23. Jahrgang | Nummer 7 | 30. März 2020

Bemerkungen

Asterix und Sarayaku

Der große Albert Uderzo ist gestorben, der Miterfinder und geniale Zeichner der weltberühmten Asterix-Comics. Kaum einer, der sie nicht kennt, die wunderbar unbeugsamen Bewohner des kleinen gallischen Dorfes des Jahres 50 v. Chr.

Auch in der wirklichen Welt existiert ein solches Dorf. Es liegt in Ecuador, in der Provinz Pastaza und heißt Sarayaku. Seine Bewohner machten weltweite Schlagzeilen als sie sich 2002 gegen den übermächtigen Ölkonzern CGC behaupteten (siehe „David gegen Goliath in Ecuador“, Das Blättchen 14/2019).

Am 17. März um 11 Uhr ereignete sich dort eine Naturkatastrophe. Das Dorf wurde überschwemmt als der Rio Bobonaza über die Ufer trat. Viele Hütten, die Schulen und die Brücke sind zerstört. Hühner und einige Hunde ertranken, die Pflanzungen wurden weggeschwemmt. Die Bewohner flohen mit wenigen Habseligkeiten in ihren Booten. Gottseidank kam niemand um sein Leben. Jetzt wird versucht zu retten, was zu retten ist.

Überschwemmungen ereigneten sich auch früher schon, aber nie in diesem Ausmaß. Die Einwohner meinen, dass der Klimawandel Ursache der Naturkatastrophe ist und diese künftig häufiger und heftiger auftreten werden.

Es ist zweifelhaft, ob der ecuadorianische Staat, die katholischen Kirche oder der Indigenendachverband CONFENAIE helfen können. Die Regierung unter Lenin Moreno wird sich zurückhalten oder bestenfalls sehr langsam reagieren, da Sarayaku als rebellisch angesehen wird. Über finanzielle Hilfsangebote der Kirche ist nichts bekannt und die CONFENAIE verfügt seit den sozialen Unruhen im Oktober 2019 über keine Hilfsfonds mehr.

Die aktuelle Lage ist also ausgesprochen bescheiden, zumal den Entwurzelten mit dem Anfang März auch in Ecuador angelangten Virus neues Ungemach droht.

Mit einer Überschwemmung hatten Asterix und seine Freunde in keiner Geschichte zu kämpfen. Aber ob sich das kleine gallische Dorf davon hätte unterkriegen lassen? Jegliche Hilfe ist nun willkommen.

Jörg Lutter, Sarayaku, Ecuador

Wenn Sie helfen wollen: Es gibt die Spendenkampagne von Nina Gualinga, INDIGENOUS COMMUNITIES UNDER WATER IN THE AMAZON, hier.

(Der Beitrag unseres Lesers und Autors aus Ecuador weist noch einmal nachdrücklich darauf hin, dass die Welt nicht nur aus Corona-Krise besteht. Auch wenn sich das zumindest im TV so anfühlt. Es gibt nunmehr gar keine Informationen mehr zum Krieg in Jemen, zur Flüchtlingskrise, zum Schicksal von Julian Assange und so weiter…

mvh)

Was wirkt unser Denken aufs Empfinden?

Was weiß unser Jahrhundert nicht! wie übt sichs nicht im Denken, Erkennen, ja sogar ex professo im Empfinden! Aber wenn der Baum nur aus Früchten erkannt wird, von diesem Denken und Empfindeln, wo ist die Frucht?

„Ohne Zweifel muß es also nicht das rechte Denken, das rechte Empfinden seyn!“ – und das glaube ich auch. Bloßes Spekuliren und Sentimentalisiren hilft nichts: jenes stumpft die Seele, wie dieß das Herz ab. Der Kopf wird zum überschütteten Kornboden, wo nichts aufgeht, das Herz zum ausgewaschnen, zerrissenen Lappen, der zuletzt zu nichts taugt, als daß er Mist werde.

Johann Gottfried Herder, 1778

Infamis: „Heimat und Verwesung“

Es gibt sie, diese deutschen Bands, die es schaffen, das Gefühl der Weite Amerikas in Songs zu packen. Ich kenne dieses Land, bin oft genug von Westen nach Osten und zurück gefahren, durch die Wüste Nevadas, über die Rocky Mountains, vorbei an den endlosen Feldern im „Heartland“ Amerikas. Ich habe Ortschaften gesehen, die an eine Folge aus der Serie „Twilight Zone“ erinnern, eine Straße führt rein und man hofft, dass auf der anderen Seite wieder eine Straße hinaus führt.

