28. Jahrgang | Nummer 1 | 13. Januar 2025

Bemerkungen

Ost-West-Vergleiche – eine unendliche Geschichte

Simona Stoytchkowa, geboren und aufgewachsen in der Ostberliner Platte, beschreibt, wie es ihr als Frau „aus dem Osten“ gelang, mit 45 Jahren Vorständin einer der weltweit größten Banken in Frankfurt am Main zu werden ist. Sie „ging ihren Weg voller Träume als junges Mädchen in der DDR, das mit der Wende einen radikalen Kulturwandel erlebte und lernte, sich in einer neuen Gesellschaft zurecht zu finden“. Dies wertet sie als einen entscheidenden Vorteil der Wendekinder, denn diese mussten „aus dem Stand in neuen Lebensumständen funktionieren“, ihr Verhalten früh entsprechend anpassen und eine neue Werteordnung annehmen. Sie jobte bereits während der Abiturphase, dann auch während der weiteren Ausbildungen. Das führte nicht unbedingt zu Bestnoten, aber zum notwendigen Durchsetzungsvermögen. Außerdem traf sie auf Mentoren, die ihr den Weg aufzeigten – unter anderem mit einem „Klassiker der Führungskräfte“: 48 Gesetze der Macht von Robert Greene. Stoytchkowa akzeptierte diese Karrieregesetze nicht bedingungslos, sondern setzte sich mit ihnen auseinander und bleibt sich dabei selbst treu. Auch ihre eigenen Fehler zeigt sie auf; ihr größter sei gewesen, Netzwerke zunächst nicht hoch genug priorisiert zu haben.

Nahezu „nebenbei“ vergleicht sie die Bildungssysteme der alten und neuen Bundesländer und betont dabei die Stärken des Bildungssystems in der DDR. Weiterhin verwahrt sie sich dagegen, dass der Osten ständig als „homogene Masse“ angesehen würde; niemand käme auf die Idee, im Westen zum Beispiel Menschen in Braunschweig und Bayern unter einer Rubrik zusammenzufassen.

Insofern ist das Buch nicht nur eine Anleitung und Ermutigung, den eigenen Weg zu gehen, sondern auch eine höchst aktuelle Auseinandersetzung mit gängigen Klischees.

Viola Schubert-Lehnhardt

Simona Stoytchkowa: Die aus dem Osten. Als Wendekind ins Big Business, Murmann Publishers,

Hamburg 2024, 231 Seiten, 25,00 Euro.

 

Glück gehabt

Nach fünf Tagen Schniefen, Husten und die Wärmflasche umarmend hatte sie das Nachthemd mit Pullover und Leggins vertauscht und einen gepflegten Sonntagnachmittag im Visier. Vielleicht nach quälenden Tagen der Enthaltsamkeit eine Tasse starken Kaffee, garniert mit einem kleinen Stück Eierschecke?

Das war der Plan.

Doch exakt nach der angegebenen Inkubationszeit schniefte und hustete ihr sie bis dahin Pflegender. Nunmehr seinerseits wenig interessiert an einer Wohlfühlstunde.

Die Latte lag hoch, was die von ihr erwartete Pflegeleistung anbetraf: Tees kochen, Hühnersuppe bereiten. Gut, Kräutertees waren sowieso nicht sein Ding und somit zu ignorieren. Doch eine exzellente Hühnersuppe – das war die Marge.

Im Küchenschrank standen jede Menge Kochbücher. Da würde sich wohl was Verständliches finden lassen …

Allerdings gehörte sie zu den Essern, nicht zu den Kochern. Diese Arbeitsteilung war vor Jahrzehnten von ihr ohne Murren akzeptiert worden.

Zum Glück gab es die Erfindung des Eisschrankes. Da fanden sich noch Portionen eingefrorener Hühnersuppe. Aus seiner Produktion!

