21. Jahrgang | Nummer 8 | 9. April 2018

Bemerkungen

„Drauf geschissen“

Keine Angst, das Blättchen sinkt jetzt nicht in die Niederungen anonymer Schmutzkampagnen im Internet hinab. Es ist auch nicht so, dass mit der Überschrift ein mögliches Denkmuster der regierenden Politikerkaste gegenüber kritischen Medien beschrieben werden soll. Nein, es geht um Kultur.
Nachdem die Medizinstudentin Giulia Endler mit ihrem Bestseller „Darm mit Charme“ den Verdauungstrakt aus der Tabuzone in die öffentliche Diskussion gehievt hat, wird auf Burg Storkow konsequent ein nächster Schritt gegangen – in Gestalt einer sehr erfolgreichen Ausstellung mit obigem Titel. Zu bestaunen sind, kurz gefasst, Klos aller Art.
Bereits beim Wiederaufbau der Burg zwischen 2005–2009 waren in den alten Mauern Nischen und Vorsprünge entdeckt worden, die in der Vorzeit als Aborte genutzt wurden, was die Fantasie der Betrachter anregte. Zunächst blieb es jedoch bei entsprechenden Hinweisen der Gästeführer, diese unmöblierten Ecken den Besuchern zu erklären.
In den ersten fünf Jahren nach der Rekonstruktion der 800 Jahre alten Burg und des etwa 350 Jahre jüngeren Wohnschlosses wurde den Besuchern eine Ausstellung zum 40-jährigen Bühnenjubiläum der „Puhdys“ präsentiert. Sie brachte der Burg Popularität und Zuspruch aus ganz Deutschland. Danach suchten die Mitarbeiter nach neuen tragfähigen Ideen. Kürzere regionale Ausstellungen überbrückten die Zeit, aber, jeder weiß, damit lockt man Touristen höchstens am dritten Schlechtwettertag ins Warme. Dann hatten die verantwortlichen Mitarbeiter die rettende Idee. Sie hatten von einer Schau mittelalterlicher und neuerer Toiletten im sächsischen Rochlitz gehört und sich um die Exponate bemüht. Ein Aufruf an die Öffentlichkeit und Recherchen bei Heimatvereinen, Museen und Privatpersonen brachten weitere Ausstellungsstücke, und es entstand eine Zeitreise mit kulturgeschichtlicher Bedeutung von den mittelalterlichen Notdurft-Möbeln des Adels bis zu heutigen hochmodernen Toiletten, die elektronisch erkennen, was wo und wie gereinigt werden muss. Neueste Exponate sind umweltfreundliche Trocken-Trenn-Toiletten, die Wasser- und Papierverbrauch senken.
Inzwischen wurde die Ausstellung wegen des enormen Besucherzuspruchs zweimal verlängert und alle Skeptiker, die bei der Vorstellung der Idee noch die Nase rümpft hatten, wurden eines Besseren belehrt. Bis zum Sommer werden voraussichtlich 40.000 Menschen die Schau besucht haben.
Wer nicht allein zwischen den Exponaten umherwandeln, sondern mehr erfahren möchte, dem sei der „öffentliche Stuhlgang“ mit Toiletten-Fred empfohlen. Auf höchst unterhaltsame Art schwatzt, rezitiert und musiziert er über Scheißnasen, Kackstühle, Schizkübel, Eimer, Klappverstecke und Prunktoiletten.
Aufmerksam geworden sind die Ausstellungsmacher auf einen Verein namens German Toilet Organization, der sich weltweit für humane Hygienestandards einsetzt und entsprechende Projekte fördert. Eine Versteigerung nicht weiter benötigter Exponate nach Ausstellungsende soll Geld für dessen Vorhaben erbringen.

Werner Krumbein

„Drauf geschissen“. Sonderausstellung zur Geschichte des Stillen Örtchens; Burg Storkow; noch bis 5. Juni; weitere Informationen im Internet.

