25. Jahrgang | Nummer 9 | 25. April 2022

Antworten

Erich Vad, Ex-Brigadegeneral und Ex-Berater von Angela Merkel – Sie können sich ja nur gratulieren, dass Sie schon Pensionär sind, denn mit den Auffassungen, die Sie zum Ukraine-Krieg vertreten, könnten Sie karrieremäßig schwerlich reüssieren. Ihre öffentlichen Äußerungen reichen von kapitulantenhaft („Wenn wir den dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“) bis noch viel schlimmer: So völkerrechtswidrig und furchtbar der Ukraine-Krieg auch sei, er stehe doch in einer Kette vergleichbarer Kriege jüngeren Datums. „Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan – so neu ist das alles nicht.“ Und dann setzten Sie erst noch einen drauf: „[…] die Inkaufnahme tausender toter Zivilisten hatten wir im Irak, in Libyen, in Afghanistan genauso.“ Die sogenannten Kollateralschäden in der Ukraine seien bisher sogar weitaus geringer als im Irak oder in Afghanistan. Nur um dann dem Fass endgültig die Krone aufzusetzen: Ebenso zweischneidig sei es, Putin vorzuwerfen, dass er die Ukraine und die Krim zur geopolitischen Einflusssphäre Russlands rechne und dass dies eine obsolete Sichtweise des 19. Jahrhunderts sei. Denn für die Amerikaner gelte „bis heute die Monroe-Doktrin, die besagt, dass auf dem amerikanischen Kontinent keine Interventionen fremder Mächte geduldet werden. Und die Karibik ist sicherlich auch eine Einflusssphäre, nicht erst seit der Kuba-Krise.“

Mein lieber Scholli, wären Sie noch im Dienst, dann könnten Sie sich umgehend Kay-Achim Schönbach zugesellen. Der hatte vor einigen Monaten, da war er Inspekteur der Bundesmarine, im fernen Indien auch nur Realistisches zum Ukraine-Konflikt geäußert – und wurde stante pede zur Unperson degradiert und zum Rücktritt ermuntert …

Frank-Walter Steinmeier, BuPräsi mit aktiver Fehlerkultur – Erst hat Sie der hiesige Botschafter Kiews zur Minna gemacht (siehe Blättchen 8/2022), dann hat das Präsidialamt von dessen Chef Sie zum unerwünschten Einreiser erklärt und anschließend haben Sie diesen Affronts Ihr Plazet erteilt, indem Sie öffentlich die Mea culpa, mea maxima culpa-Selbstkritiknummer abgezogen haben: Ihr „Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler“. In Putin hätten Sie sich, „wie andere auch, geirrt“. Und dann noch einen Klatsch Sahne auf den Cappuccino: „Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird. Wir sind gescheitert mit dem Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden.“

Verehrter, wenn man sich bei der eigenen Fehleranalyse schon wieder in die Taschen lügt, was ist dann eigentlich als nächstes angesagt? Niemand im Westen hat nach 1990 ernsthaft versucht, „Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden“. Stattdessen haben diverse NATO-Osterweiterungen unter Ignorierung russischer Einwände stattgefunden. Und auch zu Ihrer Zeit als Kanzleramtschef und später als Außenminister ist Moskau mit Placebos abgespeist worden (siehe Blättchen 13/2014), statt im „gemeinsamen europäischen Haus[…]“ eine sicherheitspolitisch gleichwertige Wohnung beziehen zu können.

Doch wir dürfen Ihnen versichern, dass Ihre jetzigen Krokodilstränen ob der eingetretenen Katastrophe in der Ukraine Sie uns nicht wesentlich unsympathischer machen, als sie es wegen Ihrer Mittäterschaft an der Hartz-Gesetzgebung (als Kanzleramtschef ) und Ihres Stillschweigens in der Curveball-Affäre (ebenfalls als Kanzleramtschef und als Oberaufseher über die bundesdeutschen Geheimdienste – siehe Blättchen 20/2021), mit der Washington seinen Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen den Irak 2003 rechtfertigte, eh schon waren.

Oder anders gesagt: „Ist der Ruf erst ruiniert, … kann eigentlich nix mehr passieren.“

Wolfgang Thierse (SPD), Ex-Bundestagspräsident – Einer hauptstädtischen Gazette haben Sie eröffnet: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie man mit Putin, dem Lügner und Verbrecher, Verträge abschließen will.“ Dem Vernehmen nach sollen Sie allerdings um 2003 herum keine vergleichbaren Anwandlungen geplagt haben. Sie sind einfach mit dem Lügner und Verbrecher George W. Bush (Einfall in Afghanistan, Angriffskrieg gegen Irak, Drohnen-Morde dort & da, Abu Ghuraib, Guantanamo et cetera) in der NATO traut verbündet geblieben. Vielleicht fragen Sie sich gelegentlich mal, ob es nicht genau diese doppelten Standards sind, die nicht nur die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei ein ums andere Mal ad absurdum führen, sondern immer wieder auch zu Krisen und Konflikten in der Welt nicht unmaßgeblich beitragen. Und wenn wir schon dabei sind: Ist es nicht eine abgefeimte, nachgerade perverse Ironie, dass mit Joe Biden ausgerechnet der Präsident jenes Staates seinen russischen Amtskollegen vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt sehen will, der sich nicht nur der Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Den Haag seit dessen Gründung im Jahre 2002 verweigert, sondern zeitweise auch Mitarbeiter dieser Instanz sanktioniert und mit Visabeschränkungen belegt und überdies anderen Staaten Strafen angedroht hat, sollten sie dem IStGH beitreten?

