22. Jahrgang | Nummer 8 | 15. April 2019

Bemerkungen

Na sorry!

Ihr Körper bebte, und sie schrie wie die Leibhaftige: „Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Na sorry, wer schafft die Arbeit? Die Wirtschaft schafft die Arbeit! Bitte merkt’s euch das einmal!“
Wir merken auf und merken an: Nicht die Arbeit schafft die Wirtschaft, sondern die Wirtschaft schafft die Arbeit. Warum muss dann aber die Wirtschaft Arbeitskraft ankaufen, um die Arbeit, die sie ja schon geschaffen hat, verrichten zu lassen? Wie kann die Wirtschaft etwas schaffen, das erst geschaffen werden muss? Wäre die Arbeit schon da, bräuchte es ja keine Arbeiter mehr. Da es sie aber braucht, kann das wohl nicht stimmen, was die Beate Hartinger-Klein, Asozialministerin der FPÖ, da so in Rage versetzt von sich gibt.
Des Rätsels Lösung ist einfach: Es funktioniert andersrum. Sprachlich ist es ja auch naheliegend: Es arbeitet der Arbeiter. Es arbeitet die Arbeiterin. Arbeiter arbeiten. Die Wirtschaft arbeitet mit der Arbeit, sie realisiert Wert und Mehrwert, denn ohne das könnten die Unternehmen keine Profite machen. Das führt freilich zur nächsten Einsicht: Die Arbeitgeber nehmen die Arbeit und die Arbeitnehmer geben die Arbeit. Was klar sein müsste, wird freilich in unserem Vokabular völlig spiegelverkehrt abgebildet. Es herrscht eine irre Nomenklatur.
Warum die Arbeitgeber Arbeitnehmer heißen, ist das nächste Rätsel. Dass Arbeitgeber Arbeit geben und der Arbeitnehmer Arbeit nehmen, ist Unfug. Der gemeingefährliche Schwachsinn liegt darin, durch Fehlbenennungen falsches Bewusstsein zu generieren und immer wieder zu regenerieren. Das Problem ist nicht, was die Hartinger-Klein da im österreichischen Nationalrat schreit, das Problem ist, dass die große Mehrheit dies genauso auffasst. An dieses Wirtschaftswunder der Wunderwirtschaft glauben Ministerien wie Medien, Universitäten, Unternehmen, Gewerkschaften bis hin zu den Stammtischen. Wir leben im Reich der Trottelbegriffe.
Sogar Wärme und Kälte werden vertauscht. „Ich muss nicht Wärme ausstrahlen. Ich bin die Wärme, weil mir Menschen wichtig sind“, sagt dieselbe Ministerin. Bei so viel Hitze ist der geistige Kolbenreiber nur eine Frage von Zeit. Hartinger-Klein muss aufpassen, nicht heiß zu laufen, sich vollends zu entzünden und abschließend zu explodieren.

Franz Schandl, Wien

„The Nigger of the World“

Wir hatten ihn gerade wieder – den „Equal Pay Day“. Am 18. März 2019: Männern und Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit! Es war einmal mehr – eine Luftnummer. Wie die Bundesregierung auf Anfrage einer Linken-Parlamentarierin mitteilte, haben Ende 2017 Männer im Mittel 3372 Euro brutto im Monat verdient und damit um beachtliche 452 Euro mehr als Frauen. Dazu passen Angaben der aktuellen Arbeitsmarktstatistik: Unter den 7,7 Millionen „atypisch Beschäftigten“ (maximal 20 Wochenstunden, Minijobber, Zeitarbeiter, befristet Beschäftigte) in Deutschland sind derzeit 68,8 Prozent Frauen. Die Zahl der Vollzeit arbeitenden Frauen sank zwischen 1997 und 2017 sogar um 5,3 Prozent.
Yoko Onos Diktum „Woman is the Nigger of the World“ taugt weiter zum Slogan des Tages.

