23. Jahrgang | Nummer 16 | 3. August 2020

Bemerkungen

Mensch

von Peter Will

Der neue Mensch
Ist nicht geworden
Der Teig war verdorben
Jetzt ist er wieder
Der alte Mensch
Muß es ganz und gar leiden
Und wird es lange bleiben

 

Atomkrieg – unzulässig. Oder?

Die Zuspitzung des Verhältnisses zwischen dem Westen und Russland hat in den vergangenen Jahren mehr und mehr Züge eines Kalten Krieges angenommen. War in jenem, der 1990 endete, jedoch die politische Vernunft der Hauptkontrahenten nicht komplett suspendiert, so dass Stabilisierungselemente in die damalige Systemkonfrontation eingezogen werden konnten – etwa in Gestalt des ABM- und des INF-Vertrages, strategischer Rüstungskontrollvereinbarungen zwischen Moskau und Washington – so ist die gegenwärtige Lage gerade von der Zerstörung dieser Elemente geprägt. Den ABM- und den INF-Vertrag haben die USA aufgekündigt, ebenso das als ein Schlussstrich unter den damaligen Kalten Krieg 1992 vereinbarte Open-Skies-Abkommen. Und dass Washington sich, wie von Moskau angeboten, zur Verlängerung des New START-Vertrages bereitfinden wird, scheint derzeit wenig wahrscheinlich. Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vertritt vor diesem Hintergrund die Auffassung: „Schon ein erneutes Bekenntnis zum Statement der Präsidenten Gorbatschow und Reagan wäre ein wichtiges politisches Signal: Ein Atomkrieg kann nie gewonnen und darf nie geführt werden.“ (Eine entsprechende offizielle Erklärung war 1985 abgegeben worden.)

Das wird in Moskau offenbar ebenso gesehen. Jedenfalls hat Russland den USA bereits vor zwei Jahren schriftlich den Vorschlag unterbreitet, das damalige Statement gemeinsam zu erneuern.

Und Washingtons Reaktion? Keine.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte dieser Tage: „Wir sind […] besorgt über die zweijährige Weigerung der USA, das Grundprinzip zu bekräftigen, das Postulat, dass es in einem Atomkrieg keine Gewinner geben kann und er daher niemals entfesselt werden sollte.“

Dabei könnte „besorgt“ durchaus diplomatisches Understatement sein, denn gerade führen die USA taktische Kernsprengköpfe W76-2 (acht Kilotonnen Sprengkraft) für U-Boot-gestützte strategische Interkontinentalraketen vom Typ Trident II ein (Blättchen 9/2020). Der Chef des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS), Otfried Nassauer, hatte vor dieser Entwicklung bereits 2017 gewarnt: „Wenn die verfügbaren Atomwaffen künftig weniger Sprengkraft haben und aufgrund ihrer gesteigerten Zielgenauigkeit trotzdem eine größere Zerstörungswahrscheinlichkeit für die Ziele erreichen können und zugleich weniger ungewollte Kollateralschäden hervorzurufen versprechen, dann sinkt die Hemmschwelle, sie einzusetzen. Zugleich steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie als effektives Mittel der Kriegführung betrachtet und deshalb auch wieder entsprechende Einsatzplanungen entwickelt werden.“ Letzteres hat sich insofern bestätigt, als ein W76-2-Einsatz gegen Russland in einem Kriegsspiel beim Strategischen Kommando der USA (STRATCOM) im Februar dieses Jahres bereits „geprobt“ worden ist.

Wolfgang Schwarz

Vermisstensachen

Zunächst die gute Nachricht: Während der Coronakrise ist eine halbe Milliarde Euro aus Steuergeldern an die deutschen Krankenhäuser geflossen, damit diese im Bereich Intensivbetten kräftig aufrüsten. Im Ergebnis stehen landesweit 32.500 derartige Betten bereit, von denen bisher – gottseidank – nur ein geringer Teil benötigt wurde.

Und die andere Nachricht?

