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Für Zeitgenossen, die immer noch nicht geschnallt haben, worum es bei der Krise um die Ukraine tatsächlich geht, hat Dirk Müller, manchem sicher besser bekannt als „Dirk the Dax“, eine gute Zusammenfassung gegeben: „Es kam zu einem Umsturz (…), ganz wesentlich von westlichen Quellen mit unterstützt. (…) Also wer hat hier angefangen, in der Ukraine zu zündeln, war das Putin oder der Westen? (…) Was ist denn so böse, was Putin tut? Er hat auf der Krim einen der größten Stützpunkte seiner Schwarzmeerflotte. (…) Die Russen haben die Krim auch nicht illegal besetzt, sie bezahlen für die Krim einen hohen dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr an Pacht und haben dazu einen Deal, daß die Ukraine das Gas mit 30 Prozent Rabatt bekommt. (…) Eine Regierung mit der rechtsextremen ›Swoboda‹, die die NPD wie einen rechten Mückenschiß aussehen läßt, die wird jetzt hofiert von unseren Politikern (…). Es geht nicht um Demokratie, es geht nicht um Menschenrechte, völliger Blödsinn, es geht um Gas, um Gasrechte, es geht um mehr US-Gas. Man möchte den Russen den Gashahn zudrehen. (…) Statt dessen will man jetzt Gas aus den USA beziehen. (…) Die Amerikaner spielen mit dem Feuer, aber sie spielen damit in unserem Wald, vor unserer Haustür. (…) Wir sind so blöd, daß uns die Schweine beißen. Wir lassen uns von den Amerikanern in einen Konflikt reinschieben, den wir nicht brauchen, den wir nicht wollen (…). Eine Timoschenko, die sich mit Milliarden bereichert hat, wird hofiert, und ein Christian Wulff wird wegen 720 Euro an die Wand genagelt.“
Ein Prozessbeobachter im Verfahren gegen Uli Hoeneß: „Wenn die noch ein Jahr mit dem Prozess so weitermachen, ist der Bundeshaushalt wieder gedeckt.“
Überschaut man die derzeitige mediale Mainstreamlandschaft zum Thema Ukraine-Krim-Rußland, wird man wieder einmal an den einstigen Mitherausgeber der FAZ Paul Sethe erinnert, der da 1965 freimütig bekundete: „Die Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“.
HWK
In dem Bestreben, hinter das Phänomen Putin zu kommen, hat nun auch die wissenschaftlich firmierende amerikanische Analyse seiner Körpersprache die Offenbarung nicht gebracht.
Da allgemein nun zum Wettbewerb aufgerufen scheint, weitere mögliche Erklärungen zu suchen und möglichst verwendungsfähige zu finden, möchte ich – wie andere auch schon – auf seine „deutsche“ Zeit verweisen.
Häufig zitiert wird seine Kommandierung zwecks Konsolidierung der sowjetischen Siegermacht in Dresden, zu seiner Zeit also in der DDR. Vielleicht hatte er auch dort noch Zugang zur bundesdeutschen Literatur; auf jeden Fall aber, als er sich zuvor als KGB-Journalist in der Bundesrepublik tummelte.
Zu seinem damaligen theoretischen Rüstzeug gehörte natürlich die Kenntnis der Verfassung des Gastlandes, in deren Präambel er lesen konnte: „ Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“
Vielleicht hat er sich gedacht, was richtig ist für die erfolgreichen Deutschen müsste doch auch für das „Russische Volk“ gelten und ihm gut tun dürfen.
Fraglich: war er sich dabei auch des weltweiten Rechtsgrundsatzes bewusst, „Quod licet Jovi non licet bovi“? Die Analyse der Körpersprache könnte immerhin bestätigen: Er weiß das. Aber wieso sollte er es nicht mal mit „Idem ius omnibus -Gleiches Recht für Alle“ probieren? Jedenfalls, wenn die Krim-Russen wollen? Schwierige Sache mit „Volkes Willen“, nicht nur für Putin.
german-foreign-policy.com dokumentiert leicht gekürzt einen Offenen Brief von Manolis Glezos an den deutschen Bundespräsidenten anlässlich dessen Griechenland-Reise. Glezos kämpfte im Widerstand gegen die NS-Besatzung und ist Vorsitzender des Nationalrats für die Einforderung der Kriegsschulden Deutschlands gegenüber Griechenland.
Offener Brief an den Bundespräsidenten Joachim Gauck
von Manolis Glezos
Vorsitzender des Nationalrats für die Einforderung der Kriegsschulden Deutschlands gegenüber Griechenland
Athen, 3. März 2014
Wir begrüßen die Ankunft des deutschen Bundespräsidenten in Griechenland und versichern Herrn Gauck unserer aufrichtigen Hochachtung, unserer Wertschätzung sowie unserer solidarischen Verbundenheit mit dem deutschen Volk. Wir wollen aber auch versuchen, an die noch nicht eingelösten Verpflichtungen seines Landes gegenüber der Geschichte zu erinnern.
Wie wir aus Meldungen in den Medien erfuhren, besucht der Bundespräsident auch die jüdische Gemeinde von Joannina, die fast vollständig dem Holocaust der Nazis zum Opfer gefallen ist: alle Angehörigen der jüdischen Gemeinde von Joannina wurden gewaltsam in die Krematorien des Schreckens gezerrt – nur aus dem einen Grund: sie waren Juden. Der Bundespräsident besucht auch den Märtyrerort Lyngiades, ein kleines Dorf oberhalb von Joannina, in dem Soldaten der Wehrmacht am 3. Oktober 1943 kaltblütig 82 unschuldige und friedliebende Bürger ermordet haben: unter ihnen Säuglinge, Kinder, Frauen und Greise. Dieser Massenmord geriet über Jahrzehnte hin in Vergessenheit, bis ein deutscher Historiker, Prof. Christoph Schminck-Gustavus, ihn nach mehrjährigen Nachforschungen wieder ans Tageslicht brachte.
Mehr als einhundert solcher Massenmorde, denen Zehntausende von Zivilisten zum Opfer gefallen sind, hat die Nazi-Wehrmacht in Griechenland begangen. 1770 Dörfer wurden in unserem Land niedergebrannt, mehr als 400.000 Wohnhäuser in Schutt und Asche gelegt. So ist unser Land zum Schauplatz einer niemals zuvor gesehenen Tragödie geworden; kein anderes Land hat sie in diesem Umfang und in dieser Gestalt erlitten. Das führte dazu, dass Griechenland nach dem Ende der deutschen Besatzung weniger Einwohner zählte als vor deren Beginn: Bombardierungen, Massenhinrichtungen, Hungertote, Opfer von Epidemien und der Rückgang der Geburtenrate bewirkten einen dramatischen Bevölkerungsrückgang von 13,7%. […] Gleichzeitig erlitt Griechenland eine unsagbare ökonomische Katastrophe: das Land wurde restlos ausgeplündert und seiner Reichtümer beraubt. Archäologische Altertümer und Kunstschätze wurden gestohlen und ins Reich abtransportiert.
Gleichwohl hat unser Land bis heute, also 70 Jahre nach Ende der Besatzung, immer noch keine Wiedergutmachung erhalten. Und dies obwohl von Deutschland an alle anderen zerstörten Länder bereits Kriegsentschädigungen gezahlt wurden […] Auch der Besatzungszwangskredit wurde an Griechenland nicht zurückgezahlt – anders als an Polen und an Jugoslawien. Ebenso wenig wurden die geraubten archäologischen Güter und Kunstgegenstände von unschätzbarem Wert zurückgegeben. Warum? Wie erklärt sich diese nicht nachvollziehbare Haltung gegenüber unserem Land?
Der Besuch des ersten Bürgers der Bundesrepublik Deutschland in Griechenland, der sich vor den Opfern verneigt, ist zweifellos von hoher symbolischer Bedeutung. […] Es ist Zeit, dass Deutschland endlich die Mauer der Gleichgültigkeit und Härte unserem Land gegenüber durchbricht. Wenn wir den Willen haben, wird auch ein Weg gefunden werden, unseren Konflikt zu lösen: in einvernehmlicher und in uns wechselseitig anerkennender Weise, ohne Feindschaft und Schmerz.
Unsere Parole ist: Gerechtigkeit, nicht Rache! 70 Jahre nach Ende der Besatzung und 24 Jahre nach der glücklichen Wiedervereinigung Deutschlands ist endlich die Stunde gekommen, dass die Bundesrepublik mit Taten ihre Schuld gegenüber dem Opfer des griechischen Volkes anerkennt, einem Opfer, das in hohem Maße dazu beigetragen hat, nicht nur Europa, sondern auch Deutschland selber vom Joch der Naziherrschaft zu befreien. So ist dies auch – und vor allem – eine ethische Frage, eine Frage der Wiederherstellung des Rechts. Es ist aber auch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass wir endgültig die schwarzen Seiten der nazistischen Vergangenheit hinter uns lassen, dass beide Länder und Völker gemeinsam ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufschlagen: ein Kapitel des Friedens, der Freundschaft und Zusammenarbeit auf der Grundlage der Gleichberechtigung, der Aufrichtigkeit und des gegenseitigen Verständnisses. So werden wir unser Ziel auch für die nachfolgenden Generationen erreichen.
Lieber Herr Landsberger,
Ihren Beitrag über den Hamburger Parteitag der Linken habe ich mit Interesse gelesen, er ist sehr erhellend – danke also.
Auf den Schluß des Artikels bezogen bleibt bei mir aber eine Frage offen: Meint die Feststellung, dass die Linkspartei nun „auch künftig für die zuverlässige Ablehnung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr“ eintrete, dass sie nur etwas gegen den Einsatz der Bundeswehr bei konfliktbeendenden Militäreinsetzen hat? Was ja dann hieße, dass diese – mit Verlaub – „Drecksarbeit“ die anderen gern machen dürfen. Oder ist man gegen jedwede Militäreinsätze, auch dann also, wenn diese geeignet sind, ein angefangenes Morden aus ideologischen, ethnischen oder religiösen Gründen zu beenden?
Für eine kurze Aufklärung wäre ich dankbar und grüße freundlich,
Karl-Heinz Mittig
Sehr geehrter Herr Mittig,
ich dachte, der Satz ist eindeutig: Beibehaltung der Position der Linkspartei, alle Auslandseinsätze der Bundeswehr abzulehnen. Ich weiß ja nicht, welche „Drecksarbeit“ Sie meinen. In der Ukraine machen die gerade die faschistische Swoboda-Partei und ihre Schlägertrupps. Da ist die diplomatische Unterstützung der deutschen Bundesregierung schon schlimm genug. Die sollte nicht noch durch einen Einsatz der Bundeswehr „ergänzt“ werden.
Freundliche Grüße zurück
Lieber Herr Landsberger,
in meiner Frage ging es um Militäreinsätze im Ausland und die Bedingungen für deren Akzeptanz. Und natürlich auch darum, dass – wer lediglich die Bundeswehr aus Einsätzen zur Beendigung blutiger Konflikte heraushalten will – denn doch davon ausgeht, dass jemand anderer diese Arbeit (und militärische Arbeit ist eigentlich zwangsläufig „Drecksarbeit“) macht.
Die Antwort darauf nun mit einem Hinweis auf die Ukraine zu verbinden, wo von in Rede stehenden Einsätzen nicht die Rede ist, finde ich mit Verlaub auch dann ein wenig demagogisch, wenn ich Ihre formulierte Position zu dem, was dort läuft und bundesrepublikanisch unterstützt wird, teile.
Mit nach wie vor freundlichem Gruß,
K.-H. Mittig
Sehr geehrter Herr Mittig,
ich verstehe immer noch nicht, worüber Sie mit mir diskutieren wollen. In meinem Text steht: „Die übergroße Mehrheit der Parteimitglieder in Ost wie West ist für die Beibehaltung der friedenspolitischen Positionen und auch künftig für die zuverlässige Ablehnung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr.“ Nach meinem Sprach- und Sachverständnis schließt das Einsätze zu Beginn, in der Mitte und am Ende von militärischen Konflikten ein, kurzum: alle. Es geht um den Abzug der Bundeswehr aus allen Einsätzen, wo immer sie gegenwärtig erfolgen, und darum, keine Truppen in neue Einsätze zu schicken. Nochmals kurz: alle. Punkt.
Nebenbei: Libyen, wo der Westen – ohne direkte deutsche Beteiligung – einen grandiosen „Sieg für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte“ errungen hat, tritt gerade in die nächste Phase des Staatszerfalls ein. Diese „Drecksarbeit“ kann man gern anderen überlassen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Tageszeitung „Junge Welt“ hat auf Ihrer Homepage dankenswerter Weise einen Zugang zu jenem Telefonmitschnitt geschaffen, der ein Gespräch zwischen dem estnischen Außenminister Urmas Paet und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton dokumentiert, bei dem sich Ahston bei Paet nach Eindrücken von dessen Reise nach Kiew erkundigt.
Es lohnt sehr, sich dieses von weltnetz.tv veröffentlichteTelefonat anzuhören; ganz sicher besonders dessen letzten Teil, wo von den mordenden Scharfschützen auf dem Maidan die Rede ist. Wer des Englischen nicht ausreichend mächtig ist, kann eine deutsche Untertitel-Übersetzung zuschalten:
weltnetz.tv/video/532
Nochmals zur Ukraine
Hatte es nicht einen Vertrag zwischen der Janukowych-Regierung und der Maidan-Opposition gegeben, den der deutsche Außenminister mitunterzeichnet hatte?