gm

Litfaßsäulen im Museum

Schon Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Plakat zu einer künstlerischen Ausdrucksform. Gattungsübergreifend wurde es mit dem massenhaften Aufkommen des neuen Mediums Film, als versucht wurde, im Plakatmotiv wesentliche Momente des jeweiligen Films einzufangen. Im Filmmuseum Potsdam, das auch über eine Plakatsammlung verfügt, hat man sich für die neueste Ausstellung „Plakativ“ dafür entschieden, zugleich Zeitgeschichte zu erzählen.
Die Direktorin des Museums, Ursula von Keitz, ist erschrocken von der flagranten Unkenntnis gegenwärtiger Schüler über die jüngste deutsche Geschichte. In ihrem Konzept und dem der beiden Kuratoren Philipp Stiasny und Esther Riese soll die Filmwerbung im Kontext zur Propaganda in Demokratie und Diktatur der beiden Jahrzehnte 1930–1950 dargestellt werden. Die mehr als fünf Dutzend Beispiele stammen zum größeren Teil aus der wohl einzigartigen Sammlung des Australiers William Gillespie, der zur Ausstellungseröffnung auch das Wort ergriff. Der Historiker aus Sydney mit einem Schwerpunkt auf der deutschen Geschichte sammelt seit den achtziger Jahren. Von ihm stammt auch das lebensgroße Plakat vom „Flötenkonzert von Sanssouci“ (1930) des Alten Fritz im ersten der vier Räume, daneben das der amerikanischen Verfilmung des Remarque-Romans „Im Westen nichts Neues“, das in der grafischen Gestaltung deutlich rechtsnationalistische Motive aufweist. Zwischen beiden ein erklärender Text, der unter anderem auf reaktionäre Krawalle gegen den pazifistischen Streifen aufmerksam machte. Was hier nicht gesagt wird: Auch gegen das „Flötenkonzert“ wurde mit weißen Mäusen im Saal protestiert, allerdings von links – Ausdruck des damaligen Zeitgeists.
Neben obligaten Unterhaltungsfilmplakaten findet man in der Ausstellung auch Beispiele für den sozial engagierten Film der Weimarer Republik, so von der Friedrich Wolf-Verfilmung „Cyankali“ und zu „Lohnbuchhalter Kremke“ von Marie Harder, einer der ersten deutschen Filmregisseurinnen. Wie sich die Filmplakate in ihre Zeit einordneten, zeigen Litfaßsäulen in den einzelnen Räumen, die (schwarzweiß wiedergegeben) den damaligen Alltag spiegeln.
Interessant, einzelnen Plakatgestaltern zu begegnen, die durch die Zeitläufte mit ihrer Arbeit zur Anpassung gezwungen waren. Bauhausschüler Peter Pewas, in der Weimarer Republik ein Linker und von den Nazis kurz wegen „Hochverrats“ inhaftiert, entwarf Filmplakate darunter auch für den Propagandafilm „D III 88“, ehe er Gelegenheit hatte, einen eigenen Film zu inszenieren. Für „Der verzauberte Tag“ entwarf er das Plakat, aber der Film – am poetischen Relaismus der Franzosen orientiert – galt als „kulturbolschewistisch“ und durfte bis 1945 nicht aufgeführt werden. Bei der DEFA drehte Pewas 1948 den Film „Straßenbekanntschaft“, zu dem eines seiner letzten Plakate entstand.
Das ist im letzten Ausstellungsraum zu finden bei den Beispielen für das deutsche Kino der Nachkriegszeit in Ost und West. Ein Grafiker wie Kurt Geffers, der zuvor Plakate auch für Nazi-Propagandafilme gestaltet hatte (etwa „Kampfgeschwader Lützow“), arbeitete nun beispielsweise für den antifaschistischen DEFA-Film „Ehe im Schatten“ in ähnlichem grafischen Stil.
Der letzte Ausstellungsraum ist für Gruppen gedacht (besonders gern Schüler), die sich anhand von Filmausschnitten analytisch mit den Filmen und ihrer Plakatwerbung in jenen Jahren beschäftigen können.

Plakativ – Filmwerbung und Propaganda in Demokratie und Diktatur Deutschland 1930–1950, Filmmuseum Potsdam, bis 25.8.2019.