Die ausgeschütteten Fördergelder – immerhin 50.000 Euro pro Bett – hätten den vorhandenen Bestand jedoch auf insgesamt 39.700 Betten aufstocken müssen, also rund 7200 mehr. Die sind jedoch gerade nicht aufzufinden. In Geld summiert sich der Fehlbestand auf immerhin 360 Millionen Euro.

Das allerdings ist nur ein Klacks im Vergleich zu den 6,6 Milliarden Euro, die der Bund bis Mitte Juli an die Krankenhäuser abgedrückt hatte, damit sie nicht nur neue Intensivbetten aufstellen, sondern auch vorhandene Betten für potenzielle Corona-Patienten freihalten. Frei sind die meisten davon – nochmals gottseidank – auch geblieben. Und wurden bis 30. Juni mit einer Pauschale von 560 Euro pro Tag, seither zwischen 360 und 760 Euro pro Tag – wiederum aus Steuermitteln – vergütet. Bis Ende September …

Dass mancher da kreativ wird, kann man fast verstehen. Etwa die privaten Helios-Kliniken. Die hatten noch vor Ausbruch von Corona ankündigt, einen Teil ihres Krankenhauses in Bochum-Linden zu schließen. Dann kam Corona, und Helios setzte die Schließung vorübergehend aus: Auf Wunsch der Stadt Bochum, so hieß es, halte man 40 internistische Betten für den Pandemiefall bereit, […] auch mit personellen Ressourcen. Das Magazin Kontraste fand heraus: Patienten werden in diesen Betten praktisch kaum behandelt. Doch das Geld fließt und fließt und …

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Und wieder erst die gute Nachricht: 2016 wäre der Bestand der Bundeswehr an Gefechtsmunition (NATO-Standard: 30 Tage) nach Angaben des damaligen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels nach „zwei Tagen“ aufgebraucht gewesen. Krieg konnte man damit nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.

Die andere Nachricht ist in diesem Fall ambivalent. Das mit dem Krieg ist so geblieben. Doch zusätzlich fehlen derzeit in den registrierten Beständen der Bundeswehr 60.000 Schuss Munition. Die stehen zwar auf dem Papier, sind aber nicht mehr da. Hinzu kommen weitere 48.000 Abgänge beim Kommando Spezialkräfte (KSK). Dem fehlen überdies 62 Kilogramm Sprengstoff. KSK – zur Erinnerung: Das ist die Truppe, von der die Bundesverteidigungsministerin wegen nicht mehr zu übersehender brauner Einsprengsel gerade eine Kompanie aufgelöst hat.

Wohin die Fehlbestände absentiert worden sind? Weiß man (hoffentlich noch) nicht.

Doch bei Recherchen stößt man zumindest schon mal wieder auf das KSK: Bei einer Razzia auf dem Privatgelände eines KSK-Angehörigen in Nordsachsen fand die Polizei Waffen, Munition und Sprengstoff. Und die Verteidigungsministerin „sieht einen extremistischen Hintergrund“, wie das Magazin DIE ZEIT schreibt.

Man begegnet ja hin und wieder Bundeswehrangehörigen in Uniform im öffentlichen Raum. Vielleicht sollte man in diesen Fällen bis auf weiteres vorsichtshalber die Straßenseite wechseln?

Alfons Markuske

Holub und Krause

Das macht neugierig: Der ehemalige Pressechef des DDR-Verkehrsministeriums, seinerzeit SED-Mitglied, wurde zum Redenschreiber des Bundesverkehrsministers. Wahrlich ein ungewöhnliches Wende-Schicksal. Allein, so bruchlos verlief es denn doch nicht. Für Karl-Heinz Holub, so heißt der Mann, fand sich zunächst im Bundesverkehrsministerium keine „angemessene Verwendungsmöglichkeit“. Doch er nahm die Kündigung nicht hin und klagte gegen die Bundesrepublik. Im Zuge eines Vergleichs landete er auf einer befristeten KW-Stelle (KW für „kann wegfallen“) als dritter Redenschreiber für den Minister, der damals Prof. Dr. Günther Krause hieß – einer, der sein Land „verraten und verkauft“ hat, wie Holub schreibt. Doch der Redenschreiber, durch ein „Gelöbnis“ ausdrücklich darauf eingeschworen, übt sich in absoluter Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn.

