die anvisierte Eurodrohne erst recht bewaffnet. Eine entsprechende Beschaffungsvorlage hat die Ministerin ja angekündigt. Die Bundesregierung bereitet den deutschen Einstieg in den Drohnenkrieg vor, als gäbe es in Corona-Zeiten nichts Dringenderes als neue Rüstungsprojekte. Die Bewaffnung von Drohnen ist kategorisch abzulehnen, weil das eine falsche Grundsatzentscheidung ist. Die Kriegsführung, der Einsatz von Sprengmitteln wird damit niederschwelliger, der Trend zur Automatisierung des Krieges ist wird damit gestartet.

Diese Sorge bestätigte kürzlich auch eine neue Studie der Regierungsberater von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP), in der es hieß: „Sollte die Heron TP bewaffnet werden, wäre dies der erste Schritt zur Beschaffung wei­terer deutscher Kampfdrohnen. Dazu gehö­ren die oben erwähnte Eurodrohne wie auch das Future Combat Air System (FCAS). [M]it der Bewaffnung ferngesteuerter Drohnen [ist] auch ein Trend zu autonomen Fähigkeiten verbunden […]. Technische Entwicklungen von Hard- und Software ermöglichen eine eigenständige Navigation und Steuerung. Langfristig wird das System auch imstande sein, in komplexen Lagen dynamische Ziele auszuwählen und zu bekämpfen.“

Die insbesondere vom Verteidigungsministerium veranstaltete sogenannte Drohnendebatte 2020 war von Anfang an ein großer Bluff. Intern hat die Bundeswehr die Vorbereitungen für Kampfdrohnen längst getroffen. Es braucht nur noch ein Ja des Bundestages, dann wird die Heron TP sofort mit Waffen ausgestattet. Dementsprechend einseitig war auch die organisierte Debatte: Drohnenopfer wurden nicht gehört, auch keine ehemaligen Drohnenpiloten, die ihren Einsatz heute teilweise sehr kritisch sehen. Bei jeder Debatte wurde akribisch darauf geachtet, dass diejenigen, die die Drohnen-Bewaffnung befürworten, deutlich ausführlicher zu Wort kommen. Selbst aus den Reihen der Bundeswehr war keine Kritik zugelassen.

Tobias Pflüger

IMI-Standpunkt 2020/051. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von IMI, der Informationsstelle Militarisierung. Mehr Informationen zu IMI im Internet.

Berlins neue „Walküre“

„Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha!“ fegen die Walküren zu Beginn des Dritten Aufzuges wie eine fröhliche Putzfrauenkolonne über die Bühne. Statt Kittelschürze tragen sie aber Brünne und der Heiligen Lanze König Ottos nachempfundene Speere. Sie machen das Schlachtfeld sauber, sammeln die toten Helden auf. Aber nur die ganz Tapferen, denn die dürfen nach Walhalla. Die Feiglinge und die Verlierer sind nutzlos. Die erwählten Helden sammeln sich denn auch im Bühnenrund in blutbeschmierten Unterhosen. So ganz richtig tot scheinen sie aber nicht zu sein. Als testosterongesteuerte Untote fallen sie erst einmal über die Walküren her, die sie offenbar mit den „Wunschmädchen“ Walhallas verwechseln. Generalmusikdirektor Donald Runnicles scheint mit dieser Lesart auch seine Probleme zu haben. Der berühmte Walkürenritt kommt wohl deshalb einigermaßen scheppernd daher in dieser ansonsten von exzellenter orchestraler Qualität geprägten „Walküre“ an der Deutschen Oper Berlin. Wotans Abschied von Brünnhilde ist einfach nur herzergreifend. Überhaupt Brünnhilde – die schwedische Sopranistin Nina Stemme ist ein Erlebnis. Sie beherrscht die von Wagner geforderte sängerische Bandbreite von der Darstellung mädchenhafter Leichtigkeit bis zu tiefster seelischer Not auf eine Weise, die den Saal zu vollkommener Stille zwingt. Wotan, nun ja, in der Vorstellung, die ich sah, tauchte er doppelt auf: John Lundgren war stimmlich indisponiert und konnte nur spielen. Den Gesang hatte der auch dem Berliner Publikum vertraute Johan Reuter aus Kopenhagen kurzfristig übernommen. Nur soviel: Die Notlösung ging auf.
Den neuen Berliner „Ring“ inszeniert der norwegische Regisseur Stefan Herheim. Der hat das Problem, dass die Premiere des „Vorabends“ der Tetralogie, „Das Rheingold“, Corona zum Opfer fiel. Das Publikum wird somit abrupt der Herheimschen Regiekonzeption ausgesetzt. Die ist von der Lektüre her interessant, sie unterwirft den „Ring“ offenbar dem Thema Flüchtlinge und Fluchten. Man kann ja der Tetralogie so allerhand aufbürden, aber nicht alles trägt. Die aufgetürmte Kofferlandschaft bricht denn auf der Bühne auch sukzessive zusammen. Obwohl in der „Walküre“ durchaus geflohen wird: Siegmund und Sieglinde vor den Unhold Hunding, Sieglinde vor der Wut Wotans, der wiederum vor seiner Frau Fricka und der Verantwortung für die Folgen seiner miesen Taten. Die Fluchten sind allerdings Folge, nicht Ursache. Insofern zäumt Stefan Herheim das Pferd vom Schwanze auf. Richard Wagner sucht mit seinem Komponieren den Urgründen menschlichen Handelns oder Nichthandelns auf die Schliche zu kommen. Das macht die Stärke seiner Musik aus. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Siegfried ist ja zu allem möglichen fähig. Fliehen aber ist eigentlich nicht sein Ding.