Nudeln kochen konnte sie.

ch

Des Sängers Fluch

von Ludwig Uhland

Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,
weit glänzt es über die Lande bis an das blaue Meer,
und rings von duft’gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

 

Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,
er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.

 

Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,
der ein’ in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß,
es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.

 

Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm an den vollsten Ton!
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!
Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz.“

 

Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl,
der König furchtbar prächtig wie blut’ger Nordlichtschein,
die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.

 

Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll;
dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

 

Sie singen von Lenz und Liebe, von sel’ger goldner Zeit
von Freiheit, Männerwürde, von Treu’ und Heiligkeit,
sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

 

Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
des Königs trotz’ge Krieger, sie beugen sich vor Gott;
die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

 

„Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?“
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt.
draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.

 

Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm.
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
er bind’t ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.

 

Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
an einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt;
dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:

 

„Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

 

Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig’ ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
daß ihr in künft’gen Tagen versteint, verödet liegt.

 

Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms!
Dein Name sei vergessen, in ew’ge Nacht getaucht,
sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!“

 

Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,
die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört;
noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht;
auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

 

Und rings statt duft’ger Gärten ein ödes Heideland,
kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch!

 

Heinrich Lund / Wilhelm Suhr (Hrsg.): Deutsches Dichterbuch,

Verlag Herrosé & Ziemsen, Wittenberg o.J. (um 1910).

 

Bücher, auf die wir uns freuen

„Deutschland, eifrig Lieferland“ von Ernst-Wilhelm Schnellgeld

 

Der Businessmanager Ernst-Wilhelm Schnellgeld will ein Logistikunternehmen namens „1,2,3“ gründen, bei dem nicht die Zustellung im Vordergrund steht, sondern die Aktivierung der Kunden. Es folgt ein Auszug aus seiner in Kürze erscheinenden Broschüre „Deutschland, eifrig Lieferland“: „Ich bin dabei, ein Logistikunternehmen namens 1,2,3 zu gründen, das die Online-Kunden aus der Lethargie reißt und zu aktiven Partnern macht. Die Mitarbeiter für Zustellung wissen, was sie zu tun haben, wenn etwa ein 82-jähriger Kunde behauptet, er habe aufgrund seines Alters und einer Gehbehinderung länger als 60 Sekunden bis zur Sprechanlage gebraucht, wonach man ihn als ‚nicht angetroffen‘ eingestuft habe. Kunden in so schlechtem Trainingszustand gilt es zu aktivieren.

Deshalb werden wir uns nicht darauf verlassen, dass ein auf unser Klingeln reagierender Kunde auch Pakete für seine Nachbarn entgegennimmt. Wir klingeln nicht, doch sobald irgendwer die Haustür öffnet, werfen wir sämtliche Pakete dem Kunden vor die Tür, der dem ‚Abstellen‘ zugestimmt hat. Vergreift sich jemand an fremdem Gut, so aktiviert dies den eigentlichen Empfänger umso mehr, sofern er seines Pakets habhaft werden will.

Auch wenn in einem Haus niemand dem Abstellen zugestimmt hat, bleibt das Zustellen sekundär und die Kundenaktivierung primär. Wir befördern die Pakete dann zu einem Pick-up-Shop, der in einem wegen Straßenbauarbeiten, Straßenbahnumleitung oder (sehr aktuell!) Brückeneinsturz schwer erreichbaren Stadtteil liegt. Kleine Shops, von der Änderungsschneiderei bis zur Erotik-Boutique, eignen sich dafür hervorragend, besonders dann, wenn sie telefonisch nicht erreichbar sind, was durchaus noch vorkommt.

Wird dem Kunden infolge eines Softwarefehlers versehentlich ein günstig gelegener und zu annehmbaren Zeiten geöffneter Pick-up Shop angeboten, so widerrufen wir dies zeitnah, teilen höflich mit, die Lieferung dorthin sei leider nicht möglich, und benennen einen abgelegenen Shop.“

Gerüchte besagen, Schnellgeld habe nichts Neues erfunden, sondern kopiere die Praktiken eines Logistikunternehmens, dessen Name aus drei Buchstaben besteht, von denen einer zweimal vorkommt. Mit derartigen Unterstellungen machen wir uns nicht gemein.

