23. Jahrgang | Nummer 11 | 25. Mai 2020

Bemerkungen

US-Atomwaffen nach Polen?

Im Zusammenhang mit der Forderung des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland zu beenden (siehe dazu den Beitrag von Sarcasticus in dieser Ausgabe) hat sich die US-Botschafterin in Warschau, Georgette Mosbacher, mit einer Alternatividee ins öffentliche Gerede gebracht. Über das Lieblingsmedium (Twitter) ihres obersten Dienstherrn gab sie am 15. Mai kund und zu wissen: „Falls Deutschland die Möglichkeiten der NATO für einen Nuklearwaffeneinsatz abbauen und schwächen will, könnte Polen, das seinen angemessenen Anteil zahlt, die Risiken versteht und an der Ostflanke der NATO steht, vielleicht diese Kapazitäten beherbergen.“

Die russische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Seitens des Moskauer Außenministeriums verlautbarte, dass eine entsprechende Verlegung gegen eine der Schlüsselbestimmungen der „Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Russischen Föderation und der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO)“ vom 27. Mai 1997 verstoßen würde. In diesem Dokument wurde zugesichert: „Die NATO-Mitgliedstaaten bestätigen, dass sie weder die Absicht noch den Plan noch einen Grund haben, Atomwaffen auf dem Hoheitsgebiet der neuen Mitglieder zu stationieren, und dass sie keinen Aspekt der NATO-Nuklearstreitkräfte oder der Nuklearpolitik ändern müssen und auch in Zukunft keine Notwendigkeit dafür sehen“.

Für Moskau wäre demgegenüber „ein echter Beitrag zur Stärkung der Sicherheit Europas die Zurücknahme amerikanischer Sprengköpfe auf das US-Territorium. Russland hat dies vor langer Zeit getan, indem es alle Atomwaffen auf sein Staatsgebiet zurückgebracht hat.“

Hans-Peter Götz

Das Barkenhoff-Buch

Man sollte sich dem Haus nicht über den offiziellen Zugangsweg nähern, sondern über die dafür eigentlich nicht vorgesehene Zufahrt zum benachbarten „Buchenhof“, dem ehemaligen Haus des Malers Hans am Ende. So erschließt sich am besten der Reiz des von einer beschwingten Veranda vor dem zauberhaften Jugendstilgiebel dominierten Gebäudes. Und egal zu welcher Jahreszeit man den „Barkenhoff“ erlebt: Das Worpsweder Haus des Malers Heinrich Vogeler nimmt wohl jeden sehen könnenden Menschen lebenslang in seinen Bann. Der Maler erwarb es 1895 – die erst wenige Jahre bestehende Künstlerkolonie Worpswede stand vor ihrem Zenit –, baute das ruinöse Torfbauernhaus mit erheblichem Aufwand aus und machte den Barkenhoff zum Mittelpunkt des künstlerischen Lebens der Gemeinde im Teufelsmoor.

Der besonderen Atmosphäre des Ortes nachspüren kann man in Rainer Maria Rilkes Worpswede-Büchlein. Die Fragilität der Vogelerschen Märchenwelt des Barkenhoffs lässt sich hingegen am besten erahnen auf seinem 1903 bis 1905 entstandenen Ölbild „Sommerabend auf dem Barkenhoff (Das Konzert)“, das zu den Höhepunkten der Dauerausstellung der Großen Kunstschau in Worpswede gehört.

