Unerhörte Intervention
Da konnte einem schon der Atem stocken – am 10. Juni 2025 wandte sich Tulsi Gabbard, die Geheimdienstkoordinatorin der Trump-Administration und mithin die Chefin aller US-Geheimdienste, per X und YouTube an die Weltöffentlichkeit:
„Ich habe kürzlich Hiroshima in Japan besucht und stand im Epizentrum einer Stadt, die von unvorstellbarem Horror gezeichnet ist, den eine einzige Atombombe, die 1945 abgeworfen wurde, verursachte. Vor 80 Jahren.
Es fällt mir schwer, die Worte zu finden, um auszudrücken, was ich gesehen habe, die Geschichten, die ich gehört habe, die quälende Traurigkeit, die geblieben ist. Das ist eine Erfahrung, die mich lebenslang begleiten wird.
Dieser Angriff hat die Stadt […] ausgelöscht, tötete über 300.000 Menschen.
Viele starben auf der Stelle, andere starben an schweren Verbrennungen, an Verletzungen, an der Strahlenkrankheit, an Krebs, der in den nachfolgenden Monaten und Jahren ausbrach.
Nagasaki erlitt das gleiche Schicksal. Haushalte, Schulen, Familien, verschwanden im Augenblick gleißenden Lichts. Die Überlebenden, die Hibakusha, sie trugen den Schmerz der extremen Verbrennungen, von Strahlenkrankheit und des Verlusts für Jahrzehnte.
Die Überlebenden dieses Angriffs wurden gebeten, ihre Erinnerungen, wie sie sich fühlten, was sie gesehen haben, in Bildern und Zeichnungen festzuhalten. Diese Bilder und das Leiden, das diese vermitteln, den Schmerz und das Gefühl von Verlust, waren fast noch bedrängender als die Fotos selbst.
Doch diese eine Bombe, die so viel Zerstörung in Hiroshima verursachte, war winzig im Vergleich zu den heutigen Nuklearbomben. Die Bombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurde, hatte eine Sprengkraft von nur 15 Kilotonnen TNT, während die heutigen nuklearen Sprengköpfe sich in der Größenordnung zwischen 100 Kilotonnen bis über eine Megatonne bewegen.
Eine einzige der heutigen Nuklearbomben könnte Millionen von Menschen in wenigen Minuten töten. Sie würde alles verdampfen, Menschen, Gebäude, das Leben selbst. Die Schockwelle würde noch kilometerweit entfernte Anlagen und Gebäude zerquetschen, unzählige Menschen töten und verstümmeln.
Und dann kommt der Fallout: Radioaktives Gift, das sich in Luft, Wasser und Boden verbreitet und die Überlebenden zu einem qualvollen Tod oder lebenslanges Leiden verurteilt. Ein nuklearer Winter könnte folgen, mit Rauch und Asche, die das Sonnenlicht blockieren und die Welt in völlige Dunkelheit stürzen. Und in Kälte, die Ernten vernichtet und Milliarden Menschen hungern lässt. Saurer Regen würde die Erde vernarben, ganze Ökosysteme auslöschen.
Das ist keine ausgedachte Science-Fiction-Erzählung, sondern die Realität dessen, was heute auf dem Spiel steht. Wir stehen heute näher am Rande einer nuklearen Vernichtung als je zuvor.
Politische Eliten und Kriegstreiber schüren rücksichtslos die Angst und Spannungen zwischen nuklearen Mächten, vielleicht weil sie zuversichtlich sind, dass sie Zugang zu Atomschutzbunkern für sich selbst und für ihre Familien haben, zu denen normale Menschen keinen haben.
Also ist es an uns, den Menschen, zu sprechen und ein Ende dieses Wahnsinns zu fordern. Wir müssen diesen Weg zum Nuklearkrieg ablehnen und auf eine Welt hinarbeiten, in der niemand mehr in Angst vor einem nuklearen Holocaust leben muss.“
Aus dem Blickwinkel des gesunden Menschenverstandes kann man dieser Einlassung schwerlich widersprechen. Wahrscheinlich ist genau das auch der Grund, warum die selbsternannten Leit- und Qualitätsmedien hierzulande unisono auf Gabbards Worte reagiert haben – mit komplettem Ignorieren.
