23. Jahrgang | Nummer 12 | 8. Juni 2020

Bemerkungen

„I Am Not Your Negro“

Die Bilder von George Floyds Ermordung gingen um die Welt – und unter die Haut vieler Menschen. Friedlicher Protest verschwindet inzwischen nur zu oft hinter den Nachrichten von gewalttätigen Ausschreitungen. Vermutungen über die Herkunft der Gewalt machen die Runde und vermutlich liegt die Wahrheit wie immer irgendwo in der Mitte. Provokation von Rassisten und Wut und Verzweiflung der schwarzen Amerikaner mischen sich, dazwischen Donald Trump …

Der Glaube, dass ein schwarzer Präsident etwas an den Grundhaltungen in den USA zu ändern vermochte, erweist sich mit Macht als die Seifenblase, die er immer war. Kein (soziales) Problem wurde entschärft.

Der Autor James Baldwin hatte wie kein anderer immer wieder auf das wuchernde Rassismusgeschwür hingewiesen, das (nicht nur) die USA entstellt. Seine Texte sind aktuell wie nie. 1965 erklärte er in einer Debatte in Cambridge, es sei schrecklich, wenn ein ganzes Volk sich der These anschließe, dass ein Neuntel seiner Bevölkerung weniger wert sei. Und bis der Moment komme, wenn „wir, das amerikanische Volk, den Fakt akzeptieren können, den auch ich akzeptieren muss, zum Beispiel, dass meine Vorfahren weiß und schwarz sind, dass wir auf diesem Kontinent versuchen, eine neue Identität zu schmieden, wofür wir einander brauchen, und dass ich nicht ein Mündel von Amerika bin und kein Objekt von Wohltätigkeit, ich bin einer der Menschen, die dieses Land aufgebaut haben. Bis zu diesem Moment gibt es kaum eine Chance für den American dream, weil Menschen, denen die Teilhabe daran verwehrt ist, ihn einfach durch ihr Dasein verderben werden. Und wenn das geschieht, ist es ein sehr ernsthafter Moment für den Westen.“

1968 spricht Baldwin vor dem Kongress: „Wenn wir eine multirassische Gesellschaft aufbauen wollen, die unsere einzige Chance ist, dann muss man akzeptieren, dass ich eine Menge von dir gelernt habe und eine Menge davon ist bitter, aber du musst auch eine Menge von mir lernen und eine Menge davon wird bitter sein. Diese Bitterkeit ist unsere einzige Hoffnung. Nur so können wir sie hinter uns lassen […] Das ist unsere gemeinsame Geschichte. Meine Geschichte ist auch deine.“

Es scheint, dass im Jahr 2020 die gleichen grundsätzlichen Fragen stehen. Immerhin wird der Polizist, der George Floyd mit seinem Knie erstickt hat, nun des Mordes angeklagt. Es gibt so viele schwarze Opfer, deren Tod keinerlei Folgen für die Mörder hatte. „Black lives matter“! Es ist schlimm, dass es im 21. Jahrhundert eine solche Bewegung geben muss.

Margit van Ham

Zitate entnommen und übersetzt aus Raoul Pecks Zusammenstellung von Baldwin-Texten „I Am Not Your Negro“

Preiswürdige Ärztebrigade aus Kuba

Während die Covid-19-Pandemie um die Welt geht und keine nationalen Grenzen kennt, derweil Gesundheitssysteme an die ihren stoßen, gibt ein Inselstaat in der Karibik Anlass zur Hoffnung. Ärzte und medizinisches Personal aus Kuba werden von immer mehr Staaten um Hilfe gebeten. Die kubanische Henry Reeve International Medical Brigade ist derzeit mit 26 Arbeitsgruppen in 24 Ländern gegen den Virus im Einsatz. Sie haben bis Anfang Juni 26.080 Patienten behandelt und 976 Menschen das Leben gerettet. Von der lokalen Bevölkerung als Helfer und Retter gefeiert, wird die kubanische Ärztebrigade in verschiedenen Ländern als Anwärterin für den diesjährigen Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Anfang Juni hatte die erst im Mai gegründete öffentliche Facebook-Gruppe als weltweite Initiative über 2300 Mitglieder. Darunter sind Solidaritätsorganisationen aus Europa, den USA, Kanada, Lateinamerika und Nordafrika, Umweltorganisationen und einzelne Persönlichkeiten, darunter Journalisten, Schauspieler, Sänger Rechtsanwälte, Lehrer, Schriftsteller und Bürgermeister. Auch das Netzwerk Cuba – informationsbüro e. V. mit seinen 42 Mitgliedsorganisationen in Deutschland unterstützt den Vorschlag, der inzwischen beim norwegischen Preiskomitee eingereicht wurde.