Hier ein historischer Verweis: „Man kann versichert sein, dass Deutschland sich den Teufel um Verträge, Formen, Völkerrecht scheren wird; ‚sei im Besitze und du bist im Recht‘; dass es nichts versäumen wird, um alle politischen, aber auch alle wirtschaftlichen Vorteile (vgl. Ukraine), die ihm irgend erreichbar erscheinen, sich nicht nur vertraglich versprechen zu lassen: daran wird ihm verflucht wenig liegen, sondern tatsächlich zu verschaffen und mit gepanzerter Faust zu sichern – auch gegen Völker, mit denen es formell im Frieden lebt: Das jetzige Verfahren im Osten gegen Russland… predigt das mit tausend Zungen.“ (Geschrieben Ende März – Anfang April 1918)
Karl Liebknecht: Politische Aufzeichnungen aus seinem Nachlass, Berlin 1921, S. 67f.
Der mediale Mainstream beklagt derzeit, dass es den moskaufreundlichen Kräften damit nicht schnell genug gehen kann, per Volksabstimmung einen Beitritt zur russischen Föderation zu bewirken. Mag sein, dass die Mehrheit heutiger Autoren deutschen Pressewesens mittlerweile so jung sind, dass sie den Hergang der deutsch-deutschen Vereinigung nicht mehr erinnern. Dann allerdings seien sie darauf hingewiesen, dass es auch den – mit immensem Furor auftretenden – beitrittswilligen Kräften in der Noch-DDR (damals ebenso eine Mehrheit wie heute die in der russophilen Krim) nicht schnell genug gehen konnte. Nach grade mal einem halben Jahr war diesbezüglich alles erledigt und beitrittsseitig samt 900seitigem Vertrag in Sack und Tüten. Das allerdings damals freilich demokratisch und schon deshalb nicht kritisch hinterfragt, auf der Krim handelt es sich selbstredend um Fremdgesteuertes.
Helge Jürgs
Zu meinem Berlinale-Beitrag:
Zugegebenermaßen schreibe ich lieber über Filme und tue mich mit sperrigen Themen wie Gremienarbeit und der deutschen Filmförderung etwas schwer. Darum haben sich in meinen Artikel zwei kleine Unkorrektheiten eingeschlichen, auf die mich Jens Steinbrenner, der Pressesprecher der Allianz Deutscher Produzenten, dankenswerterweise aufmerksam gemacht hat. Er schreibt u.a.: „Das Filmfördergesetz, das die Vielfalt des deutschen Films sicherstellen soll, war auf Antrag kommerzieller Fernsehsender auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft worden. Die fälschlicherweise auch „die Privaten“ genannten Medienmogule sträubten sich dagegen, regelmäßige Abgaben in den Filmförderfonds einzubringen. Karlsruhe hat nun die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bestätigt. Die Klage gegen das FFG war von einigen Kinoketten eingebracht worden, nicht von werbefinanzierten Fernsehsendern. (…) Und der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) wird zwar von der FFA verwaltet, speist sich aber aus Steuermitteln (derzeit 70 Mio. € jährlich). Geklagt wurde gegen die Filmförderung nach dem Filmförderungsgesetz (FFG), die aus Branchenmitteln finanziert wird.“ So viel nur zur Korrektur.
Ich würde den Tenor des Beitrages von Walther Stützle gern zu 100 Prozent teilen, wozu mir aber leider die Antwort auf die Frage fehlt, ob man in Anbetracht all der unbefriedigenden Endergebnisse militärischer Befriedungsaktionen dort, wo massengaftes Töten zugange ist, nicht eben doch zuallererst einmal Menschenleben retten helfen sollte, bevor man einen Beitrag dazu leistet, dass an den Orten des Geschehens dauerhafte Friedensbedigungen geschaffen werden. Der Hinweis darauf, dass der Westen letzteres bislang nicht getan oder nur als Spurenelement seiner Politik praktiziert hat, hilft den Gemarterten ebenso wenig weiter wie jener, dass erst grundlegende Änderungen in der nationalen, regionalen und globalen Gesellschaftspolitik die Voraussetzung von durchgreifener Veränderung mindetens in Richtung Frieden sind – deren Schaffung erleben die meisten der Opfer eben nicht mehr…
Ein schöner Nekrolog auf Paco de Lucia in der aktuellen Ausgabe. Wer noch mehr über diesen grandiosen Gitarristen wissen will, wird hier fündig: http://www.rationalgalerie.de/kritik/paco-de-luc%C3%ADa.html
in dem Beitrag zu Steuern hatte ich einen inhaltlichen Kommentar zu http://www.friedenssteuer.de erwartet!
Mit freundlichen Grüßen
Gertrud Nehls
Film ab – Fortsetzung
Zwar hatte beim Vormarsch der amerikanischen Truppen in Süd- und Westeuropa ab 1944 der Schutz von Baudenkmälern und Kunst gegenüber militärischen Belangen praktisch keinerlei Priorität und die US-Streitkräfte legten die 529 gegründete Abtei von Montecassino ebenso bis auf die Grundmauern nieder wie sie – gemeinsam mit der britischen Luftwaffe – Dutzende von historischen deutschen Innenstädten zerbombten – , aber der damalige Präsident Franklin D. Roosevelt hatte zugleich ein Ohr dafür, beim Vormarsch ein Augenmerk auf Bau- und andere Kulturdenkmale zu haben sowie den Kunst raubenden Deutschen ihre Beute wieder abzunehmen und vor allem deren Vernichtung zu verhindern. Das war die Aufgabe einer etwa 350 Frauen und Männer umfassenden Spezialeinheit, der Monuments, Fine Arts, and Archives Section (kurz: Monuments Men), die in der Realität (wie auch im Film) die verschleppte Brügger Madonna ebenso wieder aufspürten wie unzählige andere Kunstwerke und für deren Rückführung sorgten.
Auch die Russen waren im Rücken ihrer vorpreschenden Roten Armee am Ende des Krieges ebenfalls auf der Jagd nach Kunst – mit sogenannten Trophäenkommissionen. Deren Ziel war die Beschlagnahme vorwiegend deutscher Bestände. Als Reparation. Eine Sequenz des Filmes geht darauf ein, und es fällt der eine Satz, der Forderungen nach Rückgabe von „Raubkunst“ in Richtung Moskau hierzulande nie hätte aufkommen lassen dürfen, auf den man vonseiten bundesdeutscher Verantwortungsträger aber seit mehr als 60 Jahren vergeblich wartet: „Die haben 20 Millionen Tote.“
Der Mit-Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller George Clooney hat gutes Hollywood-Kino abgeliefert, noch dazu mit politischem und zutiefst humanistischem Anspruch. Damit hat er zugleich seinem Vaterland den Spiegel vorgehalten und ihm anhand eines für den Verlauf der Weltgeschichte vielleicht nicht wirklich wichtigen, aber für das, was man Zivilisation nennt, umso wichtigeren Beispiels gezeigt, wie weit es mittlerweile hinter den damaligen Standard zurückgefallen ist: Die US-Behörden haben nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch in den Irak im Jahre 2003, der mit der Zerstörung der gesellschaftlichen Infrastruktur auch die Voraussetzungen dafür schuf, dass das Nationalmuseum und die Nationalbibliothek in Bagdad sowie zahlreiche weitere unersetzliche Kunstschätze des Landes geplündert werden konnten, diesen Akten der Barbarei tatenlos zugesehen.
„The Monuments Men“ Regie: Geoge Clooney; derzeit in den Kinos.
Film ab
Nazi-Deutschland war bei weitem nicht der einzige Kunsträuber in der Kriegsgeschichte – schon Franzosen und Briten zum Beispiel bedienten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Ägypten, als sie dort gegeneinander Krieg führten, und Napoleon ließ neben der kunsthistorisch eher wenig aufregenden Berliner Quadriga unter anderem auch die Madonna des Michelangelo aus der Liebfrauenkirche zu Brügge, die einzige Skulptur, die zu Lebzeiten des Schöpfers Italien verlassen hatte, nach Paris verschleppen. Aber die gierigsten und barbarischsten Kunsträuber waren die Deutschen allemal. Millionen von Gemälden, Grafiken, Skulpturen und Büsten, Schmuckstücken, Porzellanen, Möbeln, Gobelins und Teppichen sowie nicht zuletzt Bücher aus zahlreichen besetzten Ländern rissen sich die Emissäre der braunen Paladine, die den Kampftruppen von Wehrmacht und SS auf dem Fuße folgten, unter den Nagel. Museen wurden geplündert, jüdische Sammlungen häufig komplett „übernommen“ und deren Eigentümer in Vernichtungslager deportiert. „Entartete Kunst“ wurde zum Teil vor Ort verbrannt. Auf ihrem Rückzug vor der Roten Armee und später auch vor den Westalliierten nahmen die nazistischen Raffkes Raubkunst lastwagenkolonnen- und güterzugweise mit und lagerten oder versteckten sie in Deutschland und Österreich – oberirdisch, etwa im bayerischen Schloss Neuschwanstein, schwerpunktmäßig aber in ehemaligen Salz-, Kali- und anderen Bergwerken wie im thüringischen Merkers oder im steierischen Altaussee. Teilweise wurde – im Sinne von Hitlers sogenanntem Nero-Befehl, beim Rückzug nur verbrannte Erde zurückzulassen, – die Vernichtung vorbereitet, zum Teil auch exekutiert. Nicht wenige Kunstwerke wie etwa das berühmte Bernsteinzimmer aus dem Katharinenpalast in Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg sind nie wieder aufgetaucht.
Dieses Kapitel des Zweiten Weltkrieges ist auch cineastisch bereits aufgegriffen worden – in John Frankenheimers „Der Zug“ von 1964, mit Burt Lanchaster in der Hauptrolle. Jetzt hat sich George Clooney mit „The Monuments Men“ des Themas angenommen.
Ich weiß, wie verderblich Verschwörungstheorien sind, aber ist mit Blick auf die Kiewer Gewalt- und damit Zuspitzungsorgie nicht dieser Zusammenhang denn doch auffällig?: Klitschko in Berlin bei A. Merkel – Diese lehnt (beachtlich!) Sanktionen gegen Janukowitsch ab – Klitschko wieder in Kiew – Schwere Gewalt – die EU droht mit Sanktionen.
Da muss man wohl kein Verschwörungstheoretiker sein, sondern nur 1 + 1 zusammenrechnen. Der deutsche Griff nach Kiew hat eine lange Tradition. Und die antirussische Ausrichtung der deutschen Außenpolitik auch. DAS BLÄTTCHEN hat in den letzten drei Jahren intensiv darüber berichtet. Es lohnt, die älteren Beiträge einmal nachzublättern… Kann man die Region schon nicht schlucken, so soll sie doch wenigstens instabil sein. Mit Frau Timoschenko hat das nicht so recht geklappt, jetzt ist Klitschko das nützliche Werkzeug. Merke: Gut ist, was Rußland schadet. Und wenn eine ganze Region in Flammen aufgeht! Im Berliner Regierungsviertel feiert der Zynismus fröhliche Urständ.
Das ist doch keine Verschwörungstheorie (dazu hatte ich schon in Blättchen 25/2013 geschrieben, aber man vergisst ja so schnell). Außerdem: Keiner dieser sog. Freiheitskämpfer mit Maske, Helm, Schutzschild, selbstgefertigtem Stahlrohr als Schlagwaffe und Molotow-Cocktail fände Gnade vor dem deutschen Vermummungsverbot, sondern würde sofort verhaftet. Und ich würde sehr zweifeln, dass die deutschen Behörden derlei Zeltstadt oder Barrikaden auf dem Leipziger oder Pariser Platz in Berlin über Wochen dulden würden.
Frau Mechthild Küpper muss sehr frustriert sein. So lesen sich jedenfalls ihre in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung regelmäßig erscheinenden Texte über die Linke, früher die PDS. Wahrscheinlich hat sie beim redaktionsinternen Hütchenspiel vor einem Vierteljahrhundert verloren und muss seither über „die Kommunisten“ schreiben. Das tut sie jedenfalls immer galliger, je weniger die Linke den Bürgerlichen den Gefallen tut zu verschwinden. Nach dem Hamburger Parteitag wirft sie dieser vor, es werde „noch eine Weile dauern, bis die Linkspartei ohne geographische Herkunftsangabe über Kandidaten entscheiden kann“. Und das in einer Zeit, da es in der CSU nicht einmal ausreicht, Bayer zu sein, um einen Ministersessel in Berlin zu bekommen. Nein, jetzt musste unbedingt ein Franke her!
Liebe Leser,
der unter meiner Absenderkennung soeben veröffentlichte Leserbrief von Sven Bradtke ist wirklich ein Leserbrief und kein Pseudonym des Redakteurs… Manchmal schlägt einem die software ein Schnippchen. Sorry!
Wolfgang Brauer
Sehr geehrte Redaktion,
leider habe ich erst jetzt die Nummer 3 des Blättchens durchsehen können und möchte zum Beitrag von Korff doch gern loswerden, dass mir – selbst kein Stasiopfer – das Gejammer über die ungerechte Behandlung der DDR-Eliten nach der Wende enorm auf den Senkel geht, selbst, wenn damit etwas auch real Existierendes benannt wird. Denn immerhin war zumindest die politische Elite der DDR (womit mich nicht nur die absoluten Führungskräfte meine sondern auch all jene, die diesen Staat gestützt haben) seinerzeit ausdürcklich(!) angetreten, den Kapitalismus zu überwinden und auf den Müllhaufen der Geschichte“ zu transportieren, was in personeller Hinsicht massenhaft Unerfreuliches für wiederum jene bedeutet hätte, die dort regimetreu waren. Der Leser Stegmann hat m.E,. sehr zu recht darauf hingewiesen, dass Kommunisten bei halluzinierter “ Wende andersrum“ mit Sicherheit sehr viel schärfere noch großflächigere Sanktionengegen den „Klassenfeind“ angewedet hätte, als dies nach 1989 im Osten Deutschlands geschehen ist.