Wo man singt, da lass’ dich …

Während manche noch sinnieren, wie die schwer im Schwange seiende Heimatfühligkeit im Lande, die sich nun auch in einer zusätzlichen Facette der Stellenbezeichnungen des Bundesinnenministers und diverser Landesminister manifestiert hat, wohl konnotiert sein mag, hat Ina Scharrenbach (CDU), Heimatministerin von NRW, ganz beiläufig für mehr Klarheit in dieser Frage gesorgt. Sie ließ sich vom germanischen Ballermann-Barden Heino, einem ihren 47 Heimatbotschafter, eine Doppel-LP in die Hände legen: „Die schönsten deutschen Heimat- und Vaterlandslieder“. Darinnen etliche Sangesstücke, die der „Reichführer SS und Chef der Deutschen Polizei“, Heinrich Himmler, für wert befand, dem „SS-Liederbuch“ beigegeben zu werden.
Hier ein paar Kostpröbchen:

  • Der Gott, der Eisen wachsen ließ:
    „Lasst wehen nur, was wehen kann,
    Standarten wehn und Fahnen!
    Wir wollen heut uns Mann für Mann
    zum Heldentode mahnen …“
  • Die Flamme empor:
    „Stehet vereint ihr Brüder
    und laßt uns mit Blitzen
    unsere Gebirge beschützen
    gegen den Feind.“
  • Wenn alle untreu werden:
    „Wir woll’n das Wort nicht brechen
    und Buben werden gleich,
    woll’n predigen und sprechen
    vom heil’gen Deutschen Reich.“

Das ruckt und zuckt es doch gleich völkisch-munter selbst in den morschesten Knochen, und alle kosmopolitische Saft- und Orientierungslosigkeit ist Schnee von gestern.
Weiter so!

Hannes Herbst

Film ab

Wenn in einer gut besuchten Kinovorstellung während 106 Filmminuten nur ein einziger kurzer Lacher zu hören ist, aber trotzdem niemand die Vorstellung vorzeitig verlässt, dann ist ersteres zwar für ein Lustspiel höchst eigenartig, kann aber schlechterdings nicht daran liegen, dass der Streifen den Nerv des Publikums nicht getroffen hätte.
Der Humor von „The Death of Stalin“ ist ein wahrhaft britischer von der denkbar rabenschwärzesten Sorte, aber zugleich verkörpern die Hauptfiguren des Films, Stalin und seine ihm hörigen Politkumpane im innersten Machtzirkel der Sowjetunion im Jahre 1953 – allen voran Berija, Chruschtschow (Steve Buscemi als primus inter pares in einem grandiosen Schauspielerensemble) und Malenkow – die Banalität des Bösen in einer so grauenvollen Gewaltherrschaft wie der stalinschen auf dermaßen archetypische Weise, dass man darüber bei aller Lächerlichkeit dieser Figuren (Lächerlichkeit in der Nachbetrachtung, wohlgemerkt) nicht lachen kann. Nach allem, was über Stalins Sterben und die danach einsetzenden innerparteilichen Intrigen und Diadochenkämpfe bis hin zum Sturz und zur Liquidierung Berijas sowie bis zum Obsiegen Chruschtschows bekannt ist, tut Mitdrehbuchautor und Regisseur Armando Iannucci der Historie im Übrigen bei aller Satire keine Gewalt an.
In Russland ist die Aufführung des Films bekanntlich staatlicherseits verboten worden. Das zeigt, dass die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Stalinismus auch 65 Jahre nach dem Tod des Diktators nicht als historisch erledigt abgehakt werden kann.

Clemens Fischer

„The Death of Stalin“, Mitarbeit am Drehbuch und Regie: Armando Iannucci. Derzeit in den Kinos.

Medien-Mosaik

Der Österreicher Bernhard Sallmann ist Wahlberliner und erkundet seine neue erweiterte Heimat seit Jahren filmisch. Er war in der sächsischen und brandenburgischen Lausitz und hat nach „Oderland. Fontane“ nun mit „Rhinland. Fontane“ seinen zweiten Film über die Mark Brandenburg als sein eigener Kameramann gedreht. Er führt unter anderem nach Rheinsberg, Menz und Meseberg, zeigt aber keine Reiseführerbilder. Sallmann will seine Zuschauer entschleunigen, baut lange Einstellungen, die nachdenklich werden lassen.
Im neuen Film korrespondieren die Landschaftsbilder mit Auszügen aus Theodor Fontanes erstem Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Man erfährt über die Akkord-Arbeit von Torfstechern, wird an den dreißigjährigen Krieg erinnert, hört Berichte einer Feuersbrunst und über Prinz Heinrichs „Günstling“, dessen Verhältnis mit seinem Bruder Friedrich II. beendet sehen wollte.
Alles mit der Stimme von Judica Albrecht (die auch in Sallmanns erstem Fontane-Film sprach). Hier stutzt der Rezensent. Ist es eine Geschmacksfrage, dass er mit ihr nicht warm werden kann? Obzwar die Sprecherin über eine reife Stimme und weitgehend fehlerfreie Aussprache verfügt, so wäre eine warme, angeraute Männerstimme den Fontane-Texten doch angemessener gewesen. Man stellt sich vor, welchen Eindruck etwa Eberhard Mellies oder Udo Kroschwald hervorgerufen hätten! Aber Frau Albrecht hat nichts falsch gemacht, und so bleibt es wohl eine Sache des persönlichen Hinhörens.
Schließlich gibt es auch Pausen, in denen allein die Bilder wirken, und das tun sie denn auch ohne Kommentar! Bloß schade, dass das Geld nur für 67 Minuten reichte und der Film recht abrupt endet.
Rhinland. Fontane“, Regie Bernhard Sallmann, ab 12. April in ausgewählten Kinos.

