17. Jahrgang | Nummer 14 | 7. Juli 2014

Bemerkungen

Linke Peinlichkeit

„Warum“ so fragte der Publizist Robert Misik jüngst in der taz mit Bezug zu der Formel vom „Dabeisein und Dagegensein“, „sind viele Linke so peinlich?“ Und: „Denn eines ist ja ziemlich erklärungsbedürftig: Wenn man, wie ich, der Meinung ist, dass die Linke generell recht, die Rechte im Allgemeinen unrecht hat, warum ist die Linke dann oft so lächerlich?“
Und er wagt einen Erklärungsversuch: „Vielleicht ist es ja so: Dagegensein birgt die Gefahr der Fundamentalopposition. Die Welt schlecht, mithin für verbesserungswürdig zu halten, lässt Leute dazu neigen, jedes Detail der Wirklichkeit als Indiz für die hoffnungslose Schlechtigkeit der Welt zu nehmen. Ergebnis: Ein Tunnelblick, in dem man sich dann auch noch unter Seinesgleichen bestärkt. Wie aber soll man die Welt verbessern mit Leuten, mit denen nichts Sinnvolles anzustellen ist?“
Man muss nun mit Misik nicht gleich eine gedankliche Ehe eingehen, allzu berechtigt scheint seine Frage aber schon, stellt Links-Sein für leider nicht wenige derer, die sich dazu bekennen (Lauterkeit sei dabei durchaus vorausgesetzt, da man in der mehrheitlichen Öffentlichkeit heute dafür keinen Blumentopf mehr gewinnen kann) nur einen Anti-Reflex zur Schau, der für sie den großen Vorzug hat, für Mitverantwortung erst wieder zur Verfügung zu stehen, wenn die obwaltenden gesellschaftlichen Gesamtumstände ihren Vorstellungen entsprechen …
Die oftmals nicht eben sympathieheischende Selbstdarstellung linker Weltverbesserer hat nun aber schon in früheren Zeiten irritiert – und zwar nicht nur ihre Gegner. Artur Koestler zum Beispiel erinnert autobiografisch auch an diese Episode: „Die kommunistische Schriftstellerin Anna Seghers machte einmal eine unvorsichtige Bemerkung, die mir in Erinnerung geblieben ist. Sie erzählte in einem kleinen Kreis von Parteimitgliedern von einer geheimen Zusammenkunft mit einem Genossen in einem österreichischen Wald. Es war Frühling, und trotz der Umstände machte ihr der Waldspaziergang große Freude. Als sie dann den Mann, einen Parteifunktionär, traf, begann er sofort mit einer ‚Analyse der Schwierigkeiten, der sich die Partei gegenüber sah, und der Mittel zu deren Überwindung.‛ Ihr schien, dass von dem Augenblick alle Vögel verstummten, die Luft ihren Duft verlor und die jungen Blätter an den Bäumen zu welken begannen. Sie war und ist überzeugte Kommunistin, und dieses Erlebnis verstörte sie. ‚Warum‛, fragte sie niedergeschlagen, ‚warum welken die Blätter überall, wo wir hinkommen?‛“

Hella Jülich

Aus anderen Quellen

Ursula von der Leyen hat sich zunächst bedeckt gehalten und sich nun für die Einführung bewaffneter Drohnen in die Bundeswehr entschieden. Währenddessen hat ein hochrangiges US-Expertenteam sein Urteil über Obamas auswärtige Drohneneinsätze folgendermaßen resümiert: „Wir sind […] besorgt darüber, dass die Verfügbarkeit von tödlichen Drohnen die amerikanische Regierung zu einer Kriegsführung verleitete, zu der es ohne diese Technologie nicht gekommen wäre.“ Und: „Es lässt sich beweisen, dass islamistische Extremistengruppen in den Einsatzgebieten amerikanischer Drohnen an Geltung, Gefährlichkeit und Einfluss gewonnen haben. Die amerikanischen Angriffe bedeuten strategische Risiken. Dazu zählt die Erosion staatlicher Souveränität, Gefahren durch Rache und das Risiko, in einen fortwährenden Krieg hineinzuschlittern.“ Geleitet wurde das Team von John P. Abizaid, in den Jahren George W. Bushs Kommandeur des US Central Commands und damit einer der ranghöchsten amerikanischen Generäle, zuständig für 25 Länder vom Nahen Osten bis Zentralasien.
Stefan Schulz: Drohnen unter Feuer, FAZ.NET, 01.07.2014. Zum Volltext hier klicken.

