24. Jahrgang | Nummer 11 | 24. Mai 2021

Bemerkungen

Wenn zwei das Gleiche tun, …

… ist es noch lange nicht dasselbe.

Ende der 1950er Jahre hatten die USA damit begonnen, der Sowjetunion nukleare Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter (Reichweite 2500 Kilometer) quasi in den Vorgarten zu setzen, nämlich durch Stationierung in der Türkei. Für den Fall eines Angriffs der USA hätte sich damit die Vorwarnzeit für Moskau extrem verkürzt.

Ältere werden sich noch erinnern, was passierte, als die Kennedy-Regierung im Oktober 1962 durch völkerrechtswidrige Spionageflüge über Kuba mitbekam, dass Moskau als Antwort seinerseits heimlich Mittelstreckenraketen auf die Zuckerrohrinsel verschifft hatte und dabei war, sie einsatzbereit zu machen: Washington trat die Kuba-Krise los und steuerte die Welt an den Rand eines atomaren Infernos.

Heute kann sich die Welt glücklich schätzen, dass Wladimir Putin offenbar kein solcher Hysteriker ist, wie es weiland John F. Kennedy war. So haben die USA im März dieses Jahres erstmals strategische Atombomber vom Typ B-1B Lancer auf einen norwegischen Luftwaffenstützpunkt bei Trondheim verlegt, um dort Manöver durchzuführen – Luftlinie nur knapp 1200 Kilometer von Seweromorsk nahe Murmansk entfernt, dem Hauptstützpunkt der russischen Nordflotte. Auch wurde inzwischen der Hafen in Tønsnes nahe der nordnorwegischen Stadt Tromsø als Versorgungsstützpunkt für Atom-U-Boote ausgebaut und am 10. Mai 2021 von der USS New Mexico erstmals angelaufen.

In beiden Fällen hat Russland bisher lediglich mit maßvollen Erklärungen seines Außenministeriums reagiert. Man darf allerdings gespannt sein, ob – sollte demnächst ein russisches Atom-U-Boot im Hafen von Havanna anlegen – Washington wieder in Schnappatmung verfällt …

Sarcasticus

Corona (Fake?) News

Georg Mascolo, ehemals Spiegel-Chefredakteur und derzeit Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, hat hierzulande und darüber hinaus einen Ruf als investigativer Journalist. An den Veröffentlichungen des Whistleblowers Edgar Snowden war er ebenso beteiligt wie an der Aufdeckung des Abgasskandals deutscher Autokonzerne und der Auswertung der Panama Papers.

Katja Gloger, langjährige Washington- und nachmals Moskau-Korrespondentin des Magazins Stern, gilt ebenfalls als gestandene Vertreterin ihrer Zunft.

Beide sind miteinander verheiratet. Da liegt es vielleicht nahe, auch mal was zusammen zu machen – zum Beispiel ein Buch über Corona zu schreiben: „Ausbruch: Innenansichten einer Pandemie“.

Der Titel verkauft sich offenbar wie geschnitten Brot, bereits in dritter Auflage. Aber man erfährt ja auch wirklich Neues –etwa auf den Seiten 33/34: „Gerade einmal zwei Wochen nach Veröffentlichung des SARS-CoV-2-Genoms beginnt man bei BioNTech mit ersten Experimenten für einen Impfstoff auf Basis der mRNA-Technologie […] Ein Erfolg könnte Impfstoffentwicklung und -produktion revolutionieren. Ein kleines Virus wird ein großes Wettrennen auslösen. Auch andere Biotechfirmen, etwa Moderna in den USA, werden es auf diesem Weg versuchen. Und in Kooperation mit dem allerdings sehr geschäftstüchtigen US-Pharmariesen Pfizer wird BioNTech im November nach nur zehn Monaten als erstes Unternehmen einen entscheidenden Durchbruch melden, einen Sieg auch für den Innovationsstandort Deutschland […]“

Wow! Super!

