23. Jahrgang | Nummer 10 | 11. Mai 2020

Bemerkungen

Rede eines Fußgängers

Wenn jemand den ganzen
Tag gewandert ist und
gegen Abend ankommt, so
ist das genug.

Francesco Petrarca

Wandern sei des Müllers Lust, so heißt es. Dürfen andere etwa keine Lust haben? Es sind doch bedeutendere Leute gewandert als Herr Müller. Heinrich Heine über den Harz, und Gottfried Seume gleich bis nach Syrakus. Früher einmal waren ganze Völker beim Wandern. Aber das hatte wohl andere Gründe. – Was Wandern so attraktiv macht, ist das Gefühl der Unabhängigkeit. Außer der Himmelsrichtung braucht man nicht viel einzuhalten. Man darf sich gehen lassen, wohin man will; mit den Füßen im Bach planschen, oder im Grase liegen und Ameisen zählen – oder gar nichts tun

Obendrein sind merkwürdige Dinge zu entdecken, von denen man bislang keine Ahnung hatte: Dass Gänse vor Neugier lange Hälse machen, und Ahornblätter im Herbst apfelsinenfarbig werden. Dass die Amsel im Schnee ein Bein schont, und dass es rosa Muscheln gibt, die fast so klein sind wie ein Sandkorn. – Wie Wald riecht und Wasser und die sogenannte Landluft. – Wie der Himmelblaue Blattkäfer in der Nähe aussieht und ein Seeadler aus der Ferne. Und dass bei Neustrelitz an der Chaussee ein weißgepinselter Küchenstuhl steht, zum Ausruhen. – Wer’s nicht glaubt, der mache sich auf und wandere.

Renate Hoffmann

Handy am Steuer wird sehr teuer

„Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“, schrieb George Orwell, den Menschen meinend, in seiner Erzählung „Farm der Tiere“. In ganz wenigen Fällen ist aber das Bestreben, zu den Gleicheren zu zählen, zum Scheitern verurteilt und endet im Fiasko – wie der nachfolgende Kriminalfall beweist.
Der Geschäftsführer des Pharmariesen Sanofi Pasteur MSD, zugleich Präsidiumsmitglied der Deutschen Elite-Akademie, wurde vor über 15 Jahren auf der A 6 bei Schwabach mit seinem Auto und einem Handy am Ohr von der Polizei gestoppt. Vierzig Euro waren dafür fällig, aber das war dem Ertappten viel zu viel. Er zückte einen österreichischen Firmenausweis und gab sich als Konsul aus, der Immunität genieße. Da wunderten sich die gut ausgebildeten Streifenpolizisten und zeigten den Elitemanager, der in Karlsruhe wohnte, wegen Amtsanmaßung an.
Die Staatsanwaltschaft in Nürnberg hatte ein Herz für den herausragenden Wirtschaftslenker und schickte ihm einen Strafbefehl über nur 50.000 Euro – 50 Tagessätze zu 1000 Euro. Das war aber nun wirklich unverschämt; der Manager beauftragte einen Rechtsanwalt, gegen die überhöhte amtliche Zahlungsaufforderung Widerspruch einzulegen. Ein öffentlicher Prozess vor dem Amtsgericht in Nürnberg war die unvermeidbare Folge.
Amtsrichter Jochen Ehrlicher hatte ein Herz für den vielbeschäftigten Geschäftsführer und wollte es bei den 50 Tagessätzen belassen, die schon die Staatsanwaltschaft festgelegt hatte. Darüber konnte der Angeklagte wohl nur lachen und prahlte sogleich mit seinem Spitzengehalt von 200.000 Euro im Monat, natürlich netto.
Der ehrliche Richter überlegte kurz, machte schnell auf dem Papier eine Schlussrechnung auf und legte schließlich den Tagessatz auf 6600 Euro fest. Das waren dann immerhin 330.000 Euro Strafe für das Telefonieren am Steuer. Nun endlich war auch der Elite-Akademiker bedient.
Honoré de Balzac meinte, dass Gleichheit vielleicht ein Recht sein mag, aber keine menschliche Macht sie in die Tat umzusetzen vermag. Aber wir haben gesehen, dass es in wenigen Fällen gelingt.