Rainer Rönsch

Auf den Punkt gebracht

Den liberalen Demokratien des Westens

ist ihr Triumph am Ende des Kalten Krieges nicht·gut bekommen.

Heinrich August Winkler

 

Man sollte eigentlich im Leben

nicht zweimal die gleiche Dummheit machen,

denn die Auswahl ist groß.

Bertrand Russell

 

Religionen verdienen, wie andere Ideen auch,

Kritik, Satire und, ja, unsere furchtlose Respektlosigkeit.

Salam Rushdie

 

Die Seele ist der einzige Artikel,

den man verkaufen und doch behalten kann.

Darum verkaufen sie auch so viele.

Friedrich Hebbel

 

Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden,

als die Dunkelheit zu verfluchen.

Konfuzius

 

Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen.

Danach verzichtete er auf weitere Experimente.

Mark Twain

 

Jeder Schritt echter Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme.

Karl Marx

 

Unser ganzes Leben ist ein unausgesetzter Kampf

mit Hindernissen, die am Ende den Sieg davontragen.

Arthur Schopenhauer

 

Wenn die Unfähigkeit einen Namen braucht, nennt sie sich Pech.

Charles Maurice de Talleyrand-Périgord

 

Ich habe Erfolg.

Aber ich habe keinerlei Wirkung.

Kurt Tucholsky

 

Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden,

aber nicht einfacher.

Albert Einstein

 

Größenwahn ist nicht, dass man sich für mehr hält als man ist,

sondern für das, was man ist

Karl Kraus

 

Hölle ist bloß ein Geisteszustand.

Christopher Marlowe,

Dr. Faustus

 

Wenn ein Arzt hinter dem Sarg eines Patienten geht,

folgt manchmal tatsächlich die Ursache der Wirkung.

Voltaire

 

Wenn man es nicht schafft zu planen,

plant man, es nicht zu schaffen.

Benjamin Franklin

 

Jedes Ding hat drei Seiten

eine positive, eine negative und eine komische.

Karl Valentin

 

Das Schweigen der Massen ist das Verbrechen,

wofür sie büßen.

Karlheinz Deschner

cf

Film ab

Für areligiöse Kinogänger und für bekennenden Atheisten schon gar dürfte die Aussicht auf ein filmlanges Streitgespräch über die Frage der Existenz oder Nicht-Existenz Gottes wahrscheinlich kaum nach einer Aufforderung klingen, mal wieder ein Lichtspieltheater aufzusuchen. Wenn allerdings der eine Disputant, der ob des ubiquitären menschlichen Elends in der Welt im Allgemeinen und wegen persönlicher Schicksalsschläge im Konkreten die Existenz eines höheren ordnenden, womöglich gar gütigen Wesens rigoros in Abrede stellt, Siegmund Freund heißt und vom zweifachen Oscar-Preisträger Anthony Hopkins verkörpert wird, und wenn dessen lesbische Tochter Anna, die unter der psychischen und physischen Dominanz des Vaters fast selbst zum pathologischen Fall für die Couch geworden wäre, von Babylon Berlin-Star Liv Lisa Fries gegeben wird, dann ändert das die Ausgangsparameter von Contra in Pro Kinobesuch. Und tatsächlich ist Mathew Brown jenseits aller religionsphilosophischen Aspekte ein höchst beeindruckendes Kammerspiel gelungen.

Clemens Fischer

„Freud – Jenseits des Glaubens“, Regie und Drehbuch (Mit-Autor): Mathew Brown; derzeit in den Kinos.

 

Neue Limericks (XI)

von Thaddäus Faber

Die Einwohnerschaft von Hemden

vergraulte noch jeden Fremden.

Kam wer in den Ort,

war der bald wieder fort –

wegen Mobbing von Fremden in Hemden.