Irgendwo in der Mitte von Nirgendwo steht ein Diner an einem schnurgeraden, langen, leeren Highway. Der Wind weht den Staub auf, eine paar Steppenläufer rollen über den Asphalt, ein rostiger, schiefer Stacheldrahtzaun beschränkt das offene Land, das sich bis zum Horizont zieht. Die Tür des Diners quietscht, ein paar Typen sitzen an der Bar, schauen kurz auf den Neuen, der da eintritt, nicken, wenden sich wieder ihrem Bier zu. Aus der Jukebox dringt „Dann sind wir Helden, für einen Tag“. Infamis aus Berlin spielen, singen auf Deutsch. Und es passt.

An solch einem Ort sollte man eigentlich die neue Platte der Berliner Band Infamis hören, die „Heimat und Verwesung“ heißt. Auch dieser Titel beschreibt das Bild, das ich im Kopf habe. Das Vertraute und das Vergängliche. Ich mag diese Band aus Berlin sehr und das schon seit über 20 Jahren. Sie kümmern sich nicht um Hits und Charts und Verkaufszahlen, sie verfolgen einfach ihren Weg, machen da weiter, wo sie mit „Im Westen der Himmel“ vor sieben Jahren aufgehört haben. Sie bleiben ehrlich und auch bescheiden. Diese Platte beschreibt die Mitglieder der Band, wie ich sie über die Jahre kennengelernt habe. Das neue Album ist eine Fortsetzung ihres faszinierenden Soundtracks eines Films, den man selbst erdenken kann, wie ich das mit diesem Diner im Nirgendwo gemacht habe.

Infamis lassen Bilder entstehen, die mal tief traurig, hoffnungslos, bedrückend sind, um dann voller Nähe und Zärtlichkeit zu sein, ja, sogar Lebensfreude ausstrahlen. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, keine Platte zum Nebenbei hören. Es ist ein Album zum Hinhören, zum Verweilen, zum in die Tiefe gehen. Sich darauf einlassen, ist wohl eine Umschreibung, die es am besten erfasst. Und immer wieder bin ich davon fasziniert, wie sie es schaffen, diesen Sound, nein, diese Bilder der Weite Amerikas einzufangen. Sie kommen eben nicht aus Idaho, Montana oder Wyoming, Infamis sind mitten aus Berlin. Großstadtcowboys mit Weitblick auf ihre ganz besondere Art und Weise. „Heimat und Verwesung“ ist ein Album, das für mich, da bin ich schon jetzt ganz sicher, auch am Ende des Jahres zu den besten Veröffentlichungen von 2020 gehören wird.

Arndt Peltner, Oakland

Nähere Informationen über die Band und die neue LP/CD auf der Website von Infamis.

Ein neuer Lyrikband zum 85. Geburtstag von Sarah Kirsch

Sarah Kirsch, die 2013 verstarb, war in den 1960er- und 1970er Jahren eine vielbeachtete Lyrikerin in der DDR. Nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann verließ sie im August 1977 mit ihrem kleinen Sohn Moritz das „kleine wärmende Land“ und siedelte nach Westdeutschland über, wo sie ihr dichterisches Werk fortsetzte. Ihre Gedichte zeichnen sich durch eindringliche Bilder und sprachliche Einfachheit aus. Besonders in ihren Naturgedichten fand sie einen unverwechselbaren Sound, mit dem sie ein ganz neues Verhältnis des Menschen zur Natur gestaltete. Obwohl sie mit romantischen Stilelementen die naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten lyrisch außer Kraft setzte, lag ihr als diplomierter Biologin nichts ferner als die Verklärung der Natur. Mit ihren Gedichten legte sie statt Idyllen Konfliktstoffe, Ängste und Brüche offen. Die „poetische Landschafterin“ wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Georg-Büchner-Preis (1996), dem Jean-Paul-Preis (2005) und dem Johann-Heinrich-Voß-Preis (2006).