Das Kontingent von medizinischem Personal, das auf Katastrophensituationen und schwere Epidemien spezialisiert ist, war 2005 von Fidel Castro ins Leben gerufen worden. Es handelt nach dem Motto: „Wir bieten nicht das an, was wir übrig haben: Wir teilen was wir haben.“ Es hat seitdem für mehr als 3,5 Millionen Menschen in 21 Staaten Katastrophenhilfe geleistet. Dazu gehört der Einsatz von mehr als 400 Ärzten und Gesundheitsspezialisten gegen die Ebola-Pandemie in Westafrika 2014–2015. Die Brigade Henry Reeve ist Teil des kubanischen Gesundheitssystems, das mehr medizinisches Fachpersonal ins Ausland entsandt habe als die gesamte Weltgesundheitsorganisation (WHO), heißt es in einer Mitteilung des Netzwerks Cuba. „All das leistet Kuba trotz der seit 1962 währenden US-Blockade, die völkerrechtswidrig ist und zahlreiche Rechtsgrundsätze verletzt. Sie verursacht in Kuba enorme Schäden und behindert die Weiterentwicklung.“

Ariane Mann

Ministerielle Drohungen

Bald sind Sommerferien! Wer glaubt, die würde niemand bemerken, irrt gewaltig. Zumindest in diesen sechs Wochen sind die Schülerinnen und Schüler der Republik vor den Kollateralschäden der Ideen ebenso schulferner wie kreativer Bildungspolitiker sowie ihrer vorgesetzten beamteten Verwalter bewahrt. Das Lehrpersonal nicht. Das zittert ob der Drohung, spätestens ab September wieder in den „Regelbetrieb“ übergehen zu müssen. Es ist mitnichten Faulheit, die bereits jetzt Angstzustände produziert. Es ist das, was hinter den Begriffen steckt. „Regelbetrieb“ heißt, alle gehen wieder zur Schule. Irgendwie. Mit den Abstandsregeln natürlich. Wir haben ja noch Pandemie. Praktisch sieht das so aus, dass zum Beispiel eine Mathematiklehrerin, die freitags in zwei 9. Klassen eingesetzt ist, an diesem Tag sechs Stunden hintereinander in jeweils drei Lerngruppen dasselbe unterrichtet. Mit – so ist es an einigen Schulen organisiert – fünf Minuten Pause dazwischen. Das reicht gerade zum Raumwechsel, für die Lehrerin natürlich. Aus hygienischen Gründen soll möglichst wenig Schülerverkehr auf den Korridoren herrschen. Nach der ersten „Regelwoche“ wird man die Kollegin an die Wand klatschen können. Wetten, sie fällt nicht herunter?

Irgendwie dämmert es inzwischen auch der regional unterschiedliche Mundarten sprechenden, aber geistig sehr ähnlich tickenden Ministerialbürokratie, dass das nicht so einfach funktionieren kann. Die Zahl von Klassenräumen und Turnhallen verdreifacht sich nicht über die Ferien. Die der Lehrer auch nicht. Bereits jetzt machen an vielen deutschen Schulen die „Quer- und Seiteneinsteiger“ im Durchschnitt ein Drittel der Kollegien aus. Ein weiteres Drittel ist Generation Ü-60. Bis vor kurzem galt die als Risikogruppe und musste zu Hause bleiben. Es bedarf keiner großen Fantasie, um zu prognostizieren, dass deren Erkrankungsrate im Herbst ansteigen wird. Nicht wegen Covid-19. Dann bleibt die Hauptlast des Schulalltags wieder am letzten Drittel hängen … Gehört unsere erwähnte Beispiel-Kollegin zu dieser Gruppe und hat ein Kleinkind mit glücklich ergattertem Kita-Platz, wird sie äußerste Vorsicht walten lassen müssen. Sie muss natürlich – „e-learning“ wird aus den erwähnten praktischen Gründen ausgebaut werden – auch tageweise zu Hause arbeiten. Im Kindergarten kann es passieren, dass Töchterchen die Frage vorgesetzt bekommt: „Und was macht die Mama zu Hause?“ Kinder erzählen bereitwillig, was sie sehen. „Mama sitzt da und telefoniert …“ Der Kita-Platz ist weg.

