Anmerkung aus heutiger Sicht
In der vorangegangenen Ausgabe dieses Magazins ist wieder einmal Tucholsky zitiert worden: „[…] das Recht zum Kampf, das Recht auf Sabotage gegen den infamsten Mord: den erzwungenen – das steht außer Zweifel. […] Mit Lammsgeduld und Blöken kommt man gegen den Wolf nicht an.“ Und wiederum hatte Tucho Recht – in seiner Zeit allemal, doch auch bis in die Gegenwart.
Mit einer, allerdings existenziellen Ausnahme: Seit dem 6. und dem 9. August 1945 muss darauf geachtet werden, sollte sich eine Atommacht in einen Krieg verwickeln oder darin verwickelt werden, diese nicht mit einer Lage zu konfrontieren, in der sie vermeinen könnte, ihr Allerheiligstes, was auch immer sie als solches definiert, stehe auf dem Spiel. Denn dann könnte mit Kernwaffen zumindest dafür gesorgt werden, dass es in dem betreffenden Krieg keinen Sieger gibt, sondern Verlierer auf allen Seiten. Der russische Präsident Wladimir Putin stellte in diesem Kontext 2018 die rhetorische Frage: „Wozu brauchen wir eine Welt, in der es kein Russland gibt?“
An einen möglichen kriegerischen Konflikt mit einer Atommacht (oder gar zwischen Atommächten) mit der Methodologie, den Axiomen und Erfahrungen klassischen militärischen Denkens – sei es nach Sunzi, nach Clausewitz, Lidell Hart oder anderen – heranzugehen, ist – je nach gusto – entweder naiv, ein Zeichen von Inkompetenz, unverantwortlich oder schlicht und ergreifend Wahnwitz. Denn ein Atomkrieg wäre nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern im worst case die finale Beendigung derselben mit eben diesen Mitteln. Wenn Zivilisationsgefährdung eine mögliche Folge sein kann, gilt für Ermahnungen wie jene, sich von russischen atomaren Drohungen nicht einschüchtern zu lassen, im Übrigen genau dasselbe – von naiv bis Wahnwitz.
Das Tucholsky-Zitat jenen unter die Nase zu reiben, die bezüglich des Ukraine-Krieges für eine sofortige Beendigung auf dem Verhandlungswege plädieren, offenbart eines ganz gewiss: Das Denken der Betreffenden ist im Nuklearzeitalter noch nicht angekommen.
Doch für eine verhandelte Kriegsbeendigung müsste man Moskau, derzeit erklärtermaßen verhandlungsunwillig, schon etwas Substanzielles anbieten. Allein dies auszusprechen provoziert wahrscheinlich den nächsten Aufschrei der moralischen Empörung: „Was denn: Den Aggressor auch noch belohnen?!“ Nein – ihm einen Ausweg aufzeigen, bevor er zum Äußersten greift: So wird ein Schuh daraus. Oder, wie es in einem Nachruf auf den gerade verstorbenen US-Schriftsteller Cormac McCarthy in der Süddeutschen Zeitung sehr treffend formuliert ist: „Seit es die Atombombe gibt, die im Zweifel alles vernichten kann, ist die Menschheit darauf angewiesen, dass sie sich selbst am Leben lässt.“
Weltkrieg aus „heiterem“ Himmel?
Obwohl die polnische Luftraumüberwachung involviert war, hat die Regierung in Warschau über den Vorfall aus bisher nicht völlig geklärten Gründen monatelang Stillschweigen gewahrt. Doch kürzlich kam er doch ans Licht.
Bereits am 16. Dezember 2022 war, wie DIE WELT am 23.05.2023 unter der Überschrift „300 Kilometer vor Deutschland schlug die russische Rakete ein“ berichtete, ein Marschflugkörper vom Typ Ch-55, NATO-Code AS-15 Kent, abgeschossen aus dem Luftraum von Belarus oder dem westlichen Russland, mehr als 500 Kilometer über polnisches Territorium in Richtung Westen geflogen und erst nahe der Stadt Bydgoszcz in einem Waldgebiet abgestürzt.
Ch-55 kann auch atomar bestückt werden und wird gewöhnlich von russischen Langstreckenbombern an Bord geführt. Die Reichweite des Flugkörpers beträgt 2000 Kilometer. Damit wäre auch Deutschland erreichbar gewesen.