Holger Politts kritische Einwürfe zur Friedensfrage
Zu den regelmäßig für Das Blättchen schreibenden Autoren gehört Holger Politt. Von 2002 bis Sommer 2009 leitete er das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Warschau, bis Sommer 2024 arbeitete er für diese Stiftung, übersetzte und gab zuerst im Berliner Karl-Dietz-Verlag, dann im Hamburger VSA-Verlag Schriften über Leben und Werk der Namensgeberin der Stiftung heraus. Seine Expertisen über die Entwicklung in Polen sind ebenso gefragt wie lesenswert. Viele seiner Leser, deren Blick in Richtung Russische Föderation gerichtet und deren Denkart durch Studium oder Arbeitsaufenthalte im einstigen Freundesland geprägt war, sehen in ihm – je nach Einstellung – einen anregenden oder irrenden Gesprächspartner. Im Unterschied zu den meisten von ihnen kennt er die Geschichte Polens und beherrscht die Sprache des Landes, das für viele seiner Kritiker höchstens Transitland auf dem Weg nach Russland war und auch geblieben ist.
Sein neues Buch, in dem er kritische Einwürfe zur osteuropäischen Friedensfrage zur Debatte stellt, ist an deutsche Friedenskämpfer gerichtet. Da es kurz nach dem von den SPD-Friedenskreisen veröffentlichten Manifest „Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“ erschienen ist, konnte er sich nicht explizit zu diesem Text, in dem ebenfalls auf die am 1. August 1975 in Helsinki vereinbarten Prinzipien der Unverletzlichkeit der bestehenden Staatsgrenzen Bezug genommen wird, äußern.
„Dass Europa nach dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs und trotz zugespitzter Lage zwischen den beiden von Washington bzw. Moskau geführten Militärblöcken viele Jahrzehnte Friedenszeit erlebte, hat etwas zu tun mit der – mühsam genug – abgerungenen Einsicht, auf einseitig vorgenommene Grenzveränderungen zu verzichten und auch keinen diplomatischen Druck in diese Richtung aufzubauen.“
Politt benennt die von Russland verbreiteten diplomatischen Konstrukte wie dem eines „nahen und fernen Auslands“, widerlegt Putins Erzählung von der Ukraine als einer Erfindung der Bolschewiki, erinnert an die gescheiterte Russifizierung der Baltischen Republiken.
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, dessen Ursachen, Verlauf und Folgen Politt aus polnischer Perspektive und geopolitischer Lage beschreibt (Polen konnte kein „freies Elektron“ sein, zitiert er aus Wojciech Jaruzelskis Rechtfertigung des Beitritts Polens zur NATO), plädiert er auf den ersten 120 Seiten des Buches für eine bedingungslose Rückkehr zu diesen, vom Aggressor Russland missachteten Prinzipien. „Die Tatsache, dass Moskau zum ersten Mal die einvernehmlichen Regelungen der Auflösung der Sowjetunion nicht nur missachtete, sondern bewusst verletzte, wurde fast überall gerne heruntergespielt.“
Auf einen zweiten, mit „Gedankensplitter“ überschriebenen Teil folgen abschließende, auf die außenpolitischen Äußerungen von Trump bezugnehmende Überlegungen zum Thema „Landnahme, Stellvertreterkrieg, Diktatfrieden“. Während Trump, für den territoriale Integrität leeres Geschwätz ist, auf Diktatfrieden setzt, bevorzugt Putin die Landnahme, getreu dem Motto „Unser ist, worauf der Stiefel des russischen Soldaten steht“.
Politts Appell an die deutschen Friedenskämpfer lautet, die alte Losung „Für eure und unsere Freiheit!“ aufzugreifen und ohne Wenn und Aber für nationale Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität einzutreten.
Holger Politt: Westwind in östlichem Gelände. Kritische Einwürfe zur osteuropäischen Friedensfrage. VSA Verlag, Hamburg 2025, 166 Seiten, 16,80 Euro.