Also setzt man „Schwerpunkte“ bei der Planung des neuen Schuljahres. In Berlin bedeutet das, den „Fokus auf die 7. Klassen“ zu richten. Der Rest kriegt das, was übrig bleibt. „E-learning“ zum Beispiel. Über die Ergebnisse muss sich niemand wundern. Als Neuerung gibt es jetzt zum Aufholen der Lernrückstände die „Sommerschulen“. Viele Eltern atmen auf. Ein Aberglaube. Das Problem wird zu den freien Trägern verlagert. Wie war doch gleich die Steigerung von egal?

Mit Corona hat das bei näherem Hinsehen nur wenig zu tun. Das Virus hat allenfalls katalytische Wirkungen. Der Fehler liegt im Konstrukt.

Günter Hayn

Gypsy-Jazz vom Feinsten

Ungewöhnlich beginnt die neue CD des „Hot Club d’Allemagne“: In den ersten Sekunden erklingt das Stimmen der Instrumente, der fünfseitigen Violine, zweier Gitarren und des Basses. Besetzung und Namen der Band erinnern bewusst an das 1934 von Django Reinhardt und Stéphane Grappelli gegründete „Quintette du Hot Club de France“, das – beeinflusst durch den amerikanischen Jazz und traditionelle Sinti-Musik – einen völlig neuen Jazzstil schuf. Seit 18 Jahren beleben die vier Leipziger Musiker des deutschen „Hot Clubs“ den Gipsy-Jazz nun schon. Kern der Band und von Anfang an dabei sind Gitarrist Kalle Vogel und Geiger Thomas Prokein. Seit 2017 geben die neuen Mitglieder Gunter Pasler am Kontrabass und Rhythmusgitarren-Spezialist Franziskus Sparsbrod der Band zusätzliche Impulse.

Die neue CD wurde in nur drei Tagen live und ohne Overdubs eingespielt. Vier von Kalle Vogel geschriebene Stücke, die den alten Meistern in nichts nachstehen und die den Kern des Albums bilden, werden ergänzt durch Kompositionen des Great American Songbook Writers Walter Donaldson, des Jazz Pianisten Michel Petrucciani und natürlich von Django Reinhardt. Dank des technischen Könnens der Musiker und ihrer immensen Spielfreude klingt auch das Fremdrepertoire so lebhaft, als seien die Stücke gerade erst komponiert worden.

Einer der Höhepunkte der CD ist die Interpretation von „Mimosa“, einem Stück des Gipsy-Swing-Erneuerers Dorado Schmitt, die auch Platz für ein schönes Bass-Ssolo lässt und in der sich Thomas Prokeins Geige in schier unendliche Höhen schwingt. In allen Aufnahmen spielen sich Gitarre und Geige die Bälle in fulminanten Soli gegenseitig zu und zeigt die Band ihre Erfahrung, ihre Virtuosität und wie sehr ihr diese Musik am Herzen liegt. Nach dem letzten Ton der CD, dem Reinhardt/Grappelli-Stück „Speevy“, wünscht sich der Hörer, den „Hot Club“ bald auch wieder live erleben zu können.

Wolfgang Hochwald

Hot Club d’Allemagne: Kick the flame. CD 2020, ca. 18,00 Euro.

Müll-Ecke

Luther soll sprachliche Normen des Deutschen gesetzt haben. Das ist Legende, es war eher die kursächsische Kanzlei. Goethe soll sprachbildend gewesen sein. Regelbewusst war er weniger. Das blieb Leuten wie Johann Christoph Adelung und Konrad Duden vorbehalten. Sprachliches Vorbild war einmal – man will es nicht glauben – die Berliner Bühnen-Sprache. Und der Rundfunk mit seinen gut geschulten und geübten Sprecherinnen und Sprechern. Aber auch das ist lange her: „Wegen dem Corona-Hin-und-Her“, meinte dieser Tage der Nachrichtenmoderator eines Hauptstadt- und Umlandsenders, drohe Folgendes zu passieren … Welche Gefahr er beschwor, ist mir leider vor Schreck entgangen. Dass in Berlin der Dativ dem Akkusativ sein Feind ist, ist wahrlich nichts Neues mehr. Aber dass jetzt auch noch der Genitiv in die Reihe der auszumerzenden Fälle eingereiht wird, des schlägt nun wahrlich den Fass die Daube aus! Und Präpositionen sind sowieso eine Erfindung des Teufels.