Die Geschichte des Barkenhoffs wiederum – die zwischen 1895 und 1931 die Geschichte des Künstlers und des politischen Menschen Heinrich Vogeler ist – kann man nachlesen im kürzlich erschienenen „Barkenhoff-Buch“ von Bernd Küster. Küster, profunder Kenner der norddeutschen bildenden Kunst, hat es verstanden, die Geschichte dieses bedeutenden Schauplatzes der Kunst des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit der Biographie Vogelers so zu verweben, dass gleichsam ein früher Lebenstraum des Künstlers, nämlich eins zu werden mit dem von ihm geschaffenen Ort, zumindest auf dem gedruckten Papier Realität wurde. Die gelebte Wirklichkeit sah anders aus. Die Geschichte des Barkenhoffs war immer auch eine Geschichte des Suchens, dem geradezu schicksalhaft nicht minder stets ein Scheitern innewohnte. Sichtbar schon am „Sommerabend“: Rilke fehlt unübersehbar auf dem Bild, Otto Modersohn steht im Abseits, Vogeler selbst sitzt halbverdeckt am rechten Bildrand und im Zentrum steht Martha Vogeler, wehmütig und in sich versonnen – und eigentlich schon nicht mehr zugehörig. Vogeler selbst wendet sich in den nächsten Jahren innerlich mehr und mehr von dieser Traumwelt ab. Nach dem Ersten Weltkrieg macht er aus dem Barkenhoff eine Arbeits-Kommune. Dieses „Experiment einer sozialen Gemeinschaft“ (Küster) scheitert 1924. Heinrich Vogeler übergibt den Hof der „Roten Hilfe“, die neben Elgersburg mit ihm ein zweites Kinderheim betreibt. Dem ist kein friedliches Gedeihen möglich. Bernd Küster schildert das Schicksal dieses linken sozialpolitischen Experiments inmitten einer deutschnational grundierten Umgebung mit großer Detailkenntnis. Vogeler selbst war 1930 das letzte Mal in Worpswede. Im Jahr zuvor war er aus der KPD und dem Zentralvorstand der Roten Hilfe ausgeschlossen worden. Im Frühjahr 1931 wurde das Kinderheim im Barkenhoff geschlossen. Nicht die Nazis bliesen dieser Einrichtung das Licht aus. Die Kommunisten waren es selbst.
Die Geschichte des Barkenhoffs „nach Vogeler“ und die Geschichte seiner Rettung sind spannend erzählt. Der Band selbst ist ein ästhetischer Genuss. Dem Verlag ist gestalterisch ein großer Wurf gelungen.

Wolfgang Brauer

Bernd Küster: Das Barkenhoff-Buch, Donat Verlag, Bremen 2020, 208 Seiten, 29,80 Euro.

Corona I

Die wirtschaftlichen und sozialen Schäden des Corona-Shutdowns in Deutschland zeichnen sich immer deutlicher ab: Bereits jetzt stehen nach Medienangaben rund 2,1 Millionen Deutsche vor dem Ruin. Kontaktbeschränkungen und Schließung vieler Unternehmen hat für diese Bürger zu existenzbedrohenden finanziellen Einbußen geführt. Weitere 3,5 Millionen Deutsche verzeichnen immerhin erhebliche finanzielle Verluste, 14,4 Prozent zumindest leichte Kürzungen. Also muss mehr als ein Fünftel der Bevölkerung mit weniger Geld auskommen als vor der Krise. Bei Haushalten mit drei Personen sei sogar fast jeder Dritte (30,4 Prozent) betroffen.

In dieser wirtschaftlichen Lage sprach sich der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, sehr deutlich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Dies sei „nichts anderes als eine Abwrackprämie für Menschen, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, weil man zu unkreativ für andere Lösungen ist“, meint der DGB-Vorsitzende. Und: „Arbeit ist mehr als Broterwerb. Sie hat eine hohe sozialintegrative Funktion. Wir sind und bleiben eine Erwerbsgesellschaft. Deshalb kann ich es nicht verantworten, Leute einfach mit einer Prämie von 1000 Euro stillzulegen. Unabhängig davon würde es unsere sozialen Sicherungssysteme völlig auf den Kopf stellen. Da würde ich selbst als Gewerkschafter die Frage stellen, ob das finanzierbar ist.“

Alfons Markuske

Ohne Titel

Nicht jede Besserung ist Tugend;
Oft ist sie nur das Werk der Zeit.
Die wilde Hitze roher Jugend
Wird mit den Jahren Sittsamkeit.
Und was Natur und Zeit getan,
Sieht unser Stolz als Bess’rung an.

Christian Fürchtegott Gellert

Wiedergefunden von FBH.

Open Skies

Über die Absicht Washingtons, eines der letzten internationalen Abkommen zur Stärkung der sicherheitspolitischer Stabilität im Verhältnis zu Russland – den Open Skies-Vertrag von 1992, der den Teilnehmern wechselseitige Kontrollflüge über Territorien von Mitgliedsstaaten gestattet – aufzukündigen, war in der Blättchen-Ausgabe 9/2019 berichtet worden. Laut New York Times vom 21. Mai 2020 hat US-Präsident Trump den Rücktritt von diesem Vertrag jetzt offiziell angekündigt.