Eine unendliche Geschichte
Seit über 100 Jahren kämpfen Frauen um sichere Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch und die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch. Kurz schien es möglich, dass die alte Bundesregierung dies noch zu Wege bringt. Es gab eine von der Ampelregierung eingesetzte „Kommission zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ und die darauf folgende Anhörung im Rechtsausschuss als notwendige Voraussetzung für eine Abstimmung im Bundestag. Doch die Anhörung fiel dann nicht der Neuwahl zum Opfer, wie man meinen könnte, sondern der „erfolgreichen“ Verhinderung durch Vertreter konservativer Parteien, Zeit gewesen wäre noch … Dabei ging es im Gruppenantrag von über 320 Abgeordneten nur um einen Minimalkonsens: Unter Beibehaltung der Beratungspflicht sollten Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase nicht nur strafbefreit (wie gegenwärtig), sondern ausdrücklich rechtmäßig sein. Auf die Auflage einer dreitägigen Bedenkzeit wurde dabei verzichtet. Dieses historische Zeitfenster einer Einigkeit von Abgeordneten der SPD, Grünen und Linken konnte nicht genutzt werden. Auf Grund der anderen Zusammensetzung des nunmehrigen Bundestages bedarf es erneut langwieriger intensiver persönlicher Gespräche, bevor sich eine solche Chance erneut auftut.
Mit diesem Thema unter persönlichen und historischen Aspekten beschäftigt sich der Roman von Felicitas Fuchs (als Hörbuch exzellent gelesen von Carla Berling) „Die Akte Schneeweiß“. Er spielt auf zwei Zeitebenen – im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik der 1960er Jahre. Mathilde, die eine Protagonistin, arbeitet zunächst als Haushaltshilfe bei einem jüdischen Ehepaar in einer Apotheke und erlebt dort die Schikanen gegen Angehörige dieser Religion. Nachdem dem Paar die rechtzeitige Ausreise aus Deutschland gelungen ist, wechselt sie als Sprechstundenhilfe zu einem Arzt, der Frauen in Not hilft. Kurz scheint ihr das Glück hold, doch dann stirbt dieser wenige Tage vor der geplanten Hochzeit und Mathilde beginnt, sich gegen das nationalsozialistische Regime zu engagieren.
In der zweiten Zeitebene taucht immer wieder die Figur eines Großvaters auf, der als „Engelmacher“ im Gefängnis war. Katja, die zweite Protagonistin, muss nicht nur lernen, dass Schwangerschaftsabbrüche notwendig sein können und „Engelmacher“ nicht nur aus Geldgier gehandelt haben, sondern auch, dass vieles, was sie über ihre Familie zu wissen glaubte, nur dem Schweigen vieler zu Ereignissen der Vergangenheit geschuldet war.
Felicitas Fuchs (das Pseudonym der Autorin Carla Berling) widmet sich einem jahrhundertealten Thema sehr einfühlsam und nachvollziehbar und beleuchtet die Argumente des für und wider zum Schwangerschaftsabbruch nachvollziehbar. Insofern ist dem (Hör)Buch nicht nur eine große Leser- bzw. Hörerschaft zu wünschen, sondern vor allem, dass sein Thema bald nur noch ein historisches sein möge. Da immer wieder katholische Krankenhäuser ihren Ärzten verbieten, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen (wie im Mai 2025 in Lippstadt) wird dies wohl noch ein weiter Weg sein.
Felicitas Fuchs: Die Akte Schneeweiß. Gelesen von Carla Berling. Random House Audio 2025, 9h 52min, 21,95 Euro.
Kennen Sie Gerbersau?
Wenn Sie jetzt, ganz klassisch, zum Atlas greifen sollten, werden Sie diesen Ort vergeblich suchen. So poetisch der Name auch klingt – er ist ausgedacht, steht jedoch für einen realen Ort. Es handelt sich in um das im Nordschwarzwald gelegene Städtchen Calw, die Geburts- und Heimatstadt von Hermann Hesse. In Erinnerung an die Gerber, die in früheren Zeiten an den Ufern des Flüsschens Nagold ihrem Handwerk nachgingen, wählte er als Synonym den Namen „Gerbersau“ – die Aue der Gerber.