 

Ein Mann aus Ibbenbüren

wetterte gegen Gebühren –

ob für Abwasser, Post oder Müll,

das war einfach alles zu viel:
„Diese Zahlungen muss man stornieren!“

 

Als besonderes Highlight in Beelen

war die Domina dort zu empfehlen.

Wer das Studio fand

und die Tortur überstand,

der hatte was zu erzählen!

 

Ein Jungbauer aus Havixbeck,

trug sein Herz am rechten Fleck:

Der griff sich ‘ne Maid

und hat sie sofort gefreit.

Gewissermaßen – vom Fleck weg.

 

Ein Ehepaar aus Albachten

gehörte zu den ewig Verkrachten.

Ob Mai, ob Oktober,

stets brannte der Schober.

Wie die beiden das bloß immer machten?!

 

Einem Berliner in Leese

stieg so ein Duft in die Neese,

von würziger Fülle.

Sie nennen‘s dort Gülle.

So schnell ist man Neese in Leese.

 

Ein viriler Herr Müller aus Dickte

nahm sich zusammen und schickte

an Hansi und Fred

ein schönes Paket,

wo der sonst doch immer bloß fi …, äh, schnackselte.

Musikalisches Strandgut

Das künstlerische Œuvre von Hans-Eckardt Wenzel, der als Künstler schlicht unter „Wenzel“ firmiert, ist beeindruckend vielfältig und umfangreich.

Der in der DDR geborene und aufgewachsene Wenzel veröffentlichte im Jahre 1987 mit „Stirb mit mir ein Stück“ seine erste Langspielplatte, für die er mit der „Goldenen Amiga“ geehrt wurde. Seither sind knapp fünfzig Tonträger und etliche Bücher erschienen.

Neben eigenen Texten hat er auch Stücke von Christoph Hein, Heinrich von Kleist, Woody Guthrie oder Theodor Kramer vertont und gesungen.

In seinem siebzigsten Lebensjahr hat er nun die CD „Strandgut der Zeiten“ veröffentlicht. Bis auf das von Bertolt Brecht geschriebene „Sonett Nr. 19“ sind es diesmal nur Wenzelsche Textkreationen, die er auch selbst vertont hat.

Wortreich agitiert er gegen den herrschenden Wahnsinn und bezieht auch klare Position. So heißt es im Stück „Pazifist“:

Ich überschreite längst die Frist als Zivilist

Und bleib trotz Krieg und Krisen Pazifist

So geht es dem, der keinen Krieg vergisst

Und der allergisch gegen Uniformen ist.

Wenzel ist und bleibt ein streitbarer Geist, der sich nicht nur mit seinen Liedern, sondern auch in offenen Briefen oder Stellungnahmen in aktuelle Diskussionen einmischt.

Was ihm auf dieser CD besonders gut gelingt, sind abwechslungsreiche Instrumentierungen, die auch seine markante Stimme gut zur Geltung kommen lassen.

Im Zweifelsfall findet man Wenzel nicht am Tisch der Mächtigen, sondern „An den Kindertischen“:

Bei den Kindern bin ich leicht,

Ihre Sehnsucht kennt mich wieder,

Wenn sie ein paar Tage reicht,

Weil sie nicht dem Trübsinn weicht;

Davon leben meine Lieder.

Von wegen altersmilde. Wenzel bleibt sich treu und zeigt weiterhin trotzig seine linke Haltung. Folgerichtig zählt er sich zum „Strandgut der Zeiten […] zwischen den Stürmen, zwischen den Flauten.“

Thomas Rüger

Wenzel: Strandgut der Zeiten, CD 2024, Label: Matrosenblau/Indigo, um die 16,00 Euro.