Dass Wikipedia behauptet, in Russland sei zu diesem Zeitpunkt längst (nämlich am 11. August 2020) ein entsprechender Impfstoff mit der Bezeichnung Gam-COVID-Vac („Sputnik V“) staatlich registriert gewesen, mit dem bis 2. Dezember desselben Jahres schon die ersten 100.000 Menschen geimpft wurden, kann da – mit Blick auf Mascolo/Gloger – wirklich allenfalls pathologische Kritikaster zu der Frage veranlassen: „Ist dies noch Halb-Wahrheit oder bereits Des-Information?“

Doch selbst solche Unbelehrbaren werden nicht einfach vom Tisch wischen können, wie perfide Moskau und Peking selbst die Pandemie gegen den Westen ausgenutzt haben. Mascolo und Gloger rufen auf den Seiten 150/151 in Erinnerung: „Als die ersten Mitgliedsstaaten entschieden, Schutzausrüstung nicht einmal mehr innerhalb der EU zu teilen, musste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit einem Vertragsverletzungsverfahren drohen, um dies zu beenden. Russland und China haben diesen Moment der Schwäche dankbar genutzt. Putin schickte gleich mehrere Militärflugzeuge, aus denen auf dem Militärflughafen Pratica di Mare bei Rom Beatmungsgeräte und Gesichtsmasken entladen wurden. ‚From Russia with Love‘ – ‚Liebesgrüße aus Russland‘ – nannte man die propagandistisch gut zu verwertende Hilfsoperation. […] Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping schickte Schutzkleidung und Mundschutz in die Welt, versprach den Bau von ‚Seidenstraßen der Gesundheit‘. […] Und Stephan Pusch, Landrat von Heinsberg, schickte noch vor Ostern einen offenen Brief an den chinesischen Staatspräsidenten und bat um Hilfe für seinen vom Virus früh und hart getroffenen Kreis. Aus China kamen 15.000 Mund-Nasen-Schutz-Bedeckungen und Versprechungen.“

Apropos: Der früher beliebte Slogan „Lesen gefährdet die Dummheit“ ist offenbar nicht ganz zu Unrecht schon seit längerem aus der Öffentlichkeit verschwunden …

Alfons Markuske

Dr Schein driecht

Dass es wieder unbekannte Texte der Leipziger Schriftstellerin Lene Voigt zu entdecken gibt, ist Forschern aus dem Umkreis der Lene-Voigt-Gesellschaft zu verdanken. Der Band umfasst feuilletonistische Texte, die Lene Voigt in Zeitungen der Jahre 1926-1935 veröffentlicht hatte und die in keiner ihrer Sammlungen zu finden waren. Die Connewitzer Verlagsbuchhandlung machte daraus den hübschen, schmalen Band „De Babbierdande“. Der Titel ist einem ihrer Texte entnommen, er verweist auch auf die Popularität der Autorin als sächsische Mundartdichterin. Dabei sind verhältnismäßig wenige der 28 humorvollen Texte auf sächsisch.

So erzählt Lene Voigt in einer böhmischen Zeitung von Kurtel, der sich bei den Schularbeiten von Mutter helfen lässt. Welche Beispiele gibt es für das Sprichwort „Dr Schein driecht“ (Der Schein trügt)? „Nu da horche druff: Dn Bäcker Greitsche seine Sämmeln sin gleen, un dn Bäcker Gnallhorn seine sin groß. Awwer trotzdäm wärdmer von Greitschn sein sadder. Un warum? Weil nich so viel Luft drinne is wie bei Gnallhorn sein Gelumbe.“ Der Berliner denkt gleich an den Unterschied von Ost- und Westschrippen!