Demgegenüber hat eine Gruppe von 16 westlichen (pensionierten) Militärkommandeuren und Verteidigungsministern, die vom European Leadership Network (ELN) koordiniert wird, in einer gemeinsamen Erklärung unterstrichen, dass der Open Skies-Vertrag ein wichtiger Pfeiler der Stabilität zwischen den Atommächten sei. Der Vertrag habe bisher 1517 kurzfristige und unbewaffnete Überflüge ermöglicht. Und: „Während seiner gesamten Laufzeit hat der Vertrag die militärische Transparenz und Vorhersehbarkeit erhöht, dazu beigetragen, Vertrauen und Zuversicht aufzubauen und das gegenseitige Verständnis zu verbessern.“

Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören General Sir David Richards, der ehemalige britische Generalstabschef, General Klaus Naumann, der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, und General Bernard Norlain, Frankreichs Ex-Luftwaffen-Kommandeur.

gm

Corona II

„Will man etwas über den Gemütszustand einer Gesellschaft erfahren“, so behauptet Mareen Linnartz in der Süddeutschen Zeitung, „reicht manchmal einfach nur ein Blick in die Schaufenster von Buchhandlungen. In den vergangenen Wochen lagen da erstaunliche Bücher. ‚Die Welt im Fieber‘ von Laura Spinney, ein Sachbuch über die spanische Grippe 1918, bislang nur besonders Interessierten ein Begriff, ist nun in den Bestsellerlisten. Die ‚Pest‘ von Albert Camus, ein mehr als 70 Jahre alter Klassiker, für die meisten ferne Schullektüre – jetzt gesuchter Krisenbegleiter. Auffallend viele Kochbücher. Keine Reiseliteratur.“

Das mag trefflich beobachtet sein. Doch wenn man „etwas über den Gemütszustand einer Gesellschaft erfahren“ will, kann man auch Google Trends zurate ziehen und sich das Ranking der meist gestellten Suchanfragen der Deutschen in den zurückliegenden sieben Tage aufrufen. Am 18. Mai waren das befremdlicherweise diese:

  • Dürfen Bordelle wieder öffnen in NRW?
  • Wann dürfen Fitnessstudios wieder aufmachen?
  • Dürfen Spielhallen wieder öffnen?
  • Darf man sich wieder mit Freunden treffen?
  • Darf ich nach Holland reisen?

Da kann man nur hoffen, dass von den Fragestellern zumindestens einige wenigstens auch „Die Welt im Fieber“ oder „Die Pest“ dabeihaben, während sie vor Freudenhäusern, Fitnesstempeln und Daddelhöhlen auf erneuten Einlass warten …

am

Krank und gesund

Was für ein Jammer, dass ein Gesunder keinen Kranken anstecken kann!

Reinhard Lochner

Junge Ärzte pflegen im Krankenhaus eine Hand in der Tasche zu tragen, damit man sie von den Pflegern unterscheiden kann.

Lothar Kusche

Es gibt Krankheiten, die heilt nicht der Arzt, sondern der Freund.

Wolfgang Bader

Man muss sich irren, man muss unvorsichtig sein, man muss verrückt sein. Sonst ist man krank.

Jacques Brel

Oh – ich sehe keinen Grund, unzufrieden zu sein. Ich habe eine von mir geliebte Frau, einen von vielen geachteten Beruf und eine von allen gefürchtete Krankheit – mehr kann man vom Leben eigentlich nicht erwarten.

Robert Gernhardt

Dass Reiten nicht gesund ist, weiß man. Speziell nicht für Pferde.

Werner Schneyder

Die Erforschung von Krankheiten hat solche Fortschritte gemacht, dass es immer schwerer wird, einen vollständig gesunden Menschen zu finden.

Aldous Huxley

Es gibt vorzügliche Medikamente, für die man noch keine passende Krankheit gefunden hat.

Ephraim Kishon

Für seine Schmerzen entschädigt den Kranken weitgehend die Möglichkeit, von seiner Krankheit zu erzählen.

Lothar Kusche

In der einen Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben. In der anderen Hälfte opfern wir Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen.

Voltaire

Nicht vom Haben, sondern vom Behalten werden wir krank.

Antoine de Saint-Exupéry

Liebe ist eine Krankheit, von der allzu gründlich geheilt, eine unheilvolle Gesundheit bleibt.

Eva Strittmatter

Ich weiß nicht, ob es so schnell passiert, aber der Kollaps wird kommen. Überbevölkerung, Ressourcenmangel und Seuchen, die niemand mehr in den Griff bekommt. Der Mensch wird aussterben. Vorher werden wir uns aber noch die Köpfe einschlagen.

T.C. Boyle

Was nützt die Gesundheit, wenn man ansonsten ein Idiot ist!

Theodor W. Adorno

Gefunden von bebe.

