25. Jahrgang | Nummer 6 | 14. März 2022

Bemerkungen

In eigener Sache: Finanzen 2022 weitgehend gesichert

Liebe Leserinnen und Leser,

unsere seit Ausgabe 1/2022 vorgetragene Bitte, zur finanziellen Absicherung des neuen Blättchen-Jahrgangs beizutragen, ist auch in diesem Jahr auf ein hinreichendes Echo gestoßen: Die Finanzierung 2022 steht weitgehend. Dafür allen Spendern, Abo-Verlängerern und Neu-Abonnenten unseren herzlichen Dank!

Im Übrigen kann man sich natürlich auch noch das ganze Jahr über jederzeit zur Übermittlung eines Obolusses durchringen …
Unser Soli-Konto steht ganzjährig zur Verfügung:

Wolfgang Schwarz
Konto-Nr. 1011452503
IBAN: DE43120300001011452503
BIC: BYLADEM1001 (DKB)
Zweck: Blättchen-Online

Bitte bleiben Sie uns gewogene, neugierige und, wann immer es sein muss, auch kritische Leserinnen und Leser!

Ihr Blättchen-Team:
Margit van Ham

Wolfgang Brauer
Detlef-Diethard Pries
Wolfgang Schwarz (V.i.S.d.P.)

Schuld und Sühne

Kammertheater ist eine schwierige Sache. Die Zuschauer rücken den Mimen hautnah auf die Pelle – die wiederum spüren die kleinste Misshelligkeit im Publikum und können über die normal-üblichen Ausrutscher nicht einfach so hinwegspielen. Sie sitzen der ersten Reihe gleichsam auf den Knien. Welch formidable Schlampereien können sich doch die Großkomödianten in prächtigen Schauspielhäusern leisten und heimsen dennoch heftigsten Applaus ein!

Ich bewundere alle, die sich der Ochsentour in kleinen Häusern ausliefern, und ich liebe diese Theaterchen ohne die prachtvollen Spiegelfoyers. Zumal die es sich immer wieder leisten, ihrerseits den ganz „Freien“, denen ohne jede eigene Spielstätte, den Selbstausbeutern, Unterkunft zu gewähren. Ja, ich geb’s zu, das mindert auch den Druck auf Eigenproduktionen, die auch wieder teuer sind, und füllt trotzdem das Haus. Aber warum drücken sich die „Großen“ vor jeglicher Kollegialität?

Im Berliner Theater im Palais war jetzt das KantTheater Berlin zu Gast. Zwei Schauspieler. Mehr nicht. Das Haus gut gefüllt, man gab „Schuld und Sühne“. Ein belesenes Publikum, dem auch Frank Castorf den Dostojewski nicht austreiben konnte. Belesenes Publikum ist auch wieder ein Problem. Das kennt den Text und achtet auf die Nuancen. Anfangs war es auch leicht unwirsch. Anette Daugardt erschien auf der Bühne und erklärte den Leuten, sie erlebten jetzt ein Motivationstraining. Was man denn dafür bezahlt habe, dass man jetzt erfahre, ob man „Opfer oder Schöpfer“ sein wolle? Glücklicherweise ließ sie bald davon ab – diese „Aktualisierungen“ der alten Stoffe mag das Publikum am Festungsgraben sowieso nicht sonderlich –, schlüpfte in die Gestalt Rodion Romanowitsch Raskolnikows und erzählte, wie sie – oder er? – die Ermordung der Wucherin Aljona Iwanowna und der armen Lisaweta exekutierte. Und da konnte man erleben, wie die Daugardt sich freispielte, richtig frei spielte. Ein Rausch. Nach 30 Minuten eine abrupte Pause, die das Publikum erst einmal nicht realisierte..

Danach das packende Duell mit dem Ermittlungsrichter Porfirij (Uwe Neumann). Das Ausbreiten der Raskolnikowschen These, dass „außerordentliche Menschen“ zur Durchsetzung einer besseren Welt das Recht zu jeglichem Verbrechen hätten. Vor den Toren des Hauses am Festungsgraben strömten gerade die Teilnehmer der Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine nach Haus. Das passte … Natürlich, das Publikum kannte seinen Dostojewski, blieb aber dennoch oder gerade deswegen an den Lippen der Protagonisten hängen, erwartete leidenschaftlich die Lösung des gordischen Knotens – die Raskolnikowa zieht eine Pistole und richtet sie dem Porfirij an die Stirn. Licht aus. Schluss. Große Irritation.