Lene Voigt wurde vor 130 Jahren, Anfang Mai 1891, in Leipzig als Helene Wagner geboren und arbeitete nach entsprechender Ausbildung als kaufmännische Angestellte. Schon mit 15 Jahren veröffentlichte sie – ihrem Altersgenossen Kurt Tucholsky gleich – erste Texte. Die humorvollen Beobachtungen kleiner Leute und ihrer sozialen Beziehungen in Sachsen und vor allem ihre parodistische Bearbeitung berühmter Balladen von Schiller, Goethe und Heine hatten so viel Erfolg, dass Lene Voigt (sie hatte 1914 den Musiker F.O. Voigt geheiratet) nach ihrer Scheidung ab 1923 als freie Autorin arbeiten konnte. Doch hatte sie schwere Schicksalsschläge zu verkraften. Sohn Alfred starb mit noch nicht fünf Jahren, eine neue Beziehung mit einem arbeitslosen Opernsänger brachte ihr nur für kurze Zeit Glück. Der Mann führte ein unstetes Leben, war auch Mitglied der progressiven Vagabundenbewegung (die 1933 von den Nazis zerschlagen wurde). In dem Feuilleton-Text „Familiäres“ erzählt Lene Voigt im Januar 1928 in der Deutschen Zeitung Bohemia von ihren Großvätern, die „auf die Walz“ gegangen und nicht sesshaft gewesen seien. „Als ich neulich auf der Landstraße zwischen Halle und Merseburg dem alten Vagabundenpaar begegnete, das mich mit so heiterer Grandezza grüßte, da war mir, als seien die beiden Großväter in ihrem nicht totzukriegenden Wandertrieb wieder auferstanden“, schreibt sie genau ein Jahr vor dem Herztod ihres Liebsten. Um sich abzulenken nimmt sie Wohnsitze im Norden Deutschlands. Ihre Bücher werden gekauft. Die Nazis bekommen gelegentlich spitze Bemerkungen ab, wenn auch nur sacht. „Fritzchen Schlau“ lässt sie 1933 in einem Schulaufsatz über die Straßenbahn sagen: „Auf der Plattform, wo wir jetzt nicht mehr Perrong dafür sagen dürfen, ist es gefährlicher als im Wagen drinne.“ Damals sollten alle französischen Wörter ausgemerzt werden – aus dem Redakteur wurde ein Schriftleiter, aus dem Regisseur ein Spielleiter … Schließlich erhielt Lene Voigt Schreibverbot, denn erstens hatte sie vor 1933 für Zeitungen der KPD geschrieben, zweitens durfte der sächsische Dialekt nicht mehr öffentlich verwendet werden. Eine Generation von Komikern wurde arbeitslos.

Erblich vorbelastet, entwickelte Voigt Psychosen, ließ sich zeitweise wegen Verfolgungswahn behandeln. Nach Leipzig zurückgekehrt, arbeitete sie nach dem Krieg noch eine Zeitlang in der Verwaltung, bevor sie wegen manischer Züge im Krankenhaus Leipzig-Dösen aufgenommen wurde. Obwohl sie nach einiger Zeit als geheilt galt, blieb sie auf eigenen Wunsch und übernahm zahlreiche Aufgaben. Dass sie bei den Nazis verfolgt war, machte sie nie geltend. So wurde ihr Antrag auf die Unterbringung in einem Altersheim so lange liegengelassen, bis sie mit 71 Jahren 1962 starb. Doch diese Zeit aufzuarbeiten mag der ausführlichen Biografie vorbehalten bleiben, die allerdings erst für 2025 angekündigt ist.

Klaus Petermann (Hg.), Lene Voigt: De Babbierdande. Connewitzer Verlagsbuchhandlung Peter Hinke, Leipzig 2019, 48 Seiten, 12,00 Euro.

Frank Burkhard

Musik aus der Dachkammer

Die Corona-Zahlen sinken bundesweit. Doch Illusionen sind nicht angesagt: Das Virus wird nicht plötzlich verschwunden sein. Vielmehr gilt es, im privaten Alltag wie im gesellschaftlichen Miteinander eine Corona-Routine zu etablieren. Mittlerweile fließt das in den Nachrichten omnipräsente Virus immer häufiger auch in künstlerische Werke ein. Juli Zehs kürzlich veröffentlichtes Werk „Über Menschen“ gilt als einer der ersten Corona-Romane. Und wie sieht es im musikalischen Bereich aus?