Frank-Rainer Schurich

Atomschwelle

In der vorangegangenen Blättchen-Ausgabe hatte Otfried Nassauer, Chef des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS), in seinem Beitrag „Nukleare Teilhabe in der NATO – wird Europa ausgetrickst?“ geschrieben: „Ende 2019 schickten die USA erstmals ein strategisches Raketen-U-Boot (SSBN) auf Patrouille, das mindestens eine Trident-II-D5-Rakete an Bord hatte, die nur einen kleinen Sprengkopf vom Typ W76-2 mit circa 8 KT Sprengkraft trug.“ Zu den militärischen Implikationen dieser Innovation vermerkte Nassauer: „Die USA können von einem US-Boot aus eine US-Rakete mit einem US-Sprengkopf als substrategisches Mittel für einen begrenzten atomaren Einsatz nutzen und dabei wählen, ob das Ziel auf dem Territorium Russlands oder eines anderen Landes liegt. US-U-Boote werden der NATO in Krise und Krieg nicht mehr unterstellt. Es braucht kein europäisches Mittun, um die Schwelle zu einem auf Europa begrenzten Nuklearwaffeneinsatz zu überschreiten.“
Auch in Moskau wird diese Entwicklung ernst genommen. Seitens des russischen Außenministeriums verlautbarte: „Unserer Ansicht nach findet hier offenkundig eine gezielte Verwässerung der Grenzen zwischen nichtstrategischen und strategischen Waffen statt – und das führt zu einer Senkung der Atomschwelle und einer wachsenden Gefahr von Atomkonflikten. Dies ist nicht nur unsere Ansicht – einen ähnlichen Standpunkt in den USA nehmen auch renommierte Vertreter aus Akademikerkreisen sowie Abgeordnete im US-Kongress ein.“ Damit auf US-Seite keine Unklarheiten bestehen, hieß es darüber hinaus, dass Moskau jede Attacke mit ballistischen US-Raketen von U-Booten aus als atomaren Angriff werten würden – ungeachtet von deren Bestückung. Und: „Diejenigen, die sich über die Flexibilität des nuklearen Potenzials der USA Gedanken machen möchten, seien daran erinnert, dass gemäß der russischen Militärdoktrin Aktionen dieser Art Grund für einen atomaren Gegenschlag vonseiten Russlands geben.“

Alfons Markuske

Rüstungsausgaben

Die weltweiten Rüstungsausgaben sind 2019 weiter gestiegen – auf inzwischen aberwitzige 1,78 Billionen Euro. Die Steigerungsrate lag bei 3,6 Prozent und war die höchste der vergangenen zehn Jahre. So die jüngste Angabe des Internationalen Friedensforschungsinstituts in Stockholm (Sipri).
Die mit Abstand größten Rüstungsausgaben entfielen – wie schon seit Jahrzehnten – weiter auf die USA: rund 730 Milliarden Dollar; das waren 38 Prozent der globalen Ausgaben.

Deutschland ist 2019 aufgerückt: von Platz neun auf Platz sieben der Länder mit den aufgeblähtesten Militärbudgets. Das war Folge eines zehnprozentigen Anstiegs im Vergleich zu 2018. (Ein SPD-Finanzminister und Vizekanzler stellte die Mittel dafür bereit, die – da die „schwarze Null“ quasi Gesetz ist – nichtmilitärischen Zwecken vorenthalten wurden.) Unter den europäischen NATO-Staaten belegt die Berliner Republik nun Platz zwei. Hinter Frankreich, aber noch vor Großbritannien.