Die eigentliche Textfassung ist gut, Frau Daugardt und Herr Neumann spielen hervorragend. Aber warum um Gottes Willen leistet man sich am KantTheater nicht zumindest eine Regie-Beratung? Einige unnötige Längen zu Beginn, den Sturz in die Pause, ein mitunter zu dickes Pathos hätte man sicher vermeiden können. Dennoch verließ ich das Haus mit einem Glücksgefühl – endlich wieder einmal Theater, das das Herze wärmt. Die Glocken des Berliner Doms bezog ich einfach mal auf dieses Erlebnis …

Wolfgang Brauer

Theater im Palais, Am Festungsgraben 1, 10117 Berlin; wieder am 19. und 20. März 2022.

Film ab

Im Burgund gibt es elend abgelegene Winkel. Das weiß der Besprecher, seit er vor Jahren einmal ein Ferienhaus fern von Dijon, der Hauptstadt Burgunds, angemietet hatte. Das war der ehemalige Ziegelbrennofen auf dem Gelände eines früheren, nach der Französischen Revolution säkularisierten Klosters, auf dem die heutigen Besitzer Landwirtschaft betrieben. Unter Nutzung der historischen Gebäudesubstanz – mit dem Kuhstall im Refektorium. Das Quartier war tagsüber zauberhaft und nachts gewöhnungsbedürftig, denn Fledermäuse streiften nicht nur ums Gemäuer, sondern – durch die sommerlich geöffneten Fenster – auch durch dasselbe. Das Ambiente war idyllisch: der Frühstückstisch stand direkt am Ufer der Seine. An dieser Stelle immerhin knapp einen Meter breit und kaffeetassentief – unweit ihrer Quelle. Alles passte so gut zum Urlaub, dass die Tatsache, dass bis zum nächstgelegenen Supermarkt 25 Kilometer durch teils finstere Wälder zu bewältigen waren, nicht weiter ins Gewicht fiel. Alles in allem jedoch eine Gegend, über die der degenerierte Großstädter auf die Frage, ob er da leben wollen würde, mit seiner unbeschreiblichen Arroganz nur antworten kann: „Da? Möchte man nicht mal tot überm Zaun hängen!“

Zweifeln lassen an diesem Diktum allerdings lässt den Kinobesucher „Plötzlich aufs Land – Eine Tierärztin im Burgund“, zumindest für die anderthalb Stunden, die der Streifen – in Frankreich der Überraschungshit der Saison (über eine Million Besucher) – dauert.
Krischan Koch, Filmkritiker beim NDR, meint: „Große Überraschungen hält diese Landpartie nicht unbedingt parat. Dafür vermeidet der Film die üblichen Klischees. ‚Plötzlich aufs Land‘ ist bodenständig, ohne platt zu werden, unterhaltsam und unaufgeregt. Und das ist in diesen Tagen ausgesprochen wohltuend.“

Das triffts.

Clemens Fischer

„Plötzlich aufs Land“, Regie (Debüt): Julie Manoukian. Derzeit in den Kinos.

Brotale Pleite

Es gibt Menschen, zu deren liebsten kulinarischen Genüssen zählt ofenfrisch duftendes Sauerteigbrot mit möglichst krosser Kruste. Da genügt als Belag gute Butter oder besser noch Gänseschmalz, beides nicht zu dünn, aber leicht gesalzen, und es bricht am Gaumen siebter Himmel aus. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich gehöre zu diesen Menschen.

Nun ist es in unserer supermarkt- und backshop-degenerierten Zeit, in der nur noch vorgefertigte Teiglinge aufgebraten werden und traditionelles Bäckerhandwerk längst ein Nischendasein auf der roten Liste fristet, nicht ganz so einfach, an entsprechendes Brot zu gelangen. Umso begieriger nahm ich vor einiger Zeit zur Kenntnis, dass die Münchner Hofpfisterei sich nun auch Ableger in der deutschen Hauptstadt zugelegt hat. Denn über diese Traditionsbäckerei war schon 2009 in der Berliner Zeitung zu lesen, die backe „Brot wie vor 2000 Jahren“. Und: „Die Kunden wissen, dass Pfisterbrot doppelt lange gebacken wird und so eine Kruste erhält, die es länger haltbar macht. […] Der besondere Geschmack ergibt sich auch aus dem Gärungsprozess und den alten Steinbacköfen.“