Vier Monate später, am 22. April 2023, um genau zu sein, stößt ein Passant auf Metallteile mit kyrillischer Aufschrift und informiert die örtliche Polizei. Erst am 25. April ist dann eine Armee-Einheit vor Ort, um Untersuchungen durchzuführen. Am 19. Mai schließlich wird der Gefechtskopf der Cruise Missile gefunden – ein Dummy aus Beton.
Bydgoszcz ist von einiger militärischer Bedeutung. Die Stadt ist der Sitz eines NATO-Hauptquartiers sowie des Joint Force Training Centers des Paktes und überdies Produktionsstandort des Chemie- und Munitionskonzerns Nitro-Chem, der zu den größten seiner Art in Europa zählt.
„Das hätte schlimm enden können“, heißt es im Bericht der WELT: „Im Großraum der Stadt […] leben mehr als 800.000 Menschen. Hätte die Rakete ein mehrstöckiges Wohn- oder Bürogebäude getroffen, hätte es vermutlich viele Tote gegeben, auch wenn die Ch-55 nicht mit einem Sprengkopf bestückt war – und für Polen wäre das ein Grund gewesen, sich auf den Nato-Bündnisfall zu berufen.“
Im schlimmsten Falle hätte dies angesichts der allgemeinen, zugespitzten Konfrontation zwischen beiden Seiten zu einem direkten Krieg zwischen der NATO und Russland führen können.
Damokles lässt grüßen.
Nichts zu teuer für die Gesundheit?
Regelmäßig wabern Prognosen durch hiesige Medien, dass im Gesundheitswesen aktuell und immerdar Milliarden-Beträge fehlen, vulgo die Einnahmen den Ausgaben hinterherhinken werden. (Für 2024 wurde gerade ein Fehlbetrag zwischen 3,5 und sieben Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen auf die schockierte Öffentlichkeit losgelassen.) Zu dauerhaft schlüssigen Ursachenerklärungen, geschweige denn anhaltend wirksamen -bekämpfungen hingegen ist nichts bekannt.
Vielleicht wäre ein Vergleich deutscher Arzneimittelpreise mit denen des befreundeten Auslands, etwa Spanien, hilfreich.
Da gibt es zum Beispiel den Wirkstoff Metformin, geradezu ein Methusalem bei der erfolgreichen Behandlung von Diabetes (die blutzuckersenkende Wirkung wurde bereits 1929 nachgewiesen) und bis heute in verschiedenen Dosierungen eines der am häufigsten verabreichten Medikamente bei Zuckerkrankheit.
In Spanien geben die Apotheken eine Packung Metformin 850 mit 50 Tabletten zum Preis von 1,94 Euro ab (Stand: Mai 2023). Eine in Deutschland übliche Verpackungsgröße mit 180 Tabletten würde bei gleicher Dosierung also auf höchstens 7,02 Euro kommen. In deutschen Apotheken liegt der Abgabepreis allerdings bei 17,76 Euro (Stand: Juni 2023) …
Ährenkranz, Lilienthal und EDDI
Haben Hammer, Zirkel, Ährenkranz auf der Staatsflagge der DDR und der DEFA-Zeichentrick-Klassiker „Alarm im Kasperletheater“ (1960) etwas gemeinsam? An beiden war der Grafiker Heinz Behling, der in diesem Monat vor 20 Jahren gestorben ist, maßgeblich beteiligt. Der Urberliner vom Jahrgang 1920 war ursprünglich Filmplakatemaler, ehe er mit 19 Jahren in den Krieg ziehen musste. Als Kriegsgefangener durchlief er eine sowjetische Antifaschule, aus der er als Kommunist herauskam und es bis zum Lebensende blieb.
Behling war auch Walzwerker in Hennigsdorf und hatte später auf dem Land eine Zeit als Bauer. Als er sich zur sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft auf den Bitterfelder Weg begab, kamen ihm wohl Zweifel, und er kehrte in seine Heimatstadt Berlin zurück.