Der Calwer Erfahrungsfundus blieb für Hesse zeitlebens eine Quelle seines Schreibens. Bereits im Februar 1901 hieß es in der Erzählung „Erlebnis in der Knabenzeit“: „In Jahrzehnten habe ich Tal und Stadt nur wenigemal für wenige Stunden wiedergesehen, aber nie mehr ist eine andere Stadt in den Ländern, in denen ich seither gewohnt habe und gereist bin, mir so bekannt geworden; noch immer ist die Vaterstadt für mich Vorbild, Urbild der Stadt, und die Gassen, Häuser, Menschen und Geschichten dort Vorbild und Urbild aller Menschenheimaten und Menschengeschicke.“
In diesem Jahr blickt Calw nicht nur auf seine 950-jährige Geschichte zurück. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Stadtjubiläum findet zum 21. Mal der „Gerbersauer Lesesommer“ statt. Gerade rechtzeitig ist ein von Herbert Schnierle-Lutz, seit langen Jahren mitverantwortlich für die inhaltliche Gestaltung des „Gerbersauer Lesesommers“, herausgegebener Band mit den 15 schönsten „Gerbersauer Erzählungen“ erschienen. Darin enthalten sind unter anderen folgende Texte. Die Erzählung „Der Lateinschüler“ handelt von der unglücklichen Liebesgeschichte des sechzehnjährigen Schülers Karl Bauer, der von der Dienstmagd Babett in den kleinstädtischen Kosmos von Gerbersau eingeführt wird. Der Künstler und Außenseiter Hermann Lautenschlager steht im Mittelpunkt von „In einer kleinen Stadt“. Mit scharfem Blick beobachtet er das Leben und Treiben der Großkopfeten, weshalb er nicht bei allen beliebt ist. Mit viel Calwer Lokalkolorit kommt „Die Verlobung“ daher. Hesse schildert darin das tragisch-komische Schicksal des schweigsamen, etwas kleinwüchsigen und schüchternen Kaufmanns Andreas Ohngelt, der zwar beruflich recht erfolgreich ist, aber partout keine Frau findet.
Die ersten „Gerbersauer Erzählungen“ schrieb Hesse 1901 während eines Ferienaufenthaltes in seinem Elternhaus in Calw. Später, in der Gaienhofener Zeit (1904–1912), kamen rund zwei Dutzend kürzere und längere Geschichten hinzu. „Ein besonderes Anliegen war es Hermann Hesse“, so Schnierle-Lutz in seinem Nachwort, „die Außenseiter von Gerbersau zu porträtieren, zumal er sich selbst stets als solchen empfunden hat.“ Einer dieser Individualisten, dessen Geschichte stark an das von Hesse selbst Erlebte erinnert, ist Karl Eugen Eiselein. In der gleichnamigen, 1903 entstandenen Erzählung verteidigt dieser seine literarischen Ambitionen dem Vater gegenüber mit den Worten: Er „wisse schon längst, daß er zum Dichter und nur zum Dichter geboren sei“. Anders als Hesse kann er sich allerdings nicht durchsetzen und tritt am Ende resigniert in das Kolonialwarengeschäft seines Vaters ein.
Fazit: Unbedingt wieder einmal lesen! Und vielleicht Calw einmal einen Besuch abstatten.
Hermann Hesse: Meine kleine Stadt. Geschichten aus Calw. Hrsg. und mit einem Nachwort von Herbert Schnierle-Lutz, Insel Verlag, Berlin 2025, 384 Seiten, 15,00 Euro.
Sommerwetter
Lindenblüt und Flieder
beugt ein Schauer nieder.
Wilde Winde toben,
die Sonne ist verschoben.
Die Amsel in dem Neste
hält alle Jungen feste,
dass sie bloß nicht runterstürzen,
und ihr Leben schnell verkürzen.
Es wäre außerdem kein Spaß,
denn sie würden pitschenass.
Wer soll sie dann noch trockenreiben,
wenn sie unten hocken bleiben?
Aber plötzlich kurz vor acht
hat die Sintflut schlussgemacht.
Lindenblüt und Flieder
lächeln nun auch wieder.
Ein Sonnenstrahl ist schon zu sehn,
als wäre vorher nichts geschehn.