Die Tätigkeit für den skandalumwitterten Dschungelcamper Krause ist gewiss die spektakulärste, aber nur eine von vielen Episoden im wechselvollen Berufsleben des Karl-Heinz Holub: Lehre bei der Deutschen Reichsbahn, Fahrdienstleiter, Stellwerksmeister, Transportpolizist (für die Kriminalpolizei „kaderpolitisch nicht tragbar“), nach Ingenieurstudium Transportdispatcher, Redakteur im transpress-Verlag und nach dem Journalistik-Studium Chefredakteur einer internationalen Eisenbahnerzeitschrift in Warschau. Es folgt die Arbeit in der Pressestelle des Verkehrsministeriums.

Kurz nach 1990 hieß es, Menschen aus beiden Teilen Deutschlands sollten einander ihre Biografien erzählen. Nur wollte die Lebensläufe der Ostdeutschen lange Zeit niemand hören, man hatte ja „die Akten“. Mancher setzte sich deshalb daran, seinen Lebensweg aufzuzeichnen. Holub immerhin – ein Bruder des Fernsehregisseurs Otto Holub („Schwester Agnes“) – sah sich sogar durch „Wessis“ dazu angeregt, „das alles mal niederzuschreiben“. Denn nach dem „Wegfall“ seiner Stelle im Bundesministerium fand er Lohn und Brot in seinem Ingenieurberuf – als Bauüberwacher an Bahnprojekten in Ost und West. „Jahrgang ’39“ nannte Holub das Buch, in dem er sich nicht auf die Beschreibung persönlicher Erlebnisse und Bekenntnisse beschränkt. Geboren im Sudetenland, als das bereits „heim ins Reich“ geholt worden war, vertieft er sich in die Familiengeschichte. Aufgewachsen und sozialisiert in der DDR, nutzte er die Chancen, die ihm geboten wurden, und dachte nicht daran, die Staatsbürgerschaft zu wechseln, bis der Staat selbst unterging. Auf manche spätere Erfahrung hätte er nach eigenem Bekunden gerne verzichtet, schließlich fand er jedoch berufliche Anerkennung.

Der Leser wird nicht jede seiner Meinungen über Gestern und Heute teilen. Schon Mark Twain wusste überdies, dass niemand über sich selbst die ganze Wahrheit schreiben könne. Holub aber ist zumindest zu bescheinigen, dass er sich um ein ehrliches Selbstzeugnis bemüht hat. Herausgekommen ist ein lesenswertes Buch, das mehr verrät als viele der marktüberflutenden Promibiografien.

Detlef D. Pries

Karl-Heinz Holub: Jahrgang ’39. Mein Leben in Böhmen, der DDR und der BRD. Verlag am Park, Berlin 2018, 300 Seiten, 16,99 Euro.

20 Frauenporträts

Ein Blick in ein Lexikon der deutschen Literatur genügt: Dichterinnen bilden die Ausnahme. Dabei war Deutschland immer auch ein Land der Dichterinnen und Denkerinnen. Viele waren sogar sehr erfolgreich, doch irgendwann sind die meisten aus der Literaturgeschichte verschwunden.

Die Germanistin und Theologin Katharina Herrmann, die sich in ihrem Blog „Kulturgeschwätz“ mit dem männlich geprägten Literaturkanon und den Mechanismen des Literaturbetriebs auseinandersetzt, macht in der Reclam-Neuerscheinung mit zwanzig Frauen aus der deutschen Literaturgeschichte über eine Zeitspanne von mehr als 250 Jahren bekannt. Darunter einige bekannte Namen, die dem Literaturfreund zumeist vertraut sind – wie Annette von Droste-Hülshoff, Ricarda Huch, Else Lasker-Schüler, Anna Seghers oder Marieluise Fleißer. Doch wer kennt Caroline Auguste Fischer, Louise Aston oder Helene Böhlau? Mit ihnen und anderen werden auch völlig vergessene Frauen ins Blickfeld des Lesers gerückt.