Schon während seines Studiums an der Weißenseer Kunsthochschule gestaltete er sowohl das 5-Jahrplan-Emblem als auch das Staatswappen der DDR im Kollektiv mit. Aber so konnte es nicht weitergehen, denn er war auch ein Spötter, der mit seinen kritischen Karikaturen den Frischen Wind belieferte, die Satirezeitschrift, die dann unter seiner Mithilfe zum Eulenspiegel wurde, den er im Laufe der Jahrzehnte mit rund 2500 Karikaturen (darunter viele Titelbilder) belieferte und mit denen er auch schon mal „oben“ aneckte. Unvergessen sein Eulenspiegel-Cover, auf dem eine mit Malerpinsel bewehrte Gestalt die künftige Bezeichnung eines Einzelhandelsgeschäftes auf die Fassade über der Schaufensterscheibe getüncht hat – „Juice-Shop“ – und das erstaunte Publikum per Bildunterschrift auf den Boden der Realität zurückholt: „Nur keine Bange – es bleibt ein Saftladen!“ Oder jenes, auf dem eine hausputzende Frau der Nachbarsfamilie, die mit ihren Kindern gerade zu einem Spaziergang oder Ausflug aufbricht, nachruft: „Aber bei mir können Sie vom Fußboden essen!“; worauf ihr geantwortet wird: „Nicht nötig, wir haben Geschirr.“
Behling illustrierte Bilderbücher (darunter mit Nils Werner „Teddy Brumm“ und „Alarm im Kasperletheater“, die in diesem Monat im Eulenspielgel-Kinderbuchverlag neu aufgelegt werden), schuf Bühnenbilder fürs Kabarett, und auch auf den Brettern ließ er seine „Berliner Schnauze“ erschallen, selbst in frühen Fernsehfunk-Jahren. Einmal spielte er sogar Heinrich Zille in dem DFF-Film über die Berliner Diseuse Claire Waldoff „Claire Berolina“ (1987). Ob er den Slang des gebürtigen Sachsen Zille, von dem es keine Tonaufnahmen gibt, wirklich getroffen hat, bleibt dahingestellt.
Zu Behlings besonderen Arbeiten zählt ein Wandbild über Otto Lilienthal im Treppenhaus der Schule in Rhinow in der Nähe von Stölln, wo der Flugpionier 1896 tödlich verunglückt war.
Nach 1990 signierte Behling seine Bücher mit dem Satz „Immer zweifeln, doch niemals VER!“. Er engagierte sich gegen Kriegseinsätze und gründete den linken Verein „Helle Panke“ in Berlin mit. Wie so viele Verdiente der heiteren Zunft war er nie „nationalpreiswürdig“, aber dafür hatte er schon 1981 gemeinsam mit Edgar Külow den „Nichtwürden“-Preis DER EDDI ins Leben gerufen. Damals erhielten ihn Leute wie der Kabarettist Werner Troegner, der Satiriker Heinz Kahlow, der Comic-Zeichner Jürgen Kieser und der Karikaturist Oliver Harrington. Dass es den Preis seit 2013 wieder gibt, hätte ihn gefreut. In diesem Jahr wird das Kabarett-Duo Pigor & Eichhorn den EDDI erhalten. Und sicherlich wird bei der Preisverleihung auch an die geistigen Stifter Behling & Külow erinnert.
Nils Werner / Heinz Behling: Teddy Brumm sowie Alarm im Kasperletheater, Eulenspiegel Kinderbuchverlag, Berlin 2023, beide Bände je 28 Seiten, 10,00 Euro.
Längst vergessen?!
Fundstücke aus DDR-Jahrgängen der Weltbühne (Wb), die dank einer Spende aus Leserhand nunmehr im Blättchen-Archiv stehen.
Nackte Tatsachen 76
Als die Kleidungskünstler kapitalistischer Textilkonzerne in diesem Frühjahr die Bademode der Saison vorstellten, ging ein erotisches Raunen durch den westlichen Blätterwald. „Tanga“, das sensationelle Entkleidungsstück, das aus einem teuren Stoffstreifen nebst Zierkordel besteht,- wurde in fast allen Zeitungen großflächig abgebildet, meist unter der Schlagzeile „Nach oben ohne nun hinten ohne“. Man gab zwar zu, daß die Sache unpraktisch und zwickend ist. Doch dafür sei sie halt von einmaligem Reiz, wie die „Tanga“-Mannequins erkennen ließen.