WB

WeltTrends aktuell

In den Debatten um eine neue Weltordnung kommt dem Raum zwischen Lissabon und Wladiwostok eine besondere Bedeutung zu. Als „eurasischer Raum“ steht er im Fokus sowohl unterschiedlicher Akteure der globalen Politik als auch strategischer Debatten in vielen Ländern. Chinas „Neue Seidenstraße“-Initiative ist nur ein Beispiel des Ringens um diesen Raum. Im Thema setzen sich Autoren aus Deutschland, China und Kasachstan mit der Rolle der Weltmächte, insbesondere Chinas, in Eurasien auseinander und beleuchten die Lage in Zentralasien, einer wichtigen Kernregion.

Das Corona-Virus macht auch um Südamerika und Afrika keinen Bogen – der WeltBlick beschäftigt sich mit der Situation in Kolumbien, Ekuador und Senegal.

In seiner Analyse geht es Hans-Jochen Luhmann um die Hintergründe des US-amerikanischen Attentats auf den iranischen General Soleimani am 3. Januar 2020.

Das Ende Februar unterzeichnete Abkommen von Doha, so Hans-Joachim Gießmann in einer weiteren Analyse, könnte nach mehr als 40 Jahren Krieg ein erster Schritt in Richtung einer dauerhaften Regelung für Frieden in Afghanistan werden. Gießmann beriet als damaliger Direktor der Berghof-Foundation, Berlin, afghanische Akteure unter anderem bei der Vorbereitung und Durchführung der von Katar und Deutschland ausgerichteten Intra-Afghanischen Dialogkonferenz in Katar im Juli 2019. Entscheidend werden die nächsten Schritte sein, vor allem intra-afghanische Verhandlungen.

Am 2. April verstarb Oskar Fischer, Minister für Auswärtige Angelegenheiten der DDR von 1975 bis 1990, den Botschafter a. D. Gerhard Herder im Interview als korrekt, ehrlich und offen würdigt.

am

WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 164 (Juni) 2020 (Schwerpunktthema: „Umbrüche in Eurasien“), Potsdam / Poznan, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Aus anderen Quellen

Der Koreakrieg (1950–53) gilt als einer der grausamsten Konflikte des Kalten Krieges. Die USA warfen binnen drei Jahren mehr Bomben über Nordkorea ab als im gesamten Zweiten Weltkrieg. Bis heute gibt es keine genauen Zahlen der Gefallenen und zivilen Opfer. Es wird geschätzt, dass dem Krieg bis zu einer Million Südkoreaner, etwa 2,5 Millionen Nordkoreaner, etwa eine Million Chinesen sowie rund 40.500 Soldaten der UN-Truppen, die meisten von ihnen US-Amerikaner, zum Opfer fielen. Dass USA-Präsident Truman den Oberbefehlshaber McArthur – der wollte mit 24 nuklearen Kobaltbomben eine Todeszone entlang der koreanisch-chinesischen Grenze ziehen – entließ, als der öffentlich den Einsatz von Kernwaffen forderte, ist bekannt. Dass Truman zuvor selbst einen solchen Einsatz in Erwägung gezogen hatte ist es weniger. Die Film-Dokumentation von John Magio wartet mit weiteren Details auf

John Magio: Der ewige Koreakrieg, Arte F 2017. Zur Doku (verfügbar bis 17.7.2020) hier klicken.

*

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie beleuchtet Heinrich Niemann die Präventionspolitik der DDR: „Die Reaktion auf eine Epidemie/Pandemie war vom Gesetz her geregelt. Der Gesundheitsminister leitete eine ständige Kommission zur Verhütung und Bekämpfung von Epidemien. Bereiche wie Bildung, Handel, Wirtschaft, Polizei gehörten dazu. Die staatliche Plankommission hatte die Aufgabe, schnellstmöglich zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren. In den 15 Bezirken und den Kreisen gab es Kommissionen und Seuchenbekämpfungspläne. Die Einrichtungen des Gesundheitswesens – Universitätskliniken, Kreiskrankenhäuser, Polikliniken, Hygieneinspektionen, Arztpraxen, Kinder- und Pflegeeinrichtungen, aber auch die Betriebe, Schulen, Behörden – wurden von Beginn einbezogen.“

Heinrich Niemann: Was die DDR in der Seuchenbekämpfung besser machte. berliner-zeitung.de, 21.5.2020. Zum Volltext hier klicken.