Als es mich dieser Tage – an einem ganz normalen Freitagnachmittag, gegen 15:00 Uhr – endlich einmal vom östlichen Stadtrand in die Schönhauser Allee verschlug, musste daher der dortige Laden der Hofpfisterei, klein aber fein und vis-à-vis dem S-Bahnhof gelegen, unbedingt aufgesucht werden. Schon in der Schaufensterauslage krustige, runde Brotlaibe, allein optisch eine Augenweide. Drinnen bestand die Qual der Wahl zwischen etlichen Sorten, und ich erstand ein anderthalb Kilo schweres Exemplar mit Namen „Wilde Kruste“ – natürlich in Erwartung von nomen est omen.

Gut, vielleicht hätte mich stutzig machen sollen, dass das Geschäft beim Betreten völlig neutral roch. Nix von wegen Duft nach Frischgebackenem – für Brotfans ja ein maßgeblicher Teil des Genusses. Stutzig wurde ich erst, als ich mich in der S-Bahn gesetzt hatte und mir den Beutel mit dem Laib etwas unachtsam auf den Knien platzierte. Es fühlte sich an wie ein – Gullideckel. Ein Eindruck, der sich verstärkte, als ich daraufhin die Kruste mit den Daumen prüfen wollte. Erst sanft, dann mit Druck, dann mit aller Kraft – kein Reinkommen. Daheim verweigerte das geflammte Brotmesser akzeptable Schnittresultate, doch mit einem mittelschweren, super scharfen japanischen Kochmesser war dem Laib beizukommen.

Und der Geschmack? Etwa wie altbackenes Brot der Sorte „Bauernkruste“ zu 3,20 Euro aus meinem Edeka um die Ecke.
Ach so, fehlt noch der Preis des Hofpfisterei-Rundlings: 12,00 Euro …

Kollegin Lena Fiedler, Berliner Zeitung, nannte solche Brotpreise jüngst „einfach nur Wohlstandsverwahrlosung“.

Recht hat sie.

Alfons Markuske

Leberreime*

Die Leber ist vom Hecht und nicht von einem Rochen:
Das Glück gibt manchem Fleisch, dem andern leere Knochen.
Doch werden beyde satt: und was noch ärger ist,
Ist, der es nicht verdient, daß der das beste frisst.

Georg Greflinger (1620–1677)

Die Leber ist vom Hecht und nicht vom Dintenfisch:
Ein Wassereimer wirkt besonders schöpferisch.

Die Leber ist vom Hecht und nicht vom Säbelschnabel:
Lichtputzendienste tut doch nicht die Ofengabel?

Die Leber ist vom Hecht, nicht von der Fledermaus:
Und Augenlieder sind kein rechter Ohrenschmaus.

Die Leber ist vom Hecht und nicht von einer Kröte:
Gedunsen macht das Geld, pausbackig gar die Flöte.

Karl Friedrich Schimper (1803–1867)

* – Vermutlich bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Form improvisierter deutscher Scherzgedichte.

Richtigstellung

In meiner Besprechung von Bruno Preisendörfers „Als Deutschland erstmals einig wurde. Reise in die Bismarckzeit“ (Blättchen 2/2022) hatte ich geschrieben und zitiert: „Preisendörfer […] begeht nicht den Fehler, bei der Dekonstruktion von Bismarcks Nimbus das Kind gänzlich mit dem Bade auszuschütten. Wo angebracht, lässt der Autor dem Eisernen Kanzler durchaus Gerechtigkeit widerfahren – etwa im Hinblick auf das Streben nach Kolonien: ,Bismarck lehnte territorialen Besitz des Staates in Afrika bis Mitte der 1880er Jahre rabiat, dann eher resigniert ab, als die Stimmen für ‚koloniale Erwerbungen‘ lauter und lauter wurden.‘“

Diese Aussage des Autors unhinterfragt stehen gelassen zu haben, war – und welcher Rezensent gesteht das schon gern? – unzureichender Sachkenntnisse zum Zeitpunkt der Niederschrift geschuldet. Inzwischen habe ich mich in Fritz Sterns sehr viel ältere Monumentalmonographie „Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier“ vertieft – siehe Blättchen 5/2022. Das macht die nachfolgende Richtigstellung unabweislich.