Nun hat ihr Sohn zum 85. Geburtstag (16. April) seiner Mutter eine Gedichtauswahl unter dem Titel „Freie Verse“ im Manesse Verlag vorgelegt. Unter den 99 ausgewählten Gedichten befinden sich auch 19 Erstveröffentlichungen. Es sind Dachbodenfunde, die erst nach Jahren in verstaubten Kartons entdeckt wurden. Die meisten dieser Gedichte waren für den ersten Gedichtband „Gespräch mit dem Saurier“ (1965, gemeinsam mit ihrem ehemaligen Ehemann Rainer Kirsch) vorgesehen. Der Grund für die damalige Nichtveröffentlichung lag sicher in der politischen Aussagekraft. So heißt es in dem Gedicht „Ahrenshooper Sommer“: „Ach das Meer ist aus blauem Glas / hervorströmts unterm Scheinwerferlid / ach die Soldaten leuchten so schön / daß niemand nach Dänemark zieht“. Die Lyrikerin spielt damit auf die NVA-Patrouillenboote an, die an der Ostsee Fluchtversuche von DDR-Bürgern verhindern sollten. In „Astronomie im Dezember“ klagt sie „Hier trompeten die Schwäne. Meine / Staatsbürgerliche Lochkarte ach was / Ist sie zerschlissen durch- / Schossen: ein vielfältiger / Sternhimmel an Verfehlungen itzt.“ Schon bald sollten diese Verse einen prophetischen Charakter bekommen.

Auch in den bereits veröffentlichten achtzig Gedichten hat der Sohn Verse mit dezidiert politischem Inhalt ausgesucht. Die Gedichte reflektieren zwar keine politischen Tagesthemen, sie zeigen jedoch, dass Sarah Kirsch, der häufig von Kritikern „unpolitische Naturlyrik“ vorgeworfen wurde, durchaus auch eine politische Dichterin war. In seinem Nachwort „Vom Glück, einen Dachboden zu haben“ betont Moritz Kirsch zudem, dass seine Mutter auch abseits des Schreibens ein durchaus politischer Mensch war. So lehnte sie in den 1980er Jahren die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes wegen der NS-Vergangenheit des damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens ab oder bemühte sich um den ukrainischen Dichter Wassyl Stus, der zu insgesamt 23 Jahren in Straflagern und Verbannung verurteilt worden war.

Manfred Orlick

Sarah Kirsch: Freie Verse – 99 Gedichte, Manesse Verlag, München 2019, 128 Seiten, 20,00 Euro.

Aufarbeitung deutscher Geschichte

Es ist interessant, dass 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands verstärkt eine Aufarbeitung der Vergangenheit des deutscher Vereins-, Bildungs- und Gesellschaftswesens geschieht. Während im ZDF der Dreiteiler „Unterleuten – das zerrissene Dorf“ nach dem Roman von Juli Zeh die Zerrissenheit der Bevölkerung in einem fiktiven brandenburgischen Dorf von heute ausstrahlte, in dem Wende-Gewinner, Wende-Verlierer, Ostalgiker, Kapitalisten, zugereiste Städter und Alteingesessene im Streit und in Feindschaft leben, weil jeder seine Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat, strahlte die ARD den Dreiteiler  „Unsere wunderbaren Jahre“ nach dem gleichnamigen Roman von Peter Prange aus, verortet in Altena, der die Nachkriegsgeneration an die NS-Verbrechen der Vätergeneration erinnert, die in der alten BRD nicht aufgearbeitet sondern verdrängt wurden.