Das ist für FAZ-Herausgeber Berthold Kohler kein Grund, auf bewaffnete Drohnen zu verzichten. Sein Argument ist ebenso schlicht wie irreführend: „Niemand zwingt uns dazu, Drohnen so einzusetzen wie Obama.“ Denn: Auch Obama hat niemand „gezwungen“, und trotzdem … – siehe oben.
Berthold Kohler: Angst und Schrecken, FAZ.NET, 02.07.2014. Zum Volltext hier klicken.

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„Seit Wochen verübt das US-gestützte Regime in Kiew Gräueltaten gegen seine eigenen Bürger in der südöstlichen Ukraine, […] großenteils bewohnt von Russisch sprechenden Ukrainern und ethnischen Russen. Weil diese militärischen Angriffe auf Städte, dokumentiert auf Video, eine wachsende Zahl von Opfern, unschuldigen Menschen einschließlich Kindern, nach sich ziehen, erzeugen sie Druck in Russland auf Präsident Wladimir Putin, ‚unsere Landleute zu schützen‘“, schreibt Stephen F. Cohen und fährt fort: „Die Reaktion der Obama-Administration – wie auch der auf einen neuen Kalten Krieg fokussierten Falken im Kongress und im Establishment der Medien […]: Schweigen, unterbrochen nur durch gelegentliche Statements, die die Gräueltaten Kiews entschuldigen und damit zu weiteren ermuntern.“
Stephen F. Cohen: The Silence of American Hawks About Kiev’s Atrocities, The Nation, 30.06.2014. Zum Volltext hier klicken.

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Als vor drei Jahren in Deutschland die Politik den vorgezogenen Atomausstieg beschloss, war, wie Wolfram Weimer konstatiert, die politische Klasse hierzulande der Meinung, die Welt würde dem Beispiel folgen. Dem war nicht so. Insgesamt seien derzeit „weltweit 72 Kernkraftwerke neu im Bau; sie würden die bestehenden 435 Meiler massiv ergänzen“, zitiert der Autor den IAEA-Generaldirektor und kommt zu dem Resümee: „Damit erweist sich der panikartige Atomausstieg […] als eine verblüffend einsame Veranstaltung. Die Berliner Energiewende wird im Ausland weithin als eine deutsche Kurzschlussreaktion angesehen, vor allem da sich die Folgeprobleme daraus immer weiter auftürmen. Der Netzausbau stockt, die Strompreise steigen, der Industriestandort wird belastet, Milliardensubventionen in alternative, aber unrentable Energien sind vergeudet und eine absurde, hochbürokratische Energieplanwirtschaft ist entstanden. Zugleich wird die Stromversorgung in Deutschland labiler, denn die enormen Einspeisesubventionen für Ökostrom zwingen inzwischen sogar die modernsten und saubersten Gaskraftwerke der Welt zum Stillstand. Und da in der Not auch noch mehr Kohle verstromt wird, trübt sich am Ende sogar die Klimabilanz ein.“
Wolfram Weimer: Die Kernenergie ist wieder da, Handelsblatt, 27.06.2014. Zum Volltext hier klicken.

Der Klerus, ein Atheistenklub,
Die FIFA, ein Sportverein …

In Brasilien ist Alkohol in Fußballstadien seit 2003 verboten. Dass Trunkenheit schon wegen des mit ihr verbundenen Aggressionspotentials dem Gedanken eines sportlichen Wettbewerbs diametral zuwiderläuft, ist weltweit eine böse Erfahrung. Außer bei jener Einrichtung, die den Fußball weltweit organisiert und repräsentiert: die gemeinnützige (!!!) FIFA. Sie hatte Brasilien das Ultimatum gestellt, den Verkauf von Alkohol bei einer WM zuzulassen oder halt in die Röhre zu schauen; was Wunder, wenn eine Großbrauerei – Anheuser-Busch InBev, Produzent auch von Budweiser – zu den wichtigsten Sponsoren des gemeinnützigen Vereins gehört. Jérôme Valcke hatte vor der WM kein Hehl daraus gemacht, dass das Geschäftliche auch in Sachen Alkohol klar vor dem Sportlichen einer WM steht. Der Verkauf von Bier in Stadien, so der FIFA-Generalsekretär, sei für die Fifa nicht verhandelbar. „Alkoholische Getränke sind Teil der WM, und wir werden sie haben.“
Jetzt ist selbiger Valcke öffentlich besorgt, denn die große Zahl der zum Teil schwer betrunkenen Fans bei der WM erschüttere und beunruhige ihn. Ein erhöhter Konsum von Alkohol könne zu mehr Gewalt führen, weiß Blauauge Valcke nun auch. So viel Bier kann kein Mensch trinken, um sich adäquat solcher Heuchelei erbrechen zu können. Weiß der Golfstaat Katar als prinzipieller Ächter des Alkohols und designierter Ausrichter der nächsten WM eigentlich, worauf er sich einlässt?

