24. Jahrgang | Nummer 20 | 27. September 2021

Bemerkungen

Was ist Heimat?

Lässt sich daran etwas ändern, dass Kurt Hiller nicht mehr so sehr in aller Munde ist wie Kurt Tucholsky? Schließlich habe doch auch Hiller vorm 1. Weltkrieg populäre Dinge gemacht, war mit Georg Heym und Jakob van Hoddis Motor im Neopathetischen Cabaret und gründete das Cabaret GNU! Diese Frage wurde auf der gemeinsamen Jahrestagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft (KTG) und der Kurt-Hiller-Gesellschaft (KHG) im Münzenbergsaal am Berliner Franz-Mehring-Platz in einer Podiumsdiskussion aufgeworfen. Rolf von Bockel (KHG) wusste die Antwort. Die philosophische Komponente dessen, was Hiller & Co. damals als „Cabaret“ betrieben, sprach Intellektuelle wie Else Lasker-Schüler an, verfehlte aber eine Breitenwirkung. Schon gar nicht könne man es heute „aufwärmen“.

„Nationalismus, Patriotismus, Heimatliebe bei Kurt Tucholsky und Kurt Hiller“ lautete das Motto der wissenschaftlichen Tagung über Gemeinsamkeiten und Trennendes der beiden prägenden Autoren der Schaubühne, später Weltbühne. Nach Ansicht vieler Zeitgenossen, Autoren wie Lesern, war Die Weltbühne eine Art Heimat – zumindest eine geistige. Hiller verzichtete nach einem Streit mit Herausgeber Jacobsohn für ein paar Jahre auf diese Heimat, aber er kehrte wieder zu ihr zurück.

Tucholsky und Hiller lernten sich erst zu Beginn der zwanziger Jahre kennen, gehörten derselben Generation an und waren nach Kriegserfahrungen beide Verfechter einer pazifistischen Strategie. Hiller, der 1920 der Deutschen Friedensgesellschaft beitritt, bleibt mehr der Organisator, Tucholsky ist Solist, der sich schreibend radikalisiert. In der von Hiller gegründeten Gruppe Revolutionärer Pazifisten arbeiten beide zusammen, veröffentlichen Resolutionen und Manifeste.

Später entfernten sie sich wieder voneinander. Tucholsky resignierte weitgehend und starb 1935 vermutlich an seinen Depressionen.

Hiller, der den Nazis als Jude, Pazifist und Homosexueller verhasst war, wurde dreimal in Konzentrationslagern inhaftiert, ehe er über Prag nach London fliehen konnte. Erst 1955 kehrte er zurück in die BRD, arbeitete publizistisch und starb 1972 in Hamburg mit 87 Jahren.

Die Frage nach der Heimat ist auch der Autorin wichtig, der zum Ende der Tagung der Kurt Tucholsky-Preis verliehen wurde. Mely Kiyak ist durch ihre Bücher wie „Frausein“ (2020) und ihre Kolumnen in der ZEIT sowie digital beim Maxim Gorki Theater bekannt und nach Daniela Dahn und Margarete Stokowski erst die dritte Frau, die den Preis erhielt. Sie legt Wert darauf, in einer langen Schreibtradition zu stehen. „Mein Weg beginnt im Urartäischen Reich, ein altorientalisches Reich in Ostanatolien, dann die Perser, die Römer, die Araber, die Seldschuken und die Osmanen. Hinter meinen Geschichten liegen viele Jahrhunderte Geschichte, in gewisser Weise bin ich Assyrerin, Römerin, Ostanatolierin und nun Westeuropäerin“, sagte sie in ihrer Dankesrede im Berliner Theater im Palais. Den Preis überreichte ihr der neue Vorsitzende der Kurt Tucholsky-Gesellschaft, Journalist und Blättchen-Autor F.-B. Habel.

Frank Burkhard

Zur Psychologie des Marxismus und der „radikalen“ Literaten

Lieber Herr Willy Haas!

Ich möchte Ihnen zunächst persönlich für den so freundlichen und interessanten Brief danken, den Sie an mich gerichtet haben.

Sachlich haben Sie leider allzusehr recht.