Es denkt so mancher sich im Stillen,
der Sommer brauchte seinen Willen.
Und zu allerguterletzt
hat er ihn auch durchgesetzt.
Ein Edelsteinjuwel für jede privatpersönliche Buchbibliothek:
Heinz Moppel: „Kontra wider Lügenfakes“
Gratisgeschenk des Verlags-Medienunternehmens für Einzelindividuen
Der Sprachpfleger Heinz Moppel, von seinen Anhängerfans liebevoll-zärtlich „Heinz-Heinz Doppel-Moppel“ genannt, zieht in seiner final letzten Drohstreitschrift attackierend-offensiv gegen die abwertende Verunglimpfung des Pleonasmus als übertreibenden Überfluss zu Felde. Moppel schreibt: „Wird etwas mehrfach ausgedrückt, ob in einem Wort (Zusammenkooperation) oder in einer Wortgruppe (weibliche Chefin), so dient dies in unserer temporeich-schnelllebigen Zeitepoche der Eindeutigkeitsklarheit. Wer die Schimpfhetze gegen Pleonasmen durchschaut, die infam-verderbt eine verbale Wortnähe zu Krebskarzinomen (Pleonasmen – Neoplasmen) andeutend suggeriert, wird nicht der Scheinillusion erliegen, die sprachliche Notfallkatastrophe als Endresultat aller Pseudofälschungen lasse sich ohne konsequent entschlossenen Neuanfang stoppend verhindern.“
Unser Vorabpreview erscheint als Würdigungslob einer postum hinterlassenen Buchveröffentlichung, denn Heinz Moppel ist infolge des Resultats eines Crash-Unfalls tödlich gestorben und hat entschlafend ins Gras gebissen.
Kurz zuvor bewies Moppel demonstrativ, dass er auch karge Knappformulierungen dominant beherrschte. Ein befreundeter Freund hatte ihn erkundigend gefragt, ob er zu einer Beratungsdiskussion pünktlich Punkt halb neun komme und eintreffe. Moppels seherisch-prophetische Antwort lautete: „Nein, ich komme um.“
Film ab
Fragt man Google, „was ist ein black bag?“, dann ploppt folgendes auf: „Übersicht mit KI: Ein ‚Black Bag‘ bezieht sich im Allgemeinen auf eine verdeckte, geheime oder illegale Operation, oft im Kontext von Spionage oder Geheimdiensten. Es kann sich um das heimliche Eindringen in ein Gebäude, das Stehlen von Dokumenten oder das Sammeln von Informationen handeln, oft ohne Wissen oder Zustimmung der betroffenen Personen oder Organisationen […].“ Damit hätte man dann schon mal eine durchaus nicht irreführende Vorstellung, worum es in dem in einem britischen Geheimdienst angesiedelten und in London spielenden Streifen „Black Bag – Doppeltes Spiel“, der Jagd nach einem Maulwurf, gehen könnte. Der Film ist – Nichtliebhaber von Spionagethrillern wie meine Kinomitbesucherin pennen zwar gnadenlos weg – eine hochspannende, wenn auch nicht bis in die letzte Facette logisch nachvollziehbare Kammeroper. Im Großen und Ganzen ist Regisseur Steven Soderbergh seinem Credo allerdings treu geblieben: „Man muss fair sein zu den Zuschauern. Man darf auf keinen Fall eine Sache aus dem Hut zaubern, die vorher nicht vorhanden war. Ein Filmende muss überraschend sein und zugleich völlig zwangsläufig. Die Zuschauer müssen denken: Na klar, wusste ich‘s doch!“
Der Hinweis im Titel, „Doppeltes Spiel“, übrigens geht auf die Rechnung des deutschen Verleihs, ist überflüssig und überdies irreführend: Das Spiel nämlich ist mindestens ein vier-, eher noch ein siebenfaches.
Cate Blanchett und Michael Fassbender geben glänzende Vorstellungen, während Pierce Brosnan, wie schon als James Bond, über seine begrenzten schauspielerischen Möglichkeiten auch im fortgeschrittenen Alter nicht hinauskommt.