In ihrem ersten Porträt widmet sich Herrmann Luise Adelgunde Victorie Gottsched (1713–1762), die zwar im Schatten ihres bekannten Mannes stand, aber als die Reformerin des deutschen Theaters gilt. Sophie von La Roche (1730–1807) war Deutschlands erste Erfolgsautorin, die auch eine Frauenzeitschrift herausgab. Die Romantikerin Karoline von Günderrode (1780–1806) behandelte in ihren Werken Themen wie die unerfüllte Liebe, die Rolle der Frau und die Faszination des Todes. Vicki Baum (1888–1960) war mit ihren Romanen eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Weimarer Republik, die bereits 1932 nach Amerika emigrierte. Die Lyrikerin Nelly Sachs (1891–1970), deren Stimme im Nachkriegsdeutschland lange Zeit nicht wahrgenommen wurde, erhielt 1966 den Literaturnobelpreis. Den Schlusspunkt bildet Mascha Kaléko (1907–1975), die mit ihren Gedichten, meist in Zeitungen veröffentlicht, große Erfolge in den 1930er Jahren feierte, ehe sie 1938 emigrierte.

In ihren Charakterbildern setzt sich Herrmann stets mit den Widerständen auseinander, mit denen die Dichterinnen und Denkerinnen zu kämpfen hatten, um einen eigenen Beruf ausüben zu können oder kreativ zu sein. Jedes Porträt ist trotz der Kürze von wenigen Seiten anschaulich und wird durch Romanauszüge oder Gedichte ergänzt. Am Rande werden auch andere Autorinnen erwähnt, deren Wege sich mit denen der vorgestellten Frauen gekreuzt haben. Außerdem setzen die farbigen, ganzseitigen Illustrationen aus der Feder Tanja Kischels jede Autorin auf eigene Weise in Szene und machen den Reclam-Band nicht nur zu einer literarischen Begegnung sondern auch zu einem grafischen Schätzchen.

Manfred Orlick

Katharina Herrmann: „Dichterinnen & Denkerinnen“. Reclam Verlag, Ditzingen 2020, 238 Seiten, 20,00 Euro.

Rauer Gesang und zarte Melodien

Gerade jährte sich das größte Grubenunglück in der Geschichte der USA zum zehnten Mal. 29 Kumpel fanden am 5. April 2010 in West Virginia den Tod. Das nahm der linke Country-Sänger Steve Earle zum Anlass für sein neues Album „Ghosts of West Virginia“. Earle tritt in seinen Songs den Bergleuten mit Respekt gegenüber, obwohl sie oft politisch anders gepolt sind, an Donald Trumps „American First“ glauben und ihn wohl wieder wählen würden. Früher waren die Bergleute noch voller Stolz, denn sie konnten auf erfolgreiche Arbeitskämpfe zurückblicken, hatten eine Gewerkschaft, die sich besonders in den 30er Jahren für sie stark machte und durch den „Harlan Country War“ in Kentucky bekannt wurde. Heute sind die Bergmänner voller Hass und Zweifel, denn ihr Leben wird von Arbeits- und Perspektivlosigkeit bestimmt, was die Minenfirmen weidlich ausnutzen. Schlechte Sicherheitsstandards und Entlassungsdrohungen sind an der Tagesordnung. Dass Trump zur herrschenden Wirtschaftselite gehört und ihr schweres Schicksal mitbestimmt, wird ignoriert. Earle beschäftigt sich in zehn Songs mit den Bergarbeitern, prangert nicht den Rassismus und die rechte Einstellung an, sondern die Praktiken der herrschenden Klasse.