F.-B. Habel

Klimakiller Pentagon

Als ob die breite Spur der Vernichtung, die die USA in den vergangenen drei Jahrzehnten sengend und mordend um den Globus gezogen haben – mit ihren Kriegseinsätzen und Kriegen auf dem Balkan, in Somalia, Afghanistan, im Irak, gegen Libyen und Syrien sowie mit ihren Tötungsdrohnen auch im Jemen, in Pakistan und weiteren Ländern – nicht schon genügte: Längst steht fest, dass das Pentagon mit seinem riesigen, über die ganze Welt hinweg operierenden Militärapparat auch ein Klimakiller per excellence ist, von allen Umweltverschmutzern weltweit mit Abstand einer größten. In punkto Erdölverbrauch ist das US-Militär ein globaler Spitzenreiter. Laut CIA-Factbook verbrauchen nur 35 der 210 Länder der Erde täglich noch mehr Öl als das Pentagon. Der US-Umweltjournalistin Johanna Peace zufolge ist die US-Armee für 80 Prozent des amerikanischen Energieverbrauchs verantwortlich. Wissenschaftler machen das US-Militär daher für den Klimawandel mitverantwortlich. Steve Kretzmann, Direktor der Organisation „Oil Change International“, hat errechnet, dass die US-Streitkräfte während des Irakkrieges allein im Zeitraum 2003 bis 2007 an die 141 Millionen metrischer Tonnen an Kohlendioxid freigesetzt haben.

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Das Figürchen

Kaum mehr als 15 Zentimeter groß ist es, fein und zierlich und mädchenhaft. Fast möchte man sagen – zerbrechlich. Doch es liegt schwer in meiner Hand. Denn die kleine Skulptur ist aus Bronze. Goldene Pünktchen schimmern von Kopf bis Fuß durch den graugrünen Überhauch der Patina. Sie lächelt und hält die Arme ein wenig ab vom Körper, als wollte sie, obwohl gespannt und aufmerksam, sie ausbreiten zu freudigem Empfang. Das Lächeln ist auch in ihren Augen. Sie hat noch keinen Namen – „ohne Titel“ sagt man – aber eine wundersame Geschichte. Das Figürchen war einst eine Bienenwachskerze. Sie leuchtete und verbreitete honigartigen Duft, wenn die Besitzerin sie entzündete. Dieses geschah in Stunden stiller Einkehr oder im Gedankenflug zu fernen Freunden. Doch die Kerze wurde von Mal zu Mal kleiner, und die Momente der Wohltat ihres Lichtes schwanden allmählich. Die Idee einer Verwandlung drängte sich auf.
Emerita Pansowová (geb. 1946), eine Meisterin der Bildhauerkunst, die ihre Lebensbilder in Ton, Metall und Stein zum Reden bringt, getragen von unglaublicher Kraft und Ausstrahlung – und Innerlichkeit, sie ist die Schöpferin der kleinen Mädchenhaften mit dem verborgenen, gewinnenden Lächeln. Die Bildhauerin bewegte der Gedanke, Vergehendes in Bestehendes zu verändern. Emerita Pansowová erlaubte mir, die Geschichte dieser Metamorphose zu erzählen: Sie löschte das Bienenwachsstümpfchen, nahm es in die Hände bis es weich und formbar wurde, zog und drückte und zog und gab ihm eine Gestalt. „Die Kerze sollte sich nicht einfach in Luft verlieren,“ erklärte sie.
Nun steht es vor mir, das Figürchen, die Verwandelte, klein und fein und wissend. Und verkündet in aller Eindringlichkeit die Freude an Licht und Leben.

Renate Hoffmann

Wenn Geld doch stinkt …

Die seltenen Fälle, in denen Unternehmen der Finanzbranche ihr oberstes Credo – die Parole „pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht), Leitspruch altrömischer Betreiber öffentlicher Latrinen – mal nicht als sakrosankt behandeln, sollten unbedingt öffentlich gemacht werden. Denn Ausnahmen bestätigen die Regel und lassen den Rest des, mit Verlaub, Diebsgesindels mithin umso unschöner erscheinen. Das handelt üblicherweise ja auch noch nach einer weiteren Devise: „Das beste Geschäft ist das, das man trotzdem macht.“
Eine besondere Hervorhebung hat sich daher der britische Hedgefonds Pharo Management verdient. Der zahlte 300 Millionen Dollar an Anleger aus Saudi-Arabien zurück. Man wolle nicht länger Gelder aus einem Staat verwalten, der offenbar mehr als nur eine Aktie an der bestialischen Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi habe. Es gehe um die „Wahrung von Prinzipien“, befand Pharo-Gründer Guillaume Fonkenell.