Rüdiger Probst

FIFA, UEFA, DFB – hundsgemeinnützig

Die Schweiz gilt nicht unbedingt als ein Mutterland des Fußballs, als Steuerparadies allerdings umso mehr. Dass allein klärt die einstige Wahl der FIFA, Zürich zu ihrem Amtssitz zu erwählen, hinreichend. Aber mehr noch: Um zeitgleich enorme Gewinne zu machen und diese – teilweise oder komplett – von Steuern zu befreien, hat man sich den Status der Gemeinnützigkeit ans Revers geheftet; selbiges gilt für UEFA und den Deutschen Fußballbund DFB. Der Status ist gemäß der deutschen Abgabenordnung so definiert: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“ Wem bekannt ist – und das kann jedem bekannt sein, da es allgegenwärtig publiziert wird – dass Profi-Fußballvereine samt deren Verbänden längst pure Gelddruckmaschinen sind und dieses Geld teilweise immer wieder in offen kriminelle Umläufe gerät, könnte vor allem über den in diesem Kontext verwendeten Begriff der Selbstlosigkeit herzlich lachen. – Wenn es sich dabei nicht um die Perfidie aller beteiligten Profiteure handeln würde, die Leidenschaft von Millionen Liebhabern dieses Sports in deren vorgeblichen Namen und letztlich auf deren Kosten (siehe Steuerbefreiung) derart schamlos dafür zu nutzen, sich die Taschen zu füllen. Und je mehr dieser Sport dank der mitverdienenden Medien zur öffentlichen Sucht gepusht wird, umso widerlicher: Ist der Ruf erst ruiniert, verdient es sich ganz ungeniert …

Hella Jülich

Kulturindustrie, zeitlos

Es gibt Bücher, deren Gehalt nicht nur wichtig ist zur Zeit ihres Erscheinens, sondern deren Gültigkeitsgrad mit der Zeit sogar steigt. Die „Dialektik der Aufklärung“ von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno 1944 im US-amerikanischen Exil verfasst und herausgegeben, ist solch ein Werk. Zum halben Dutzend jener Fragmente, aus denen das Buch besteht, gehört auch das Traktat: „Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug“. Beim seinerzeitigen Stand der Technik noch auf Presse, mehr noch aber auf Rundfunk und Film bezogen, haben Horkheimer und Adorno eine Analyse abgeliefert, die auch heute von großer aufklärerischer Gültigkeit ist, ja, dank der mittlerweile noch entfesselteren Möglichkeiten besagter Kulturindustrie brandaktuell ist.
Einen Essay wie diesen, ebenso wie die anderen dieses berühmten Buches hier referieren zu wollen, ist weder möglich noch gewollt. Als Anreiz, sich selbst in diese Texte zu vertiefen mögen einige wenige Zitate dienen.

„Alle Massenkultur unterm Monopol ist identisch, und ihr Skelett, das von jenem fabrizierte begriffliche Gerippe, beginnt sich abzuzeichnen. An seiner Verdeckung sind die Lenker gar nicht mehr so sehr interessiert, seine Gewalt verstärkt sich, je brutaler sie sich einbekennt. Lichtspiele und Rundfunk brauchen sich nicht mehr als Kunst auszugeben. Die Wahrheit, dass sie nichts sind als Geschäft, verwenden sie als Ideologie, die den Schund legitimieren soll, den sie vorsätzlich herstellen. Sie nennen sich selbst Industrie, und die publizierten Einkommensziffern ihrer Generaldirektoren schlagen den Zweifel an der gesellschaftlichen Notwendigkeit der Fertigprodukte nieder.“

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„Unweigerlich produziert jede einzelne Manifestation der Kulturindustrien die Menschen als das, wozu die ganze sie gemacht hat. Darüber, daß der Prozeß der einfachen Reproduktion des Geistes ja nicht in die erweitere hineinführe, wachen alle seine Agenten, vom producer bis zu den Frauenvereinen.“

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„Die Unverschämtheit der rhetorischen Frage ‚Was wollen die Leute haben!‛ besteht darin, daß sie auf dieselben Leute als denkende Subjekte sich beruft, die der Subjektivität zu entwöhnen ihre spezifische Aufgabe darstellt.“

hwk

Max Horkheimer/ Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Philosophische Fragmente, Fischer Taschenbuch 1988, 14,90 Euro.