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Harald Kretzschmar sieht sich – kann man es ihm verdenken? – lieber analog als digital gelesen. Darum ist der frühere Blättchen-Autor hier leider nicht mehr zu erleben. Und obwohl er in halb Deutschland (vielleicht in der besseren Hälfte?) als Karikaturist weit bekannt und hochgeschätzt ist, wissen vielleicht nur nd-Leser wirklich, dass er auch ein geschichtskundiger Autor von philosophischen Graden ist. Nach „Treff der Originale“ (siehe Blättchen 11/2016) hat er nun im Quintus-Verlag ein ebenso schönes Buch vorgelegt. Der Band „Stets erlebe ich das Falsche“ hätte auch „Vorbildner“ heißen können, beschreibt er doch aus individueller Sicht Menschen, die ihn in frühester Jugend bildeten, und Zeichner, die vor oder neben ihm tätig waren und ihm etwas bedeuteten: e.o.plauen (Erich Ohser), Josef Hegenbarth, Carl Holtz, Carl Sturtzkopf, Herbert Sandberg.
Der Dresdner Junge Kretzschmar war nach seiner Studienzeit seit den fünfziger Jahren ein gefragter Pressezeichner, dessen treffende Porträtstudien im Eulenspiegel ihm durchaus Popularität einbrachten. In diesem Band lässt er auch hinter die Kulissen der Satirefabrik der DDR blicken, beschreibt die Arbeit von Kollegen wie Erich Schmitt, Karl Schrader, Henry Büttner, Heinz Behling, Barbara Henniger oder dem „Deutsch-Spanier“ Willy Moese kunstverständig und mit gesellschaftlichen Akzenten, Hintergründen, die unbekannt sind.
Als exzellenter Zeichner wurde er (in kleinem Rahmen) Karikaturen-Funktionär und hatte Begegnungen mit Boris Jefimow, Tomi Ungerer, Loriot oder Herluf Bidstrup, deren Wirken er nicht nur in ihrer politischen Dimension beschreibt. Auch seine eigenen Feigheiten und Irrtümer nimmt er nicht aus, ohne sich unbotmäßig Asche aufs Haupt zu streuen. Immerhin kam er auch Polit-Größen wie Erich Honecker halbwegs nahe. Dessen Porträt beschließt den Band, der mehr als fünf Dutzend  ganzseitige Porträtkarikaturen derer enthält, von denen Kretzschmar aufschlussreich und unterhaltsam zu erzählen weiß.
Harald Kretzschmar: Stets erlebe ich das Falsche. Der alternative Künstlerreport, Quintus-Verlag, Berlin 2017, 240 Seiten, 20,00 Euro.
„Harald Kretzschmar. Zeichner und Sammler“, Ausstellung im Wilhelm Busch-Museum Hannover, 14. April – 1. Juli 2018.