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Ein Eklat der Spitzenklasse: Drei internationale Top-Museen – die National Portrait Gallery und die Tate-Galerie in London sowie um das Guggenheim Museum in New York – haben erstmals Großspenden der US-Milliardärsfamilie Sackler abgelehnt. Die Museen verwiesen darauf, dass die Sponsoren als Eigentümer von Purdue Pharma für die Opioid-Suchtkrise in den USA verantwortlich seien.
„A drug to start with and to stay with“ – ein Medikament zum Beginnen (einer Therapie) und zum Dabeibleiben. Was nur Werbung von Purdue für sein neues Wundermittel OxyContin sein sollte, wurde schreckliche Realität: Seit seiner Einführung im Jahr 1996 avancierte der Stoff zu einem der beliebtesten Schmerzmittel in den USA – und trug wegen seines Suchtpotenzials gleichzeitig zur tödlichsten Drogenepidemie in der Geschichte des Landes bei. Rund 300.000 US-Amerikaner sind bisher an einer Überdosis solcher Opioide gestorben. In der Altersgruppe der unter 50-Jährigen stellen Drogen mittlerweile die häufigste Todesursache überhaupt dar, noch vor Verkehrsunfällen und Waffengewalt. Ex-Konzernchef Richard Sackler hatte nach der üblichen Verfahrensweise („Haltet den Dieb!“) die Süchtigen als „rücksichtslose Kriminelle“ abstempeln wollen. Sein Unternehmen akzeptierte nun in einem ersten Vergleich die Zahlung von 270 Millionen Dollar an den US-Staat Oklahoma.
Und was die gesellschaftliche Stigmatisierung durch Ablehnung von Spenden von Sackler & Co. anbetrifft, so macht eine Schwalbe zwar noch keinen Sommer, aber es muss ja nicht bei dieser einen bleiben …

hh

Wirsing

Hat der Deutschlandfunk in seinen Nachrichten am 30. März 2019 ein Geheimnis ausgeplaudert? „In der kommenden Nacht wird in Deutschland die Zeit umgestellt. Um 2 Uhr werden die Uhren von 2 auf drei Uhr vorgestellt. Dann gilt wieder die Sommerzeit. Die Zeitumstellung soll nach dem Willen des Europäischen Parlaments im Jahre 2021 beendet werden.“ Hat Brüssel beschlossen, dass es jetzt zwei Jahre lang Sommer bleibt? Und dann? Zwei Jahre lang MEZ? Das muss natürlich das neue Parlament beschließen. Wir sollten das bei den Europawahlen im Hinterkopf haben.

Fabian Ärmel

Ein musikalisches Nachtpfauenauge

Ein Nachtpfauenauge, kreiert von einem Tattoo-Künstler, ziert das Cover des neuesten Albums von David Gray. Nachtpfauenaugen sind ja ungewöhnliche Wesen: Sie sind nachtaktiv und ernähren sich nur in ihrer Raupenzeit. Der Falter lebt sozusagen von den angefressenen Fettreserven. Mit bis dato 12 Millionen verkauften Tonträgern hat der britische Musiker David Gray natürlich auch ein gewisses Polster. Bekannt wurde er mit dem 2000er Album „White Ladder“ und dem darauf enthaltenen Song „Babylon“. Markenzeichen war und ist sein Falsettgesang und die Folktronic-Musik, die Mischung aus Folk und elektronischer Musik.
Mit der elektronischen Musik spielt David Gray auf seinem neuen Album, er improvisiert und verfremdet, vermischt und koppelt verschiedene musikalische Rhythmen beziehungsweise Phrasen. Seine Texte orientieren sich unter anderem am literarischen Schaffen von Raymond Carver, von dem er sich auch den Albumtitel entliehen hat. Der US-amerikanische Autor verstarb mit 50 Jahren an Lungenkrebs … Im selben Alter hat David Gray nun sein elftes Album veröffentlicht. Gray ist der Grübler, und das nicht nur beim Beobachten der Wellen („Watching the Waves“). Im Eröffnungslied der CD „The Sapling“ sinniert er über die Kürze des Lebens und setzt in der musikalischen Umsetzung auf geschichtete Gesänge und Bläser: „Ja, dass die Zeit abläuft, diese Thema zieht sich wie ein roter Faden durch das neue Album“, so Gray.
Im Titelsong heißt es: „These people who have lost their faith / Who speak of love but play it safe / Arise you fools, the day is brief / Don’t you see how much it means …“
Ja, das Leben ist kurz, Aber David Gray ist kein Verfechter von Aktionismus und Hektik, sondern eines entschleunigten Lebens: auch mal nur im Gras liegen und die Welt um sich bewusst wahrnehmen …