Dass die Aufarbeitung der Nazivergangenheit in den westdeutschen Vereinen auch nicht geschah, dokumentiert pars pro toto Dieter Fauth durch seine empirisch-wissenschaftlich fundierte Analyse über die Freie Akademie (FA) in eindrücklicher Form. Obwohl die FA erst 1956 gegründet wurde, spielte der Geist des Nationalsozialismus noch Jahrzehnte eine spürbare Rolle, weil führende Gründungsväter früher hohe Nationalsozialisten in öffentlicher Stellung und zugleich SS-Mitglieder waren. Die Vergangenheit wurde zugedeckt, nur noch nach vorn geschaut,  man billigte sich einander allgemeine Toleranz zu. So zeigt die Studie, „wie der Umgang der FA mit ihrer Beziehung zum Nationalsozialismus und seiner Nachwirkung eine Geschichte von Misslingen und Gelingen ist“ wie man es im Klappentext des Buches lesen kann. Dass sich der Autor, der selbst heutiger Vizepräsident der FA ist, aus eigenem inneren Antrieb sich zu dieser Studie in objektiv-wissenschaftlicher Weise durchgerungen  und die einschlägigen Archive durchforstet hat, ist nicht hoch genug einzuschätzen, zumal externe Wissenschaftler unter Honorarvertrag dazu nie etwas lieferten. Dies zeigt aber auch, dass eine neue kritische Generation, die unbelastet ist, eine verdrängte Vergangenheit aufarbeiten kann. Dem Autor ist das in vorbildlicher Weise gelungen, indem er die Vorgeschichte der FA von 1919 bis 1956 in Längsschnitten und Personalien skizziert, die Gründung und Frühphase schildert, die die Bewältigungsstrategie im „Beschweigen statt Besprechen“ der Vergangenheit sah und erst durch die revolutionäre Studentenbewegung von 1968 aufgerüttelt und verunsichert wurde, so dass es zu einer bescheidenen Reformbewegung der FA unter einer neuen Präsidentschaft kam.

Die neue Offenheit für eine wirkliche Aufarbeitung der Vergangenheit beginnt aber erst ab 2010 unter der neuen Präsidentschaft von Volker Mueller, einem Philosophen (geb. 1957) aus der ehemaligen DDR. So kann nun diese vom Autor vorgelegte Studie „beim Umgang mit einem schwierigen Lebensthema Mahnung und Hilfe zugleich sein. Denn für uns hat sich Schuld in Verantwortung gewandelt“, wie es der Autor selbst für sich als Nachgeborener der NS-Zeit postuliert.

Dieter Fauth ist für diese akribisch erarbeitete Studie sehr zu danken, die er mit Offenheit und Wahrhaftigkeit über die Vergangenheit der FA erstellt hat, zumal ein ausführliches Literatur-, Quellen- und Personenverzeichnis das Nachforschen erleichtert.

Christoph Körner

Dieter Fauth: Die Freie Akademie in Beziehung zum Nationalsozialismus, Zell am Main 2020, 187 Seiten, 15,00 Euro.

Kraut anbauen und Schönheit verbreiten

Vor über 30 Jahren hatten deutsche Musiker die Idee, der Musikgeschichte ein eigenes Kapitel hinzuzufügen. Sich von den klebrigen R & B abwenden und den neuen elektronischen Instrumenten hingeben, war ein kleiner, aber entscheidender, Schritt, den sie wagten. Man orientierte sich an Stockhausen, verbannte oft Schlagzeug oder einfache Gitarren, spielte lieber auf Kindertröten und selbst gebauten Tasteninstrumenten und ließ Töpfe über Treppen rollen. Dann wieder gab es Musikgruppen die nicht nur still auf der Bühne standen und Tasten drückten, sondern ihre aufregende Musik mit Lichtelementen, Schauspielerei und Pantomime verbanden und alles verdammt härter klingen ließen. Die Musikgeschichte bekam mit Klängen, die New Wave vorwegnahmen, als Blaupause für Techno gelten, in den Heavy Metal hinein wirkten und dann wieder für sich eine ganz eigene Welt schufen, von Johnny Lydon bis zu den Red Hot Chili Peppers rezipiert wurden und werden, wirklich ein wirkungsmächtiges Kapitel dazu. 