Der fränkische Liedermacher Peter „Point“ Gruner präsentiert eine Solo-CD ohne seine Begleitband „Die Spielverderber“. Entstanden ist dieses Album im Frühjahr letzten Jahres, während Deutschland den ersten „Lockdown“ durchlebte. Eingespielt hat es Point, ganz corona-gerecht, allein in seiner Dachkammer: Er zeichnet also für den (teils mehrfachen) Gesang, wie für ein reiches Musikinstrumentarium – von Gitarre bis Harmonika, von Bass bis Percussion – verantwortlich; das musikalische Pendel bewegt sich zwischen Folk und Blues.

Textlich überwiegen Zuversicht und Träume; statt Weltuntergangsstimmung lieber etwas schräger Humor und Wortwitz. Wer mag, kann hier passagenweise die schnoddrige Art eines Sven Regeners (Element of Crime) heraushören.

Der corona-bedingte Rückzug in die heimische Dachkammer bedeutet kein Suhlen im Selbstmitleid. Wie heißt es so schön und point-iert (sorry, dieses Wortspiel musste einfach sein!) im Eingangslied:

„Verzweiflung ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können …“

Und Point singt und spielt sehr kreativ gegen die Verzweiflung an!

Point: Ich hab das Licht gesehen. CD 2021; 15,00 Euro, Bezug online.

Thomas Rüger

Die Mönche in Jeans

Man glaubt es kaum in dieser Zeit, die von moderner Technik, Kriegen, rechtem Terror und Politikern ohne Weitsicht, von Großkapitalisten und Umweltzerstörern durchdrungen ist: Es gab eine Zeit, in der wirklich an eine ideale Welt geglaubt wurde. Gut, dass es jetzt die nachdenkende und für ein besseres Klima kämpfende Jugend gibt, Flüchtlinge trotz rechter Regierungen und sinnloser Gesetze immer noch aus dem Meer gezogen werden und nicht jeder mehr ein übergroßes Auto haben will. Ende der 60er Jahre, als Hippies die Welt zu übernehmen trachteten und dann doch nur ihr Hirn mit süßem Rauch vernebelten, gab es junge Menschen, die nicht mehr so leben wollten, wie es ihre Alten taten. Arbeit sollte nicht mehr für den Kapitalisten gut sein, sondern für die Gemeinschaft, die Familie. Profit war verpönt und die Anhäufung von Geld ebenso.

1970 taten sich in Nürnberg einige langhaarige Weltverbesserer zusammen, die ins Altmühltal zogen und bis 1974 in Beilngries mitten im Wald lebten, liebten, arbeiteten und musizierten. Man nannte sich „Lord’s Family“, betete auch mal zu einem Gott, der gerade frei war, verständigte sich auf den Buddhismus und zelebrierte ein mystisches, ökologisches Selbstverständnis. Die Family-Mitglieder waren, im Vergleich zu heute, die besseren Grünen, wurden aber leider vergessen. Sehr früh begann die bayrische Kommune, in der Musik ihre psychedelischen Erfahrungen umzusetzen und sie mit christlicher Mystik und östlicher Spiritualität zu verbinden. Bei ihren zumeist sehr langen Stücken blieb die musikalische Leistung im Hintergrund, vielmehr sollten die Mitspielenden eigene Ideen einbringen und die Schönheit der Töne spüren. So kam es vor, dass auf den Bühnen von Bremen bis München, Berlin bis Saarbrücken Musikunkundige mit Klangbeigaben glänzten und weder tonale noch atonale Kriterien berücksichtigten. Hier ein Klirren, dort ein Knarren und dann ein hölzerner Schlag. Offizielle Aufzeichnungen gab es nicht und an eine Veröffentlichung dachte Lord’s Family nie.