Auch Fritz Stern unterstreicht Bismarcks grundsätzliche Ablehnung kolonialer Erwerbungen und zitiert als Beleg unter anderem folgende Äußerung des Eisernen Kanzlers: „Ich will auch gar keine Kolonien. Die sind bloß zu Versorgungsposten gut. In England sind sie jetzt nichts andres, in Spanien auch nicht. Und für uns in Deutschland – diese Kolonialgeschichte wäre für uns genau so wie der seidne Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben.“ Und Fritz Stern schreibt, an dieser Anschauung habe Bismarck die 1870er Jahre hindurch festgehalten – „aus strategischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen“.

Gleichwohl hatte aber auch er eine koloniale Phase. Die währte zwar nur kurze zwei Jahre, wies allerdings eine rasante Dynamik auf. Bismarck „erstaunte […] die Welt, als er ein Kolonialgebiet von der fünffachen Größe des Reichs schuf. 1884 auf 1885 wurde in weiten unfruchtbaren Gebieten […] plötzlich die deutsche Flagge eingepflanzt, um die deutsche Souveränität zu proklamieren.“ Und: „In zwei Jahren erwarb er mehr Territorium als der ungestüme Wilhelm II. mit seiner großsprecherischen ‚Weltpolitik‘. Um 1886 gab er sich in kolonialen Angelegenheiten wieder gelangweilt und gleichgültig; seine Kolonialphase war zu Ende.“

Alfons Markuske

Blätter aktuell

Wie ist der fragile Frieden in Osteuropa dauerhaft zu wahren? Der Politikwissenschaftler August Pradetto plädiert für einen neutralen Status der Ukraine nach dem Vorbild Finnlands und Österreichs.

Schon der massive russische Truppenaufmarsch an den Grenzen der Ukraine hat große Sorgen ausgelöst. Doch der Historiker Bernd Greiner warnt davor, die Schuld an der Eskalation allein bei Russland zu suchen.

Hinter der jüngsten Zuspitzung des Konflikts steht eine über Jahre gewachsene Entfremdung zwischen der NATO und Russland. Diese nahm insbesondere in der Bush-Ära zu, wie Oberst a. D. Wolfgang Richter analysiert.

Dazu weitere Beiträge, unter anderem: „Chile, Kolumbien, Brasilien: Lateinamerika vor einer neuen Linkswende?“, „Japans Atompolitik: Doppelzüngig und geschichtsvergessen“ und „Myanmar vor dem Bürgerkrieg?“

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, März 2022, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.

WeltTrends aktuell

Aus Anlass des Internationalen Frauentags am 8. März geht es in der jüngsten Ausgabe von WeltTrends um das Thema Chancengleichheit.

Feministische Außenpolitik im Koalitionsvertrag, eine paritätisch besetzte Bundesregierung und der bisher jüngste, weiblichste und diverseste Bundestag, so auch der neugewählte US-amerikanische Kongress oder die Legalisierung von Abtreibungen in Mexiko und Venezuela – das sind einige Beispiele für mehr Gleichberechtigung und Chancengleichheit in Deutschland und der Welt. Leider lassen sich auch unzählbare Gegenbeispiele finden.

Die vier Beiträge im Thema sind Beispiele für diese Ungleichbehandlung und zugleich Anregung und Inspiration, den Kampf für Gleichberechtigung trotz erheblicher Widerstände nicht aufzugeben.

Chile feiert die Wahl eines linken Präsidenten, Gabriel Boric, beinahe 50 Jahre nach dem Putsch gegen Salvador Allende. Achim Wahl ordnet dieses historische Wahlergebnis für das Land und die Region im WeltBlick ein. Zudem stellt Klaus Freiherr von der Ropp die Frage, ob Südafrika vor dem Staatszerfall steht.

In der Analyse gehen Sergej Birjukow und Dinara Rakhimzhanova den Ursachen und Folgen der Proteste in Kasachstan nach.