Wolfgang Brauer

Wieder am 13. und 15. November 2020.

For ever new?

Unter Presseleuten gilt als geflügeltes Wort: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“

Bei Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen (plus der Ost-Stadtteile von Berlin) gilt offenbar aber das ganze Gegenteil – for ever new: Auch 30 Jahre nach dem Anschluss der DDR an die BRD firmiert das Quintett plus weiter unter „neue Bundesländer“. Und ein Ende ist nicht abzusehen.

Das wäre an sich kein Beinbruch, denn das Wort „neu“ hat ja normalerweise Charme oder, wie Heribert Prantl, Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, kürzlich wissen ließ, „Musik in sich“: „Neu ist üblicherweise gut, neu ist modern, neu ist besser als alt. Was neu ist, muss sich nicht rechtfertigen. Es ist schon gerechtfertigt, weil es eben neu ist. Wie gesagt: neu ist gut; neu ist zukunftsfähig; alt ist fragwürdig, neu ist gefragt. Alt trägt ein Fragezeichen, neu ein Ausrufezeichen: Die neue Frau! Der neue Mann! Die neue Struktur! Das neue Image! Die neue Software! Die neuen Tugenden! Das Neue gilt als modern, als fit, frisch, ungewöhnlich, unerhört, als up do date und just in time.“

Wenn aus westdeutscher Eliten- und Mediensicht davon – statt jeweils des diametralen Gegenteils – auch nur irgendetwas auf den Zuwachs in Gestalt der gewesenen DDR zuträfe oder gar meinungsbildend geäußert würde, dann wäre hier ein glühendes Plädoyer fällig, das Begriffspaar „neue Bundesländer“ gefälligst beizubehalten – und zwar once and for all!

Doch wie hat Ex-Bundestrainer Berti Vogts so genialisch formuliert? „Realität ist anders als die Wirklichkeit“.

Nach nunmehr drei Dekaden sollten die Ost-Bundesländer daher künftig nicht mehr als die neuen, sondern besser als die letzten bezeichnet werden.

Denn einerseits sind sie ja seit dem Saarland tatsächlich die letzten (neu) hinzugekommenen.

Zum anderen könnte man das als weiteres politisches Statement gegenüber Polen im Hinblick auf die Endgültigkeit des Abschieds von den früheren deutschen Ostgebieten verkaufen. (Das kann ja nicht schaden, solange die sogenannten Vertriebenenverbände hierzulande immer noch ihr Unwesen treiben und eine große öffentliche Medienanstalt in unmittelbarer Nachbarschaft zur polnischen Westgrenze munter und ganz offiziell als mitteldeutsch firmiert.)

Und last but keinesfalls least erfasst das Letzte das vorherrschende, nicht nur obrigkeitliche westdeutsche Meinungsbild über Neufünfland sowohl inhaltlich als auch vollständig auf das Trefflichste.

Alfons Markuske

Cash Cow Corona?