Noch Ende der 80er Jahre stand der Country-Patriot wegen seines Alkohol- und Drogenkonsums, seiner Eskapaden und Gefängnisaufenthalte in den Schlagzeilen. Doch seit 1990 ist Steve Earle trocken und äußerst produktiv. So verarbeitete er im neuen Album vorwiegend den klassischen Country, schrammt etwas am Folk vorbei, lässt immer wieder Blue Grass und Old Time Music durchschimmern. Den frischen Wind, der sich New Country Rock nennt, Punk oder auch laut fordernden Rock vermisst man, hört dagegen düstere anklagende Melodien, die wie bei „Devil Put The Coal In The Ground“ an die harten Arbeitsumstände im Bergbau erinnern und den Hörer mit Recht wütend stimmen. Die Songs, von denen einige für das Theaterstück „Coal Country“ bestimmt waren, lassen sich gut hören, denn es erklingen stampfende Banjoklänge, dann doch ein Anflug von Rock („It’s About Blood“) und gar Blues („Fastest Man Alive“), der durch seine scharfen Rhythmen an die ebenfalls unterdrückten Schwarzen in den USA erinnert. Neben Steve Earles unvergleichlicher rauer und fast abgehalfterter Stimme gibt es den glasklaren Singsang von Eleanor Whitmore, der bei „If I Could See Your Face Again“ einen herrlichen, zum Weinen schönen, Kontrast bildet. Schließlich ist da noch der Uralt-Folksong „John Henry“, der den Kampf zwischen Mensch und Maschine beschreibt: Durch Country Old Man Steve Earles feinfühlige und zarte Melodiegebung behält er seinen Urzustand und als Kampfsong sollte er noch einige Male gehört werden.

Trotz des wichtigen Themas „aussterbende Branche Bergbau und die Folgen“ wird dieses Earle-Album von der großen Mehrheit in Deutschland leider ignoriert werden, da das Thema die meisten Menschen wenig berührt und man mittlerweile nur noch von der Corona-Katastrophe der USA hört.

Thomas Behlert

Steve Earle & The Dukes: Ghost Of West Virginia. New West Records/Pias-Rough Trade.

WeltTrends aktuell

Eigentlich ist Lateinamerika immer in Bewegung – „revolutionärer Aufschwung“ in den 60er Jahren, dann der Rückschlag in Chile. In den 90er Jahren waren Brasiliens Lula und Venezuelas Hugo Chavez die neuen Ikonen. Im Thema des August-Heftes schreibt Achim Wahl vom Pendel als Metapher für die politischen Bewegungen in dieser Region, die weder sozial noch politisch ein homogener Raum ist. Zu den neueren Trends gehören sowohl Massenproteste als auch die Stärkung der politisch Konservativen. Als wichtige Protestfaktoren sieht Günther Maihold (SWP) Ungleichheit, Misstrauen, Korruption. Für ihn stellt sich die Frage, ob es zu einer Erneuerung der Demokratie kommt oder ob die vielfältigen Proteste verpuffen, nicht zuletzt als Folge der Corona-Pandemie, die in der Region ihr Epizentrum hat.

Mit der Coronakrise beschäftigt sich der WeltBlick – ob in Spanien, dessen Gesundheitssystem zuvor als sehr effizient galt, wie auch mit den Maßnahmen Chinas zur Bekämpfung der Pandemie. Im Interview mit dem Politologen Herfried Münkler geht es um die Außenpolitik, darunter das Verhältnis zwischen Interessen und Werten. In der Historie wird ein Prozess dokumentiert, der von großer Tragweite für die Menschheit war: Während der Potsdamer Konferenz vor 75 Jahren traf USA-Präsident Truman die Entscheidung über den Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki.

WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 166 (August) 2020 (Schwerpunktthema: „Bewegtes Lateinamerika), Potsdam / Poznan, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Blätter aktuell

Die Wirecard-Pleite ist nicht nur ein wirtschaftliches Desaster, sondern offenbart vor allem das Totalversagen der deutschen Finanzaufsicht, mahnt der Jurist Wieslaw Jurczenko. Trotz wiederholter Finanzskandale wurden hierzulande bislang weder die Prüfstandards erhöht noch wurde die BaFin mit dringend benötigten Kompetenzen ausgestattet. Dabei müsste die Bundesregierung, wollte sie ihre Laissez-faire-Haltung aufgeben, nur über den Atlantik blicken: Denn ausgerechnet die USA machen seit langem vor, wie eine wirksame Regulierung aussehen sollte.