Medien-Mosaik

Wer gewohnt war, häufig ins Theater oder Kino zu gehen, ist derzeit auf elektronische Medien angewiesen. Viele Theater streamen jetzt alte Inszenierungen, und man findet durchaus Schätze darunter – bis in die fünfziger Jahre zurück. Doch alle haben unterschiedliche Bedingungen dafür – manche Inszenierung ist nur ein paar Stunden zu sehen, andere auch mal eine Woche. Einige Bühnen bieten live-acts, in Berlin beispielsweise das Schlosspark Theater, wo sich Intendant Dieter Hallervorden kulturpolitisch stark engagiert, und das Prime Time Theater, wo Oliver Tautorat auch mal Zuschauerwünsche erfüllt und Rollenimprovisationen anbietet. Unter den Berliner Bühnen sind auch Schaubühne, Deutsches Theater und Berliner Ensemble mit sehenswerten Web-Auftritten zu empfehlen.

Wem das Fernseh-Allerlei zu viel wird, der kann sich bei einzelnen Filmverleihern zu unterschiedlichen Konditionen neue Filme ansehen, etwa bei der Edition Salzgeber, die sich in ihrem Angebot dem gesellschaftskritischen, darunter besonders dem schwul-lesbischen Film widmet.

Aber auch alte Schwarzweißfilme sind in voller Länge im Netz zu finden, etwa bei Youtube. Das Filmarchiv Austria zeigt Spielfilme seiner Retrospektive „Dunkles Wien“ bis 4. Juni im Netz. Hier kann man beispielsweise den zu Unrecht vergessenen Film „Asphalt“ mit Johanna Matz sehen, den Harald Röbbeling 1951 im Zeichen des Neorealismus drehte. Kurz darauf arbeitete Röbbeling einige Jahre bei der DEFA, und auch viele Filme der staatlichen Filmgesellschaft der DDR kann man im Netz vollständig sehen. Dazu zählen Indianerfilme mit Gojko Mitic (der in wenigen Wochen schon 80 wird). Unter dem Label DEFA Filmwelt der Verleihfirma Icestorm kann man zahlreiche Überraschungen aus allen Genres finden, darunter auch den aktuell klingenden „1-2-3 Corona“, der allerdings ein sympathischer Artistenfilm aus der Nachkriegszeit ist. In den sechziger Jahren ist der Film „Mord am Montag“ mit Herbert Köfer und Eberhard Esche angesiedelt, ein Krimi von Hans Kratzert, der in einer fiktiven westdeutschen Großstadt spielt, die leicht als Frankfurt am Main zu erkennen ist. Die DEFA schaffte es mit einigen Originalaufnahmen, die Illusion zu vermitteln, dass der Film wirklich dort gedreht wurde. Allerdings stehen auf Parkplätzen mitunter ungewöhnlich viele Trabanten und Wartburgs. Aber so etwas heute zu erkennen, macht Spaß!

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Die Traditionalisten greifen weiterhin gern zum Buch. Hier ist eine gerade erschienene Novelle von Klaus Möckel zu empfehlen. Der Romanist, der seit den sechziger Jahren vor allem durch abenteuerliche Geschichten und besonders für Krimis bekannt wurde, hat sich immer wieder auf ebenso unterhaltsame wie weiterbildende Weise der französischen Geschichte gewidmet. Sein neues Buch trägt den auf den ersten Blick irritierenden Titel „Rebellisches Wissen“. Ja, ein Wissen, das man anderen voraushat, kann zum Rebellentum führen! Möckel erzählt vom Kampf des Enzyklopädisten Diderot, um sein aufklärerisches Hauptwerk gegen Widerstände, etwa vom Pariser Polizeipräfekten und dem dortigen Erzbischof herauszubringen. Nicht nur Diderots Mitstreiter Voltaire und Rousseau müssen sich vielerlei Angriffen erwehren, sind sich aber untereinander durchaus nicht einig. Und König Ludwig XV. sowie seine Mätresse Madame de Pompadour gehören zu denen, denen rebellisches Wissen suspekt ist.

Möckel ist sich treu geblieben. Er hat unterhaltsame Nebenfiguren den Handlungsträgern beigesellt und viel zum Verständnis der Umstände einer Ära, die zwingend auf die Aufklärung zulief, beigetragen.