Wer diese Frage für schieren Blödsinn hält oder wem dazu allenfalls Big Pharma einfällt, der hat sich länger nicht mit dem Staatskonzern Deutsche Bahn befasst.

Rund sechs Milliarden Euro erhält die Deutsche Bahn als Zuschuss vom Bund, ihrem Eigentümer. Pro Jahr, wohlgemerkt. Doch 2020 soll es fünf Milliarden Euro zusätzlich geben – quasi als Transfusion, um Corona bedingte Einnahmeausfälle zu kompensieren.

Der Bundesrechnungshof allerdings fand mehr als nur ein Haar in dieser Suppe. So sei der vom Bahnvorstand im Mai prognostizierte Umsatzeinbruch so gar nicht eingetreten. Zugleich sei ein Gegensteuern, wie es von jedem normalen Unternehmen in der Krise zu erwarten wäre, bisher ebenso wenig zu erkennen wie etwa relevante Einsparungen bei den betrieblichen Kosten. Im Gegenteil: „Vielmehr lagen die Kosten im ersten Halbjahr 2020 insgesamt über dem Vorjahreszeitraum.“

Darüber hinaus habe die Führung der Bahn ihrer Schadensprognose kurzerhand noch weitere offene Rechnungen beigemischt. (Vielleicht für Stuttgart 21?) Oder in der feineren Ausdrucksweise des Bundesrechnungshofes: „Ihre Berechnungen enthalten auch die Folgen nicht Corona-bedingter Verfehlungen ambitionierter Planungen.“

Der Bahnvorstand hat Bund und Öffentlichkeit also offenbar mit getürkten Zahlen getäuscht, um mehr Cash einzustreichen.

Im Volksmund nennt man das kurz und bündig – Beschiss. Der Bahnvorstand wird sicher einen anderen Begriff bevorzugen. Vielleicht – Daseinsvorsorge?

Clemens Fischer

Einwohnende

Der Berliner Senat hat vor wenigen Tagen am 9. September dieses Jahres einen Leitfaden für „Mitarbeitende der Berliner Verwaltung zum diversitysensiblen Sprachgebrauch“ beschlossen. Mit „diversitysensiblen Sprachgebrauch“ könnte der Senat ein Kandidat für den Sprachpanscher des Jahres werden. Angebrachter wäre es gewesen, einen Leitfaden für sprachsensiblen Sprachgebrauch zu entwickeln. Aber leider scheint eine bürgernahe Verwaltungssprache nicht mehr gewünscht oder gefördert zu werden.

Neue Begriffe werden gesucht, um alte, diskriminierend empfundene zu ersetzen. Dagegen ist nichts einzuwenden, das ist oft sogar nötig. Dabei werden allerdings einige sprachliche Kapriolen geschlagen, die zu abstrusen Wortschöpfungen in Neusprech, angelehnt an George Orwells Ministeriums für Wahrheit in dessen Roman „1984“, führen.

Seit einigen Jahren bereits hätte man wissen können, dass im ideologisch determinierten Kampf gegen das generische Maskulinum sprachlich unpräzise Begriffe entstehen. Aus den „Studentenwerken“ wurden für viel Geld in Berlin „Studierendenwerke“ Was bei weitem nicht das Gleiche bedeutet, denn bekanntlich sind nicht alle Studenten gleichzeitig Studierende und nicht alle Studierende sind Studenten.

Aus Ausländern in Berlin sollen nun also Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft werden. Wie geht das? Ein flotter Griff in die Wortbildungskiste der deutschen Sprache entnehme dort das selten gebrauchte Verb „einwohnen“ (Die Oma wohnt im Haus der Kinder ein.), bilde davon ein Partizip Präsens, substantiviere das Ergebnis schnell und schon hat man ein neues Wort erschaffen: Einwohnende. Diese sind zwar nicht immer identisch mit Einwohnern. Aber das macht ja nichts, alles wie gehabt. Den Begriff Einwohner gibt es zwar schon, nur der klingt ja so maskulin, also muß ein neuer her. Diese Mode der sprachideologisch motivierten Partizipialkonstruktionen zum Ersatz existierender und sprachlich genauer Begrifflichkeiten führt zu einem die Semantik (Bedeutung) ins Ungefähre verwässernden Sprachgebrauch. Den sollte der Senat nicht noch beauftragen.