Ob in der Corona-Pandemie oder beim Klimawandel – die Eigentumsverteilung prägt nach wie vor die sozialen Prozesse unserer Gesellschaft und entscheidet maßgeblich darüber, wer besonders unter einer Krise leidet und wer sie weitgehend unbeschadet übersteht. Dennoch wird die Eigentumsfrage heute weitgehend als moralisches Problem verhandelt, kritisiert der Schriftsteller Raul Zelik. Demgegenüber gelte es, Eigentumsverhältnisse wieder ins Zentrum der politischen Analyse zu rücken und zugleich den Sozialismusbegriff wiederzubeleben – allerdings nicht, ohne ihn rundum zu erneuern.

Dreißig Jahre nach dem Ende der Bipolarität steuert die Welt im Zeichen von Corona auf eine neue geopolitische Spaltung zu. Zwanzig Jahre vor 1989/1990 wurde dagegen mit dem Vertrag von Moskau im August 1970 die Ära der Entspannung eingeläutet. Der Historiker Bernd Greiner analysiert, wie Willy Brandt einen fundamentalen Politikwechsel erreichte – und damit die Grenzen des Sag- und Machbaren radikal verschob.

Dazu weitere Beiträge, unter anderem: „Die Revolution der Freiheit: 250 Jahre Hegel“, „Burundi: Das Ende der Versöhnung?“ und „Studieren auf Pump: Corona und die akademische Spaltung“.

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, August 2020, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.

Aus anderen Quellen

„Die Coronakrise beherrscht die aktuelle Nachrichtenlage“, vermerkt Rüdiger Lüdeking und fährt fort: „Vom 50. Jahrestag des Inkrafttretens des Atomwaffensperrvertrags wurde kaum Notiz genommen. Dabei zeigt sich […] auch mit Blick auf atomare Abrüstung und Nichtverbreitung eine Krise des Multilateralismus und der Unwille vieler Staaten, einer realen Gefahr durch gemeinsames vorausschauendes Handeln vorzubeugen. Nationaler Egoismus, nationale Abschottung und Alleingänge scheinen die bevorzugten Wege zur Problemlösung zu sein.“ Daher: „Es bedarf deshalb eines entschiedenen Einsatzes auf hoher politischer Ebene.“

Zu einem vergleichbaren Befund kommt Wolfgang Richter: „Der Abbau der konventionellen und nuklearen Rüstungskontrolle. der schon seit 2002 zu beobachten ist, hat sich beschleunigt. […] Diese Entwicklung demonstriert, dass die Bereitschaft zur präventiven Risikoeinhegung deutlich abnimmt.“

Rüdiger Lüdeking 50 Jahre Atomwaffensperrvertrag: Ein Plädoyer für atomare Abrüstung und Nichtverbreitung in Zeiten der Coronapandemie, baks.bund.de, Arbeitspapier 4/2020. Zum Volltext hier klicken.

Wolfgang Richter: Nukleare Rüstungskontrolle in Gefahr, SWP-Aktuell, Nr. 34 Mai 2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Wenn Sie sich zwei Absätze aus dem Grundgesetz auswählen sollten, die für Sie am wichtigsten und am wertvollsten sind – welche würden Sie wählen?“, fragt Heribert Prantl und setzt fort: „Ich würde den Artikel 1 Absatz 1 und den Artikel 20 Absatz 4 wählen. Diese beiden Absätze sind die Grundlage des Gemeinwesens, sie sind Alpha und Omega des demokratischen Rechtsstaats. Da ist zum einen […] der ebenso schlichte wie großartige Satz: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ Und da ist zum anderen das Widerstandsrecht: ‚Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Heribert Prantl: Prantls Blick – die politische Wochenvorschau, sueddeutsche.de, 19. Juli 2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Drei weitverbreitete Überzeugungen beherrschen unsere Vorstellung über das Verhalten von Menschen in Katastrophensituationen: Massenpanik, das Gefühl von Ohnmacht und die starke Zunahme egoistischer und krimineller Verhaltensweisen“, schreibt Andreas von Westphalen und hält dagegen: „Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen offenbaren jedoch ein deutlich optimistischeres Bild des Menschen.“

Andreas von Westphalen: Altruismus. Der Mensch in Zeiten der Katastrophe, deutschlandfunk.de, 19.07.2020. Zum Volltext hier klicken.