Der ungewöhnlich heiße Sommer 1976 hat allerdings einen Strich durch die Moderechnung gemacht. Die Mode-Manipulatoren waren einfach zu weit gegangen, so weit, daß die Sonnen- und Wasserbadenden ungeniert noch etwas weitergehen und auf alle Bademode verzichten konnten. Während der Hundstage häuften sich aus allen von der Hitze betroffenen Gegenden Nachrichten über „wilde Freikörperkultur“. An den Isar-Wiesen mitten in München, auf Westberliner Parkwiesen, an der kühlen Themse und anderswo legten sich die Leute ohne alles in die Sonne. Sofern sich ältere Damen, unaufgeklärte Kinder und Ordnungshüter näherten, boten die Badenden einfach ihre Rückseite dar und behaupten, sie trügen ja eine „Tanga“-Kordel. Man mußte sie gewähren lassen.
Auch an unseren Gewässern schien die Hitze den Drang nach Textilfreiheit begünstigt zu haben. Wie anders wäre es zu erklären, daß die „Wochenpost“ einen namhaften Reporter „Drei Tage mit der Wasserschutzpolizei“ auf den Weg schickte? „Wer fast täglich auf dem Wassser ist, kennt sich aus mit dem, was da im Schilf vorgeht“, notierte Fred Seeger (Wopo 30/76, S. 18). Und weiter: „Nur an die wilden FKK-Badestellen kommen die Kontrollboote mit ihrem Tiefgang nicht so recht heran. ‚Ehe
wir uns durchs Kraut quälen, sind sie weg‘, sagt Obermeister Hutschikowsky mit unernstem Bedauern.“ Sofern sich die Sache im Schilf abspielte, waren „Tanga“-Ausreden wirklich nicht nötig, und man konnte vergnügt ausrufen: „Es lebe der Tiefgang unserer Wasserschutzpolizeiboote!“
Selbstverständlich war auch „Das Magazin“ diesen Sommer weitgehend aktuell. Im Juli-Heft, kurz nach der Hitzewelle also, bot es eine besondere Attraktion: sechs textilfreie Damen, abgelichtet von Sergej Grigorjewitsch WassilIjew aus Tscheljabinsk, einer Stadt hinter dem Ural, wo es eben auch sehr heiße Sommermonate geben kann.
Dass der „Tanga“-Einfall im anderen Teil der Welt so originell nicht war, wie ihn bürgerliche Blätter anpriesen, konnte man am 31. Juli indirekt dem „ND“ entnehmen. Auf Seite 15 erschien ein Artikel über die Zeichentalente von Friedrich Engels. Zum Beleg war eine Zeichnung abgebildet, die Engels am 27. Juli 1846 in Ostende angefertigt hatte. „Diese Bilder waren gestern in der See zu besichtigen, für männliches und weibliches Publikum“, schrieb Engels zu einer Skizze, auf der die Dame ihr „zweites Gesicht“ unverhüllt darbietet.
Betrachtet man die nackten Tatsachen des Sommers 76 mit geschichtlichem Blick, so könnte man meinen, daß die älteste und bewährteste Bademode am richtigen Ort wohl doch das Adams- und Evakostüm ist.
Weltbühne, 36/1976
Leider ist es der Redaktion nicht gelungen, den Autor ausfindig zu machen oder Inhaber der Rechte an den Wb-Publikationen von Herbert Wolfgram zu ermitteln. Wir bitten daher darum, sich gegebenenfalls mit uns in Verbindung zu setzen.
Auf den Punkt gebracht
Gute Ideen erkennt man daran,
dass sie geklaut werden.
Rudi Carrell
Die Hoffnungslosigkeit ist schon
die vorweggenommene Niederlage.
Karl Jaspers
Schließt man von den Meinungen einer Epoche
die intelligenten aus, bleibt die öffentliche Meinung.
Nicolás Gómez Dávila
Sobald aber die einfachen Leute um ihren Anteil am Sozialprodukt sich raufen müssen,
übertreffen sie an Neid und Gehässigkeit alles,
was unter Literaten und Kapellmeistern beobachtet werden kann.
Theodor Adorno
Ich liebe es Theater zu spielen.
Es ist so viel realistischer als das Leben.
Oscar Wilde
Geld allein macht nicht glücklich.
Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.
Danny Kaye
Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung
gehen ein paar Hundert Stimmen mehr zur AfD.