Tiefer geht’s nicht? Doch!

„Erlaubt ist, was gefällt“ – heißt die toleranzgeprägte Antwort auf bange Fragen danach, ob in der Praxis körperlicher Liebe etwas unschicklich und verrucht sein könnte. Fernsehmacher, vornehmlich jene des Privat-TV, legen ihrer Programmgestaltung dieses Motto ebenfalls zugrunde, was plausibel und akzeptabel wäre, ginge dieses Credo nicht einher mit jener kleinen Abwandlung, die da lautet: „Erlaubt ist, was Quoten bringt und also Kasse macht.“
Sat1, hinsichtlich übermäßiger Kultur- und Bildungsvermittlung nicht eben bekannt, nimmt sich nun das dänische Privatfernsehen zum Vorbild und startet das, was Spiegel-Online „ein umstrittenes Sozialexperiment“ nennt. Als „radikale Variante klassischer Datingshows“ will der Sender im Winter Singles mit wildfremden Menschen verheiraten, die sich also erst vor dem Traualtar kennenlernen und neben diesem extraordinären Trauungsglück dann auch wochenlang jenes genießen dürfen, von entsicherten Sat1-Kameras und -Mikrophonen begleitet zu werden. Nun ist es keineswegs so, dass alle Welt es Max Liebermann gleichtun und über so viel Menschenverachtung kotzen möchte; über 200 Bewerbungen sprechen die Sprache jener Bedeutungsgeilen, die seit je Zielgruppe der Werbewirtschaft und deren angeschlossener Sender sind. Was wiederum jene Reaktion der Programmchefs ermöglicht, die da lautet: „Erlaubt ist, was gefällt“; „Fresst Fäkalien, Myriaden Fliegen können sich nicht irren“ ist nur eine vulgäre Fassung dieser Devise.
Es sind übrigens nicht nur die widerlichen „Fernsehunterhalter“ dieses Schlages, die ein Fernsehen mit einer solch hohen Zynismus-Quote möglich macht. Unter den „vier Experten“, die die ersten vier dieser Hochzeitspaare ausgewählt haben, befinden sich laut Spiegel auch ein Pastor und eine Paartherapeutin.“ Dummheit bleibt unendlich…

hwk

Erkenntnisse

„Das Geheimnis des Lebens ist, daß man das Vergnügen schätzt, sich schrecklich, schrecklich zu irren.“

„Auf seine eigene Art zu denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht.“

„Die Revolution ist die erfolgreiche Anstrengung, eine schlechte Regierung loszuwerden und eine schlechtere zu errichten.“

„Was den modernen Journalismus angeht, so ist es nicht meine Aufgabe, ihn zu verteidigen. Er rechtfertigt seine Existenz nach dem großen Darwinschen Prinzip der Niedrigsten.“

„Erfahrung ist der Name, den jeder seinen Irrtümern gibt.“

„Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt.“

„ Es ist ein Verhängnis mit allen guten Vorsätzen. Sie werden unweigerlich zu früh gefaßt.“

„Gute Vorsätze sind Schecks, auf eine Bank gezogen, bei der man kein Konto hat.“

„Die Menschen nehmen sich selbst zu ernst. Das ist die Erbsünde der Welt. Hätte der Höhlenmensch zu lachen verstanden, wäre die Weltgeschichte anders verlaufen.“