Irgendwie kommen mir die politisch Geschlagenen von heute (und das schon seit 25 Jahren) so vor wie ein Boxer, der nach einem eigenen Angriff dann seinerseits Prügel bezieht und sich über die Grobheit und Rücksichtslosigkeit seines Gegners beklagt.
Sven Bradtke
Herr Wohanka zitiert Jan van Aken knapp, korrekt und damit in dessen ganzer Widersprüchlichkeit: Zum einen kennt also v. A. durchaus „Ausnahemfälle“ (wie 1944 etc.), zum anderen weiss v.A., dass in den nächsten 40 Jahren nichts Vergleichbares geschehen wird. Mit Verlaub – aber solcher Art Gesinnungsgläubigkeit ist auch dann Einfalt, wenn sie einem guten Willen entspringt.
Edathy-Skandal: NSA schlägt zurück
„Die Welt“ brachte es als erste: Bundeskanzlerin Angela Merkels Hoffnung, die Edathy-Affäre sei mit Ministers Friedrichs Rücktritt erledigt, ist endgültig geplatzt. Die NSA fühle sich von der Bundesregierung hintergangen und habe Strafanzeige gegen Merkel, Siegmar Gabriel, Friedrich sowie SPD-Bundestagsfraktionsführer Thomas Oppermann gestellt.
Offiziell habe die NSA erklärt: „Wir gingen davon aus, dass die von uns über Sebastian Edathy gesammelten Informationen vertraulich behandelt werden. Wir können und wollen nicht hinnehmen, dass unsere Geheimnisse einfach so in die Welt herausposaunt werden. Die Grundlage für eine weiterhin erfolgreiche Zusammenarbeit ist weg.“ Man habe den damaligen Innenministers Friedrichs schon lange vor den „luschigen“ Kanadiern über die Internet-Einkäufe des SPD-Politikers Edathy informiert. Jetzt sei „der Verdacht entstanden, dass die neue Regierung in Berlin Edathy bewusst davon abhalten wollte, einen wichtigen Posten einzunehmen … es war beschlossene Sache, dass Edathy Ronald Pofalla beerben sollte.“
Unter Bezug auf den offenbar breit gefächerten Berliner Regierungs- und Parlamentsbuschfunk im Falle Edathy vertrete die NSA die Auffassung, dass dies „ein klarer Verstoß gegen die vertraglichen Abmachungen“ sei.
(„Die Welt“ kennzeichnete ihren Beitrag im KLEINGEDRUCKTEN als SATIRE. Doch wen will die Springer-Gazette damit eigentlich hinters Licht führen?)
Zunächst zu Frau Nyborgs Anmerkung: Wenn komplett abgewickelt wurde, half sowieso nichts. Wenn nur partiell entlassen wurde: Warum sollte da ein SED-Austritt unbedingt helfen? Manch einer hat erst den strammen Genossen markiert und ist dann, als es nicht mehr von Nutzen war, blitzschnell umgeschwenkt – sollte man das honorieren? Nebenbei bemerkt: Man hat es leider so manches Mal getan, aber weniger im Falle von SED- als z.B. von CDU-Mitgliedern. Die mussten dafür nicht einmal aus ihrer Partei austreten, im Gegenteil.
Autor Korff hat sich nicht noch einmal geäußert; über die Gründe kann ich nur mutmaßen, also lasse ich es. Auf alle Fälle ging es bei ihm um Personen, die „aus allen irgendwie relevanten Positionen und Betätigungen“ entfernt werden sollten und daher angeblich unter Beschuß genommen wurden. Das gilt sicherlich nicht für die Gesamtheit der SED-Mitglieder, viele waren ja einfach nur Arbeiter oder kleine Angestellte.
Nun stimmt es allerdings gar nicht, daß alle, die die DDR in irgendwie relevanter Position am Laufen hielten, in den Jahren 1990 ff. gehen mußten. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Der größte Teil der Lehrer wurde weiterhin beschäftigt, auch das Gros der Polizisten, viele sogar bei nachweislicher Zusammenarbeit mit dem MfS – in diesem Falle lag die Quote, je nach Bundesland, zwischen 24 und 73 % (Stand vom Jahr 2000).
Und wie war es mit den tatsächlich Abgewickelten? Drei Beispiele: 1) Der hauptamtliche Apparat der SED: Der war, nachdem die SED-Oberen auf ihre angemaßte Machtstellung (Tarnbezeichnung: „führende Rolle der Partei“) hatten verzichten müssen, schlichtweg überflüssig geworden; schwerstes Geschütz war also zur Entlassung dieser Mitarbeiter gar nicht nötig. 2) Ministerium für Staatssicherheit: Daß nach einer Revolution das wichtigste Repressivorgan des alten Regimes aufgelöst wird, ist doch wohl klar. Zudem hatte eine Deutsche Demokratische Republik keinen Bedarf an einem solchen Monster. Auch hier war kein schwerstes Geschütz vonnöten. 3) Übrige Ministerien, Staatssekretariate usw.: Ein Teil davon wurde nicht mehr gebraucht, als die bisherige Form der Wirtschaftslenkung aufgegeben wurde, der Rest mit dem 3. Oktober 1990. Auch da musste kein schwerstes Geschütz dauerfeuern.
Ich weiß, dass damals bei Neubesetzung von Posten nicht selten auf abstruse Weise verfahren wurde, siehe etwa den Fall Althaus. Das betraf aber keine zwei Millionen, wahrscheinlich nicht einmal 200.000, sondern einen erheblich kleineren Personenkreis.
Im übrigen: Was heißt denn, die Betreffenden hätten die DDR am Laufen gehalten? Das hört sich so an, als hätten sie immer bloß treu und brav ihre Arbeit zum Wohle des Volkes getan. Doch tatsächlich bedeutete es in vielen Fällen auch, dass man die politischen Vorgaben der Führung umgesetzt und bei Bedarf „Vorkommnisse“ nach oben gemeldet, Abweichler diszipliniert, sich an Wahlfälschungen beteiligt hat usw. usf. Korffs Äußerung hat, wie mir scheint, den Zweck, alle diejenigen, die bei dergleichen mitgemacht haben, als arme Opfer übler Machenschaften hinzustellen. Solche Geschichtsfälschung wird nach wie vor so manchem hochwillkommen sein. Aber müssen wir sie unbedingt hier lesen?
Andersdenk- und Schreibverbote würde ich nicht befürworten. Zum Thema zieht mir aber der Gedanke durchs Gemüt, die deutsch-deutsche Einvernahme hätte andersherum stattgefunden. Das ist nun zwar Spekulation, aber ich bin mir sicher: mit allem Personal, das irgendwie in die Bundesrepublik als Staasmachtt, deren tragende Parteien und Institutionen involviert war, wäre die realsozialistische Macht erheblich rigoroser umgesprungen.
Die Abschiebung und Ausgrenzung eines Großteils der DDR-Eliten – nicht zuletzt in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Medien – betraf, folgt man Ihrer Sichtweise, Herr Weinholz, natürlich auch nur solche, die es anders nicht verdient hatten oder eh überflüssig waren, wahrscheinlich häufig beides. Aus dem rechten Blickwinkel ist dann der Begriff GESCHICHTSFÄLSCHUNG flott bei der Hand …
In Herrn Korffs Rezension vermag ich dergleichen nicht zu entdecken. Er verweist auf „machtpolitische Erwägungen für die praktische Abwicklung der DDR“ sowie auf „Vorsorge für eine weitgehend widerstandslose Eingliederung der DDR in den Geltungsbereich des Grundgesetzes“ und quantifiziert die Dimension der Herausforderung: „Immerhin waren allein rund zwei Millionen ;bewusste‘ DDR-Bürger, die diese Gesellschaft am Laufen gehalten hatten, möglichst rasch aus allen auch nur irgendwie relevanten Positionen und Betätigungen zu entfernen …“ Nicht gelesen habe ich bei ihm die Behauptung, dass diese Größenordnung auch tatsächlich im Bereich des Möglichen gelegen hätte. Sie selbst nennen Zahlen, die nicht geheim sind und wohl auch Autoren wie Korff bekannt sein dürften.
Ansonsten ging es bei Korff um den Titel „Stasi konkret“, der neu auf dem Markt ist. In Ihren Beiträgen gehen Sie darauf nicht ein, sondern polemisieren mit dem Rezensenten, wobei offenbar der Wortlaut des eigentlichen Textes nicht unbedingt parat war. Beispiel: Wenn Bahr und andere westdeutsche Politiker zum Thema Stasiakten zitiert werden, ist damit doch nicht gesagt, dass Korffs Meinung dazu ebenfalls in diese Galerie gehört.
Er favorisiert aber augenscheinlich das Anliegen des Buchautors, auch beim Reizthema Stasi künftig stärker belastbare wissenschaftliche Kriterien anzulegen, also auch wegzukommen von der „Dämonisierung“, weg vom „Monster“ (Ihr Terminus). Auseinandersetzung ohne „Verharmlosungen und Übertreibungen“ (Klappentext des Buches) – an einem solchen Ansatz vermag ich nichts Ehrenrühriges zu finden.
Zu Ihrer hoffentlich nur rhetorischen, nicht inquisitorischen Frage, ob man Beiträge wie den Korffschen „unbedingt hier lesen“ müsse: Nein, ein Lesezwang besteht natürlich für niemanden. Allerdings hoffe ich, dass die Redaktion sich auch künftig von niemandem ein Auswahlverfahren – Autoren und Meinungen betreffend – empfehlen lässt, bei dem die „Guten“ par orde du mufti „gesetzt“ sind und im Übrigen die Methode Aschenputtel zur Anwendung kommt.
Verbote wären auch nicht nötig gewesen, Herr Stegmann, wie es ablaufen hätte können, kann man gut im „Neuen Deutschland“ früherer Ausgaben des „Eulenspiegel“ nachgenießen. Viel Spaß!
Auf Frau Nyborgs Darstellung lang und breit einzugehen halte ich nicht für sinnvoll. Nur ein Beispiel: „Wenn Bahr und andere westdeutsche Politiker zum Thema Stasiakten zitiert werden, ist damit doch nicht gesagt, dass Korffs Meinung dazu ebenfalls in diese Galerie gehört.“ K. zitiert nur Leute, die für Aktenschließung plädiert haben. Aber kann man sagen, dies bedeute, daß auch er für Schließung plädiert? Nein, Genossen, das kann man nicht sagen! Bahr zufolge waren es die ostdeutschen Bürgerrechtler, die die Offenlegung durchgesetzt haben. Vielleicht war K. auch einer von denen?
Auf eine Sache will ich noch eingehen: „Allerdings hoffe ich, dass die Redaktion sich auch künftig von niemandem ein Auswahlverfahren – Autoren und Meinungen betreffend – empfehlen lässt…“ Eine Redaktion, die sich in der Tradition Jacobsohns, Tucholskys und Ossietzkys sieht, kann in ihrem Blatt nicht das Gesamtspektrum politischer Meinungen abbilden, sie muß auswählen, und die „Blättchen“-Redaktion tut das zweifellos auch. Was es bedeutet, in dieser Tradition zu stehen, wäre weiterer Diskussion wert. Vielleicht bietet sich auch am 4. April dazu die Möglichkeit.
Zu „Scheitern an der Lüge“ von Heerke Hummel – 3/2014
In der Veröffentlichung „Späte Begegnung“ wird mit gutem Grund weitgehend auf eine Meinungsäußerung verzichtet, vielmehr ist sie eine Anregung zur Auseinandersetzung im Gespräch. Auf die Aktualität insbesondere der Briefe von W. G. Korolenko hat Heerke Hummel in seinem umfassenden Artikel schon hingewiesen.
An dieser Stelle noch ein paar persönliche Anmerkungen. Rosa Luxemburg hat W.G. Korolenko als Schriftsteller und Publizisten wohl sehr geschätzt. Neben der Übersetzung des 1. Teils seines Buches „Die Geschichte meines Zeitgenossen“ und ihrer sehr ausführlichen Einleitung dazu, sowie ihren Aufzeichnungen „Zur russischen Revolution“ von 1918 kann man meiner Meinung nach davon ausgehen, dass sie Korolenkos Briefen an Lunartscharski von 1920 inhaltlich zugestimmt hätte.
„An der Lüge scheitern“ betrifft meines Erachtens auch diejenigen, die an einem geschönten Leninbild festhalten. Es geht keinesfalls darum, Lenin als Persönlichkeit vom Sockel zu stürzen, sondern um die Anerkennung der historischen Wahrheit. Für mich haben das bisherige Bild von Lenin und der Inhalt seiner Werke durch die Kenntnis seiner Tragik eine neue Dimension erhalten.Ich habe mir die Frage gestellt, wie es passieren konnte, dass einem Menschen, der sehr richtige Kapitalismusanalysen gemacht hatte, so eine Fehleinschätzung zur Weltrevolution unterlief.
Der 1. Weltkrieg, der erste industriell geführte Massenmord, muss für uns schwer nachvollziehbare ideologische Auswirkungen gehabt haben. Die Vorstellung, die Antwort auf den Weltkrieg kann nur die Weltrevolution sein und die Massen verstünden das, liegt nahe. Die relative Leichtigkeit der Machtergreifung durch die Bolschewiki im geschwächten Rußland schien eine einmalige Chance zu sein, Initialzündung für diese Revolution zu werden. Heute wissen wir, dass selbst ein zweiter, noch verheerender Weltkrieg keine solche Revolutionierung brachte.