*

„Gemäß National Defense Authorization Act 2020“, so vermerkt Bulgan Molor-Erdene, „ist es das ausgemachte Ziel der Vereinigten Staaten, Russland wirtschaftlich zu schwächen. Oberste Priorität hat die Vereitelung der Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2, etwa mittels Sanktionen. Washington argumentiert, die Pipeline würde Russland neuen Einfluss auf Europa verschaffen. Doch nicht nur Sanktionen bedrohen die Fertigstellung der Nord Stream 2.“

Bulgan Molor-Erdene: Nord Stream 2: Russland allein gelassen, heise.de, 16.5.2020. Zum Volltext hier klicken.

*

Blättchen-Autor Sarcasticus hatte in den Ausgaben 10/2020 und 11/2020 die sogenannte Nukleare Teilhabe Deutschlands unter die Lupe genommen. Auch Helmut Scheben befasst sich mit diesem Thema: „Teilnahme ist aktiv, das bedeutet: Ich tue etwas. Teilhabe ist dagegen eher passiv, das heißt: Ich habe etwas zu bekommen, mir steht etwas zu. Das semantische Förderband des Wortes Teilhabe transportiert allerhand Positives: von Beteiligung, Mitwirkung bis hin zu Mitbestimmung und Integration. Teilnahme hingegen kann positive, aber auch negative Assoziationen auslösen, am Ende der Assoziationskette steht dann zum Beispiel das bekannte Sprichwort: Mitgefangen, mitgehangen. Im Vergleich mit Teilnahme ist Teilhabe einfach die reine Entspannung: Das Wort führt uns in den Wellnessbereich von ‚Partnerschaft für den Frieden‘, ‚Bündnis-Solidarität‘ und ‚Schutzschirm‘.“

Helmut Scheben: Ein Schlagwort versetzt Deutschland in Aufruhr, infosperber.ch, 22.5.2020. Zum Volltext hier klicken.

*

Auf die Frage, ob die Deutschen „wirklich ‚Weltmeister in der Aufarbeitung der Geschichte‘, namentlich der zwölf Jahre Hitlerdiktatur“ seien, antwortet Susan Neiman, Direktorin des Einstein-Forums in Potsdam: „Dieses Urteil finde ich übertrieben. Die deutsche Vergangenheitsaufarbeitung ist meines Erachtens noch zu sehr auf den Holocaust fokussiert. Es relativiert nicht das Gedenken an die sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden Europas, wenn man auch an die 27 Millionen Sowjetbürger, die Opfer […] des Eroberungs- und Vernichtungskrieges im Osten erinnert. Sie sind im öffentlichen Bewusstsein der Deutschen noch immer nicht sehr präsent. […] Das Verschweigen der deutschen Verbrechen an den slawischen Völkern wie auch der Sinti und Roma ist der Nährboden für neue Feindbilder.“

Karlen Vesper: Gegen das Böse hilft keine Impfung, neues-deutschland.de, 23.5.2020. Zum Volltext hier klicken.

*

Und zum Abschluss (sowie zu Corona) wieder einmal Lästermaul André Mielke: „Mir ist auch etwas aufgefallen: Es sind 8036 Kilometer Luftlinie von Wuhan nach Berlin. Wären alle Flugzeuge, Autos, Schiffe, Bahnen und Reitpferde rechtzeitig abgeschafft worden, hätten die ersten in China Infizierten Mitteleuropa heute noch nicht erreicht, sondern wären als Fußgänger unterwegs genesen oder gestorben. Kein Zweifel: ‚Der Grund für die Pandemie ist die falsche Art und Weise, wie wir uns fortbewegen; und deshalb brauchen wir jetzt die Mobilitätswende.‘“

André Mielke: Corona und der Soli-Zuschlag, berliner-zeitung.de, 2.6.2020. Zum Volltext hier klicken.