Ich hatte mir vorgenommen, in der nächsten Zeit einmal auf die Brüchigkeit, Neurasthenie und die völlige Lebensuntüchtigkeit mancher Kreise hinzuweisen, die sich ›radikal‹ nennen, und ich weiß, dass es vom Wandervogel bis zu Leuten, deren Namen ich zunächst nicht nennen will, eine böse Entrüstungskampagne geben wird. Das vertragen die Herren nämlich am allerwenigsten, dass ihnen einer sagt: mir ist ein Erzreaktionär als Kapitän eines Passagierdampfers lieber als ein zerfahrener Literat, der unpünktlich, fahrig und unfähig ist, zu disponieren. Natürlich ist gegen Kant kein Einwand, dass er vielleicht ein schlechter Chauffeur gewesen wäre: aber gerade diese Herrschaften, die ständig zur Tat aufrufen, lassen eine Lebenstüchtigkeit vermissen, die der Geistesmensch Lenin bei 28 geschriebenen Bänden auf das Vorzüglichste bewiesen hat. Ich für meinen Teil möchte bei den meisten unsrer Radikalen nicht mitansehen, wie sie auch nur einen Umzug in die Wege leiten oder wegen eines Mietvertrages verhandeln oder den Streit zwischen zwei Angestellten schlichten – und unter gar keinen Umständen möchte ich unter diesen Leuten arbeiten. Ich habe das bisher noch nicht gesagt, aber ich fürchte, es ist sehr an der Zeit, dass man es tut.

Denn, sehen Sie, das, was am Preußentum gut und gesund ist, besitzen diese Leute leider wenig oder gar nicht, sehr zum Schaden unsrer Sache, die, wie jede andere, eben nicht ohne ein gewisses Mindestmaß von Pflichterfüllung, Fleiß und vor allem von gesundem Menschenverstand geführt werden kann. Eben dieser gesunde Menschenverstand scheint mir bei so vielen unserer ›Radikalen‹ zu fehlen: die Leute haben kein inneres Maß, kein Gefühl für die Notwendigkeiten des Lebens, mit denen man doch rechnen muß, wenn man etwas erreichen will. Mit Dialektik und Neurasthenie allein ist die Sache eben nicht zu machen.

Ich habe die Absicht, in der „Weltbühne“ einmal ausführlich auf dieses Thema zurückzukommen, und bis ich das tue, mögen Sie bitte mit diesem Brief beginnen, was Ihnen richtig erscheint.