Wer solche Freunde hat, braucht der eigentlich noch Feinde?

Heribert Prantl, Leuchtturm in finsteren Zeiten – Jüngst bekannten Sie: „Ich will nicht, dass die Künstler der Kriegsräson unterworfen werden. Ich bin irritiert, wenn ihnen politische Bekenntnisse abverlangt werden, auf dass sie weiter auftreten dürfen. Er ist nicht gut, wenn die Qualität von Musik, von Orchestern, Dirigenten, von Bildern und Büchern daran bemessen wird, welche Nationalität der Maler, die Sängerin oder der Schriftsteller haben. Kunst trotzt Ausgrenzung. So soll es sein. So muss es sein.“

Das ist uns total aus dem Herzen gesprochen.

Doch zugleich stößt uns die Frage sauer auf: Und warum in drei Teufels Namen ist es nicht so?

Eine Antwort haben wir bei Wilhelm Busch gefunden: „Auch Dummheit ist eine natürliche Begabung.“

Eckhard Henscheid, ins Aus gelästert? – Bloß weil Sie in diesem Magazin in jüngerer Zeit mehrfach wohlwollende Erwähnung fanden, enthebt Sie das keinesfalls der Chance, gegebenenfalls gründlich in Verschiss zu geraten.

Nun ist es leider soweit!

In Ihren aus den 1980er Jahren stammenden „Sudelblättern“ mussten wir jetzt nämlich darauf stoßen, wie Sie Hanns-Dieter Hüschs Programm „Und sie bewegt mich doch“ (1985) seinerzeit behämt haben: „Daß einer scheint’s wirklich und immer noch von solchen transgalileischen, ja transzendentalen Dumpfbrütereien leben kann: Das ist, abgesehen davon, daß ihm dies Leben sogar zu gefallen scheint, das überaus ‚Frappante‘ (Karl Valentin).“

Aha – „Dumpfbrütereien“ also!

Und mehr noch: An anderer Stelle sollen Sie Hüsch gar als den „Allerunausstehlichste[n]“ geschmäht haben.

Werter Herr Henscheid, wem dermaßen komplett die Fähigkeit abgeht, eine Gnade der Schöpfung, wie sie das Wandeln und Wirken dieses Mannes, „der den Jazz in Worte fasste“ (SPIEGEL ONLINE), dieses „Poeten unter den Kabarettisten“ – so wurde Hüsch, wenn auch vielleicht vom falschen Manne (Johannes Rau), trefflich genannt – im ansonsten eher grau-tristen Erdenrund nun einmal darstellte, als solche zu erkennen, geschweige denn zur eigenen ob nun intellektuellen oder weniger ambitionierten Erbauung zu genießen, der setzt sich dem zweifelsfrei ehrabschneidenden Verdacht aus, schlussendlich doch bloß ein Niederrheiner zu sein.

Sie wissen ja: „Der Niederrheiner ist […] zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.“

Und wer hat’s gesagt? Natürlich – unser aller (also seiner auch knapp 17 Jahre nach seinem Ableben Fans) Hans-Dieter.

Elena Matera, Kollegin von der Berliner Zeitung – In einem Leitartikel am 12. April 2022 beklagten Sie zu Recht, dass vor dem Rücktritt der Bundesfamilienministerin Anne Spiegel „eine gewaltige Hetzkampagne […] gegen die Grünen-Politikerin geführt wurde“; so „gut wie alle Medien“ seien „dabei aufgesprungen“. Und: „In den sozialen Netzwerken wurde die Grünen-Politikerin bis aufs Äußerste beschimpft und diffamiert. Die Opposition hat geifernd ihren Rücktritt gefordert. Nutzerinnen und Nutzer von Plattformen wie Twitter oder Facebook stimmten lauthals mit ein.“

So weit, so zutreffend, so ekelhaft!

Doch dann schrieben Sie: „Es war eine Hexenjagd, die ein Ausmaß annahm, das nicht mehr gerechtfertigt war.“

Dieser Satz besagt implizit nichts weniger als, dass es auch Hexenjagden geben könnte, deren Ausmaß sich sehr wohl rechtfertigen ließe. Wir wollen Ihnen nun weiß Gott nicht unterstellen, dass Sie einer solch, mit Verlaub, kranken Auffassung anhängen, aber zu etwas mehr Achtsamkeit im Umgang mit dem Handwerkszeug, in diesem Falle der Sprache, möchten wir auch einer Trägerin des Helmut-Schmidt-Nachwuchspreises schon raten dürfen.