Nun gibt es überraschenderweise doch ein Album, das Aufnahmen aus dem Archiv des ehemaligen Keyboarders Sepp Kuffer enthält. Wir erleben einige Sternstunden des Krautrocks, die uns in die Raumzeit eintauchen lassen, göttliche und ökologische Visionen in den Vordergrund schieben und fünfdimensionale Klänge mit kosmischen Wirrnissen vereinigen. Ruhig, versponnen, dann wieder aufrüttelnd an den kosmischen Klang erinnernd. Hier etwas Popol Vuh und dort der Querschlag, der an Guru Guru gemahnt. Es fiept, zwitschert, jubiliert, regt auf und an. Wichtiger als die Musik waren der Family immer die Texte, die zu den Melodien gesprochen wurden und dem Hörer wie Predigten Botschaften vermitteln: „Wir werden die Luft nicht verpesten, wir werden sie atmen. Wir werden das Wasser nicht vergiften, wir werden es trinken … Gib uns eine neue Erde, gebt uns ein Stück von der Erde, sie gehört euch nicht.“ Wen auch immer sie damit angesprochen haben, sie haben es ernst gemeint.

Die als „Mönche in Jeans“ bezeichneten Bewohner eines alten Jagschlosses beschäftigten sich mit allem, was gerade durch die musikalischen Gehirnwindungen schwankte. Man hört viel Improvisation, Chorusse, Sprechtexte und gar verknödelte bayrische Folklore. Und immer ganz viel „innere Musik“.

Lord’s Family: „The Complete Schlössl Recordings“, Sireena Records/Broken Silence Distribution.

Thomas Behlert

Aus anderen Quellen

„Sicherheitspolitik“, so Helmut Schäfer, der frühere FDP-Staatsminister im Auswärtigen Amt, „steht heute ganz im Zeichen der militärischen Stärkung der Nato. Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer begründet dies als wichtigste Maßnahme im Hinblick auf unsere angebliche Bedrohung durch Russland, das, wie sie sagt, an den Grenzen zur Nato massiv aufrüste. Ihr scheint nicht bewusst zu sein, dass Russland, von seiner geographischen Ausdehnung das größte Land der Erde, im Osten an die neue Weltmacht China, im Westen an ein militärisches Bündnis von 30 Nato-Staaten unter Führung der USA grenzt, das dort seine jährlichen Manöver abhält.“

Helmut Schäfer: Bitte keinen Kalten Krieg mehr!, berliner-zeitung.de, 4.5.2021. Zum Volltext hier klicken.

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Über 50 Künstler, überwiegend Schauspieler, hatten persönliche Statements zur Corona-Politik der Bundesregierung gepostet, die nicht von allgemeiner Zustimmung getragen waren, und wurden anschließend unter einer Lawine von Gegenreaktionen begraben, zu denen auch die Forderung nach Beschäftigungsverbot bei öffentlich-rechtlichen Medien zählte. „Der Shitstorm gegen die Initiative“, so findet Jan Schad, seit 19 Jahren im Rettungsdienst tätig, „war maßlos bis repressiv.“ Und: „Der harten Abwehrhaltung gegenüber dieser Kampagne liegt eine ideologisierte Dynamik zugrunde, die höchst bedenklich ist für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft. Sachliche Einwände gegen die Maßnahmen werden zu kaum beachteten Fußnoten oder zu ‚Geschwurbel‘ degradiert.“

Jan Schad: Meine Kritik an den Corona-Maßnahmen, berliner-zeitung.de, 5.5.2021. Zum Volltext hier klicken.

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Heribert Prantl, studierter Volljurist und selbst eine Zeit lang Staatsanwalt, bevor er zu einem der renommiertesten politischen Publizisten im Lande wurde, setzt sich damit auseinander, wie die Corona-Notbremse der Bundesregierung das Grundgesetz nicht nur tangiert, sondern vielmehr dessen Schutzwirkung für die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte der Bürger nachhaltig einschränkt: „Dieses Gesetz, das die Bundesnotbremse installiert, bremst den Rechtsschutz aus. Es wird nicht ‚auf Grund eines Gesetzes‘, wie es im Grundgesetz eigentlich vorgesehen ist, sondern unmittelbar ‚durch Gesetz‘ in die Grundrechte eingegriffen. Diese Unterscheidung klingt erst einmal wie juristische Wichserei – das ist sie aber nicht. Bei Eingriffen unmittelbar ‚durch Gesetz‘ gibt es nämlich keinen klassischen Rechtsschutz.“

Michael Maier: Grundrechte nur mit Impfpass? Geht gar nicht (Interview), berliner-zeitung.de, 15.5.2021. Zum Volltext hier klicken.