Im Vergleich zu vielen späteren kommunistischen Führern war Lenin bereit, Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Ob bei seinem selbstlosen Einsatz ohne seine frühe Erkrankung eine anderer Ausweg aus der entstanden Lage und die Verhinderung Stalins möglich gewesen wär, kann niemand sagen.
Für Politiker und Parteien, die einen demokratischen Sozialismus anstreben, genügt es nicht, sich vom Stalinismus zu distanzieren und bei einer Halbwahrheit stehen zu bleibe. Die Geburtsfehler des Sozialismus nicht zu beachten, ist wie ein falscher Ansatz in der Mathematik, der trotz richtigen Rechnens nicht zum richtigen Ergebnis führt.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Schriftsteller W.G. Korolenko. Seine Briefe waren an Lenin und nicht an uns gerichtet. Es ist somit nicht verwunderlich, dass er z. B. bei der Charakterisierung der westlichen Sozialisten nicht auf den Opportunismus eingeht. Das hatte Lenin ja schon zur Genüge getan. Er betont auch die Unvollständigkeit seiner Darlegungen. Trotzdem finde ich es beeindruckend, dass die Einschätzung des Schriftstellers die des Politikers weit übertrifft. Das ist sicherlich kein Zufall. Politiker, vor allem linke, sollten einen engen Kontakt zur Literatur herstellen. Wie gut wäre das Politbüro der SED beraten gewesen, hätte es z. B. die Schriftstellerkongresse als sozialistische Denkwerkstatt verstanden und Schriftsteller nicht gemaßregelt und vertrieben. Korolenkos Briefe wurden erst 1988 in der Sowjetunion veröffentlicht. Wenig bekannt und beachtet sind sie auch heute noch.
Wer zu diesem Thema noch Aufklärungsbedarf hat, dem seien auch Victor Serges „Erinnerungen eines Revolutionärs“ empfohlen.
Thomas de Maizière, Innenminister – Die Forderungen der Gewerkschaften für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst (3,5 Prozent mehr Lohn) haben Sie soeben als „maßlos überzogen“ zurückgewiesen. Ein Statement zu der zehnprozentigen Diätenerhöhung der MdB´s, von denen auch Sie einer sind, war von Ihnen leider bislang nicht zu vernehmen. Sicher feilen Sie noch daran.
Zu Sotschi und Vorfeld:
Meine Antipathie gegenüber Putin bedenkend, hätte ich mir nie träumen lassen, Solidarität mit ihm zu empfinden. Die beschämende Weise, mit der deutsche Politiker und vor allem ihre medialen Satrapen allerdings mit Rußland verfahren, machen kenntlich, dass die Zeiten des Kalten Krieges keineswegs vorbei sind. Viel zu lange hat der billige Antikommunismus auf die Deutschen eingewirkt, und har selbst bei denen, die in den ideologischen „Schlachten“ bis 1989 weder politisch noch medial bereits aktiv sein konnten, den Instinkt eingepflanzt, zu wissen, wen man vorzuführen hat.
Reagens Satz vom „Reich des Bösen“ oder Kohls analogischer Vergleich von Gorbatschow mit Goebbels wirken fort – man muss sich die Feuilletons in Presse und TV nur anschauen.
Man stelle sich vor, etwas Vergleichbares geschehe hierzulande gegenüber Saudi-Arabien . Was Rußland als Großmacht im Osten ist dieser Land dies für Kleinasien/Nahost. Von Menschenrechten dort keine Spur, an Saudi Arabien gemessen sind die Russen wirklich „lupenreine Demokraten“ (Schröder einst über Putin). Aber nein, nahezu kein Wort darüber hierzulande, dafür jede Menge Waffen dorthin.
Es ist zum Speien.
Marion Zeller
Köstlichkeit im Kontext zu Sotschi:
Das amerikanische Außenministerium warnt seine Landsleute vor russischer Bespitzelung. Reisende nach Sotschi müssten wissen, „dass sie keine Privatsphäre erwarten können, wenn sie brisante oder persönliche Informationen über die russischen elektronischen Kommunikationssysteme weitergeben.“
Rührender kann landsmannschaftliche Fürsorge kaum ausfallen …
…vor allem, da sich die NSA so rührend nicht nur um die Landsleute kümmert, sondern auch um andere.
„Ein widerlicher Scheiß“, schimpft mein Nachbar und meint Gunther von Hagens’ HERZENSSACHE („Körperwelten“). Erneut zieht der Exhibitor, der Menschen zum pathologischen Exhibitionismus von Angehörigen überredet, durch die Lande. Er, der seinen Körper der Plastination strikt vorenthält, ängstigt noch immer Greise und kleine Kinder. Im Sinne der allgemeinen Enthemmung bin ich immer mal versucht, die ausgehängten Werbeplakate um ein sinniges EXTRA zu ergänzen: Fickender katholischer Priester nach tödlichem Herzinfarkt.
Münster schaltet da einen Gang zurück. Nein, tot und obszön ist das nicht, was dort im neu eröffneten LWL Münster gezeigt werden soll. Aber so richtig lebendig auch nicht. Es geht um Kunstwerke, genauer gesagt ums „nackte Leben“, etwas, das von FFK-Stränden, Straßen, Plätzen und aus Theatern auf die Leinwände genötigt wurde. Motive, die wirkliche Notstände präsentieren, sind wohl ausgespart.
Betretenheit beiseite. So ein paar Akte sind schon erfrischend und zielführend. Selber Schuld, wer Arges dabei denkt.
Wenn man gar nicht mehr weiß, wie man Aufmerksamkeit erregen soll, geht man entweder ins Halsbrecherische, Pornographische, Fäkale oder Zotige. Letzteres geschieht gerade in Düsseldorf, leider im Verbund mit Sven André Dreyer, dem sonst so geschätzten Literaten. „Lies, Du Sau“ fordert er in seinem neuen Projekt und spricht dabei Autoren an. Und tatsächlich fand sich am 6. Februar das erste Schwein. Ob es das BIBaBuZe begrunzte oder einfach nur vollpisste, ist unbekannt …
Am 2. Januar 1792 hielt Maximilien Robespierre von dem Nationalkonvent eine Rede, die als seine „zweite Rede gegen den Krieg“ in die Geschichte einging. Sie wird selten zitiert, weil a) Robespierre für die konservativen Geister von links bis rechts nach wie vor „das Böse an sich ist“ und b) sie militärische Interventionen gegen wen auch immer aus welchen Gründen auch immer sehr grundsätzlich in Frage stellt. Darum hier die Kernaussage seiner Ansprache (die seinerzeit übrigens missachtet wurde): „Die ausschweifendste Idee, die in dem Kopf eines Politikers entstehen kann, ist die, zu glauben, dass es für ein Volk genüge, mit bewaffneter Hand bei einem fremden Volk einzubrechen, um es zu zwingen, seine Gesetze und seine Verfassung anzunehmen. Niemand liebt die bewaffneten Missionare; der erste Rat, den die Natur und die Klugheit geben, ist der, sie als Feinde zurückzuschlagen.“
Zur Nachfrage von Herrn Weinholz hinsichtlich der etwa „2 Millionen Menschen, die in der DDR die Dinge am Laufen hielten“. Ich denke mal, diese Untertreibung von Korff ist als Stilmittel eingesetzt, nicht als konkrete Zahl. Denn natürlich waren unter den gut 16 Millionen Einwohnern bei 9 Millionen Erwerbstätigen wohl mehr damit beschäftigt. Auch wenn sie nicht ständig „das große Ganze“ als Motiv hatten, der Alltag musste ja bewältigt werden, übrigens auch im militärischen Bereich, wie derzeit und unter anderen Auspizien auch anderswo. Regimeträger wie Oppositionelle brauchen etwas zum Leben, von Parolen, so oder so, wird man nirgendwo satt.
Könnte aber auch sein, dass Korff und Weinholz enger an gesellschaftlich Tätige gedacht haben. Dann bliebe die Zahl zwar immer noch zu gering, aber „gefühlt“ nicht so ganz daneben.
Auf der 7. Tagung des ZK der SED am 1./2. Dezember 1988 wurde ein „Umtausch“ der „Parteidokumente“ für 2.324.775 Mitglieder und Kandidaten beschlossen. Da waren gewiß als „Mitgliederbewegung“, z. B. auch an der Akademie der Wissenschaften der DDR, manche zuvor ausgetreten, andere ausgeschlossen. Dafür kamen aber auch aktive FDJ’ler hinzu, die ohne SED-Mitgliedschaft in deren Sinn wirkten; andere Parteien gab es auch noch, und da war keine ein Hort der Opposition. Damit zum größeren Posten.
Von den 9 Millionen Erwerbstätigen waren 2 Millionen im öffentlichen Dienst beschäftigt, gewiß überproportional SED-Mitglieder; aber manche parteilose „Staatskader“, auch Wissenschaftler, waren wohl auch „staatstragend“. Die personelle „Säuberung“ z.B. der Charite’, erfolgte mit diesem Vorwurf. So geschehen auch an anderen Einrichtungen der DDR, was dort rasches Umdenken beflügelte, dies in Hinblick auf andere Karrieren gern lautstark verkündet. Keine Partei ausgeschlossen; auch mit der Konsequenz bei besonders gebeutelten Staatsdienern, dass sich ihr „nun erst recht getreu“ verfestigte. Eine Reaktion, die zunächst nicht zu unterschätzen war.
Wenn ich diesen Ablauf erinnere, scheint mir die Empfehlung vom Buchautor durchaus angebracht, gegen „Verharmlosung und gegen Übertreibung“ zu forschen, auch wenn dabei Vorurteile sich als solche erweisen. Jedenfalls kann ich dem auch zitierten Rezensenten der „Süddeutschen“ nur zustimmen: Das Buch ist „wichtig, weil es endlich einen ernstzunehmend historischen Umgang mit der DDR-Geschichte einläutet“.
Von den ca. 2,3 Mio. Mitgliedern und Kandidaten der SED hatten allerdings bis 1990 ca. 2 Mio. die Partei verlassen; ich halte es also nicht für sonderlich wahrscheinlich, daß Korff die Parteimitglieder von 1988 im Blick hat, wenn er von jenen spricht, gegen die bei der Abwicklung der DDR schwerstes Geschütz in Stellung gebracht wurde. Aber vielleicht meldet sich der Autor ja noch und bringt Aufklärung.
Ohne dem Autor Korff vorgreifen zu wollen und zu Herrn Weinholz‘ Bemerkung, bis 1990 hätten ca. 2 Mio. Mitglieder die SED verlassen: Und was hat der Austritt aus der SED unter dem Aspekt der Abwicklung genutzt? Häufig (oder gar überwiegend?) – nichts. Mir sind hinreichend Fälle bekannt und begegnet, um die Antwort so kurz zu fassen. Aber fast alle aus der SED Ausgetretenen haben nicht zugleich ihren Dienst quittiert, sondern in der Regel bis zu ihrem Rausschmiss die DDR mit am Laufen gehalten. Wie in den Jahren und Jahrzehnten zuvor …
Sehr geehrter Herr Korff, Ihr letztlich positives Urteil über das Buch Kowalczuks teile ich. Eines geht mir bei Ihrer Hoffnung auf eine künftig differenziertere Beurteilung der DDR-Staatssicherheit allerdings ziemlich verloren: Die Erkenntnis, dass zur Ihrerseits so beklagten Diskreditierung von DDR und Sozialismus zuallererst die SED selbst beigetragen hat. Und ihr Sicherheitsorgan hat dafür einen gewaltigen Beitrag geleistet.
Betr.: Korff, Paradigmenwechsel
Mich wundert, daß Kollege Korff gern die Stasi-Akten vernichtet gesehen hätte. Nur anhand der Akten läßt sich doch beweisen, wie wacker die Genossen für den Frieden gekämpft haben.
Nicht ganz verstanden habe ich die folgende Passage:
„Hinzu traten machtpolitische Erwägungen für die praktische Abwicklung der DDR, für die angesichts der Dimensionen des Vorganges schwerstes Geschütz in Stellung zu bringen und dauerfeuern zu lassen maßgeblichen damaligen Akteuren offenbar angeraten schien. Immerhin waren allein rund zwei Millionen „bewusste“ DDR-Bürger, die diese Gesellschaft am Laufen gehalten hatten, möglichst rasch aus allen auch nur irgendwie relevanten Positionen und Betätigungen zu entfernen…“ Mit dem „schwersten Geschütz“ ist wohl der Stasi-Vorwurf gemeint. Aber welche maßgeblichen Akteure hat der Autor dabei im Blick? Und vor allem: Wer sollen diese zwei Millionen Bürger ganz konkret gewesen sein? Das hätte ich gern genauer gewußt.
Alice Schwarzer, Geoffenbarte – Per Selbstanzeige (in einer Zeit, wo Schlimmeres dräut, wenn man dem nicht auf diese Weise zuvorkommt) haben Sie ihre Steuerhinterziehung seit den 1980er (!) Jahren als schweren Fehler bekannt, haben nach- und Strafe gezahlt und beklagen sich nun, dass alles „Denunziation“ publik geworden ist. Für eine sonstig ausgewiesene Moralistin ist das bemerkenswert. Dabei hätten Sie sogar ein Fünkchen ehrlicher Reue glaubhaft machen können, wenn Sie nicht nur für die letzten zehn Jahre die Steuer nacherstattet hätten, sondern auch für jene zwanzig davorliegenden, die mittlerweile verjährt sind. Das aber wäre freilich neuerlich ein schwerer Fehler gewesen, da Sie dieses Geld nun jadoch für sich gerettet haben.