Inzwischen bin ich, wie immer, mit den kameradschaftlichsten Grüßen

Ihr sehr ergebener

Tucholsky

Kurt Tucholsky, Die Literarische Welt, 7. Mai 1927

Die Geschichte mit dem Apfel

Und am sechsten Tag schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde. Einen Mann und ein Weib, und er segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch … Und als sie es dann taten, flogen sie raus aus dem Garten Eden. Eine Geschichte, bei der es einem Spötter wie Mark Twain nur so unter den Fingern jucken musste. Aber er muss sehr schnell gemerkt haben – das Fach gender studies war 1893 noch vollkommen unbekannt –, dass die Geschichte immer aus zwei Sichten erzählt werden muss. Mann und Frau sehen von Anbeginn, so sein Befund, alles anders. Auch als „Herrschaft“ – pardon, „Frauschaft“ geht im Deutschen schwer von der Zunge, das hat mit unserer Geschichte zu tun – noch nicht erfunden war. Auch als die beiden Prototypen von heute 7,9 Milliarden Individuen noch vollständig unter sich waren. Also versuchte er erst gar keine Synthese, sondern ließ beide unabhängig voneinander erzählen: „Die Tagebücher von Adam und Eva“ entstanden. Ein bezauberndes Werk, das immer wieder zur Auseinandersetzung reizt.
Im Berliner Theater im Palais hängt derzeit ein grasgrüner Apfel von der Bühnendecke. Verlockung? Drohung? Meine Frau packt diese saure Sorte immer wieder in den Einkaufswagen … Der Bühnenhorizont zeigt ein Bild der Galaxis. Das sieht nach Urknall aus, dem Anfang von allem? Wir wissen es nicht. Auch der Mensch bei Mark Twain weiß es nicht. Plötzlich ist da „das neue Geschöpf mit langen Haaren“, und es redet und redet. Er will eigentlich nur seine Ruhe haben, das Wesen ist aber entsetzlich neugierig. Es nennt ihn „das Reptil“, weil es allen Dingen einen Namen geben muss. Zudem hat es merkwürdige Ideen und will unbedingt einen Brontosaurus als Stubentier. Der Mensch fürchtet natürlich um seine Behausung und wirft das Wesen raus. Das heult, wie immer, wenn es etwas nicht kriegt, und darf natürlich wieder rein. Ohne Brontosaurus, dafür hat es am Dienstag die Begegnung mit der Schlange. Der „Rest“ ist bekannt …
Der Twainsche Text wird im Palais am Festungsgraben als Lesetheater gegeben. Gundula Köster und Carl Martin Spengler setzen ganz auf die Kraft des Sprechens. Die Intimität des kleinen Saals unterstützt das. Gelegentlich mal ein halb herabgezogener Mundwinkel, das (kurze) Aufblitzen von Evas Augen, ein ganz kurz trotziges Gesicht Adams – das schnell wieder in tumbe Hilflosigkeit abgleitet. Mehr ist eigentlich nicht. Die gestischen Mittel sind sparsam eingesetzt. Aber das ist spannend und unterhaltsam zu erleben. Dieser Ansatz geht voll auf. Unterstützt werden die beiden Protagonisten von kurzen Interventionen Ute Falkenaus am Piano. Auch dies sehr unaufdringlich.
Die Inszenierung ist ein großes Loblied auf die Liebe. Und so hatte Mark Twain das auch gemeint. Wer traut sich das denn heute noch … Hingehen!

W. Brauer

Wieder am 1.10., 2.10., 20.11. und 21.11. 2021.

Der Seiltänzer

Da aber geschah Etwas, das jeden Mund stumm und jedes Auge starr machte. Inzwischen nämlich hatte der Seiltänzer sein Werk begonnen: er war aus einer kleinen Thür hinausgetreten und gieng über das Seil, welches zwischen zwei Thürmen gespannt war‚ also, dass es über dem Markte und dem Volke hieng. Als er eben in der Mitte seines Weges war, öffnete sich die kleine Thür noch einmal, und ein bunter Gesell, einem Possenreisser gleich, sprang heraus und gieng mit schnellen Schritten dem Ersten nach. „Vorwärts, Lahmfuss, rief seine fürchterliche Stimme, vorwärts Faulthier, Schleichhändler, Bleichgesicht! Dass ich dich nicht mit meiner Ferse kitzle! Was treibst du hier zwischen Thürmen? In den Thurm gehörst du, einsperren sollte man dich, einem Bessern, als du bist, sperrst du die freie Bahn!“ — Und mit jedem Worte kam er ihm näher und näher: als er aber nur noch einen Schritt hinter ihm war, da geschah das Erschreckliche, das jeden Mund stumm und jedes Auge starr machte: — er stiess ein Geschrei aus wie ein Teufel und sprang über Den hinweg, der ihm im Wege war. Dieser aber, als er so seinen Nebenbuhler siegen sah, verlor dabei den Kopf und das Seil; er warf seine Stange weg und schoss schneller als diese, wie ein Wirbel von Armen und Beinen, in die Tiefe. Der Markt und das Volk glich dem Meere, wenn der Sturm hineinfährt: Alles floh aus einander und übereinander‚ und am meisten dort, wo der Körper niederschlagen musste.