Hans-Peter Götz

Inneres Ausland

Zum Jahreswechsel, das Coronavirus war noch vermeintlich weit weg, die Zeit war günstig, sich bei der Lektüre aus dem großen Regalbrett der ungelesenen Bücher zu bedienen, ging der Griff zu Thommie Bayers Roman „Das innere Ausland“.
Ein Roman über einen Mittsechziger, der aus seiner beschaulichen Einsamkeit in Südfrankreich unvermittelt durch eine jüngere Besucherin herausgerissen wird.
Thommie Bayer war mir bis dato nur als Liedermacher bekannt, der mit dem herrlich absurden „Der letzte Cowboy“ in der 80er Jahren kurzzeitig populär wurde.
Nun liegt im CD-Regal Manfred Maurenbrecher … Und wieder heißt der Titel „Inneres Ausland“. Doch die Renaissance des Titels sollte nicht zur zwanghaften Suche nach weiteren Gemeinsamkeiten verleiten. Angeblich hat ja schon Siegmund Freud diese Metapher verwendet.
Manfred Maurenbrecher, der am 2. Mai seinen 70. Geburtstag feiern konnte, hat ein umfangreiches Wirken und Werken vorzuweisen. Seine Palette bekommt mit der neuen CD aber einen ungewohnten Farbtupfer. Denn diese Veröffentlichung entstand nicht nur mit Band, sondern auch mit dem Jazzchor Jazzomat.
Mit 70 Jahren präsentiert sich der Berliner Liedermacher als aufmerksamer und sensibler Zeitgenosse, der selbst im fortgeschrittenen Alter seine Neugier nicht verloren hat.
Mit seiner markanten rauen Stimme weist er durchaus Parallelen zu seinen musikalischen Vorbildern Randy Newman, Tom Waits und Leonard Cohen auf. Gerade bei den „intimen Stücken“, wenn seine Stimme nur vom Flügel begleitet wird, kommt diese besonders gut zur Geltung.
Und Maurenbrecher ist und bleibt eine Stimme im Kampf gegen den rechtskonservativen gesellschaftlichen Klimawandel.
Im ansprechend gestalteten Booklet finden sich alle Songtexte. Zusätzlich gibt es noch ein persönliches „Best of“ in Form von sechzehn Lieblingszeilen des Künstlers.
Eine dieser Zeilen möchte ich abschließend zitieren:
„Meine Gedanken gehen in jede Richtung, ich träum vom Morden wie vom Glück, das man nicht sieht.“
Es lohnt sich, Maurenbrecher auf seiner musikalischen Reise durch das innere Ausland zu begleiten …

Thomas Rüger

Inneres Ausland, CD, Label: Reptiphon/Broken Silence, 2020, circa 16,00 Euro.

Kinder, Kinder (II)

Die Schule ist jenes Exil, in dem der Erwachsene das Kind so lange hält, bis es imstande ist, in der Erwachsenenwelt zu leben, ohne zu stören.

Maria Montessori

Kinder erziehen ist leicht. Schwer ist nur, das Ergebnis zu lieben.

Werner Schneyder

Ich habe diese Sucht, Kinder zu bekommen, nie begriffen – niedliche Puppen, die zu solchen Dummköpfen heranwachsen, dass man vor ihnen wegrennen möchte, es sei denn, sie erhalten eine strenge und unverfälschte Erziehung. Und wer hat schon die Geduld, ihnen die zukommen zu lassen?

Stendhal

Der Wissenschaftler ist oft ein Kind, das mit Murmeln zu spielen glaubt, die in Wirklichkeit Bomben sind.

Stephane Hessel

Je länger ein Mensch Kind bleibt, desto älter wird er.

Novalis

Früher wurden Kinder Lokomotivführer, Tierärztin oder Astronaut. Heute hochbegabt. Gut, viele Kinder scheinen klug, einfach weil die Eltern so dumm sind.

Christoph Sieber

Kinder und Uhren dürfen nicht beständig aufgezogen werden, man muss sie auch gehen lassen.

Jean Paul

Tradition ist die Methode, die verhindern will, dass Kinder ihre Eltern übertreffen.

Jean Jaurès

Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt.