Jürgen Todenhöfer
Offener Brief an Joachim Gauck
LIEBER HERR BUNDESPRÄSIDENT, Sie fordern, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernimmt. Auch militärisch. Wissen Sie wirklich, wovon Sie reden? Ich bezweifle es und habe daher vier Vorschläge:
Ein Besuch im syrischen Aleppo oder in Homs. Damit Sie einmal persönlich erleben, was Krieg bedeutet.
Vier Wochen Patrouillenfahrt mit unseren Soldaten in afghanischen Kampfgebieten. Sie dürfen auch Ihre Kinder oder Enkel schicken.
Ein Besuch eines Krankenhauses in Pakistan, Somalia oder im Yemen – bei unschuldigen Opfern amerikanischer Drohnenangriffe.
Ein Besuch des deutschen Soldatenfriedhofes El Alamein in Ägypten. Dort liegen seit 70 Jahren 4.800 deutsche Soldaten begraben. Manche waren erst 17. Kein Bundespräsident hat sie je besucht.
Nach unserem Grundgesetz haben Sie “dem Frieden zu dienen”. Angriffskriege sind nach Artikel 26 verfassungswidrig und strafbar. Krieg ist grundsätzlich nur zur Verteidigung zulässig. Sagen Sie jetzt nicht, unsere Sicherheit werde auch in Afrika verteidigt. So etwas ähnliches hatten wir schon mal. 100.000 Afghanen haben diesen Unsinn mit dem Leben bezahlt.
Wie kommt es, dass ausgerechnet Sie als Bundespräsident nach all den Kriegstragödien unseres Landes schon wieder deutsche Militäreinsätze fordern? Es stimmt, wir müssen mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Aber doch nicht für Kriege, sondern für den Frieden! Als ehrlicher Makler. Das sollte unsere Rolle sein. Und auch Ihre.
Ihr Jürgen Todenhöfer
PS: Mir ist ein Präsident lieber, der sich auf dem Oktoberfest von Freunden einladen läßt, als einer der schon wieder deutsche Soldaten ins Feuer schicken will. Von seinem sicheren Büro aus. Fast bekomme ich Sehnsucht nach Wulff. Der wollte Menschen integrieren, nicht erschlagen.
Quelle: Jürgen Todenhöfer
„Wie kommt es, dass ausgerechnet Sie als Bundespräsident …“, fragt rhetorisch Todenhöfer. Da gibt es viele Begründungen, die gerade bei dieser Person offensichtlich waren und sind, auch schon, ehe er – jemand muss ihn ja ins Amt gebracht haben – das und der wurde, wie er war und jetzt ist.
Aber bitte vergessen wir nicht die unheilvolle Grundlegung bei diesem Amt!
Präsident Gauck nannte gern und überzeugt – auch von sich – zu Beginn des Theodor-Heuss-Jahres diesen den „Gründervater der Republik“ und überhaupt einen „Glücksfall für Deutschland“. Vor längerer Zeit hatte ich Veranlassung, im FORUM auf eine Erinnerung des Historikers Hans-Peter Schwarz (u.a. Kohl-Biographie) auf diesen „Glückfall“ zu verweisen. Schwarz berichtet: Heuss bekam 1957 von der Uni Freiburg zunächst die Ehrendoktorwürde, später auch Rotwein. „ Im Laufe des Abends stach dann jemanden der Hafer, und er fragte Heuss. ‚Aber Herr Bundespräsident, wir fragen uns die ganze Zeit, wie Sie dem Ermächtigungsgesetz zustimmen konnten?‘ Jedermann dachte, dass jetzt eine große Explosion kommen würde. Heuss jedoch drehte sein fast leeres Rotweinglas herum und sagte: ‚Ja, wir dachten eben: Es geht gegen die Roten.‘“. Kommentar von Schwarz dazu: „Eine völlig amoralische Antwort, die aber sehr überzeugte.“
Die deutsche Geschichte lässt die Deutschen nicht entkommen. Man kann sie eben auch als „Glücksgeschichte“ interpretieren und das Personal entsprechend auswählen bzw. bewerten. Das hat seine Kontinuität, und so gesehen ist eben der jetzige Bundespräsident dies nicht nur aus personeller Verlegenheit, wie es kurzzeitig schien, und seine Äußerungen weit mehr als bloße Meinungswidergaben.
Für das ausdrückliche Bekenntnis der Redaktion zu Wolf Schneider bedanke ich mich. Ich kenne in Minden den Geschäftsführer einer literarischen Gesellschaft, der immer von seinen „MitgliederInnen“ spricht und schreibt. Hat das etwas mit Literatur zu tun?
„Man ließ den Hunger einmarschieren“
Ob Frau von der Leyen, Bundessozialministerin a.D., der Atem stockte, als sie von den Gräueltaten der deutschen Wehrmachtsoldaten bei der Belagerung Leningrads durch Daniil Granin, überlebender der Blockade und russischer Schriftsteller im Deutschen Bundestag erfuhr?
Sie hätte vor Scham erröten, ihre Nachfolgerin im Amt, Frau Nahles anrufen und um die eilige, unbürokratische Erledigung einer Sache aus ihrer Amtszeit flehentlich bitten müssen. Einer Sache, die es deutschen Beamten verbietet, jenen ungefähr 2.000 Überlebenden der Blockade von Leningrad im Zweiten Weltkrieg, die nunmehr in Deutschland leben und zum Teil von Sozialleistungen wieder „überleben“ müssen, die vom russischen Staat gezahlte Opferrente nicht auf die Sozialhilfe anzurechnen.
Die Belagerung war keine militärische Operation, sie war ein vorsätzlicher Massenmord, geplant im Reichsernährungsministerium in Berlin und ausgeführt durch die deutsche Wehrmacht. Für ihre Leidenszeit während der Belagerung erhalten die Verteidiger, die, so Granin, auch ein Kind ernähren mussten, indem sie ein verhungertes totes Kind als Nahrung benutzten, seit dem Ende der Sowjetunion vom russischen Staat eine Opferrente von maximal 150 Euro im Monat.
Doch auch noch 70 Jahre nach der verbrecherischen Aushungerung kennen deutsche Ministerialbeamte und Politiker – wie Frau von der Leyen – keine besonderen Sentimentalitäten, aber besondere Härte gegenüber Leningrads Verteidigern. Im Jahr 2010 deckten die Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ) und der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck diesen Skandal auf. „Angesichts des hohen Alters der Opfer drängt die Zeit“, schrieb Beck an die damalige Sozialministerin Ursula von der Leyen und bat sie, diesen „eklatanten Missstand“ zu beheben. Sie sah sich nicht zuständig, verwies auf Einzelfallentscheidungen der Kommunalbehörden, die der Weisung des Bundes nicht unterlägen. Einer gesetzlichen Änderung bedürfe es nicht. Sofern die von Beck und der EVZ so bezeichneten Sonderrenten aus Russland tatsächlich den sozialhilferechtlich anerkannten Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz entsprächen, würden sie gar nicht als Einkommen angerechnet, beschied von der Leyen.
Doch die Praxis sieht bis auf den Tag, dem 27. Januar 2014, genau 70 Jahre nach dem Durchbruch der Belagerung Leningrads, und darüber hinaus, anders aus. Diese 150 Euro werden den Opfern des Nationalsozialismus, sofern sie staatliche Unterstützung erhalten, von einer ganzen Reihe von deutschen Sozialämtern als Einkommen auf die Sozialhilfe angerechnet.
Von der Leyen hätte in der Sache schon 2010 aus Geschichtsbüchern und Romanen von Daniil Granin um diese Gräuel wissen können oder ist es Ausdruck von menschlicher Ignoranz gegenüber allem was aus dem Osten Europas kommt?
Es ist höchste Zeit, einen fraktionsübergreifenden Antrag aller im Bundestag vertretener Parteien zur Abschaffung dieser skandalösen Praxis zu stellen.
„Was macht die ARD, wenn sie ein exklusives Interview mit Edward Snowden hat? Das erste Fernsehinterview überhaupt, seit der Whistleblower im Sommer nach Russland geflohen ist? Sie sendet Teile des sechsstündigen Gesprächs spät in der Nacht und lässt vorher Günther Jauch darüber diskutieren“ – ironisiert Spiegel-online diese informationspolitische Meisterleistung des öffentlich-rechtlichen Flaggschiffes, wobei auch nicht unerwähnt bleibt, dass mit dem Bild“-Chefreporter Julian Reichelt und dem ehemalige US-Botschafter John Kornblum anerkannt neutrale Talkgäste eingeladen waren. Einem analogen Interview mit „Kreml-Kritiker“ Chodorkowski wäre gewiss ein Prime-Time-Termin sicher gewesen und diskutiert über ihn hätten die üblich verdächtigten anderen „Kreml-Kritiker“, wetten, dass?
Helge Jürgs
Solange Positionen sachlich ausgetauscht werden, ist uns der Meinungsstreit zu Beiträgen und Themen, die im Blättchen verhandelt worden sind, willkommen. Auch wenn besagte Sachlichkeit den Disputanten wirtschaftswissenschaftlicher Gegenstände attestiert werden kann, überfordert ein überlanges Für und Wider aber das Blättchen-Forum. Wir bitten deshalb die Progagonisten, ihren durchaus interessanten Meinungsstreit auf der Plattform http://www.wirtschaftstheorie-forum.de/index.htm weiterzuführen, die sich unmittelbar der umstrittenen Thematik widmet.
Mit Dank für Ihr Verständnis,
Die Redaktion
Naja, Herr Murmelauge, schrieb doch Herr Busch: „Die volkswirtschaftlichen
Zusammenhänge, welche sich in den monetären Beziehungen, im Kreislauf des Geldes, in
seinem Volumen und seiner Struktur, reflektieren und über diese finanzwirtschaftlich gestaltet
und gesteuert werden, sind heute derart komplex, dass sie unmöglich in einem so archaischen
Element wie dem Gold erfasst werden könnten. Nicht das Gold bildet daher die Gewähr für
Sicherheit und Stabilität, sondern das Funktionieren des Bankensystems, dem Herz einer jeden
modernen Volkswirtschaft.“ Ist doch ziemlich eindeutig ein Weg der Systemstabilisierung, der hier benannt wird. Aber da ist Herr Busch in bester Gesellschaft, denn um diesen dreht sich der ganze Streit der Ökonomenmasse. Infragestellung des Systems, auch der Marktwirtschaft, Systemkritik ist das nicht, darum auch kaum als Theorie zu bezeichnen, in hohem Grade Wirtschaftsstrategie, die immer interessenorientiert ist, ob gewollt oder aus Gewohnheit.
Zu U. Busch „Geld:…“ Heft 2-14
Ich will es kurz halten, deshalb kurze Einwände.
1. „…Geld [ist] das, was als Geld funktioniert, ein technisches Hilfsmittel, …ein Tauschmittel. Darüber hinaus fungiert es als Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel.“
„Wertaufbewahrungsmittel“: ist das näher definierbar oder undefinierbare Hilfskategorie auf Zeit? Busch spricht im Weiteren nicht von der Veränderung des Geldwertes, sondern der Geldwertformen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
„Wertmaßstab“: Marx sprach von Maß der Werte und Maßstab der Preise!
2.… das Wesentliche aber, die „Natur“ des Geldes, … substanzielle Aussagen bei Karl Marx: Für ihn ist Geld ein „gesellschaftliches Verhältnis“…
Antwort auf die erste Frage verweist auf Warenproduktion, Arbeitsteilung und Privateigentum – und damit auf relativ allgemeingültige Aspekte der gesellschaftlichen Produktion.
Die zweite Frage dagegen ist problematisch. Marx selbst beantwortete sie mit einem Diktum, wonach Geld von Natur aus „Gold und Silber“ sei und selbst in entwickelter Gestalt, als Kreditgeld, „der Natur der Sache nach“ nie von seiner metallenen Unterlage loskommen kann. Diese Aussage gilt, wie das ganze Marxsche System, selbstredend nicht außerhalb von Zeit und Raum, sondern, …, für den klassischen Kapitalismus in Europa und Nordamerika und für die Zeit des Goldstandards.“
Nur für den klassischen Kapitalismus? O jeh, Marx, verdienstvoll in Historie, ist tot, es leben … Schumpeter + nachfolgende Koniferen + Büsche! Die Schumpeter-Gemeinde wird es wohlwollend registrieren. Wie kommt Herr Busch auf diese zeitliche Einschränkung der Geltung des „Marxschen Systems“, per Definition oder weil es „alle“ sagen? Ist ihm entgangen, daß Marx alle Formen der Warenproduktion abstrakt untersuchte und deshalb seine Aussagen für alle Warenproduktionsweisen Geltungsanspruch anmeldeten und er von konkreten Zuständen absah? Es müßte schon nachgewiesen werden, daß das Marxsche Wertgesetz der allgemeinen Warenproduktion keine Gültigkeit mehr besitzt und warum. Man kann auch nicht die von Busch gestellte 1. Frage von der 2. Frage getrennt behandeln, es geht immer um Warenproduktion.