Friedrich Merz,
Bundesvorsitzender der CDU
Ein Stuhl, auf den man sich nach achtzig Jahren
noch gefahrlos setzen kann – das gibt zu denken.
Richard Christ,
nach einem Besuch im Gründerzeitmuseum Berlin-Mahlsdorf,
Weltbühne, 19/1977
Der Tod ist nicht der Beginn eines neuen Lebens.
Für mich ist er eine zugeschlagene Tür.
Albert Camus
Das Volk versteht das meiste falsch;
aber es fühlt das meiste richtig.
Kurt Tucholsky
Der Faule
Heute nach der Schule gehen,
da so schönes Wetter ist?
Nein, wozu denn immer lernen,
was man später doch vergißt!
Doch die Zeit wird lang mir werden,
und wie bring‘ ich sie herum?
Spitz! komm her! dich will ich lehren,
Hund, du bist mir viel zu dumm!
Andre Hund‘ in deinem Alter
Können dienen, Schildwach‘ stehn,
können tanzen, apportieren,
auf Befehl ins Wasser gehen.
Ja, du denkst, es geht so weiter,
wie du’s sonst getrieben hast?
Nein, mein Spitz, jetzt heißt es lernen!
Hier! Komm her! Und aufgepaßt!
So – nun stell‘ dich in die Ecke –
Horch! den Kopf zu mir gerich‘t –
Pfötchen geben! So! – noch einmal!
Sonst gibt’s Schläge! – Willst du nicht?
Was, du knurrst, du willst nicht lernen?
Seht mir doch den faulen Wicht!
Wer nichts lernt, verdienet Strafe;
Kennst du diese Regel nicht?“ –
Horch! – Wer kommt? – Es ist der Vater!
Streng ruft er dem Knaben zu:
„Wer nichts lernt, verdienet Strafe;
Sprich, und was verdienest du?“
Die erneuerten Wiener Streifzüge
Ab diesem Jahr erscheinen die Streifzüge statt mit drei nur noch mit zwei Printausgaben jährlich. Dafür sollen die einzelnen Ausgaben umfangreicher werden. Verabschiedet hat sich die Redaktion um Franz Schandl von den regelmäßigen Schwerpunkt-Ausgaben. Ursprünglich war ein solches Heft zu André Gorz geplant. Ein kleiner Schwerpunkt zum 100. Geburtstag des linken Sozialphilosophen ist das Heft dennoch geworden. Weitere Artikel befassen sich mit „Heinrich Heine, Jude und Deutscher“ und der Frage, warum Kritik an den Pandemiemaßnahmen auch links sein kann. Der Krieg in der Ukraine wird analytisch thematisiert: „Es geht voran. In die ‚letzten Tage der Menschheit‘?“ sowie „Realitätsverlust und Bellizismus“. Zwei Beiträge zu Robert Jungk runden das Heft ab. Weitere interessante Texte sind zu entdecken.
Der kostenlose Zugang zur Webseite bleibt erhalten. Die Abopreise wurden nach fünf Jahren leicht erhöht: „Wer uns will, muss uns ermöglichen.“ Nicht nur Verständnis dafür, sondern auch Unterstützung wird gewünscht.
Streifzüge, Nr. 87, Frühling 2023, Wien, 10,00 Euro oder im Internet.
Aus anderen Quellen
„Auf dem Höhepunkt der Debatte um die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine“, so Harald Welzer und Leo Keller, „bekam einer der beiden Autoren dieses Textes eine E-Mail aus der Redaktion der Welt mit der Bitte, sich zum gerade veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend zu äußern. Dort ging es um die Meinung der Bevölkerung zur Lieferung von Kampfpanzern, und interessant schien dem Absender, dass 52 Prozent der jüngeren Deutschen (zwischen 18 und 34 Jahren) dagegen waren, womit sie die relativ stärkste Gruppe der Ablehnenden stellten. Dieser Sachverhalt zog die folgenden journalistischen Fragen nach sich, die man zu beantworten bat: ‚Wie sollte die Konsequenz aus diesem Dissens zwischen Jungen und Alten sein? Muss die Politik, müssen Medien den Jüngeren nur ‚besser erklären‘, warum Leopard-Lieferungen nötig sind?‘“
Harald Welzer / Leo Keller: Die veröffentlichte Meinung. Eine Inhaltsanalyse der deutschen Medienberichterstattung zum Ukrainekrieg, fischerverlage.de, o.D. Zum Volltext hier klicken.