Und lernt man was Neues? Ja: Ikizukuri* ist in Großbritannien zwar verboten, wird von perversen Gourmets aber doch genossen.
„Bag – Doppeltes Spiel“, Regie: Steven Soderbergh. Derzeit in den Kinos.
*
Wenn die Besprechung eines Filmes – in diesem Falle in der Süddeutschen Zeitung – folgendermaßen beworben wird: „Eine syrische Familie kommt in ein bretonisches Dorf und trifft dort auf die Nachfahren von Asterix und Obelix. Julie Delpys ‚Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne‘ ist eine wunderbar böse Komödie.“, was erwartet man dann wohl? Mit Sicherheit keinen Streifen, zu dem die Macherin (in einem Interview) ihre Motivation und ihr Anliegen so auf den Punkt bringt: „Es geht mir darum, zu verstehen, warum Menschen rassistisch sind.“
Wer also vorhat, sein Eintrittsgeld mal wieder in eine Komödie zu investieren, der gehe besser direkt zu Asterix und Obelix.
Wer allerdings neugierig darauf ist, was sich entwickeln kann, wenn eine orientalische Flüchtlingsfamilie in tiefster französischer Provinz Wurzeln schlagen soll, der wird den Eintritt nicht bereuen … Vorausgesetzt, er verschließt, sobald auf der Leinwand am Ende der Schriftzug „Ein Jahr später“ eingeblendet wird, ganz fest Augen und Ohren. Denn was dann noch folgt, ist ein Happy End in allerschlimmster Hollywood-Manier, dermaßen kitschig-überzuckert, dass es, mit Verlaub, den gesamten vorhergehenden Film verarscht.
„Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“, Regie, Drehbuch (Mit-Autorin) und Hauptrolle: Julie Delpy. Derzeit in den Kinos.
* – Lebendzubereitung von Fisch: Dafür wird das Tier mit einem Schlag auf den Kopf betäubt, ausgenommen und filetiert, wobei darauf geachtet wird, dass der Kopf, die Wirbelsäule und der Schwanz unangetastet bleiben. Neben den Innereien werden also nur die beiden Filethälften entfernt, aus denen Sashimi zubereitet wird. Das man dann zusammen mit dem mittels Stäbchen halb aufgerichteten und infolge von Reflexen noch zuckenden, Fisch serviert.
Wenn junge Menschen einsam werden, …
… müssen sie sich, zumindest die allermeisten, nicht „schuldig“ fühlen an ihrer misslichen Lage, die oft auch zu Depressionen führt.
Auch wenn es ein nicht gerne gehörter Allgemeinplatz ist: An der derzeitigen Einsamkeitsmisere junger Menschen ist nicht zuletzt die in Deutschland verantwortliche Politikerelite mit schuldig. Denn die Verschärfung der sich schon vor Corona abzeichnenden Einsamkeitsproblematik ist nicht zuletzt auf den schon damals angeprangerten und inzwischen durch einschlägige Untersuchungen nachgewiesenen unverantwortlichen Umgang mit den Schülern und jungen Menschen zurückzuführen. Wer eingesperrt wird, obwohl es nachweislich nicht notwendig ist, wächst defizitär heran und weist Symptome auf, die in der Folgezeit nur schwer wieder zu kompensieren sind, manchmal gar nicht. Hoffen wir mal, dass da nicht die eine oder andere Amokgefahr in der Tiefe unserer Gesellschaft schlummert.
Die derzeitigen Einsamkeitsbefunde in unserer Gesellschaft fallen auf jeden Fall nicht vom Himmel und schreien förmlich nach adäquatem Handeln und das völlig abgesehen von der Unfähigkeit der zu Coronazeiten Verantwortlichen, sich für teilweise fundamentales Fehlverhalten den jungen Menschen gegenüber zu entschuldigen.
Eine Wirklichkeit hat uns nämlich eingeholt: War die bisher gängige Definition von Einsamkeit die, dass Einsamkeit ein subjektives Gefühl hinsichtlich der Kluft zwischen erwünschten und realen Sozialkontakten sei, so ist dieses Gefühl durch die unselige Coronapolitik heute und hier zu einem kollektiven geworden. Eine individualisierte Interpretation der Einsamkeitslage greift also zu kurz. Sowohl für die Fachleute wie für die Betroffenen. Lasse sich also niemand einreden, es sei seine eigene Schuld, dass er in diese Lage gekommen sei.