Bleibt er in seiner Sprachpolitik jedoch konsequent, dann müssten bald die Bürgerämter umbenannt werden. Vielleicht in „Ämter für Einwohnende“ oder in „Bürger*innenämter“. Darüber lässt es sich bestimmt noch im Senat trefflich diskutieren.

Jürgen Hauschke

Das verflixte 13. Jahr

Nach der Geburt ihrer Tochter im Vorjahr hätte 2020 für das Künstlerpaar Carolin und Andreas Obieglo, die sich seit 13 Jahren als Carolin No präsentieren, das Jahr werden sollen, in dem sie musikalisch voll durchstarten: erst ein neues Album, danach eine ausgedehnte Konzerttournee durch die deutschen Lande.

Doch die Corona-Pandemie verhagelte diese ambitionierten Pläne. Außer kleineren Gigs und regelmäßigen Streamingkonzerten aus dem unterfränkischen Zuhause ist nur „No No“ geblieben – ihr siebtes Studioalbum.

Die beiden Singer-Songwriter haben dieses Album komplett selbst eingespielt. Carolin No ist hörbar musikalisch gereift. Eingängige Melodien treffen auf Alltagsreflektionen; Zeit und Vergänglichkeit bilden die Klammer dieses Albums, das keine oberflächlichen Alltagsbeschreibungen präsentiert; vielmehr sind ihnen textlich einige einprägsame Wortspiele, aber auch sehr berührende Empfindungen gelungen.

Nicht zuletzt mit seinem niederbayerischen Dialekt sorgt Andi Obieglo auch für schalkhafte Elemente in den Liedern.

Im Lied „Geteilt durch zwei“ heißt es so trefflich:

„So manches dauert,
noch immer viel zu lang,
immer mehr geht viel zu schnell vorbei…“

Carolin No sind dreizehn musikalische Pretiosen geglückt, die hoffentlich in naher Zukunft auch live vorgestellt werden können.

Thomas Rüger

Carolin No: No No, CD 2020, Label: Fuego, 16,00 Euro.

WeltTrends aktuell

Die kritische Begleitung deutscher Außenpolitik gehört seit Start von WeltTrends im Jahre 1993 zum Markenkern dieser Zeitschrift. Dabei wurde von Anfang an Gewicht darauf gelegt, Stimmen aus aller Welt in die deutsche Debatte zu bringen.

Neben Erhard Crome, der sich in der aktuellen Ausgabe der von Thomas Mann aufgeworfenen Frage „Europäisches Deutschland, deutsches Europa?“ widmet, melden sich im Thema Autoren aus sieben Ländern zu Wort – von Frankreich über Polen bis China.

In der Historie analysiert Joachim Krüger das erste Jahr der auswärtigen Politik der DDR.

Im WeltBlick geht es um die Hagia Sophia als Beispiel für die Religions- und neo-osmanische Politik des türkischen Präsidenten Erdogan. Des Weiteren wird die verworrene innen- und außenpolitische Lage der Elfenbeinküste thematisiert.

Wie weiter mit der deutschen Rohstoffstrategie? Damit setzt sich Yann Wernert in der Analyse auseinander. Immerhin ist Deutschland bei Metallen zu 100 Prozent von Importen abhängig.

Nach Meinung vieler deutscher Politiker und Medien ist die Frage der Schuld an der Vergiftung von Alexej Nawalny „natürlich“ bereits gelöst – es kann ja nur „der Mann im Kreml“ gewesen sein. Im Forum stellen jedoch Petra Erler und Alexander Dubowy eine ganze Reihe bedenkenswerter Fragen zur „Causa Nawalny“.

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WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 16 (Oktober) 2020 (Schwerpunktthema: „30 Jahre Berliner Außenpolitik“), Potsdam / Poznan, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Blätter aktuell

Donald Trump steht für den totalen Ausfall der USA als globaler Ordnungsmacht. Allerdings war Ende der 1960er Jahre die Lage durchaus vergleichbar. Der Historiker Bernd Greiner analysiert, wie der damalige US-Chefstratege Henry Kissinger alles seinen und den neoimperialen Ambitionen Präsident Nixons unterordnete und damit bis heute zur Verkörperung eines skrupellosen Intellekts im Dienste möglichst absoluter Macht avancierte.