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Die deutsche Außenministerin steht nach ihren eigenen Worten für eine feministische Außenpolitik. Jacqueline Andres und Yasmina Dahm haben diesen Anspruch hinterfragt: „Kann sich in der Praxis von Ländern wie Schweden, Mexiko und Kanada, die immerhin seit einigen Jahren offiziell eine ‚feministische Außenpolitik‘ betreiben, oder auch der BRD, ein Beispiel konkreter Außenpolitik finden, das sich tatsächlich als ‚feministisch‘ bezeichnen lässt? Ein kurzer Blick auf die Praxis deutscher Außenpolitik macht deutlich, dass Euphemismen wie ‚wertebasiert‘ oder ‚feministisch‘ in diesem Kontext nur als zynisch verstanden werden können.
Jacqueline Andres / Jacqueline Andres: Schöne Verpackung. Leitlinie „feministische Außenpolitik“ – oder die Quadratur des Kreises?, imi-online.de, 27.04.2023. Zum Volltext hier klicken.
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„Die Art und Weise, wie der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin und seine Privatarmee einen bedeutenden Teil von Wladimir Putins Krieg in der Ukraine führen, wurde in den amerikanischen Medien ausführlich behandelt“, schreibt Andrea Mazzarino und setzt dagegen: „Die amerikanische Regierung hingegen gibt nur selten ihre eigene Version der Privatisierung des Krieges zu – die […] privaten Sicherheitsfirmen, die sie in ihrem fehlgeleiteten Krieg gegen den Terror einsetzt, der militärische und geheimdienstliche Operationen in sage und schreibe 85 Ländern umfasst.“
Andrea Mazzarino: The Army We Don’t See. The Private Soldiers Who Fight in America’s Name, tomdispatch.com, 09.05.2023. Zum Volltext hier klicken. Zur deutschen Übersetzung hier klicken.
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„Eine europäische Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin“, so heißt es auf german-foreign-policy.com, „warnt mit Blick auf die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen vor einer ‚Vasallisierung Europas‘. Wie es in einer kürzlich publizierten Analyse aus dem European Council on Foreign Relations (ECFR) heißt, habe der Ukraine-Krieg das Scheitern der vielgepriesenen EU-Bemühungen um ‚strategische Autonomie‘ offen zutage treten lassen. Seit Kriegsbeginn dominierten die USA die Politik in Europa nicht nur mit der Menge ihrer Rüstungslieferungen an Kiew, sondern auch, indem sie die gemeinsame Kriegsstrategie diktierten.“
Die Vasallisierung Europas, german-foreign-policy.com, 11.05.2023. Zum Volltext hier klicken.
Letzte Meldung
Endlich verboten – die Bibel. Zumindest im Davis-Schulbezirk nördlich von Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah mit 72.000 Schülern zwischen Kindergarten und der 12. Klasse wird sie zu Beginn der Sommerferien aus den Grund- und Mittelschulen entfernt. Begründung: Der christliche Klassiker sei eines der „am schlimmsten von Sex beherrschten Bücher überhaupt“, enthalte „Inzest, Masturbation, Sex mit Tieren, Prostitution, Genitalverstümmelung, Oralsex, Dildos, Vergewaltigung und Kindermord“ und habe im Übrigen „keinen ernsthaften Wert für Minderjährige“.
Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr hatte Utah ein Gesetz verabschiedet, demzufolge die Verbreitung, Veröffentlichung oder Zugänglichmachung von „sexueller Amoralität“ (wie Darstellung oder Beschreibung von Masturbation, Sex, Sodomie, erregter Geschlechtsteile oder erotischer Berührung) oder „nackter oder teils nackter Figuren“ als Ordnungswidrigkeit bewertet und mit Strafen von mindesten fünfhundert Dollar und einem Monat Gefängnis geahndet wird.
Schlagwörter: Atomkrieg, Bibel, Europa, F.-B. Habel, feministische Außenpolitik, Gesundheitswesen, Heinz Behling, Kasperletheater, Krieg, NATO, Robert Reinick, Russland, Sicherheitsfirmen, Streifzüge, Tanga, Teddy, Tucholsky, USA, Vasall, veröffentlichte Meinung, Weltbühne