3. „… Ludwig von Mises … Hajo Riese… Joseph A. Schumpeter …[zeigen] … wie Geld in modernen Volkswirtschaften entsteht, nämlich auf dem Kreditwege …Schaffung von neuem Geld, welches … als Kreditgeld zu begreifen ist.“
Dass sind Betrachtungen zu Geldformen, nicht zum Wesen des Geldes. Die inkludierte Behauptung ist dabei, daß neue Geldformen der Rolle des Geldes ein Ende setzen. Das gesellschaftliche Verhältnis „Geld“ wurde von Marx als Maß der Werte bestimmt. Diese Rolle ist unabhängig von den Gelderscheinungsformen im Hintergrund vorhanden, wirkt, ohne quantifizierbar und darstellbar zu sein, also fiktiv und virtuell. Eine Betrachtung soll diese Frage etwas verdeutlichen:
Gehen wir mal in die Zeit zurück, in der Warenproduktion mittels Mühlsteinen stattfand. Der so ablaufende Handel war ineffektiv und ist für uns heute absurd. Kann es sein, daß ohne Bewußtsein der Handelnden schon ein fiktives, noch nicht sichtbares Verhältnis wirkte, gewissermaßen die Notwendigkeit der „Erfindung“ von Gold als allgemeines Äqivalent und Münzgeld, daß die Warenproduktion notwendigerweise dieses erzwang und dieser Zusammenhang schon sinnvoll war? Ohne das „geheimnisvolle“, fiktive und anonyme Wirken des „Maßes der Werte“ im Hintergrund wären Warenproduktion und –austausch mit Hilfe von Gelderscheinungsformen nicht möglich gewesen, auch nicht die Akzeptanz von Mühlsteinen. Das klingt ziemlich phantastisch, ist aber eine mögliche Interpretation der Geschichte. Um uns diese Zusammenhänge plastisch zu machen, taugt sie allemal. Es gab also Wertaustausch lange vor dem Siegeszug von Gold, Münz- und Papiergeld und damit auch das Wirken des Wertgesetzes. Dieses war nicht unbedingt an diese Geld(erscheinungs)formen gebunden.
Herr Busch ist, siehe Beitragsschluß, auf bestem Weg mit dabei, die Funktionalität des Systems zu retten.
Nun wissen wir endlich, wer jetzt schon wieder den Kapitalismus rettet: Der Busch ist schuld! Der Verräter, der!
Entschuldigung!
Ein aufmerksamer Leser wies mich dankenswerterweise auf einen Lapsus hin, der mir in meiner Besprechung des Buches von Katya Bosse („Erlesenes – Frauengeschichten“) unterlief: Inge Lange (1927-2013) war natürlich nicht DFD-Vorsitzende. Das war seit 1953 (!) Ilse Thiele. Beide waren allerdings – auch dies über Jahrzehnte – ZK-Mitglied. Inge Lange allerdings als Kandidatin des Politbüros und ZK-Sekretärin für Frauenfragen (seit 1973) die eher Tonangebende. Die von mir zitierte Demo-Losung vom 4. November 1989 („Frauenpolitik mit Inge Lange macht uns bange!“) traf schon den Kern des Problems, auch wenn sie sich etwas unfair nur auf eine Person fokussierte (das haben Demo-Plakate so an sich). Die „Frauenpolitik“ wurde in der DDR mitnichten vom Demokratischen Frauenbund bestimmt. Ebenso wie der Kulturbund nicht die Kulturpolitik „machte“. Aufschlussreich ist übrigens die Tatsache, dass Lange „ewige Kandidatin“ war. Das sagt einiges über den Stellenwert der Frauenpolitik in der Werte-Hierarchie der Politbüro-Bürokratie aus. Das alles entscheidende Politbüro war ein reiner Männerverein. Es gab eine zweite „ewige Kandidatin“, Margarete Müller (1931 geboren). Auch Margot Honecker war wie Ilse Thiele „nur“ ZK-Mitglied. Ihr tatsächlicher politischer Einfluss dürfte aber um Einiges höher gewesen sein…
Ulrich Busch greift in seinen Überlegungen über das Wesen des Geldes im „Blättchen“ Nr. 2/2014 auch auf Marx zurück. Das ist verdienstvoll; eine etwas ausführlichere Beschäftigung mit diesem Autor hätte ihn der Lösung des Problems aber näher gebracht.
„Geld“ sind für Marx zunächst einmal auschließlich Goldmünzen (abgesehen von den damals eher seltenen Ländern mit Silberstandard). Auch die durchaus werthaltigen Silbermünzen seiner Zeit bezeichnet er als bloße „Geldmarken“. Dergleichen war übrigens in den finanzkräftigeren Ländern noch bis in die siebziger Jahre im Umlauf. Warum sie abgeschafft wurden, sieht man daran, daß etwa ein silbernes Fünfmarkstück der BRD je nach Tageskurs einen Schmelzpreis von 4,30 Euro bringen kann, also weit über dem Nennwert rangiert. Auch die DDR gab einzelne Silbermünzen heraus, die aber vermutlich nur wenige je zu Gesicht bekommen haben.
Marx beschäftigte sich auch sehr eingehend mit dem Problem, daß der Umlauf durch Abnutzung (sowie durch geschäftstüchtige Manipulationen) die Substanz der Münzen und damit ihren Wert verringerte. Man löste das Problem, indem man Papiere in Umlauf brachte, die eine bestimmte Menge Gold repräsentierten. Dabei konnte es leicht geschehen, daß mehr derartige Anweisungen ausgegeben wurden, als Gold vorhanden war. Nach Marx verkörperten sie dann auch nur noch einen entsprechenden Bruchteil des nominellen Wertes. Die Bedeutung der Geldmenge erkannte er also durchaus schon eine Weile vor den heutigen Monetaristen.
In Kriegszeiten – etwa gegen Ende des 18. Jahrhunderts in England, Frankreich, USA – wurde Papiergeld oft ohne genügende Deckung zum Zwangskurs in Umlauf gebracht. Aber solche „Geldfälschungen durch die Regierungen“ waren nichts neues; schon Friedrich II. von Preußen, Wallenstein und die spätrömischen Imperatoren hatten ihre Kriege mit minderwertigen Münzen finanziert. Neu war im 20. Jahrhundert nur die Praxis, diesen Zustand permanent zu machen und Anweisungen nur noch mit neuen Anweisungen zu bezahlen. Geld ist also kein mit noch so viel Versalien geschriebenes „Nichts“, sondern eher mit Georg Kreisler das, „was der Staat zirkuliert und uns allen billig offeriert“.
Abgeschafft wurde in den 70er Jahren nur die starre Bindung des Geldwerts ans Gold, das man ja neben anderen Tauschwerten noch immer dafür kaufen kann. Für 35 Dollar bekommt man allerdings je nach Tageskurs nicht mehr 1 Unze Gold, sondern etwa den 50ten Teil dieser Menge. Ein Festhalten an einem starren Goldstandard hätte also zu einer immensen Deflation geführt. Wenn Gold also auch nicht mehr als Zahlungsmittel dient – einen Wert verkörpert es mehr denn je, was ja auch Herr Busch gleich im ersten Satz seines Beitrags würdigt. Da aber Dollarmünzen, die man nur noch unter dem Mikroskop erkennen kann, nicht sehr praxistauglich wären, ist es für die Funktion als Zahlungsmittel nicht mehr geeignet.
Diese enorme Verschiebung der Proportionen zeigt einerseits, in welchem Umfang unsere Zahlungsmittel in der Zwischenzeit entwertet wurden. Andererseits deutet sie darauf hin, daß der allgemeine Fortschritt der Produktivität an dieser spezifischen Ware vorbeiging. Jedes Mobiltelefon hat heute eine größere Kapazität als ein mittlerer Computer vor 40 Jahren. Gold dagegen kann nicht in weitgehend automatisierten Fabriken hergestellt werden, sondern muß mit immer größerem Arbeitsaufwand aus immer tieferen Gesteinsschichten herausgekratzt werden.
Zukunftsweisend an der Theorie von Marx ist schließlich noch der Begriff des „Weltgelds“, das als Zahlungsmittel zwischen den Staaten oder Währungszonen dient. Dieses Weltgeld besteht nach Marx aus Gold und Silber in ihrem stets schwankenden Wertverhältnis; erweitert man die Liste um andere geeignete Waren, bekommt man einen Begriff davon, welche Tauschwerte unsere heutigen Zahlungsmittel verkörpern.
Viel wäre noch zu diesem Thema zu sagen; aber der Raum in diesem Forum ist nun einmal auf 4000 Zeichen begrenzt – und nicht auf 4000 Zeilen.
Sehr geehrter Herr Zufallsleser,
vielen Dank für Ihre Teilnahme an den Texten, auch meinem, denn das ist ja das Schönste, was einem Autor überhaupt passieren kann! Und wenn sich dann auch noch ein Leser die Mühe des Schreibens macht … Etwas Besseres kann man sich nicht wünschen.
Gut, dass Sie mich auf diese Redewendung des viel zu frühen Todes aufmerksam machen. Es stimmt, sie wird zu oft als gedankenlose Floskel eingesetzt. Aber in diesem Fall war sie ernst gemeint, weil wir, Sewings Kollegen und Freunde, noch gern sehr viel mehr von ihm gelesen und gehört hätten und wissen, dass er noch so viel zu sagen gehabt hätte und sagen wollte.
Ja, wann passt’s schon? Ich nehme die Frage mal zum Anlass, um endlich eine Geschichte über meinen Opa aufzuschreiben (folgt). Er wurde fast biblische 98 Jahre alt und hätte vielleicht mit seinem trockenen Dresdner Humor auch noch ein Weilchen weitergemacht (schließlich hatte er bereits das Kaiserreich, den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise, den Nationalsozialismus, den 2. Weltkrieg – von dem er desertierte –, die Dresdner Bombennacht, die DDR-Gründung, den DDR-Untergang, die Wiedervereinigung erlebt.) Aber mein Opa Herbert wollte mit seinen 98 Jahren nicht mehr, weil seine Frau Hertha, mit der er über 70 Jahre verheiratet war, kurz zuvor mit 95 Jahren gestorben war. Sie glitt einfach weg, kurz und glücklich, in den Armen ihres Mannes und ihres einzigen Sohnes. Und dann, wie gesagt, wollte auch Herbert nicht mehr. Anderthalb Jahre hielt er noch durch, schaute seinen geliebten Fußball, bekam von liebevollen Krankenschwestern täglich ein medizinisch verordnetes kleines Schnabeltässchen Bier (er war nie ein Trinker, aber es baute ihn auf) und erzählte erst jetzt, in seinen späten Jahren und den wenigen wachen Momenten – er war ja schon sehr geschwächt – endlich aus seiner Geschichte.
Wie glücklich waren beide, noch ihre Urenkel kennenzulernen. Meine Großmutter bewunderte die Locken der Kinder, ihre kräftigen Haare, und meine Armmuskeln, die durch das Kinderschleppen gewachsen waren. Es war, als würde sie sich plötzlich einfach zurücklehnen können. Jemand, der sagt: „Mein Werk ist getan.“ Und so war es auch mit meinem Opa. Er lehnte sich irgendwann zurück. Er hatte endlich seine Geschichte erzählt, seine Frau war nicht mehr da, und er wollte jetzt auch nicht mehr. Da war er schon immer sehr eigensinnig.
Das meine ich. Ich glaube, der richtige Zeitpunkt ist immer der, der wir für uns selbst beschließen, wenn wir es können und dürfen. Wenn wir selbst sagen: Es ist gut jetzt.
Aber bitte nicht zu früh! Natürlich hat auch jeder das Recht, sich selbst das Leben zu nehmen, wann immer er will. Aber es lohnt sich auch, 98 Jahre alt zu werden. Nicht nur, um Geschichten zu erzählen …
Mit 46 Jahren bin ich aus Ihrer Sicht vielleicht wenig kompetent, darauf zu antworten. Aber sie haben mich nunmal angeschrieben. Und sterben „tut“ man ja immer.
Im Dezember las ich nochmals Hans Falladas „Jeder stirbt für sich allein“. Ein Roman, der in seiner schönen, schlichten Sprache das Herz zerreißt und vor Augen führt, wie erschreckend viel das eigene Leben – auch für andere – zählt, auch wenn der Lebensbesitzer selbst so bescheiden ist.
Bitte achten Sie sich nicht gering.
Herzliche Grüße an Sie.
Ulrike Steglich
Sehr geehrte, liebe Frau Steglich,
well done! Danke für Text und auch für die Weise, mit der Sie mir und Meinesgleichen – Lesern und Autoren dieser ehrenwerten Zeitschrift, und vermutlich auch sich selbst – eine liebenswerte Facette zu einer der „Fragen aller Fragen“ hinzugefügt haben.
Darf ich meinerseits zwei winzige Sachhinweise anfügen?
Die Angabe zum Alter Ihres Großvaters mit Bezug auf die Bibel ist eindeutig untertrieben, es sei denn, sie wollen sagen, was durchaus zu glauben wäre, sein Leben sei „köstlich“ gewesen (darunter ist bibelgemäß nämlich mit 80 Jahren Schluß).
Fallada – wenn ich richtig erinnere, starb mit 54 Jahren; am 11. Januar 2014 wurde sein ältester Sohn Ulrich Ditzen nach 83 erlebten Jahren in Carwitz beerdigt. Etwas überraschend auf dem Dorffriedhof, nicht neben dem Vater.
So ist das mit dem Leben und dem Sterben.
„Fare thee well
and if for ever,
then forever
fare thee well”
(Hat was mit Byron zu tun – und mit Heine auch.)
Sehr geehrte Frau Steglich,
Ihre besinnliche Geschichte zu der besprochenen Dame, „Die wo da tut“, könnte, wie manches im Blättchen, auch ohne Antwort zu aufgeworfenen Fragen enden, obgleich zunächst Hoffnungen und kreative Neugier geweckt sind. Ihr Anliegen fällt nicht darunter, da ich der Auflösung des Geheimnisses der benannten Dame teilhaftig wurde. Danke dafür. Soweit – so gut.