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Die Littenstraße im Berliner Ortsteil Mitte erhielt ihren heutigen Namen zu DDR-Zeiten, denn Hans Litten war ein aus bürgerlichem Hause stammender, der KPD nahestehender Rechtsanwalt und Strafverteidiger in der Weimarer Republik, der noch Anfang der 1930er Jahre die Zivilcourage besessen hatte, Hitler als Zeuge vor Gericht zu zitieren und dort zu demontieren. Heribert Prantl erinnerte jetzt an diesen konsequenten Antifaschisten: „Prozessbeobachter beschrieben seinen Vernehmungsstil als im Ton ruhig und angemessen, in der Sache aber hartnäckig. Litten deckte Widerspruch um Widerspruch der Aussagen des Zeugen auf, trieb den Zeugen mit seinen eigenen Aussagen in die Enge. Hitler geriet in Bedrängnis, verlor seine Selbstsicherheit, wurde nervös, die Staatsmann-Attitüde zerbrach. Litten bohrte nach, Hitler begann mit hochrotem Kopf zu brüllen, führte sich, wie es damals hieß, auf wie eine ‚hysterische Köchin‘.“

Heribert Prantl: Prantls Blick – die politische Wochenvorschau, sueddeutsche.de, 9.5.2021. Zum Volltext hier klicken.

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Die Berliner Zeitung führt gerade eine intraredaktionelle Diskussion darüber, ob sich das Blatt künftig durchgängig geschlechtergerechter Sprachformen – der Begriff „Sprache“ wird an dieser Stelle vorsätzlich vermieden (warum, dazu siehe ausführlich den hier annotierten Beitrag) befleißigen, also gendern solle, um darüber schließlich abzustimmen. Die Zeitung lässt ihre Leser an der Debatte teilhaben. Zum Auftakt erläuterte Ingo Meyer, seines Zeichens Korrektor im Berliner Verlag, warum man das Gendern tunlichst sein lassen sollte. Eines seiner zentralen Argumente lautet: „Sprache hat nicht die Aufgabe, von Dritten erwünschte Bedeutungen in unsere Köpfe zu pflanzen.“

Ingo Meyer: Gendern ist eine sprachliche Katastrophe, berliner-zeitung.de, 15.5.2021. Zum Volltext hier klicken.

Letzte Meldung

Das Bulletin of the Atomic Scientists hat berichtet, dass die zivile Wiederaufarbeitung atomarer Brennstäbe aus Kernkraftwerken inzwischen zu weltweiten Beständen von über 300 Tonnen an Plutonium geführt hat – eine Menge, die nach Berechnungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) für fast 40.000 Atombomben vom Nagasaki-Typ ausreichen würde.
Diese Plutonium-Bestände konzentrieren sich überwiegend bei Großbritannien, Frankreich, Russland und Japan; über Mengen von jeweils bis zu einigen Tonnen verfügen aber auch Deutschland, Belgien, die Schweiz, Italien und Spanien. (Nicht erfasst in diesen Angaben sind die Plutonium-Vorräte der USA, Chinas, Indiens und Pakistans, die nicht oder nur zum Teil aus ziviler Wiederaufarbeitung stammen.)
Da Plutonium nicht physisch beseitigt, sondern nur auf dem Wege des natürlichen radioaktiven Zerfalls allmählich abgebaut werden kann, sein Hauptbestandteil – das Isotop Pu-239 – jedoch eine Halbwertzeit von 24.000 Jahren aufweist, werden allein von den genannten 300 Tonnen auch in knapp 100.000 Jahren immer noch rund 19 Tonnen vorhanden sein. Genug für zumindest 2500 Nagasaki-Bomben.

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