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WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 185 (März) 2022 (Schwerpunktthema: „Chancengleichheit 2022“), Potsdam / Poznan, 5,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Aus anderen Quellen

„Putins Propagandalügen vom ‚Genozid‘ im Donbass oder der ‚Naziregierung‘ in Kiew sind […] absurd“, hält Andreas Zumach fest und setzt nach: „Das gilt allerdings nicht für Putins Hinweise auf die Völkerrechtsverletzungen westlicher Staaten, zum Beispiel im Fall des Kosovokriegs der Nato, der ohne UN-Mandat begonnen wurde. Angesichts dessen, was 1999 im Kosovo geschah, sind mehrere der Behauptungen falsch, die derzeit im Westen von der politischen Klasse wie von vielen Medien über den militärischen Überfall auf die Ukraine verbreitet werden. Putin hat weder ‚den ersten Krieg gegen die Europäische Friedensordnung‘ angefangen noch ‚zum ersten Mal in Europa gewaltsam Grenzen verletzt‘ und damit als Erster gegen die UN-Charta, die KSZE-Schlussakte von Helsinki oder die Pariser ‚Charta für ein neues Europa‘ von 1990 verstoßen.“ Es war vielmehr der Westen, der „mit der Anerkennung der Sezession des Kosovo von Serbien das Prinzip aufgekündigt hat, wonach Grenzen nicht gewaltsam verändert werden dürfen“. Und: „Seit dem Ende des Kalten Kriegs ist zwar immer wieder von einer ‚Europäischen Friedensordnung‘ die Rede. Doch so etwas gibt es nicht. Es gab bislang lediglich eine teileuropäische Friedensordnung und dies in dauernder Spannung und mindestens in den letzten 15 Jahren zunehmender Konfrontation mit Russland. Doch eine nachhaltige, dauerhafte und möglichst spannungs- und störungsfreie Friedensordnung auf dem eurasischen Kontinent kann und wird es nicht geben ohne Russland und schon gar nicht gegen Russland.“ Nur wenn der Westen dies „endlich“ akzeptiere, „besteht für eine derartige Friedensordnung eine realistische Chance“.

Andreas Zumach: Putins Krieg, Russlands Krise, monde-diplomatique.de, 10.03.2022. Zum Volltext hier klicken.

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Unisono wollen westliche Politiker und Medien seit dem 24. Februar 2022 glauben machen, dass der Angriffsbefehl von Russlands Präsident Putin gegen die Ukraine einen Epochewandel mindestens im Verhältnis zwischen der NATO und Moskau herbeigeführt hat. Doch die russische Aggression hat eine Vorgeschichte. Einige wesentliche Ereignisse und Etappen hat Andreas Schäfer in einer ZDF-Dokumentation zusammengetragen, die online noch bis zum 1. April 2022 abrufbar ist.

Andreas Schäfer: Inside NATO: Krieg und neue Feinde, zdf.de, 23.08.2020. Zum Stream hier klicken.

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„Für den Westen ist die Dämonisierung von Wladimir Putin keine Politik, sondern ein Alibi für das Fehlen einer Politik“, hatte Henry Kissinger nach der Annexion der Krim konstatiert. Gabor Steingart hat den damaligen Beitrag Kissingers jetzt wieder aufgerufen und selbst angemerkt, dass es seither an einer „vorausschauenden Russlandpolitik […] gefehlt“ habe. Und nochmals Kissinger: „In der öffentlichen Diskussion über die Ukraine geht es nur um Konfrontation. Viel zu oft wird die ukrainische Frage als Showdown dargestellt: Ob sich die Ukraine dem Osten oder dem Westen anschließt. Doch wenn die Ukraine überleben und gedeihen soll, darf sie nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren.“

Gabor Steingart, The Pioneer Briefing, gaborsteingart.com, 08.03.2022. Zum Volltext hier klicken.

Henry Kissinger: How the Ukraine Crisis Ends, The Washington Post, March 6, 2014. Zum Volltext hier klicken.

Letzte Meldung

„Als Antwort auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat […] Olaf Scholz angekündigt, die Bundeswehr in den nächsten Jahren mit Geld zu überschütten.

[…]

Vom US-Magazin ‚Foreign Policy‘ wurde der Kanzler zum Revolutionär ernannt, das Wirtschaftsblatt ‚Forbes‘ diagnostizierte einen deutschen ‚Pearl-Harbor-Moment‘. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg feierte den Scholz-Plan als ‚wichtiges Signal für unsere Einigkeit und Entschlossenheit‘ […]. Und im Kanzleramt lasen die Spitzenbeamten einander stolz die Glückwunsch-SMS aus aller Welt vor.“

DER SPIEGEL, 10 / 5.3.2022