David Gray: Gold in a Brass Age, CD, IHT Records/Roughtrade März 2019, circa 16 Euro.

Thomas Rüger

Aus anderen Quellen

„Heute […] sind Rundfunk und Fernseh-Talkshows, Podcasts, Blogs und natürlich die sozialen Medien“, so Fred Turner, „Bestandteile eines neuen Medienökosystems, in dem eigene Erfahrungen derart einfach und wirkungsvoll geäußert werden können, dass dies für die Rechte ebenso wie für die Linke zu einem reizvollen Instrument geworden ist. Gestalten wie beispielsweise der ‚White Supremacy‘-Aktivist Richard B. Spencer haben sich den zugleich spielerischen und bekenntnishaften Stil zu eigen gemacht, dessen sich Influencer überall bedienen. Spencer prägte 2008 den euphemistischen Begriff ‚Alt-Right‘, der weißen Nationalisten, Antisemiten, radikalen Frauenhassern und Neonazis als Schutzschild dient.
Fred Turner: Die trügerische Verheißung. Von der Geburt des Internets zum neuen Autoritarismus, blaetter.de, 3/2019. Zum Volltext hier klicken.

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„So schlimm war es noch nie“, konstatiert Theodor Schaarschmidt: „Die USA werden gegenwärtig von der tödlichsten Drogenepidemie ihrer Geschichte heimgesucht. Eine Schlüsselrolle spielen dabei verschreibungspflichtige Medikamente. Wie konnte es dazu kommen?“ Der Durchbruch, so der Autor weiter, „kam dann mit OxyContin, einer neuen Pille mit dem Wirkstoff Oxycodon. Die Substanz kann halbsynthetisch aus einem Opiat namens Thebain hergestellt werden, das in verschiedenen Mohnarten vorkommt. Zwölf Stunden Schmerzfreiheit, so lautete das Versprechen von Purdue. Der Pharmakonzern bewarb seinen neuen Heilsbringer mit einer aggressiven Kampagne: Mehr als 30 000 Gutscheine verteilten seine Vertreter an die Ärzteschaft. Mit den Coupons konnten sich Patienten damals ihre erste Ration gratis abholen. Die besondere Beschaffenheit der Pille würde dafür sorgen, dass das enthaltene Opioid nur langsam freigesetzt würde. Das sollte das Missbrauchsrisiko deutlich reduzieren und so auch die Suchtgefahr senken.“
Theodor Schaarschmidt: 5 Fakten zur Opioid-Krise in den USA, spektrum.de, 20.02.2018. Zum Volltext hier klicken.

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„Viele Gaststätten“, so beginnt Uwe Ebbinghaus seine Suada, die Bier-Enthusiasten aus dem Herzen sprechen dürfte, „sind einfach nicht in der Lage, Bier, das im Grunde ein sehr zartes, empfindliches Getränk ist, pfleglich zu behandeln. Das beginnt bei den Zapfern, die anhaltend die Tülle ins Bier halten […]. Außerdem kommen die Gläser oft zu warm auf den Deckel, manchmal direkt aus der Spülmaschine, und wegen ungeeigneter Spülmittel oder Fett im Glas bildet sich eine mangelhafte Schaumkrone, über der dann oft noch ein sanfter Duft von Putzaroma schwebt. Das mag jetzt kleinlich klingen, auf der anderen Seite: Ein ungepflegtes Bier ist nicht einfach ärgerlich, es ist, weil es so geschmacksempfindlich ist, schlimmer als kein Bier.
Uwe Ebbinghaus: Fünf Dinge, die am deutschen Bierkonsum nerven, faz.net, 20.03.2019. Zum Volltext hier klicken.