WeltTrends aktuell

Die jüngste Ausgabe des Magazins WeltTrends widmet sich sicherheitspolitischen Fragen unserer Zeit. Der Bogen spannt sich von einer Bilanz des Versagens deutscher Außenpolitik über den Brüsseler Kurs Polens, den Krieg im Nahen Osten, den „reinen Kapitalismus“ des rechten argentinischen Präsidenten Milei bis zur Flüchtlingspolitik von EU und Türkei.

Im Mittelpunkt stehen die Entwicklungen in Eurasien. Dem Übergang „von der transatlantischen zur eurasisch-pazifischen Zentralität“ widmen sich Hannes Hofbauer und Andrea Komlosy, während es Richard Ghiasy um die Positionen Chinas und Indiens zur asiatischen Sicherheitsordnung geht. Mehrere Artikel beschäftigen sich mit dem weiteren Ausbau der BRICS-Gruppe, insbesondere dem XVI. BRICS-Gipfel in Kasan. Unser russischer Autor Sergej Birjukow und seine chinesischen Kollegen Han Dongtao und Cui Heng sehen in ihm die „Morgendämmerung einer neuen Weltordnung“.

WeltTrends. Zeitschrift für internationale Politik, Nr. 203 – Winter 2024 (Schwerpunktthema: Welt 21 im Umbruch); weitere Informationen im Internet: www.welttrends.de.

Aus anderen Quellen

„Aktive nukleare Abschreckung ist notwendig“, meint Sergej Karaganow mit Blick auf die russische Staatsführung, „denn es ist das mangelnde Vertrauen in die nukleare Abschreckung, das im Februar 2022 zur Einleitung einer ‚besonderen Militäroperation‘ [offizielle russische Sprachregelung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine – die Redaktion] führte. Die USA glaubten, dass der Westen einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen könnte, ohne einen Atomschlag befürchten zu müssen. Die westlichen Eliten haben vergessen, was Krieg ist und was ein Atomkrieg ist, und wir stehen nun vor der Notwendigkeit, zu verhindern, dass Konflikte zu einem Weltkrieg eskalieren. Dies erfordert eine neue Abschreckungsstrategie. Man muss in der Lage und entschlossen sein, Atomwaffen einzusetzen, wenn die grundlegenden Interessen Russlands verletzt werden.“

Gábor Stier: „Die westlichen Eliten haben vergessen, was Krieg ist und was ein Atomkrieg ist“ (Interview mit Sergej Karaganow), nachdenkseiten, 22.12.2024. Zum Volltext hier klicken.

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„Die Bundesregierung beendet das Jahr 2024 mit mehreren neuen Rüstungsrekorden“, heißt es auf der Plattform german-foreign-policy.com: „Am Mittwoch hat der Haushaltsausschuss des Bundestags 38 neue Rüstungsvorhaben genehmigt und damit die Gesamtzahl auf 97 gesteigert; im vergangenen Jahr waren es lediglich 55. Zudem hat der Wert der deutschen Rüstungsexporte schon vor Jahresende den bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2023 deutlich übertroffen und liegt nun bei 13,2 Milliarden Euro. Vor zehn Jahren waren es lediglich vier Milliarden Euro.

Waffen für die Welt, german-foreign-policy.com, 20.12.2024. Zum Volltext hier klicken.

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„Was nützen all die bestgemeinten Klimagipfel“, fragt Georges Hallermayer, „wenn der größte Klimakiller, die Verschmutzung der Atmosphäre durch das Militär, weiterhin aus der Diskussion ausgeschlossen bleibt, wie es die USA im Kyoto-Protokoll 1997 erfolgreich durchgesetzt hatten. Vereinzelt veröffentliche Daten des Pentagon oder anderer Nato-Staaten zur ‚Begrünung des Militärs‘ dienten eher der Verschleierung als einer Erhellung […], denn die klimatischen Auswirkungen von Kampfhandlungen, konkret gesprochen, die völkerrechtswidrigen ‚Terror‘-Kriege der USA gegen den Irak, Syrien oder Afghanistan blieben tabu, von den Folgen der 2-prozentigen Aufrüstung der NATO ganz zu schweigen.“

Georges Hallermayer: Klimakiller Militär, Ossietzky, 24/2024. Zum Volltext hier klicken.