Die Zivilgesellschaft ist gefordert. Denn sich allein auf die „Politik“ zu verlassen halte ich für vermessen. Die hat nämlich meist anderes vor, als sie vorgibt. Derzeit ist ihr verwerflich oberstes Ziel, möglichst viele junge Menschen für ihre „Kriegstüchtigkeitsagenda“ zu gewinnen. Was läge also näher, als die zu Coronazeiten schon eingeübte Gehorsamsleistung in militärische Bahnen zu lenken. Schließlich kann das Militär mit dem Erlebnis „Kameradschaft“ wuchern. Also raus aus der Einsamkeit und rein in das Abenteuer „Soldatspielen“. Ein Gruppenerlebnis wird das andere jagen und Zugehörigkeitsgefühle verschaffen, dass einem vor lauter Adrenalinschüben Hören und Sehen vergehen wird – bis zum zu verdrängenden Ende: Dem Kriegseinsatz mit Todesfolge.
Damit dieses nicht unmögliche Szenario nicht eintritt, sind wir alle als Zivilgesellschaft gefordert, unseren jungen Menschen andere Solidaritätsperspektiven zu eröffnen.Es gibt genügend Aktivitäten, die mit echten gemeinschaftlichen Glückserlebnissen verbunden sein können und vor allem von der Tugend der Freiwilligkeit leben, nicht von der unseligen Maxime „Befehl und Gehorsam“!
Wiener Streifzüge
„Die derzeit gängigste Regung ist die Aufregung. Wir leben in hochnervösen Verhältnissen und in brandgefährlichen Zeiten. Immer wieder droht etwas zu explodieren, und seien es nur die erhitzten Gemüter.“ Der Beginn des Einlaufs weist auf Inhalte des neuen Heftes.
Ortwin Rosner analysiert in seiner umfangreichen Abhandlung die geistigen Vorbedingungen der „Kriegstüchtigkeit“. Maria Wölflingseder kritisiert essayistisch die „riesige Branche“ zur Erlangung von „Achtsamkeit“, „Selbstfürsorge“, „Selbstermächtigung“ und „gesunden Lebensstil“ als Phantasmaorgie. Hermann Engster schaut auf Thomas Müntzers Wirken in einer aus den Fugen geratenen Zeit als Befreiungstheologe und Sozialrevolutionär. Barbara Eder blickt von San José, der größten Stadt im heutigen Silicon Valley mit den „Silicon-Soldaten“ der „Tech-Riesen“, ein Jahrhundert zurück auf die Arbeitskämpfe in den kalifornischen Obst- und Gemüseplantagen. Reimer Gronemeyer befürchtet einen Krieg der Generationen angesichts von Robotik und KI in der Pflege und Altersdiskriminierung. Franz Schandl betrachtet das Universum der Ware ausgehend von den Marx’schen Begriffen Gebrauchswert und Tauschwert und prüft sie auf heutige Nützlichkeit. In einem zweiten Text skizziert er Gedanken zur Typologisierung des Tauschs. Lorenz Glatz findet Schwelbrände im Ukraine-Krieg. Ebenso umfassend wie interessant ist Hermann Engsters Gedichtinterpretation zu „Auf einer Burg“ von Joseph von Eichendorff. Petra Zieglers Auslauf entdeckt im Wiener Sparbudget eine Misere.
Streifzüge, Nr. 91, Frühling 2025, 10,00 Euro, Bestellung online.
Inneres Ausland
Zum 75. Geburtstag schenkt sich und uns das Liedermacher-Urgestein Manfred Maurenbrecher ein neues Album. Seine mittlerweile 24. Veröffentlichung bestätigt hörbar und eindrucksvoll, dass sein kreativer Tatendrang nicht zu versiegen scheint.
Der schnoddrige Gesang und ein eher bluesiger Musikstil prädestinieren ihn nicht für Events in großem Rahmen. Folgerichtig gibt es für ihn keine Echo-Preise, aber Auszeichnungen wie den Deutschen Kleinkunstpreis.