bebe

Propaganda-Müll in der Tagesschau

Volker Bräutigam, früherer Tagesschau-Redakteur und Friedhelm Klinkhammer, Ex-Vorsitzender des ver.di-Betriebsverbandes NDR, haben beim Rundfunkrat der ARD, dem obersten für die Programmkontrolle zuständige Aufsichtsgremium, eine Programmbeschwerde gegen die Tagesschau eingelegt – „wegen kritikloser Verbreitung von NATO-Propaganda-Müll“.
Die Beschwerdeführer zitieren zunächst aus einem Tagesschau-Bericht von Mitte März:
„Der Anschlag von Salisbury sei ‚Ausdruck eines bestimmten Musters, das wir seit einigen Jahren beobachten: Russland wird immer unberechenbarer und immer aggressiver‘. Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, der Stationierung von Truppen in Georgien und zahlreichen Cyberattacken gebe es neue, weitere Bedrohungen. Russland führe neuerdings Nuklearwaffen in Militärdoktrin und Militärübungen zusammen. ‚Das reduziert die Schwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen seitens Moskau‘, sagte Stoltenberg der ‚Welt am Sonntag‘. Es bestehe auch ‚die Gefahr, dass die russische Regierung sich schrittweise vom Einsatz konventioneller Waffen in Richtung Nuklearwaffen bewegen könnte‘. Die NATO-Staaten müssten darum ihre Verteidigungsbereitschaft und ihre Fähigkeiten weiter verbessern.“
Dazu führen Bräutigam und Klinkhammer aus:
„Diese Darstellung Stoltenbergs ist faktenwidrig, verlogen und propagandistisch (wie es sich für seinen Job als Kriegshetzer gehört). Weder sind russische Truppen in Georgien stationiert, noch ist die Salisbury-Affäre aufgeklärt. Weder Cyberattacken sind den Russen nachgewiesen, noch ist die friedliche vom Willen der Bevölkerung getragene Krimsezession völkerrechtswidrig oder für die NATO friedensgefährdend. (Fakt ist, dass Putin dort bei den neuesten Wahlen über 90 % der Stimmen erhielt. Eine besonders eindrucksvolle Ohrfeige an den kriegsgeilen Westen).
Wohlweislich unterschlägt Stoltenberg in seiner Schauer-Geschichte, dass die Bedrohungen und Aggressionen nicht von Russland, sondern regelmäßig von der ‚Westlichen Werte-Gemeinschaft‘ ausgehen: Die mit längst bekannten Lügen ‚begründeten‘ Kriege gegen den Irak, Jugoslawien und Libyen, die Unterstützung der Söldnerheere militanter Dschiadisten und Kopfabschneider in Syrien, das massenhafte Morden mit Drohnen, der Überfall des NATO-Staates Türkei auf die Kurden, die Einkreisungspolitik der NATO, die ihren ‚Zuständigkeitsbereich‘ inzwischen bis an die russische Grenze erweitert hat und immer mehr Truppen dorthin verlegt, und die Erhöhung der Rüstungsausgaben um 2 %, obwohl die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich bereits jetzt 850 MRD Dollar, also das 17 fache mehr für Rüstung jährlich ausgeben als Russland… Man könnte angesichts der Faktenlage die irrwitzigen Sprüche des NATO-Mannes als Realsatire abtun, wären sie nicht gar zu primitiv und aggressiv – und damit gefährlich.
ARD-aktuell übernimmt nun diese dreisten und abwegigen, die Fakten verdrehenden Äußerungen Stoltenbergs, ohne auch nur den Hauch einer Versachlichung zu versuchen und Richtigstellung zu vermitteln. Die Redaktion lässt nicht die geringste Distanz zu dem Stoltenberg-Quatsch erkennen und verleiht ihm damit den Rang von Faktischen.“ Damit bestätige die Tagesschau erneut, dass sie keine Nachrichtenredaktion des öffentlichen Rundfunks sei, sondern eine Ausgliederung der NATO-Pressestelle.

hh

Ryanair – Billigheimer, aber man lässt sich was einfallen

Im vergangenen Jahr konnte man bei Ryanair schon mal Flüge gebucht haben, die dann per Mail wieder abgesagt wurden – ohne Begründung und ohne jede Reaktion auf mehrfache schriftliche Beschwerden, nachdem das Online-Rückzahlungssystem keine Möglichkeit eingeräumt hatte, ein aus Versehen fehlerhaft abgesandtes Formular zu korrigieren, weswegen die Hälfte der Kosten der stornierten Flüge dann mal eben einbehalten wurde.
Wäre dies nicht schon Grund genug, auf die Services des Unternehmens fürderhin zu verzichten, dann genügte dafür allerdings auch ein Reisemartyrium, wie es einer Zeit-Kolumne von Harald Martenstein kürzlich zu entnehmen war: „Jetzt bin ich zum ersten Mal mit Ryanair geflogen, der berühmten Billigfluglinie. Ich dachte, das wird ähnlich sein wie bei Ikea, Ikea ist ja okay. Wir wurden von Uniformierten auf das Flugfeld geführt, dort standen wir eine ganze Weile im Regen, der sehr kalt war. […] Im Flugzeug war es sehr heiß, wie früher in sowjetischen Hotelzimmern, und weil wir alle nass waren, entstand Saunaklima. Ich habe die ganze Zeit an Dokumentarfilme über ethnische Säuberungen gedacht, obwohl das natürlich ein unangemessener Vergleich ist. […] Ich wusste, dass die Sitze bei Ryanair eng sind. Aber mir war nicht klar, dass sie aus Sparsamkeit das kleine Netz an der Sitzlehne weggelassen haben, wo man Dinge und Abfall hineintun kann. Wenn man sich einen Kaffee kauft, muss man den leeren Becher hinterher in der Hand halten oder auf den Boden werfen. […] Interessanterweise gibt es auch keine Spucktüten. Wenn ein Ryanair-Flug in Turbulenzen gerät und den Leuten wird schlecht, muss das ein unvergessliches Erlebnis sein. Sie haben Klapptischchen, die sehr wackelig sind und ein beträchtliches Gefälle haben. Man darf den Kaffee nicht auf das Tischchen stellen, weil er dann ziemlich sicher runterrutscht und man ein weiteres Problem hat, vermutlich im Schritt. […] Eine Bordzeitschrift wurde verteilt und bald wieder eingesammelt, in der recht fleckigen Zeitschrift waren Fotos des Speisenangebots. Die Lasagne sah aus wie der Kopf von einem dieser Zombies aus meiner Lieblingsserie The Walking Dead.“
Wie meint der Volksmund doch so schön und treffend?
„Unverhofft kommt oft.“