Zarathustra aber blieb stehen, und gerade neben ihn fiel der Körper hin, übel zugerichtet und zerbrochen, aber noch nicht todt. Nach einer Weile kam dem Zerschmetterten das Bewusstsein zurück, und er sah Zarathustra neben sich knieen. „Was machst du da? sagte er endlich, ich wusste es lange, dass mir der Teufel ein Bein stellen werde. Nun schleppt er mich zur Hölle: willst du’s ihm wehren?“

„Bei meiner Ehre, Freund, antwortete Zarathustra, das giebt es Alles nicht, wovon du sprichst: es giebt keinen Teufel und keine Hölle. Deine Seele wird noch schneller todt sein als dein Leib: fürchte nun Nichts mehr!“

Der Mann blickte misstrauisch auf. „Wenn du die Wahrheit sprichst, sagte er dann, so verliere ich Nichts, wenn ich das Leben verliere. Ich bin nicht viel mehr als ein Thier, das man tanzen gelehrt hat, durch Schläge und schmale Bissen.“

„Nicht doch, sprach Zarathustra; du hast aus der Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ist Nichts zu verachten. Nun gehst du an deinem Beruf zu Grunde: dafür will ich dich mit meinen Händen begraben.“

Als Zarathustra diess gesagt hatte, antwortete der Sterbende nicht mehr; aber er bewegte die Hand, wie als ob er die Hand Zarathustra’s zum Danke suche. —

Friedrich Nietzsche

Aus: Also sprach Zarathustra, Vorrede 6. (1883).

Zeltkino

Wenn man sich nach Hiddensee begibt, muss man naturgemäß mit Seegang rechnen. Doch üblicherweise nur auf dem Wasser. Wenn allerdings um das dortige Zeltkino in Vitte ein formidabler Sturm tost, dann schlägt auch die Kinoleinwand unübersehbar Wellen. Für einen Streifen wie „Master und Commander“ dürfte das ein durchaus passender Effekt sein, für ein Filmwerk mit ruhigen Kameraeinstellungen wie „Der Rosengarten von Madame Vernet“ hingegen ist dergleichen eher befremdlich. Neigung zu Kinetose sollte man da besser nicht haben …

Und wahrscheinlich ist es keine existenzielle Bildungslücke, nicht zu wissen, wie neue Rosensorten gezüchtet werden. Wenn dies allerdings in einer David-gegen-Goliath-Aufstellung und unter Beteiligung von Kleinkriminellen erfolgt, die, wenn ihnen kühl ist, im Gewächshaus schon mal die Heizung auf volle Pulle drehen, worauf Rosenpflanzen ziemlich mimosenhaft übereagieren, und all dies sowie mehr mit leichter französischer Hand in Szene gesetzt wird, dann wird daraus eine zauberhafte Komödie mit gerade so viel Tiefgang, die die Grenze zum Tragischen zwar hin und wieder touchiert, ohne dass diese wirklich überschritten wird. Da mögen Puristen wieder einmal einwenden, so sei das Leben aber nicht, doch die können ja einfach im Leben bleiben und ums Kino einen Bogen machen …

Clemens Fischer

„Der Rosengarten von Madame Vernet“, Regie: Pierre Pinaud. Derzeit in den Kinos.

Aus dem Tagebuch eines Hundes

Es gibt wohl nur wenige deutsche Autoren, die – unbeugsamer Feind von Klerikalismus und Wilhelminismus – so erbittert von Zensur und Justiz drangsaliert wurden, wie Oskar Panizza. Zwischen den Stühlen aller „-ismen“ befindlich erlebte sein Werk erst nach der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Wiederauferstehung. Und prompt setzte wieder die Hatz durch Dunkelmänner diversester Art ein. Dieser Wegbereiter der literarischen deutschen Moderne starb entmündigt und selbst von der Familie totgeschwiegen am 28. September 1921 in einer Klinik in Bayreuth. Anlässlich seines 100. Todestages ist es uns wichtig, an ihn zu erinnern.

Ich bin noch immer ganz dumpf. Noch immer kann ich nicht die Ereignisse jener entsetzlichen Nacht in meinem Kopfe registrieren. Also dieses ganze Menschengeschlecht sind in ihrem Innern, innerhalb ihrer künstlichen Verstellungs-Schichten, sozusagen abgezogene Hasen, mit Bimsstein abgerieben und mit Puder eingestreut; und auf der Straße müßte man sie nennen: abgezogene Menschen mit Ueberzügen versehen. Aber so lassen sie sich ja nicht classificieren. Niemand, der damals nicht zugeschaut, würde verstehen, was ich damit meine. Ich werde also wohl bei „Bein-Zeiger“ und „Bein-Verstecker“ bleiben müssen. – Meinen Herrn traf ich die folgenden Tage wiederholt mit selbigem Bein-Verstecker. Beide thaten, als wenn nichts vorgefallen wäre; bewegten sich harmlos in ihren Verstellungsschichten, und trieben ruhig ihre conventionellen Zahn-Entblößungen, Mundsalven und Gesticulationen. – Man muß sich nur erst an Alles gewöhnen. Die Race ist bei aller Schurkerei entschieden interessant.
(1892)