Erich Kästner

zusammengestellt von bebe

Die Post

Das Postgebäude kann nicht geschlossen haben. Nein, nein. Die Post ist systemrelevant. Ein neues Wort für mich in einer neuen Zeit. Ich springe vom Fahrrad, umklammere den dicken Brief und starre auf die Glastür. „Keine Sorge, die Post macht nicht dicht. Die Post doch nicht!“, sagt ein Typ mit Lockenkopf, Kapuzenshirt und ausgewaschenen Jeans. Er grinst mich an. Ich frage mich, ob es ein Student ist, dessen Uni unter Quarantäne steht. Oder ein systemrelevanter Krankenpfleger nach der Nachtschicht? Ich lächle zurück. Recht hat er, ich denke zu viel. Schwungvoll schreite ich der Glastür entgegen. Kalt und hart drückt die Scheibe gegen meine Nasenspitze, gefolgt vom Aufprall meiner Stirn. Nichts bewegt sich. „Ich fasse es nicht“, staunt Wuschelkopf und parkt sein Rennrad neben meinem Drahtesel. Okay, cool bleiben. „Kein Problem“, meine ich und wende mich dem Briefmarkenautomaten zu. Vorübergehend außer Betrieb sagt das Schild. „Wohin soll die Sendung denn gehen?“, fragt der Typ neben mir. „Nach Polen. 4,89 Euro in Briefmarken brauche ich.“ „Na, wenigstens sind die Grenzen für Briefe noch offen.“ Mit unverwüstlichem Grinsen zückt er sein Portemonnaie. „Ich kann Ihnen drei 80-Cent-Marken schenken, wenn das was hilft.“ Wow! Echt jetzt. Ich bin gerührt. „Danke“, sage ich. „Und ich habe eine Marke zu 1,55 Euro. Bleibt eine Differenz von 94 Cent.“ „Sie waren mal bei der Matheolympiade, oder?“ Wir lachen. Die 94 Cent fehlen trotzdem.
Ein Knurren lässt uns aufschauen. Unweit von uns kämpft ein Rentner mit seinem übergewichtigen Dackel. „Entschuldigen Sie“, spricht ihn Wuschelkopf an. „Sie haben nicht zufällig Briefmarken dabei? Der jungen Frau hier fehlen noch 94 Cent. Die Post hat geschlossen, Lockdown und so.“ Er streicht sich eine Locke aus dem Gesicht. „So, so“, murmelt der Rentner. Die Hand, die nicht mit Hundi kämpft, kramt zwei 60-Cent-Briefmarken hervor. Und da heißt es immer, die Leute würden keine Briefe mehr schreiben! Es geschehen noch Wunder. „Echt jetzt? Vielen Dank“, stammle ich. „Das ist sehr nett. Wirklich.“ „Gern geschehen“, meint er und zieht den Dackel an uns vorbei. „Ach und übrigens… Vor 9 Uhr hat die Post immer zu.“ Ich checke meine Armbanduhr, dann die Öffnungszeiten an der Glastür. In 30 Minuten wird die Post öffnen. Genau wie an jedem anderen Wochentag. Ich spüre wie ich rot werde. Wuschelkopf lacht. „Wenn das so ist, können Sie die Briefmarken wiederhaben“, murmele ich ihm zu. „Aber nicht doch! Und wollen wir nicht DU zueinander sagen? In Krisenzeiten heißt es zusammenhalten!“

Annegret Mühl

WeltTrends aktuell

Die Coronakrise macht Schwachstellen in unseren Gesellschaften deutlich und stellt die Weltgesellschaft auf den Prüfstand. Das Solidarische geht dabei vor die Hunde, wovon nicht zuletzt auch die Europäische Union betroffen ist. Die Auseinandersetzungen innerhalb der EU werden sich im Schatten der Coronakrise verschärfen. Das wird sich auch im Europaparlament niederschlagen, dessen neue Zusammensetzung im Thema diskutiert wird. Die Beiträge wurden vor dem Ausbruch der Coronakrise verfasst, aber die Analysen über diese wichtige Institution im Gefüge der EU bleiben relevant.