Eine offene Frage, als solche nicht erkenntlich, ergibt sich mir aber in Bezug zu Ihrer Widmung für Werner Sewing. Der wurde wohl sechzig und einhalb Jahre alt, was Sie zu dem Klammer-Kommentar veranlasste, er sei „viel zu früh“ gestorben. Nun habe ich solchen Satz schon des Öfteren und, infolge fortschreitenden Alters zunehmend, vernommen.
Durch Ihre Bewertung angeregt oder darin bestärkt: Wann, so meine Frage, und keineswegs nur an Sie, ist der richtige Zeitpunkt, daß man in meiner zeitweiligen Verweilstadt dann etwa dazu sagen täte – „‘s paßt schon“? (Ganz verzichten ist ja keine ernsthafte Option!)
Ich grüße Sie, und erhoffe weitere Anregungen von Ihren Bildungsreisen!
Ein sehr guter, nicht zuletzt weil sachlich-unideologischer Beitrag von Erhard Crome zum Thema EU, das in der Linken derzeit leider mehrheitlich wieder in der vertrauten Form des Entweder-Oder verhandelt wird. Auch mit dieser Feststellung Cromes kann ich dabei leben: „Sie (die EU) war von Anfang an als Eliten-Veranstaltung gedacht, die den Windungen und Wendungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen möglichst wenig zugänglich sein sollte.“ Ja gewiss – nur würde ich gern wissen, worin da das Besondere liegt. Ist irgendeine relevante und strukurprägende oder -verändernde gesellschaftliche Entwicklung schon einmal von anderen ausgegangen als von Eliten? Gesetzt, die europäische Einigung wäre auf dem urdemokratischen Weg von Volksabstimmungen vor sich gegangen – ich fürchte, wir wären heute eher in Richtung seinerzeitiger Duodezfürstentümer unterwegs. Vertrackt.
Axel Gensler
Lieber Herr Gimpel,
Die Schreibfehler bei der Namensnennung jenes Blättchen-Autors, auf den Sie sich beziehen, ist nur eines Hinweises wert, sowas passiert halt. Ihre rotfuchsverdächtige Auffassung, dass der Stalinisnus hierzulande im allgemeinen und unter den Linken im Besonderen nur deshalb eine Rolle spielt, weil ihn „die Wessis“ benutzen, und ohne diese Bösartigkeit die Linken keinen Grund hätten, sich „ständig über Stalin auseinanderzudividieren“ erinnert allerdings doch sehr an jenes schlichte Weltbild, an dem die DDR nicht unwesentlich auch zugrunde gegangen ist. Der Oberton solcher „Auffassungen“ – von Denken und Nachdenken mag ich hier nicht sprechen – lautet ungebrochen: Keine Fehlerdiskussion, Genossen. Kampf der Reaktion, die an allem schuld ist. Im Geiste sind wir unbesiegt, hätte uns nicht Gorbatschow den Dolch in den Rücken gestoßen, Howgh!
Das Dumme, lieber Herr Gimpel ist nur: Gegen Dogmen ist schwer zu diskutieren – versuchen Sie das mal bei religiösen Fanatikern oder Exorzisten. Ich halte es für Zeitverschwendung.
Tun Sie also, wozu Sie sich Ihrer politischen Religion gegenüber verpflichtet fühlen. Einkehr ist bei dieser eh nicht vorgesehen. Und was Ihre Lektüre anbetrifft, so werden Sie – sofern weiterhin überhaupt erbötig – im Blättchen gewiss immer Texte finden, die sich mit der politisch herrschenden „Reaktion“ auseiandersetzen; jedenfalls war das bisher ja so. Auf jene Beiträge, die sich mit linker Reaktion auseinandersetzen, wird die Zeitschrift allerdings hoffentlich ebenfalls nicht verzichten. Für den, der das nicht mag, bietet das Medienspektrum zum Glück selbstbestätigenden Ersatz in Menge. Immerhin haben Sie mit Ihrem Leserbrief einmal mehr jenen treffenden Satz bestätigt, dass das, was bei Linken am schwersten voraussagbar sei, deren Vergangenheit ist, das darf als verdienstvoll gelten.
Gerhard Hopf
Eine treffende Replik auf einen eher „halbgaren“ Kommentar! Für mich als jemand, der die DDR nur aus der Außenansicht kannte, war der – sehr gelungene – „Versuch“ von Erhard Weinholz lehrreich, und sein Standpunkt ist mir ungleich sympathischer als der von Herrn Hacks.
Erinnert sei auch an die Ergänzungen, die Hans Jahn in seinem Kommentar vom 7.1. in die Debatte einbrachte. Beim Wort genommen, führen sich solche Zitate selbst ad absurdum. Wenn etwa nach Meinung von Herrn Hacks in der DDR keine einzige Klasse den Staat abschaffen wollte – wer waren dann die 85 % der Wählerschaft, die 1990 nicht für die PDS gestimmt haben? Alles „Lumpenkleinbürger“?
Wie in diesem Land die Reaktion gegen alles wütet, was auch nur nach DDR riecht, finde ich Herrn Wendholz‘ Kritik an Peter Hacks enttäuschend und der Zeit nicht angemessen. „Literaturschande“, „Salonstalinist“ – ist das nicht reichlich überzogen? Wenn die Wessis nicht Stalin benutzen würden, um ALLES Linke und „noch die ordinärste bürgerliche Finanzreform“ plattzumachen, wärs auch in der Linken nicht mehr nötig, sich ständig über Stalin auseinanderzudividieren, während draußen die „Diktatur der Bourgeoisie“ tobt. Kann mir gut vorstellen, dass Hacks da nach dem Anschluss der DDR auch in die Ecke getrieben war. Dann muss man aber nicht noch hinterhertreten. Das wirkt irgendwie unsolidarisch, jedenfalls nicht „netter“ als die zitierte Sentenz von Hacks gegen Wolf Biermann, der sich heute an alles und jeden verkauft, z.B. an die Kampagnen über „DIE antisemitische DDR“ usw.
Prokon-Anleger haben bislang knapp 188 Millionen Kapital des Windkraftfinanzierers gekündigt, der ihnen vor gar nicht langer Zeit Rendite versprach, die ebenso wundervoll wie wundersam waren. Nun ist das Unternehmen von Insolvenz bedroht. Man mag vielleicht Mitleid mit den Anlegern empfinden, die möglicherweise bald ihrer Gelder gänzlich verlustig gehen werden; die Vorstellung, ein solch massenhaftes und sich in der Rückholung ihrer Einlagen (= private Kredite) artikulierendes Verhalten würde Schule machen, beflügelt die Herbeiphantasie einer Gesellschaft ohne Privatbanken. Leider nur ein schöner Traum.
Hans-Friedrich Körbler
Es war einmal vor langer, langer, gar nicht so langer Zeit. Die Menschen hatten aber das Verlangen, ihr Frühstücksei auch gegart zu verspeisen. Sie suchten nach einem Weg sich diesen Wunsch zu erfüllen und brachen auf, ihr Glück zu finden. Einige, deren Tätigkeit sowieso darin bestand, über Gott und die Welt zu sinnieren, setzten sich hin, um darüber nachzudenken. Sie lasen alles, was die Menschen, seit ihnen die Schrift gegeben, dazu zusammengeschrieben hatten, aber das war herzlich wenig. Sie wendeten die Bücher von Xenophon bis Thomas S. Kuhn und was sich finden ließ und ihre eigenen natürlich, fanden aber höchstens entfernt Beiträge, wie man durch intensives Denken und nur durch Denken ein Rezept finden könnte. Das legten sie erst einmal zur Seite, wie es ihre Gewohnheit war, um dies bei Gelegenheit ins Feld zu führen.
Eines Tages fand einer ein Gleichnis, von einem Manne geschrieben, der, als er einmal traurig war, seufzte: Ich weiß nicht was soll es bedeuten… und damit weltberühmt in Ewigkeit wurde. Der war auch ein großer Spötter und erzählte die Geschichte eines Affen, der so gern sein Frühstücksei gekocht gegessen hätte, aber nicht wußte, wie das zu bewerkstelligen sei, und dabei beobachtet wurde. Der Affe starrte aufs kochende Wasser und starrte und guckte, er konnte sich keinen Reim darauf machen. Er wußte nicht weiter, wo war die Verbindung zum Frühstücksei? Da hatte er plötzlich eine Eingabe. Er hängte seinen Schanz ins Wasser um zu sehen, was da geschehe. Er machte nur eine schmerzhafte Erfahrung.
Den Denkern, die diese Geschichte lasen, war ein für alle Mal klar, so geht es nicht, das können wir schon um unser Wohlergehen nicht nachäffen. Nur striktes Denken und das Denken über das Denken kann die Lösung bringen, so wie die Männer, die auf Ziegen starren, und als höchste Form des Denkens war ihnen die Mathematik. Und die größten Denker gelten ihnen die, die am tiefsten und kompliziertesten mathematische Modelle konstruierten und diese wurden ihren Göttern gleich. Die Modelle indes wurden gleichsam leichter und schwerer und schwebten bald dialektisch über den Wolken, ganz losgelöst von der profanen Welt. Und die Denker huldigten sie und eiferten ihnen nach, um auch ein Scherflein beitragen zu können.
Da begab es sich, daß sie eine Gestalt erblickten, die mit einem Topf Wasser auf einem Feuer zugegen war und etwas ins Wasser hielt. Sie konnten nicht so klar sehen, ob durch viel Lesen überanstrengter Augen, oder, weil ihre Brillen inzwischen nicht mehr zuließen, kann niemand sagen. Für sie war sofort klar, da werkte wieder der alte Affe. So entstand ein Irrtum, denn ihnen entging, daß dort ein Mensch saß, der beim Eierkochen mit einem Thermometer die Wassertemperatur maß und auf dem Weg war, anhand der Realitätsprüfung das alte Menschheitsrätsel zu lösen. Der aber war gar nicht von ihm, er hatte ihn bei einem stillen Manne nachgelesen, der den Weganfang bei einem Alten, den man auch den Mohren nannte, gefunden hatte. Dieser hatte in grauer Zeit den Frühstückseierkochern angeraten, immer auf dem Boden der Grunderkenntnisse zu bleiben und nicht ins Wolkenkuckucksheim abzuheben. Und daran hielt sich der Mann eisern und aß so jeden Morgen ein weich gekochtes Ei. Die Denker aber hatten inzwischen errechnet: Es braucht eines Topfes, Wasser, viel Wärme und eines Eies. Den Topf kauften sie, das Ei auch jeden Tag, nutzten ihre Wasserleitung und Wärme gab es, mathematisch exakt berechnet, vor allem im Hochsommer tags bei wolkenlosem Himmel. So legten sie ihr Ei bei günstigen meteorologischen Bedingungen ins Wasser und warteten die exakt berechnete Zeit, auf daß ihr Ei werde. Es wunderte sie nur, daß sie nie zum Frühstück, sondern erst zu Mittag ihr Ei hatten. Und sie ärgerte sehr die häßlichen Flecken auf ihrer Kleidung, wenn sie ihre Eier aufschlugen. Aber dieses Problem, da waren sie sicher, konnten sie im Laufe der Zeit mit noch intensiverem Rechnen lösen.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann rechnen sie noch heut.
Der Profikicker i.R. Thomas Hitzelsperger hat sich als schwul geoutet. Schlimm genug für unsere Gesellschaft, dass ihm dafür öffentlich Mut attestiert werden muss – dass nun aber auch der Regierungsprecher meint, dies kommentieren zu müssen, wirft die Frage danach auf, wann sich all jene offen dazu bekennen, ein Rad ab zu haben, auf die das zutrifft.
Aber ach – das wären denn doch wohl gar zu viele.
Benno
Herr Richter kann es nicht lassen und will uns immer noch weiter daran teilhaben lassen, wie sein Affe mit dem Kochen seines Schwanzes befasst ist. Als Wikipedia neu war, haben kritische Geister dessen Fehlerquote mit der der Encyclopaedia Britannica verglichen. Und siehe: sie war nicht höher. Aber man kann diese Encyclopaedia natürlich auch für bürgerliches Teufelswerk halten. Was die Subjekt-Objekt-Dialektik und die Widerspiegelungstheorie anbetrifft, verweise ich auf Ruben. Auch Blättchen, No. 26.
Ach, Herr Crome, die Fuhrt war im Durchschnitt 1 m tief!
Nochmals zu Bernhard Romeike Heft 26:
Ist mir jetzt peinlich, muß aber sein: Ich würde Bezug auf Wikipedia meiden, wenn ich jemandem Unwissenschaftlichkeit, obwohl nicht beansprucht, nachweisen will. Dort scheint jemand wesentliche Aspekte entnommen zu haben: Wo ist der Zusammenhang von subjektiver Widerspiegelung und objektiver Realität abgeblieben? Weg isser! Nur noch die subjektive Seite ist übrig geblieben, zumindest im Zitat, sehr subjektivistisch das Ganze dadurch. Eignet sich aber bestens, objektivistische Tendenzen anzuwerfen. Sogar Leninismus und Klassenstandpunkt, großartig! Ist denn die Wissenschaftlichkeit einer Theorie nur wissenschaftlich exakt, also eigentlich nur von Wissenschaftlern, zu hinterfragen?