Alfons Markuske

Blätter aktuell

Sieben Jahre nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs ist noch immer kein Frieden in Sicht. Im Gegenteil: Aus einem vormals regionalen Konflikt ist ein zunehmend globaler Stellvertreterkrieg geworden, in dem sich eine Vielzahl von Akteuren gegenübersteht. Der Politikwissenschaftler und Historiker Marcel Serr analysiert die komplexe Konfliktdynamik. Sein Fazit: Ohne eine Strategie der Deeskalation droht eine Zerreißprobe für die ohnehin schon prekäre multilaterale Weltordnung.
Bis 2024 wird der neue und alte russische Präsident Wladimir Putin heißen. Dessen Wiederwahl zeugt allerdings nicht nur von einer unangefochtenen Machtstellung im Innern. Vor allem außenpolitisch hat Putin Russland zu neuer Stärke verholfen. Der Politikwissenschaftler August Pradetto analysiert, wie sehr Putin dabei das Vorbild des westlichen Unilateralismus kopiert – und stellt fest, dass ihm dieser „Realismus“ immer mehr selbst zum Nachteil gereicht.
Der Giftanschlag auf den britisch-russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter in Salisbury hat massive Anklagen westlicher Regierungen gegen Russland provoziert. Dabei ist die Beweislage bislang ausgesprochen dünn. Der ehemalige britische Botschafter Craig Murray beleuchtet die Geschichte des umstrittenen Nervengiftes Nowitschok wie auch die möglichen Verbreitungswege nach dem Untergang der Sowjetunion. In diesem Lichte warnt er vor vorschnellen Schuldzuweisungen.
Dazu weitere Beiträge – unter anderem: „Die Opiumfront. Afghanistan als schwarzes Loch der Geopolitik“, „Kein Sozialismus ist auch keine Lösung. 1968 und der heimatlose Antikapitalismus“ und „Städte ohne Stickstoff: Verbannt die Blechpanzer!“.

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, April 2018, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.

WeltTrends aktuell

Vor einigen Jahrzehnten galt Japan als wirtschaftliches Erfolgsmodell, die Wirtschaft boomte, die politischen Koordinaten waren in der bipolaren Welt sicher. Das hat sich dramatisch verändert. Weiterhin ökonomisch potent, erscheint das Land heute weltpolitisch als „verunsichert”. An den alten sicherheitspolitischen Bindungen zu den USA festhalten oder stärker selbst aufrüsten? Ausgleich mit China oder Allianzen mit anderen Mächten, um China zu isolieren? Diese und andere Fragen untersuchen die Autoren im Thema der aktuellen Ausgabe von WeltTrends.
Im WeltBlick geht es um Südafrika nach Zumas Rücktritt sowie um die Hintergründe des türkischen Feldzuges in Afrin und Ecuador nach dem Referendum. Mit dem polnischen „Antiverleumdungsgesetz”, das derzeit so heftig diskutiert wird, setzt sich Laurence Weinbaum (Israel) auseinander. Sein Fazit: Die polnische Regierung habe nicht verstanden, dass sie mit dem allzu durchsichtigen Versuch der nationalen Ehrenrettung durch geschichtspolitische Gesetzgebung das Gegenteil von dem bewirke, was sie ursprünglich bezweckt hätte. Das Gesetz würde Polens Ruf in der Welt eher schaden.

Auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz redeten die westlichen Akteure Tacheles, klare Machtworte im Stil des 19. und 20. Jahrhunderts, meint im Kommentar Alexander Neu, Bundestagsabgeordneter der Linken. Friedenspolitische Errungenschaften seit den 1970er-Jahren wie gemeinsame Sicherheit, Rüstungskontrolle oder Dialogforen spielten leider keine Rolle.

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WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 138 (April) 2018 (Schwerpunktthema: „Verunsichertes Japan“), Potsdam / Poznan, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Aus anderen Quellen

Horst Teltschik, an der Wende zu den 1990er Jahren wichtigster außen- und sicherheitspolitischer Mitarbeiter von Kanzler Helmut Kohl, konstatiert, dass sich die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen dem Westen und Russland sowie der internationalen Lage generell auch auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz manifestiert habe: „Wechselseitig erfolgten politische Vorwürfe, Anschuldigungen, von amerikanischer wie russischer Seite, von Poroschenko über Netanjahu bis zum NATO-Generalsekretär Stoltenberg. Von keiner Seite wurde eine Strategie erkennbar, ob und wie man politische Prozesse und Verhandlungen zur Lösung der Konflikte einleiten könnte. Keiner sprach von den Möglichkeiten, mit Hilfe von Rüstungskontrolle und Abrüstung das begonnene Wettrüsten zu beenden oder wenigstens zu begrenzen. Der ehemalige Außenminister Gabriel war eine rühmliche Ausnahme. Auch der frühere Generalsekretär Javier Solana beklagte zu Recht, wie leichtfertig alle Seiten heute über neue Nuklearsysteme sprechen würden.
Wir waren in Europa und weltweit schon einmal viel weiter. Wollen wir mit vollem Risiko so weiterspielen?“
Horst Teltschik: Das Spiel geht weiter, Focus (online), 17.03.2018. Zum Volltext hier klicken.

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Das sich gefühlig gerierende, kunstfeindliche Bashing gegen ein Gedicht Eugen Gomringers an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf hat eine weitere Runde absolviert. Der 93-jährige Dichter stellte sich Kritikern in einer öffentlichen Veranstaltung und stand dabei auf verlorenem Posten. Andreas Rosenfelder berichtet: „Gomringer fiel in dieser Aufführung trotz höchster geistiger Lebendigkeit die Rolle des störrischen Alten zu, der einer überkommenen Vorstellung von Ästhetik nachhängt und die Zeichen der Zeit einfach nicht versteht. Ungefähr das gaben ihm die Vertreterinnen der Fachhochschule auch, in lauter Höflichkeiten verpackt, zu verstehen – fast so, als wollten sie die klassische Konstellation umkehren, in der männliche Komplimente nur eine besonders perfide Form der Demütigung sind. So lautet schließlich auch der feministische Hauptvorwurf an das Gedicht. […] Die Prorektorin schwärmte etwa, da sei doch in den letzten Monaten ‚eine soziale Skulptur‘ entstanden, und erklärte die Debatte um Sexismus in der Kunst kurzerhand zum eigentlichen Kunstwerk, das auch dann noch weiterlebt, wenn man das konkrete Gedicht von der Wand wischt.“
Andreas Rosenfelder: Wie Feministinnen einem Dichter den Prozess machen, Die Welt (online), 27.03.2018. Zum Volltext hier klicken.

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Zum Netzwerk von Waffenindustrie und Politik schreibt Markus Bickel: „Das Insiderwissen der Entscheider im Bundessicherheitsrat (wo die deutschen Rüstungsexporte abgesegnet werden – die Redaktion) ist bei der Industrie gefragt und erklärt, weshalb ehemalige Regierungsmitglieder immer wieder die Seiten wechseln. So sorgte bereits vor Jahren der fliegende Rollentausch von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) zum Waffenlobbyisten für Empörung: Seit Anfang 2015 berät dieser den Vorstand des Düsseldorfer Rüstungskonzerns Rheinmetall bei der Entwicklung internationaler Strategien und beim Ausbau globaler Regierungsbeziehungen. 2017 dann wechselte der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in den Rheinmetall-Aufsichtsrat, zu einem Zeitpunkt, als er noch Bundestagsabgeordneter war.“
Markus Bickel: Nahost: Deutsche Waffen an allen Fronten, Blätter für deutsche und internationale Politik, 3/2018. Zum Volltext hier klicken.