Das gilt auch für die Überlegungen Herfried Münklers über die künftige Weltordnung im Gespräch mit WeltTrends-Redakteur Majd El-Safadi. An die Stelle des US-amerikanischen Zeitalters werde kein chinesisches treten, sondern eine „Welt ohne Hüter“, so Münkler.
Im WeltBlick geht es um Berichte aus der Coronawelt, unter anderem aus Südkorea, das hierzulande als Vorbild in Sachen Krisenbekämpfung gehandelt wird, sowie aus dem Iran und aus Polen.
Ausgehend von den in seinem jüngsten Buch „Der 8. Mai. Geschichte eines Tages“ beschriebenen Ereignissen setzt sich Alexander Rahr in der Historie mit Versuchen auseinander, die Geschichte umzuschreiben, wie jüngst in einer Resolution des Europaparlaments geschehen.
Im Gastkommentar erinnert Petra Erler daran, dass es gilt, das Leben des bedrohten Julian Assange zu retten.

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WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 163 (Mai) 2020 (Schwerpunktthema: Brüsseler Dynamiken“), Potsdam / Poznan, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Blätter aktuell

Die Coronakrise drängt zu Vergleichen mit anderen historischen Einschnitten wie dem Kriegsbeginn 1914. Doch diese Analogien verstellen den Blick auf das radikal Neuartige dieser Situation, so der Historiker Adam Tooze. Noch nie zuvor hat es in Friedenszeiten einen derartigen Einbruch der Wirtschaft gegeben. Die Folgen werden uns auf Jahrzehnte beschäftigen.

Die Angst vor dem Virus ist auch eine Chance für autokratische Politiker bei ihrem Kampf gegen die Demokratie. Der Soziologe Helmut Fehr zeigt auf, wie die starken Männer in Ungarn und Polen aus der Stunde der Exekutive einen Putsch der Exekutive machen, um im Zeichen der Virus-Bekämpfung Gewaltenteilung und Rechtsstaat zu schleifen.

Anders als in der Bundesrepublik fand in den Institutionen der DDR nach 1945 ein umfassender Austausch des nationalsozialistischen Personals statt. Dennoch kam es gegen Ende der DDR zu erheblichen neonazistischen Bewegungen. Der Politikwissenschaftler Wolfram Grams analysiert die Gründe dafür, wie auch die braunen Kontinuitäten in Westdeutschland.

Dazu weitere Beiträge, unter anderem: „Großbritannien: Planlos in die Katastrophe“, „Lieferketten unter Corona: Den Letzten beißen die Hunde“ und „Das Überleben der ‚Anderen«‘: Alter in der Pandemie“.

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, Mai 2020, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.

Aus anderen Quellen

„Die Lehren aus der Pandemie“, so Klaus Blessing und Uli Jeschke, „können nur sein: Schluss mit der Herrschaft des Finanzkapitals und seiner Spekulanten. Schluss mit der Schöpfung von Geld und Reichtum ohne Arbeit. Schluss mit der Ansammlung von gigantischem Reichtum bei wenigen und gigantischer Armut bei den vielen weltweit. Schluss mit der Herstellung billigster Lebensmittel und Konsumwaren in den ärmsten Ländern unter menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen. Schluss mit unnötigem, unvernünftigem Transport von Waren und Menschen rund um den Globus zu Lande, zu Wasser und in der Luft; vielmehr Besinnung auf eigene Ressourcen und Fähigkeiten. Schluss mit einer außer Rand und Band geratenen Konsumgesellschaft, die entbehrliche, oft nutzlose Produkte offeriert und Massen zu überteuerten ‚Kultur‘- und Sport-Events auf Straßen, in Hallen und Stadien rund um den Globus treibt. Schluss mit der dem Profit unterworfenen Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen, Wohnungswesen und anderen sozialen Diensten, des öffentlichen Verkehrs, der Energieversorgung, von Bildung, Kultur und Sport; Rückführung in staatliches und kommunales Eigentum, um die Daseinsfürsorge der Bevölkerung zu sichern und nicht Profitgeiern zu überlassen.“

Klaus Blessing und Uli Jeschke: Zurück zu welcher Normalität?, neues-deutschland.de, 28.04.2020. Zum Volltext hier klicken.