Klaus Möckel, Rebellisches Wissen, Edition digital, Pinnow 2020, Printausgabe: 184 Seiten, 12,80 Euro; E-Book 8,99 Euro.

bebe

Aus anderen Quellen

In der vorangegangenen Blättchen-Ausgabe hatte Reinhard Wengierek über die skandalösen Vorgänge an der Staatlichen Ballettschule Berlin berichtet, an der durch die Berliner Schulsenatorin auf der Grundlage von üblen Gerüchten im Januar die Professoren Ralf Stabel, Schulchef seit 13 Jahren, und Gregor Seyffert, seit 17 Jahren Künstlerischer Leiter des Instituts, suspendiert worden waren. Jetzt berichtete Birgit Walter, dass Stabel die fristlose Entlassung drohe – aber nicht etwa, weil er, so einer der ursprünglichen Vorwürfe, „martialischen Vorwürfen zu Misshandlungen nicht nachgegangen“ sei, sondern weil der Schulleiter unter anderem „nicht genügend Unterrichtsstunden gegeben“ habe.

Birgit Walter: Dem Leiter der Ballettschule droht nun fristlose Kündigung, berliner-zeitung.de, 19.5.2020. Zum Volltext hier klicken.

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Zur Beschwörung des Feindbildes Russland wird im Westen seit einigen Jahren immer mal wieder die (nach dem russischen Generalstabschef benannte) „Gerassimow-Doktrin“ (auch als „Strategie der hybriden Kriegführung“ bezeichnet) beschworen – ein angeblicher Plan für kombinierte psychologische, politische, subversive und militärische Operationen zur Destabilisierung des Westens, mit dem Moskau an seiner Peripherie durch Coups à la Krim, also unterhalb der Schwelle zum offenen Krieg, überdies seine Einflusszonen ausweiten wolle. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Wolfgang Kubiczek in der Blättchen-Ausgabe 12/2019 ausführlich mit dieser Propaganda-Ente auseinandergesetzt und auch deren (unfreiwilligen) Erfinder benannt, Mark Galeotti. Der hat sich jetzt selbst zu Wort gemeldet: „Was ist die jüngste teuflisch komplexe, rücksichtslos listige Bedrohung, die uns vom Kreml droht? Natürlich ist es die ‚Gerassimov-Doktrin‘.“ Doch die westliche „Verwirrung darüber, was genau diese ‚Doktrin‘ beinhaltet, verrät den grundlegenden Punkt: Sie existiert nicht. […] Ich sollte es wirklich wissen, denn ich war derjenige, der unvorsichtig und unbeabsichtigt die ‚Gerasimov-Doktrin‘ lanciert hat.“

Mark Galeotti: „The Gerasimov Doctrine“, berlinpolicyjournal.com, 28.04.2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Seit 18 Jahren steht im Pankower Atelier der Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach ein Denkmalsentwurf, inspiriert durch den kühnen Plan einer Bersarin-Initiative um Götz Aly, Historiker und Autor der Berliner Zeitung“, schreibt Ingeborg Ruthe und erinnert an die Verdienste Bersarins: „Der von Marschall Schukow zum Berliner Stadtkommandanten beförderte Offizier der 5. Stoßarmee organisierte die Lebensmittelvergabe, brachte ‚Trinkwasser und Brot statt Rache‘. Hart griff er durch gegen Soldaten, die vergewaltigten und plünderten. Er ließ Theater und Orchester spielen, und auch den Rundfunk wieder senden. Er ordnete Schulöffnungen an, gab Religionsunterricht und Gottesdienste frei, ließ Kulturschaffenden und Intellektuellen die Lebensmittelkarte 1 aushändigen.“

Ingeborg Ruthe: Wann stellt Berlin ein Denkmal für Nikolai Bersarin auf? berliner-zeitung.de, 08.05.2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Geht Glosse in Zeiten von Corona“ war in Ausgabe 7/2020 an dieser Stelle gefragt worden. Protest kam keiner. Dann also auf ein Neues!

„Vergangene Woche“, so piekte André Mielke auf, „echauffierte sich der Kabarettist Mathias Richling bei Frau Maischberger über flatterhafte Expertisen. Er redete hitzig, aber weder im Wahn noch gegen ‚das System‘. Anderntags urteilte eine Spiegel-Autorin, für Richling gelte dasselbe wie für ‚Faschisten‘: Wer ihm ein Podium biete, legitimiere seine Position. Stattdessen solle jeder erkennen, ‚dass Wissenschaft täglich neuen Erkenntnisprozessen folgt‘. Wer den neuen Prozessen nicht täglich neu folge, lasse ‚verantwortungslos viel Raum für Realitätsverweigerung‘. Gnädig stellte sie den Satiriker nur zu Covidioten und Coronazis in die Ecke und nicht wegen Immunabwehrkraftzersetzung an die Wand.“

André Mielke: Meine Haut, Drosten und ein wenig Nachsicht, berliner-zeitung.de, 20.05.2020. Zum Volltext hier klicken.