Und nun kommt der aufopferungsvolle und mit wundervollen Zusammenstellungen immer wieder auf sich aufmerksam machende Verlag Bear Family ins Spiel. Die netten Menschen aus Holste steigen in ihre unheimlichen Archive und holen für die Nachwelt fast Vergessenes, aber zum Vergessen viel zu Wertvolles, ans Tageslicht. Nachdem sie damit die 10er CD-Box „Die Burg Waldeck Festivals“ bestückt hatten und die wundervolle Serie „Aus grauer Städte Mauern – Die Neue Deutsche Welle“ dem Publikum zur Verfügung stellten, gaben sie sich nun ganz der Krautmusik hin. Ab März wird es in regelmäßiger Folge immer ein Musikdoppelalbum mit 100-seitigem Booklet geben. Im ersten Teil konzentriert man sich ganz auf den Norden der Bundesrepublik, denn auch da baute man zwischen Hamburg, Bremen und Oldenburg Kraut der Sorte 1a an. An erster Stelle müssen wir unbedingt Achim Reichel nennen, der nach seinen Beat-Mätzchen mit den Rattles und Wonderland elektronischen Wirrwarr verbreitete, dass es heute noch eine Freude ist es anzuhören. A.R. & The Machines nannte er die Band, die die Musik zum Fliegen durch den lila verfärbten Weltraum brachte. Sein Song „Schönes Babylon“ ist einfach nur schön. Ebenfalls mit dabei sind Michael Rother, der Neu?! gründete und auch Solo dem Krautrock den Weg aufzeigte, die laut schrammelnden und die Songs mit Heavy anreichernden Atlantis, Lucifer’s Friend, Nektar und Eloy. Galazy brachten wiederum „Supermarket“ mit keyboardlastigen, leicht bombastischen Artrock zum Einsturz. Mit dabei ist außerdem das Trio Silberbart aus Oldenburg und Wilhelmshaven, die leider viel zu schnell in Vergessenheit gerieten. Sie rüttelten das Land mit irrem Hardrock, kosmischen Blues und ihrem bizarren Sänger Hajo Teschner mächtig auf, werden als experimentelles Noise-Trio bezeichnet und orientierten sich an Guru Guru. Irgendwie gehören zu den Kosmischen Klängen wohl auch verschiedene Folk-Kapellen, die zusammen in Wohngemeinschaften oder Scheunen lebten und vollkommene musikalische Schönheit verbreiteten. Wer träumen und beseelten Klang genießen wollte, der war bei Novalis und Ougenweide genau richtig. Die einen sangen „Wer Schmetterlinge lachen hört“ und die anderen Texte von Walther von der Vogelweide. Man vermischte traditionelles Liedgut mit moderner Rockpoesie und schuf so kleine Hymnen die faszinierten und die Zuhörer in duftende Wolken hüllten. Bereits dieser erste Teil lässt durch das Unbekannte oder lange nicht mehr Gehörtes aufhorchen und macht gierig auf mehr.

Thomas Behlert

Kraut! – Die innovativen Jahre des Krautrock 1968–1979, Teil 1, Bear Family Records, circa 29,99 Euro.

Relativ schlabbrig

Strahlender Sonnenschein, menschenleere Wege, ein faszinierender Gesprächsfetzen aus einem der Kleingärten, durch die sie führen: „… relativ schlabbrig“.

Das gibt zu denken. Soll die „allgemeine“ Relativitätstheorie durch eine „schlabbrige“ ergänzt werden? Bei näherer Betrachtung doch eher nicht. Wohl aber zeigt sich eine elegante neue Interpretation – dass zu den Dingen, die im allgemeinen relativ schlabbrig sind, speziell auch das Raum-Zeit-Kontinuum gehört.

Bernhard Mankwald 

Von Neuseeland in den Berliner Mauerpark …

Wer in diesen coronavirusgeschwängerten Zeiten noch ein offenes Ohr für musikalische Entdeckungen hat, dem sei die in Neuseeland geborene Sängerin und Gitarristin Teresa Bergman an Herz und Ohr gelegt.

Bereits als neunjährige Schülerin sang sie vor den Einkaufszentren in Wellington. Und als Straßenmusikerin startete sie dann im Berliner Mauerpark, nachdem sie vorher in Breslau (Wroclaw) und Leipzig Sozialwissenschaften studiert hatte.

Sämtliche Liedtexte und Melodien auf dem Album „Apart“ hat sie selbst geschrieben. Ihr Musikstil kann schwerlich in einer Schublade verortet werden; es handelt sich um eine abwechslungsreiche Melange aus Pop, Soul und Jazz.

Teresa Bergman lädt dazu ein, an dem in ihren Liedern wortreich beschriebenem Gefühlshaushalt teilzunehmen. Beschrieben werden Trennungen, eigene Fehler und sensible Wahrnehmungen, etwa über einen „semi-professional Clown“.

Im Albumtitel „Apart“ kann eine kleine Wortspielerei herausgelesen werden. Apart im Englischen heißt „auseinander“, im Deutschen wird dieses Wort als Synonym für besonders, elegant oder hinreißend verwendet. Wenn man dieses Wort im Englischen trennt, ergibt sich „A Part“, also ein Teil. Von welchen Dingen möchte ich ein Teil sein?