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„Es begann Mitte Februar 2023 mit ausgelassenen Hüpfspielchen in der Unterwelt von Helsinki“, schreibt Leo Ensel und fährt fort: „Annalena Baerbock geriet ins Schwärmen über die ‚Stadt unter der Stadt‘: ‚In Sachen Zivilschutz ist Finnland Vorreiter in Europa und Vorbild für uns alle‘, tönte sie begeistert. Die unterirdischen Anlagen böten 900.000 Menschen Platz – mehr als die Stadt Einwohner hat. Mit ihrem untrüglichen Gespür für Trends erwies sich die deutsche Außenministerin wieder mal als Avantgardistin: Spätestens seit dem unmissverständlichen Postulat von Verteidigungsminister Pistorius, Deutschland müsse kriegstüchtig werden und dem „Operationsplan Deutschland“ wird hierzulande wieder laut für den – öffentlichen und privaten – Bunkerbau getrommelt.“

Leo Ensel: „Die Überlebenden werden die Toten beneiden!“ – Über den verordneten neuen Bunkerbauboom, globalbridge.ch, 17.12.2024. Zum Volltext hier klicken.

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Zu den Überschwemmungen vom Oktober 2024 an Chinas Küsten vermerkt Shi Ming: „Aufschlussreicher waren Äußerungen von Chinas Geologen und Hydrologen. Ihre Erklärung: Schon lange vor dem Anstieg des Meeresspiegels begannen Chinas Küstenstädte abzusinken, und zwar schon seit Jahrzehnten. Die Hauptursache sehen sie im fallenden Grundwasserspiegel. Anders als ihre Kollegen Meteorologen räumen sie ein, dass die Probleme ‚hausgemacht‘ und durch ‚menschliche Aktivitäten‘ verursacht seien. Doch auch sie wagen nicht, die brisanten Hintergründe zu enthüllen, vor allem nicht die Rolle, die der Staat dabei spielt.“

Shi Ming: Chinas sinkende Städte, monde-diplomatique.de, 12.12.2024. Zum Volltext hier klicken.

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Für seine zweite Amtszeit, so Kerstin Zilm, plane Donald Trump unter anderem Massenabschiebungen und eine verstärkte Förderung von Öl-Bohrungen. Das widerspreche Kaliforniens liberaler Politik. Der Bundesstaat versuche daher, seine Gesetze „Trump-sicher“ zu gestalten.

Kerstin Zilm: Kalifornien wehrt sich gegen Trumps Agenda, deutschlandfunk.de, 09.01.2025. Zur Audiodatei hier klicken.

Zusammengetragen von Wolfgang Schwarz.

Letzte Meldung

Einen dunkelblauen Herrenanzug der Marke Hugo Boss aus gemusterter Schurwolle und Seide im Konfektionssegment regular-fit kann man via Internet direkt beim Hersteller für 1300,00 Euro erwerben.

Den Qualitätsansprüchen der Bundeswehr für die Ausgehuniformen der in ihren Reihen dienenden Herren und Damen genügt ein derart industriell gefertigter Fummel von der Stange allerdings nicht. Da greift man gern tiefer in die Tasche(n der Steuerzahler): 825 Millionen Euro sind aktuell für neue Ausgehuniformen veranschlagt.

Ende Oktober 2024 belief sich die Gesamtzahl der Soldaten und Soldatinnen auf 181.358; somit würde jede Uniform 4549,01 Euro kosten.
Laut Bundeswehr bezwecke das Beschaffungsvorhaben „im Wesentlichen eine Verbesserung von Schnittführung und Obermaterial, um damit die Passform und den Tragekomfort zu erhöhen“. Doch damit nicht genug: Auch die „repräsentative Wirkung“ solle verbessert werden.

Na ja, wenn das so ist – wer wollte da knausern?

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