Oscar Wilde 1854-1900

Plädoyer für die Kunst

Zu dem, was in Sachen Olympischer Spiele bereits weitgehend vergessen ist, gehört, dass zwischen 1912 und 1948 auch die Kunst olympisch war. Gold- Silber- und Bronzemedaillen wurde seinerzeit also selbst bei „Disziplinen“ wie etwa der Gebrauchsgrafik und Bildhauerei oder für Gemälde und Gedichte vergeben. Zugunsten diverser neuer Sportarten, die zu olympischen geadelt wurden, fand dieser Teil der Spiele dann ein abruptes Ende.
Nun scheint sich eine Renaissance zumindest der bildenden Kunst im sportlichen Kontext anzubahnen. Bei den Fußball-Weltmeisterschaften – immerhin kongeniales Weltereignis zu den olympischen Spielen – ist sie nicht nur wieder irgendwie präsent sondern sogleich auf das anmutigste und harmonischste in den Sport integriert. Das, was die Kicker ziemlich aller beteiligten Nationen an Tattoos an Armen, Beinen und Oberkörper zur Schau stellen, nimmt ersichtlich bis zu 50 Prozent der körpereigenen Haut-Tapete ein; dass es sich durchweg um teuer bezahlte und damit zwangsläufig hochwertige Kunst handelt, versteht sich dabei. Da beim Fußball noch immer Trikots getragen werden müssen, diese aber erst nach Spielende abgelegt werden können, und sich zudem manche Spieler nicht mal daran halten, ist es bei der bestehenden Bekleidungsordnung der FIFA schwierig, auf diesem Gebiet der Kunst den Weltmeister zu ermitteln, mit vermuteten zehn Quadratmetern summiert tätowierter Haut hätten bislang aber gleich mehrere Teams beste Chancen gehabt.
Vielleicht ließe sich das Dilemma der Beeinträchtigung des visuellen Genusses all der leibhaftigen Gemälde ebenso wie die durch die Bedeckung des Oberkörpers erschwerte Bewertung dieser Kunst künftig dadurch aufheben, dass Fußballer mit nackten Oberkörper kicken. Deren Nummer ließe sich ja temporär auf den Rücken applizieren. Mit dieser Lösung wäre zugleich ein weiteres Problem gelöst: Kein Spieler könnte – was derzeit gar gern praktiziert wird – seinen Gegner „obenrum“ am Trikot festhalten.

Helge Jürgs

Wirsing 

Wir leben in einer Zwei-Päpste-Epoche, aber der alte Papst will dem neuen nicht ins Handwerk funken, wie ein süddeutscher Staatslenker bitter erfahren musste. Im Teletext von n-tv hieß es: „Der eremierte Papst Benedikt will seine bayerische Heimat nicht mehr besuchen, berichtet Ministerpräsident Seehofer …“ Warum will er denn nicht? „Er ist jetzt nur noch Mönch“, erklärt Seehofer. Kein Mensch mehr, nur noch Eremit! Also ist Benedikt nun ein eremitierter Papst. Vielleicht sieht n-tv das ein.

Fabian Ärmel

Verkorkt und verkorkst

Nein, mancher Traditionalist wird sich mit Grausen wenden. Indessen, wie so oft im Leben, werden sich die Pragmatiker durchsetzen. Und haben es schon. Im Weinregal.
Dort wird es immer schwerer, eine Flasche zu finden, die mit einem Korken verschlossen ist. Allerdings, mein Problem ist das nicht, im Gegenteil. Für mich ist der Korken mehr so ein Stück Kulturtradition, von der ich mich sehr unbeschwert verabschiedet habe.
Und außerdem hat das auch eine ganz praktische Bedeutung. Wir haben nämlich so einen altmodischen Korkenzieher zu Hause, einen, der ganz ohne Hebelwirkung arbeitet, einfach reindrehen und rausziehen. Und das war manchmal gar nicht so leicht. Wenn der Korken so richtig fest im Hals sitzt, so, als säße innen der Flaschengeist und wolle seine Behausung verteidigen, dann ist das ein richtiges Stück Arbeit. Und immer die bange Frage, ob es schließlich und endlich gelingen wird. Und umso banger, wenn die Dame das beobachtet. Na ja, könnte sie denken, in seinem Alter ist das eben alles nicht mehr so einfach, man muss Geduld haben.
Das konnte einem den Wein so richtig verkorksen.
Aber auswechseln gegen einen modernen mit Zugkraftverstärker mochte ich den Korkenzieher auch nicht, da er seinerseits ein Stück Tradition ist, von dem man sich schwer trennt. Nun kann ich auf ihn verzichten, ohne dass ich dafür verantwortlich wäre. Das ist ein bisschen wie mit der verkorksten DDR, die wurde ich auch los, ohne etwas dafür getan zu haben, was im Übrigen ein Korkenknallen wert war. Manchmal hat man eben einfach Glück mit den Umständen.

Henryk Goldberg