Die Konfrontation der Weltmächte USA und China ist auch eine Konfrontation zweier Philosophien, so Blätter-Mitherausgeber Micha Brumlik. Ein westlicher, die Menschenrechte ins Zentrum stellender Universalismus wird dabei von einem Universalismus der friedlichen Koexistenz unterschiedlicher Systeme herausgefordert. Dessen Kulturrelativismus ist jedoch alles andere als eine vernünftige politische Option – so sehr die aufstrebende Macht China auch darauf drängt.

Die Corona-Pandemie hat quasi über Nacht einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der öffentlichen Haushaltspolitik erzwungen: die Abkehr vom Dogma eines Staats ohne Neuverschuldung. Genau das aber war hochgradig rational und sollte mittelfristig beibehalten werden, so der Ökonom und Blätter-Mitherausgeber Rudolf Hickel. Statt schnell zur Schwarzen Null zurückzukehren, komme es nun darauf an, die Begleichung der Corona-Rechnung sozial gerecht zu gestalten.

Dazu weitere Beiträge, unter anderem: „Corona-Impfstoff: Speed schlägt Sicherheit“, „Sinn Féin: Von der Guerilla in die Regierung“ und „Mali: Putschisten als Hoffnungsträger?“.

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, Oktober 2020, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.

Aus anderen Quellen

Der Anstieg der Corona-Infektionszahlen in Deutschland hat erneut Fahrt aufgenommen, ohne von einer adäquaten Zunahme schwerer Krankheitsverläufe begleitet zu sein. Vor diesem Hintergrund plädiert Hendrik Streeck, Virologie und Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, für ein rationales Vorgehen: „Positiv ist, dass sich in den vergangenen Monaten unser Gesundheits- und Laborsystem extrem gut entwickelt hat. Die Zahl der Testungen hat sich mehr als verdreifacht. Die Nachverfolgung der Infektionsketten ist optimiert geworden. Und es ist ins Bewusstsein gerückt, wie wichtig unsere Gesundheitsämter sind. […] Dies alles bewirkt, dass 4000 Neuinfektionen pro Tag zurzeit nicht mehr das Gleiche bedeuten, was sie im März und April bedeutet haben. Mit vielen Maßnahmen verringern wir alle gemeinsam also derzeit, dass zu viele Infizierte einen schweren oder gar tödlichen Verlauf erleben.“

Hendrik Streeck: Mehr Pragmatismus im Umgang mit Corona, handelsblatt.com, 08.10.2020. Zum Volltext hier klicken.

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Am 10. Februar 1990 hatte Bundeskanzler Helmut Kohl auf dem Rückflug von seinem damaligen Treffen mit Michail Gorbatschow aus Moskau folgendes in die Kamera gesprochen: „Ich bin dafür, dass das, was sich bewährt hat, und zwar auf beiden Seiten, von uns übernommen werden soll. Es gibt auch Entwicklungen in der DDR in diesen vierzig Jahren, die es sich sehr lohnt anzusehen. Ich bin sehr dagegen, eine Position einzunehmen, die auf Anschluss hinausgeht. Das ist, glaube ich, nicht der richtige Weg.“

Dass und wie dann jedoch genau dieser Weg eingeschlagen und der Anschluss vollzogen wurde, zeigt eine Dokumentation von Frank Dietrich.

Frank Dietrich: DDR – die entsorgte Republik, 3sat, 30.09.2020 (verfügbar bis 29.12.2020). Zur Doku hier klicken.

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Bei der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages im Jahre 1990, so Andreas Flocken, „hatte die Moskauer Führung […] die große Hoffnung auf neue kooperative Sicherheitsstrukturen in Europa. Auch im Westen gab es ja die Hoffnung auf eine ganz neue Sicherheitsordnung. Im November 1990, also nach dem Zwei-plus-Vier-Vertrag, gab es […] den KSZE Gipfel in Frankreich und die Charta von Paris.“ Damit hätte der Zwei-plus-Vier-Vertrag „so etwas wie ein ganz neues Kapitel für das Verhältnis von Ost und West“ aufschlagen können. Dazu, warum das nicht geschehen ist, äußerte Michael Staack, Professor an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg: „[…] weil es den amerikanischen Interessen nicht entsprach. Für die USA war essenziell für ihre Zustimmung zur deutschen Einheit, dass die Bundesrepublik Deutschland […] Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und der NATO bleiben würde. Das geht hinaus über den Deutschlandvertrag aus dem Jahre 1955, in dem nur vorgesehen ist, dass ein vereintes Deutschland der europäischen Gemeinschaft angehören soll. Das heißt also, die USA wollten das Maximum. […] Und deshalb hatten sie kein Interesse […], die Vorstellungen für ein wirklich neues gesamteuropäisches Sicherheitssystem auf der Basis der KSZE zu unterstützen und zu fördern.“