Teresa Bergman lädt mit ihrer hinreißenden Stimme dazu ein, über diese Frage nachzudenken.

Thomas Rüger

Teresa Bergman: Apart, CD 2019, Label: Jazzhaus Records,17,00 Euro.

Aus anderen Quellen

Die Zahl der Coronafälle in Deutschland steigt von Tag zu Tag immer noch stark an. Allerdings ist unklar, wie Gabriele Muthesius schreibt, ob die PCR-Tests, auf denen die Fallzahlen beruhen, einer dringlichen Empfehlung des Robert-Koch-Instituts folgen, im Falle positiver Ergebnisse von Coronatests einen Kontrolltest nach einem weiteren Verfahren vorzunehmen. Denn: Ohne Kontrolltests bleibt unklar, wer von den positiv Getesteten wirklich infiziert ist. Nach chinesischen Angaben kann die Fehlerquote bei bis zu 47 Prozent liegen. Im Falle der Bundeskanzlerin werden daher mehrere Test vorgenommen.

Gabriele Muthesius: Die Corona-Krise – Aspekte abseits des Mainstreams, NachDenkSeiten, 24.03.2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Viktor Orbán will die Corona-Epidemie“, so Reinhard Veser, „als Vorwand zur Abschaffung jenes Rests an Demokratie nutzen, der in Ungarn nach zehn Jahren seiner Herrschaft noch übrig ist. Zur Eindämmung der Seuche sind überall tiefe Eingriffe in Bürgerrechte nötig – was nirgendwo ungefährlich ist. Aber was Orbán vorhat, ist eine Art Staatsstreich: Er will ganz ohne Parlament regieren.“

Reinhard Veser: Mit Viktor Orbán in die Diktatur, faz.net, 24.03.2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Opfer des Lauschangriffs“, heißt es seitens des ZDF zu einer Aufsehen erregenden Filmdokumentation, „waren arabische und südamerikanische Länder, aber auch NATO-Partner. Sie vertrauten der Krypto-Technik eines schweizerischen Herstellers – und wurden betrogen. […] Die ‚Rubikon‘-Papiere belegen erstmals, dass BND und CIA zum Beispiel frühzeitig über den Sturz des chilenischen Präsidenten Allende 1973 und die schweren Menschenrechtsverletzungen durch die argentinische Militärjunta informiert waren. Politische Folgen, etwa in Form von Protesten der Bundesregierung, hatte das nicht.“

Elmar Theveßen / Peter F. Müller / Ulrich Stoll: Operation Rubikon. Wie BND und CIA die Welt belauschten. ZDF, 18.03.2020. Zur Filmdokumentation hier klicken. (Video verfügbar bis 26.03.2021.)

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„Derzeit lassen Russland und die USA alte Spannungen aus der Zeit des Kalten Krieges in den Vereinten Nationen wieder aufleben“, vermerkt Stéphanie Fillion. „Sie betreiben ein politisches Spiel um diplomatische Visa, das zunehmend die eigentliche Arbeit um die militärische Abrüstung stört. Russland und andere Länder beschuldigen die Vereinigten Staaten, ihr Recht auf die Ausstellung von Visa am Hauptsitz in New York zu missbrauchen. Dieses Verhalten schädigt zunehmend das Image der Vereinigten Staaten bei der UN.“

Stéphanie Fillion: Eiszeit in der UN, ipg-journal.de, 05.03.2020. Zum Volltext hier klicken.

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„Uran ist nicht gleich Uran: Forscher haben eine Methode identifiziert, mit der Uran aus zivilen Quellen wie Atomkraftwerken besser von Uran aus alten Atomwaffentests unterschieden werden kann. Denn das Verhältnis der beiden anthropogenen Uranisotope 233U und 236U variiert bei diesen Quellen“, berichtet Nadja Podbregar. Diese Entdeckung „ermöglicht es, beispielsweise alten Fallout von neuen Kontaminationen aus Nuklearanlagen zu unterscheiden und erleichtert auch die Nutzung dieser Isotope als Tracer für die Erforschung von Meeresströmungen“.

Nadja Podbregar: Neuer „Fingerabdruck“ für anthropogenes Uran, scinexx.de, 11.03.2020. Zum Volltext hier klicken.