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Günter Gaus’ über 250 zwischen 1963 und 2003 – überwiegend unter dem Titel „Zur Person“ – geführte Fernsehinterviews mit Prominenten aus Politik, Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft sowie Religion sind zeitgeschichtliche Dokumente von bleibender Relevanz. In der Ausstrahlung vom 25.02.1993 war seine Gesprächspartnerin Christa Wolf.

Gaus: Was musste mit Christa Wolf geschehen, die das, wie sie meinte, Neue, Große für das menschliche Zusammenleben wollte, was musste ihr widerfahren, bis sie das Buch über Christa T. schrieb, über diese junge Frau, die, wie Sie sagen, nicht zerbrochen ist, aber die doch existieren musste zwischen der Bereitschaft, an der großen Sache mitzuwirken und dem Bedürfnis auf Selbstverwirklichung aus Eigenem? Was musste geschehen, bevor Sie sie erdichteten, diese Christa T., Ihre Stiefschwester im Geiste? War das eine Ersatzhandlung? Ersatz für ein reales Leben?
Wolf: Ganz im Gegenteil: Das war die Handlung, und das war das Leben, endlich.
Gaus: Aber was musste Ihnen widerfahren?
Wolf: Sie sagen in Ihrer Frage: dass ich auf das Neue, Große aus war. Ich war eigentlich nicht so sehr auf das Neue, Große aus, sondern ich hatte mir aus dem Marxismus und auch aus der sozialistischen Literatur und allem, was ich ja nun im Studium kennen gelernt hatte, das für mich herausgenommen, was ich wirklich wollte, und von dem ich glaubte, dass diese Gesellschaft und diese Idee es erreichen würden: die Selbstverwirklichung des Menschen. Als ich verstand, dass genau das nicht geschah – und das passierte auf folgende Weise: Ich war Kandidatin des ZK, und 1965 war ein Plenum, das berüchtigte 11. Plenum, das zu einem Kulturplenum, das heißt zu einer Abstrafung von Künstlern, besonders Filmleuten und Literaten, aber auch Malern, umfunktioniert wurde, und ich saß dort dabei und habe dann gesprochen, dagegengesprochen, …
Gaus: … und zwar sehr couragiert …
Wolf: Es musste passieren, dass ich so von innen her sehen konnte, wie der Mechanismus funktioniert. Und da wurde mir klar: Das geht nicht. Das geht nicht in die richtige Richtung. Als ich dort rauskam – ich weiß noch ganz genau, was ich dachte, als ich die Treppe runterging: die Hände weggeschlagen. Ich hab darüber auch geschrieben. Das war mein Gefühl damals. Da habe ich mich nicht in das Buch hineingerettet, sondern habe begriffen, dass das meine Art ist, sich damit auseinanderzusetzen. Das Buch hat mich gerettet, trotzdem.“
Sich nicht davonstehlen. Günter Gaus im Gespräch mit Christa Wolf, ORB, 25.02.1993. Zum Volltext hier klicken.

Letzte Meldung

Die Bärlauch-Saison ist in vollem Gange, und mancher zieht das Selbstsammeln in freier Natur dem Erwerb bei Edeka &. Co. vor. Das hat seine Tücken – wegen Verwechslungsgefahr mit bei Verzehr giftigen Blättern von Maiglöckchen und Herbstzeitlosen. Und Baden-Württembergs Forstminister warnte: Auch Eier des Fuchsbandwurms könnten am Bärlauch haften. Eine entsprechende Infektion kann beim Menschen tödlich verlaufen. Allerdings meinen andere Experten, dass es eher unwahrscheinlich sei, dass sich der Fuchs in ein Bärlauchfeld reinsetze, um dort sein Geschäft zu verrichten.

Alfons Markuske