Sprachmächtig zeigt er sich im Titelsong – und das mit einer witzigen Rahmenhandlung, in der ein müdes Pärchen im Treppenhaus einen Zettel mit der simplen Textbotschaft „Bald“ findet.
Im ansprechend gestalteten Booklet finden sich alle zwölf Songtexte. Abschließender Fun Fact zu dieser Veröffentlichung ist: Maurenbrecher hat seine musikalischen Parts am Flügel sowie den Gesang innerhalb von drei Tagen im Ufo-Tonstudio in Berlin-Friedrichshain aufgenommen!
Manfred Maurenbrecher: Vielleicht Vielleichter. Label: Reptiphon/Broken Silence, 2025, ca. 16 Euro.
Aus anderen Quellen
Im letzten Jahrhundert bestimmten Truppenstärke und Waffenproduktion die militärische Macht von Staaten. Im digitalen Zeitalter wird etwas anderes immer wichtiger: die Effektivität von Software, die Ressourcen automatisiert koordiniert und einsetzt. Jan Vollmer geht diesem Trend nach.
Jan Vollmer: Aufrüstung 2.0. Wie Kriege digitalisiert werden, deutschlandfunk.de, 02.06.2025. Zur Audiodatei hier klicken.
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„Militärexperten warnen vor einer etwaigen Unterlegenheit europäischer Kampfjets gegenüber chinesischen Modellen“, heißt es auf der Plattform german-foreign-policy.com. „Wie es in Analysen des kurzen Waffengangs zwischen Indien und Pakistan übereinstimmend heißt, konnte die pakistanische Luftwaffe mit einem chinesischen Jet vom Typ J-10C und einer chinesischen Rakete vom Typ PL-15 einen oder sogar mehr indische Jets des Typs Rafale abschießen; die Rafale wird in Frankreich gebaut.“
Dimensionen der chinesischen Aufholjagd, german-foreign-policy.com, 26.05.2025. Zum Volltext hier klicken.
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Die Süddeutsche Zeitung hatte den deutschen Arbeitgeberpräsidenten gefragt: „Was sagen Sie zu dem Argument, statt Arbeit durch höhere Sozialbeiträge immer teurer zu machen, sollte man hohe Vermögen stärker zur Finanzierung heranziehen?“ Und der hatte erwartbar abwiegelnd geantwortet: „Wir haben nach Belgien schon die höchste Steuern- und Abgabenlast in Europa. Warum lassen wir nicht diese Sozialneiddebatte und sprechen darüber, dass der Staat endlich lernen muss, seine Gier zu zähmen?“ Bernhard Schindlbeck bohrt nach.
Bernhard Schindlbeck: Der Arbeitgeberpräsident und das Seepferdchen, Ossietzky, 12/2025. Zum Volltext hier klicken.
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„‚Jeder Kanal, gleich an welcher Stelle des Isthmus, wird entweder ein Kanal unter amerikanischer Kontrolle oder gar kein Kanal sein.‘“ So beginnt Didier Ortolland seinen Beitrag zur Geschichte des Panamakanal und stellt klar: „Diese Aussage stammt nicht von Donald Trump, sondern von Rutherford Hayes, US-Präsident von 1877 bis 1881, der sich so 1880 vor dem Kongress äußerte.“
Didier Ortolland: Wem gehört der Panamakanal?, monde-diplomatique.de, 12.06.2025. Zum Volltext hier klicken.
Schlagwörter: Barbaren, Bernhard Schindelbeck, Calw, chinesische Waffen, Coronapolitik, digital, Friedensfrage, Gerbersau, Hannes Herbst, Herbert Schnierle-Lutz, Hermann Hesse, Holger Politt, jühau, Junge Menschen, Jürgen Scherer, Krieg, Manfred Maurenbrecher, Mathias Iven, Nuklearkrieg Hiroshima, Panamakanal, Polen, Rainer Rönsch, Renate Hoffmann, Russland, Streifzüge, Thomas Rüger, Tulsi Gabbard, Viola Schubert-Lehnhardt, Wladislaw Hedeler