Andreas Flocken: Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages vor 30 Jahren – mit weitreichenden Folgen bis heute, ndr.de, 05.09.2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Der amerikanische Regisseur Jeff Orlowski“, so Julia Bähr, „hat zahlreiche ehemalige Mitarbeiter von Firmen wie Facebook, Twitter, Pinterest und Google vor die Kamera geholt, die zwei Dinge gemeinsam haben: Sie wirken alle erstaunlich jung für ihren teils hochdekorierten Veteranenstatus. Und sie sind der Meinung, dass sie mit ihrer Arbeit dazu beigetragen haben, ein Monster zu erschaffen und von der Kette zu lassen, das heute die Sicherheit und geistige Gesundheit von Milliarden Menschen beeinträchtigt. ‚Die existentielle Bedrohung ist nicht die Technologie, sondern ihre Fähigkeit, das Schlechteste aus der Gesellschaft herauszuholen‘, sagt Tristan Harris, der früher bei Google war und seit Jahren für mehr Ethik in der Tech-Branche kämpft. ‚Dieses Schlechteste ist die existentielle Bedrohung.‘“

Das „Monster“, von dem bei Bähr die Rede ist, sind die sogenannten Sozialen Medien. Die Dokumentation von Orlowski ist in deutscher Version derzeit zwar nur beim Bezahldienst Netflix abrufbar, doch schon Bährs Beitrag ermöglicht aufschlussreiche Einblicke.

Julia Bähr: Sind wir dieser Technologie wirklich gewachsen?, faz.net, 27.09.2020. Zum Volltext hier klicken.

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Zum aktuellen Konflikt zwischen den NATO-Staaten Türkei und Griechenland schreibt Niels Kadritzke: „Die große Frage ist […], welchen Nutzen sich die Erdoğan-Regierung von der Krise im östlichen Mittelmeer verspricht. Ihr erklärtes Ziel ist es, die türkischen Ansprüche auf eine großräumige ausschließliche Wirtschaftszone durchzusetzen, die auf Kosten der griechischen […] Ansprüche gehen würde. Beide Seiten haben vor allem die unter dem Meeresboden vermuteten Erdöl- und Erdgasvorkommen im Auge. […] Sicher ist aber: Angesichts des globalen Trends zu erneuerbaren Energien, die der beschleunigte Klimawandel erzwingt, ist Erdgas aus den Tiefen des östlichen Mittelmeers ein Auslaufmodell. Und auf dem Weltmarkt wird es nie konkurrenzfähig sein, weil die Förder- und Transferkosten einfach zu hoch liegen.“

Niels Kadritzke: Grenzstreit im östlichen Mittelmeer, monde-diplomatique.de, 10.09.2020. Zum Volltext hier klicken.

Letzte Meldung

Corona – endlich mal eine gute Nachricht: Die Superreichen sind in der Coronakrise noch reicher geworden. Das Gesamtvermögen der nicht einmal 2200 Dollar-Milliardäre weltweit stieg bis Ende Juli auf den Rekordwert von umgerechnet rund 8,7 Billionen Euro. Die Summe ist mehr als doppelt so hoch wie die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung von Deutschland als größter Volkswirtschaft Europas (2019: knapp 3,5 Billionen Euro). Das ermittelten jetzt die Beratungsgesellschaft PwC und die Großbank UBS.

Nutznießer sind insgesamt 2189 Männer und Frauen.

Auch die deutsche Splittergruppe der Ultrareichen liegt im Trend: Deren Nettovermögen stieg nach einem Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie bis Ende Juli auf 594,9 Milliarden Dollar. Bei der letzten Untersuchung (Stand: März 2019) waren es „nur“ 500,9 Milliarden Dollar gewesen. Seither erhöhte sich die Anzahl der Club-Mitglieder von 114 auf 119.

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