Oskar Panizza

WeltTrends aktuell

„Zurück! Russland auf der Weltbühne“ war der Titel der Februar-Ausgabe des Magazins WeltTrends (Nr. 172). Russische Autorinnen und Autoren legten ihre Sichten auf die Außenpolitik und die internationalen Beziehungen ihres Landes in den letzten zwei Jahrzehnten dar.

Die Resonanz war enorm. In den folgenden WeltTrends-Ausgaben wurden Kommentare deutscher Autoren und eines Autors aus Belarus publiziert. Es sind dies Stimmen von Experten, die sich seit Jahren mit internationaler Politik generell und den russischen Außenbeziehungen speziell befassen. Ihre Meinungen sind unterschiedlich, zum Teil konträr. Diese Autoren ergänzen die Debatte durch neue Aspekte.

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Aus anderen Quellen

„Die Doku ‚Täuschung – Die Methode Reagan‘ hat aufgezeigt, mit welchen Mitteln die Reagan-Regierung fast einen Atomkrieg provoziert und dabei auch ihre sogenannten Verbündeten belogen und betrogen“, schreibt Thomas Röper. Und: „Die in viele Sprachen übersetzte und preisgekrönte Doku wurde für Arte gemacht, für das ZDF dann aber inhaltlich massiv verändert. Dabei ist der Sinn der Doku verfälscht worden, was nichts anderes ist, als das politisch korrekte Umschreiben der Geschichte.“

Thomas Röper: Wie das ZDF Dokus verfälscht, damit sie ins gewollte Narrativ passen, Anti-Spiegel, 10.09.2021. Zum Volltext sowie zur Original-Doku und zur Geschichte ihrer Verfälschung hier klicken.

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„Mit dem Militärputsch gegen Salvador Allende am 11. September 1973 begann in Chile unter Augusto Pinochet eine lange und brutale Diktatur, die tiefgreifende wirtschaftsliberale Reformen einführte“, so Cristóbal Rovira Kaltwasser. Auch nach der Rückkehr des Landes zur Demokratie im Jahre 1989 seien die Grundpfeiler des neoliberalen Wirtschaftssystems erhalten geblieben. „Bis vor nicht allzu langer Zeit galt der von Chile verfolgte Ansatz in Lateinamerika als erfolgreiches, nachahmenswertes Modell.“ Damit gehe es gerade zu Ende.

Cristóbal Rovira Kaltwasser: Das andere 9/11, ipg-journal.de, 09.09.2021. Zum Volltext hier klicken.

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„Am finanziellen Aufwand gemessen“, erläutern Adam Baczko und Gilles Dorronsoro, „war das state building in Afghanistan eines der ambitioniertesten Unternehmen des US-Militärs seit der Besetzung Deutschlands und Japans nach dem Zweiten Weltkrieg. In den nuller Jahren wurde der gesamte Staatshaushalt Afghanistans aus ausländischen Quellen finanziert, zuletzt waren es immer noch 75 Prozent. Wobei noch zusätzlich zig Milliarden Dollar in die Finanzierung der Polizei, der Justiz und der Armee sowie in den Bau von Schulen, Krankenhäusern, Verkehrsinfrastruktur und öffentlichen Gebäuden geflossen sind. Das ganze Hilfskonzept litt darunter, dass die einzelnen Programme strikt voneinander getrennt behandelt wurden und dass die Gesamtkoordination nur schlecht funktionierte.“

Adam Baczko / Gilles Dorronsoro: Taliban – der unbekannte Feind, monde-diplomatique.de, 09.09.2021.Zum Volltext hier klicken.