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Gerade erschienen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe ist das Buch „Der 8. Mai. Die Geschichte eines Tages“ von Alexander Rahr. Im Interview erklärte der Autor: „Heute heißt es in Deutschland des Öfteren, Amerikaner seien die guten Befreier, die Russen die bösen Besetzer gewesen. Es wird mehr über Vertreibungen und Racheakte der Russen an den Deutschen geschrieben, als über die Gräuel des Vernichtungskrieges, den Hitler gegen die slawischen Völker führte. In Deutschland sind die Schrecken des Holocaust jedermann bekannt, nicht aber, wie es zu den 27 Millionen Toten in der Sowjetunion kam.“

„Der 8. Mai. Die Geschichte eines Tages“ – Interview mit Alexander Rahr über sein neues Buch, russland.news, 24. April 2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Im Bereich der öffentlichen Verwaltung wirft die digitale Transformation und das damit verbundene Outsourcing grundsätzliche Fragestellungen nach dem Verhältnis von Staat und Privatwirtschaft auf“, stellt Christoph Marischka fest und fährt fort: „In ‚Smart Cities‘ wird die Verantwortung für Ampelschaltungen, die Erhebung der öffentlichen Meinung oder die Verwaltung von Archiven und Schulzeugnissen an Start-ups übertragen, die ihrerseits wieder mit Plattformunternehmen zusammenarbeiten. Die Verträge, die dem zugrunde liegen, gelten oft als Betriebsgeheimnis und sind deshalb öffentlich nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich gilt die strukturelle Notwendigkeit des Outsourcing im Zuge der digitalen Transformation auch für den Rüstungssektor […].“

Christoph Marischka: KI und Geopolitik, IMI-Analyse 2020/14. Zum Volltext hier klicken.

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Zum Wirtschaftsrettungsprogramm der Regierung der USA in der Coronakrise schätzt David Dayen ein: „Bei dem Bailout handelt sich um einen Raubüberfall, der vor unseren Augen passiert. Das Rettungsprogramm kümmert sich nicht um die Coronakrise. Es kümmert sich um Unternehmen, die zwölf Jahre lang unverantwortlich gewirtschaftet haben und nun so anfällig sind, dass ihnen schon eine kleine Störung von nur wenigen Wochen das Genick brechen könnte. Kurzfristiges Wirtschaften und der Mangel an Kapitalreserven brachten Rekordgewinne für Investoren, die nun im Geld baden können. […] Als die Wall Street erfuhr, dass man sie retten würde, gingen Aktien und Anleihen prompt durch die Decke.“

David Dayen: Der große Raubüberfall, ipg-journal.de, 02.04.2020. Zum Volltext hier klicken.

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Wie ein Wirtschaftskrimi liest sich der Beitrag von Gabriele Keller über die Immobiliengruppe Lebensgut: „Die Recherche der Berliner Zeitung begann vor einigen Wochen mit einem Rätsel ohne Lösung: Die Firmengruppe, die unter dem Namen Lebensgut Häuser kauft und verkauft, ist selbst für den undurchsichtigen Berliner Immobilienmarkt ein auffällig intransparentes Konstrukt. Ähnlich wie bei internationalen Unternehmensgeflechten mit Offshore-Struktur bleiben die Eigentümer für die Öffentlichkeit im Dunkeln. Die Berliner Zeitung stieß auf ein breit gefächertes Netz mit Dutzenden Gesellschaften, das mit weiteren, noch größeren Geflechten verknüpft ist, und am Ende verlieren sich die Spuren in Anwaltskanzleien.“

Gabriela Keller: Der geheime Eigentümer der Immobiliengruppe Lebensgut, berliner-zeitung.de, 22.3.2020. Zum Volltext hier klicken.