Wikipedia hat noch viel mehr interessante Seiten. Schlagen Sie mal zu „M.A.I.“, „transatlantische Freihandelsabkommen“ oder „Multilateral Agreement on Investments“ nach, sie werden begeisterter Anhänger in Bau befindlicher neoliberaler Wirtschaftsprojekte werden, garantiert. Nur ersticken sie nach Vollendung nicht an Chlorhähnchen, genmanipulierten Lebensmitteln, antibiotika-sattem Fleisch, nehmen sie nur Lebensmittel aus eigener Produktion und zahlen Sie fleißig Steuern, die Femegericht gewinnverlustierenden Lieferanten, wegen Verbraucherschutzgesetzen erlitten, zusprachen, vielleicht schon in Euro-Dollars, die Ihren Enkeln Zeit-Walmart-Jobs für 5 €$/Std. einbrachten, denn Sie gehören bestimmt nicht zu den „begünstigten“ Familiennetzwerken (hießen früher „Seilschaften“). Steht jedoch nichts davon in Wikipediea, nur nebenbei als Stänkerei zweifelhafter Verbraucherschützer am Rande erwähnt.
Zielbearbeitete Definitionen, auch in Wikipedia, sind Allzweckwaffen. Ganze Scharen von Ökonomen sind, so bei einigen kritischen Geistern der Ökonomie nachzulesen (Beispiele nannte ich bereits mehrfach), sich gegenseitig befeuernd den „neuen“ gefolgt, haben ihren Senf beigetragen, Preise umgehängt bekommen und „noch neueren“ Dominatoren Platz machen müssen. Heraus kam eine jetzt fest im Sattel sitzende Vulgär-Ökonomie („Pseudo“ vermieden!). Das ist eine der Nachrichten, aber die sind insgesamt nicht von mir. Aufgemerkt, die Herren, ich bin nur der Bote, nicht der Verfasser der Nachrichten!
„Das heißt: Subjektivität und Vereinbarung hin oder her – Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie Wissen über real existierende Wirklichkeiten produziert, die in der Natur oder in der Gesellschaft vorfindbar sind oder etwas mit der Methodik von Wissenschaft beziehungsweise Denken zu tun haben (hier sind dann auch Philosophie und Mathematik eingeschlossen).“ lese ich da. Stimmt auffallend, steht aber doch in Widerspruch zum Wikipedia-Zitat, oder?
Dann geben Sie dem Affen Zucker: „Richter teilt die Ökonomen-Welt in „gestandene Ökonomen“ und „Pseudo-Ökonomen“ ein.“ ist hier zu lesen. Nee, Richter kennt auch gestandene Ökonomen, die auch Pseudo-Ökonomen sind und umgekehrt. Er kennt auch solche, die das eine oder andere oder nichts von beiden sind. Unter letzteren fand er, zugegeben nur wenige, Theoretiker, die tatsächlich Neues in die Wissenschaft einbrachten, erstmalig seit Marx. „Gestandene Ökonomen“ heißt nur, schon länger im Geschäft und allgemein anerkannt. Die obige Kategorisierung ist also nicht von Richter.
Noch einen Dank zurück für den Zucker. Meine Auffassung über die Aufgaben (auch) der Mathematik in der Ökonomie gehen tatsächlich immer stärker in Skepsis über, da die eingeschlagenen Wege zu enge Grenzen stecken und relativ ausgereizt scheinen. Neue Modelle können dabei nur noch den Rest unbeackerter Felder aktivieren, aber keine neuen Qualitäten. Diese könnten neue Ansätze mit qualitativ neuen mathematischen Methoden, wie z. B. aus der Quantentheorie, erbringen. Harbach verweist auf solch neuen Ansätze. Insofern oute ich mich hiermit gern als „Mathematikfeind“.
Zum Beitrag “ Peter Hacks. Ein Versuch”
Was die Wirkung auf ihre Mitmenschen betrifft, könnte man jene zeitgenössischen stalinistischen Dogmatiker getrost vernachlässigen, von denen Erhard Weinholz spricht. Für naturgemäß naive und nach Revolutionärem verlangende junge Menschen können sie indes eine Fata Morgana sein, deren spätere Auflösung im Nichts des Belangvollen zumindest Verschwendung von Lebenszeit bedeutet. Dass sie zu alledem jenen, die sie mit masochistischem Heldenmut als Klassenfeinde bekämpfen, die Mühe abgenommen haben, sie als abschreckendes „Beratungsmuster“ zu erfinden, wäre ebenfalls anzumerken.
Was den als Dramatiker unzweifelhaft hochzuschätzenden Peter Hacks betrifft, so hier noch ein paar seiner Apodiktika, die vor allem aus Nachwendezeiten stammten und belegen, dass hohe Intelligenz nicht zwingend erleuchtet sein muss:
„Gorbatschow ist ein erwiesener Unmarxist, aber doch auch ein kaukasischer Gewohnheitslügner.“
„Also die Leute müssen noch lernen, daß m der schlechteste Sozialismus immer noch besser ist als der beste Kapitalismus.“
Es gab in der DDR keine einzige Klasse, die den Staat abschaffen wollte. Die Arbeiter wollten es nicht, die Bauern wollten es schon überhaupt nicht, und die technische Intelligenz dachte nicht daran. Sondern was auf den Straßen sich versammelte, war Lumpenkleinbürgertum.“
„Ich bin an Freiheit absolut uninteressiert.“
„Jeder (…) weiß, daß der Niedergang mit Stalins Tod begann.“
„Zu Stalins Todeszeit war Rußland in keinem schlechten Zustand.“
„Das Vorhandensein großartiger Führer, Lenins, Stalins, Ulbrichts hingegen kann die Quote der Revisionisten entmutigen und für eine gewisse Weile senken.“
„Was der Sozialismus nur kann ist: Er kann den Spezialisten ideologisch das Maul verbieten und sie ökonomisch hätscheln. Aus dem hierbei entstehenden Klassengleichgewicht zwischen Spezialistenklasse und Apparateklasse folgt Stalins und Ulbrichts Alleinherrschaft, und folgt beider Erfolg.“
„Eine „Charakteristik“ Stalins, eine gleichsam plutarchische Darstellung dieses großen Mannes gehört sicherlich zu den Texten, die uns sehr fehlen.“
Die kleine Zitatenauswahl ist entnommen: Peter Hacks, Am Ende verstehen sie es, Politische Schriften 1988-2003, erschienen im – surprise, surprise – Eulenspiegel Verlag 2005
Hans Jahn
In der DDR hat der Minister Mielke die besten Spieler per Befehl zum BFC Dynamo beordern lassen. Was uns wieder zeigt: Es ist das gleiche Vorgehen, nur in einem System über das zentrale Regulativ administrative Entscheidungen, im anderen über das zentrale Regulativ Geld veranlasst. Das Ergebnis ist dasselbe: Der Zuschauer betrachtet eine Meisterschaft, die manipuliert ist – nicht im Sinne vordergründig gekaufter Schiedsrichter, die es auch gibt, sondern im Sinne geschaffener Verhältnisse, bei denen von vornherein die Chancen, Meister zu werden, absichtlich ungleich verteilt sind.
Lewandowski geht nun doch zu Bayern München. Wenn der Goldesel Bayern so weitermacht wie schon seit längerem und der Konkurrenz einfach die besten Leute wegkauft, wird die Bundesliga bald nur noch dadurch aufrecht zu erhalten sein, dass Bayern München in achtzehnfacher Ausfertigung gegen sich selbst spielt.
Es lebe der sportliche Wettkampf!
Berti
Papst Franziskus hat zum Ende des Jahres 2013 zu mehr Menschlichkeit und Nächstenliebe aufgerufen. Das hat mich an meinem Gedanken beim traditionellen Neujahrsgenuss von Beethovens Neunter erinnert, um wieviel hilfreicher es wäre, bestünde die Vision Schillers im Schlußchor „An die Freude“ doch in ihrer Umkehrung: Alle Brüder werden Menschen …
Sven Walz
Das Schicksal Michael Schumachers ist tragisch, keine Frage. Und zu wünschen ist ihm, dass er den Unfall überlebt, wenn möglich ohne schwere bleibende Schäden; auch das ist fraglos.
Es ist nur so, dass ziemlich widerlich anzusehen ist, mit welchem Voyeurismus nicht nur die Bilig- und sonstigen Privatmedien das ganze Land in herzanfallartige Beklemmung zu stürzen versucht. Dass ein solches oder ähnliches Schicksal jährlich leider viele hundert Menschen allein Deutschlands erleiden, von denen man naturgemäß bestenfalls statistisches Aufhebens macht, bleibt außen vor. Längst ist so etwas wie der Schumacher-Unfall auch für die Öffentlich-Rechtlichen Anlass genug zu ausgedehnten Berichten und Erörterungen für einen Mann, der viele Jahre lang so schnell und gut im Kreis fahren konnte und dafür mit vielen Millionen DM und Euro bezahlt wurde.
Aber das ist eben die teuflische Logik: Sender wie ARD und ZDF, die seit Jahren den Privaten dabei nachjagen, ihr Publikum mit dem Neuesten und natürlich Allerwichtigsten über die sogenannten Prominenten zu versorgen, können irgendwann auch in anderen, seriösen Programmteilen nicht mehr hinter diesem Niveau bleiben.
Was Michael Schumacher betrifft, so wünsche ich ihm Genesung. Was die deutsche Medienlandschaft – außer ihre inselartigen Ausnahmen – betrifft, wünsche ich etwas, worauf realistischer Weise aber nicht zu hoffen ist: Verstand:
Wobei das gewiss sogar falsch ist, denn sie wissen ja durchaus, was sie tun.
Hajo Jasper
Rund 270 Milliarden Euro haben Anleger voraussichtlich 2013 in Ramschanleihen investiert, Anleihen also, die von Rating-Agenturen als „spekulativ“ oder „hoch spekulativ“ eingestuft werden, konstatiert der Spiegel. „Das ist so viel wie noch nie zuvor und zweieinhalb Mal mehr als noch 2007, dem Boomjahr vor der Lehman-Pleite. Die Ramsch-Renditen sind mit im Schnitt sechs Prozent historisch niedrig, im Vergleich zu Staatsanleihen erster Bonität aber immer noch hoch.“
„Same procedure as last year“, bekommt Butler James im jahresendlich traditionellen Dinner for one allweil zu hören. In der Welt der Hochfinanz geht es nicht anders zu: Nach dem Crash ist vor dem Crash – solange es gut geht, lässt sich die Nase weiter vergolden, geht´s schief, wird es der sonst so verachtete Staat, sprich, der Steuerzahler, schon richten.
Helge Jürgs
Zu „Wirtschaftsstürmerei“ von B. Romeike und auch „Wirklich „Neues aus der theoretischen Ökonomie“?“ von Stephan Wohanka Heft 26 + 25-2013 sowie einigen Forumsbeiträgen
Eine alte Erfahrung, nicht nur meine, hatte ich wieder mal ignoriert: Wenn (nicht nur) Ökonomen etwas lesen, setzt sich der angeeignete Denkmechanismus in Gang und das Gelesene wird mit nur den gewohnten Denkschemata geprüft. Man ahnt noch nicht mal, will es vielleicht gar nicht, daß da etwas stehen könnte, das mit den Schemata nicht erfaßbar ist, mit Ausnahme von B. Mankwald, der wohl nach mehreren Anläufen etwas zu ahnen scheint. Langsam entsteht mir eine Vorstellung, wie sich der Rufer in der Wüste oder der die Luft predigende Jesus gefühlt haben müssen. Schönes Bild und so herrlich anmaßend! Die Herren übersehen aus Gewohnheit oder bewußt, daß meine „Angriffe“ nicht zuerst den diversen Wirtschaftstheorien an oder besser: in sich gelten, dann müßte ich wahrlich diese Theorien analysieren und kritisieren, das ist aber nirgendwo als meine Absicht nachzuweisen. Immerfort verweise ich auf Harbachs Buch „Wirtschaft ohne Markt“, das alle bisherigen Wirtschaftstheorien in Frage stellt. Das ist das Neue in der theoretischen Ökonomie, Herr Wohanka, nicht meine Hinweistexte auf dieses Buch und dessen theoretischen Inhalt. Natürlich ist es ökonomischer, den vorliegenden Promotion-Text zu zerpflücken als ein anspruchsvolles Buch, das zudem noch arg schwierig ist, zu lesen, das liegt leider auch in der Tradition der theoretischen Diskussion, aber es trifft nicht den Kern der aufgeworfenen Problematik. Dann ist zwar die Frechheit eines vermutlich unter eigenem Niveau gewähnten Autors in die gebührenden Schranken verwiesen und man kann „Nach der Kritik: Ökonomie positiv gewendet“ schreiben, ist quasi wieder unter sich, aber die vielleicht unangenehme Fragestellung elegant oder auch nicht abgewiesen. Man kann dann noch eine künstlich konstruierte und alberne Mathematikdiskussion nachlegen. Die Fragestellung des oben genannten Buches jedoch bleibt: alle ökonomischen Theorien seit Marx seien von der Werttheorie abgewichen und bauten wegen ihrer Versuche, den Wert zu quantifizieren, auf Luftschlössern, seien deshalb auch nur „Vulgärökonomie“, ersatzweise „Pseudo“, der wissenschaftliche Basis fehlt. Dazu sind, nochmals nachgereicht, meine Texte als Diskussionsgrundlage nicht geeignet, sollen und dürfen es gar nicht sein. Ich habe auch keinerlei Ambitionen, wohl im Gegenteil zu meinen erzürnten Kritikern, als Theoretiker in die Analen einzugehen. Mich erstaunen nur immer wieder die gegen mich aufgefahrenen Kaliber, deren Sinn mir im Dunkeln bleibt. Ich stelle nur fest, daß alle „gelahrte“ wirtschaftstheoretische Diskussion unter Klosterschwestern eine ohne geringsten Zweifel über das Wie der Warenwirtschaft, nicht über das Warum, ist, ob neokonservativ, neoliberal oder marktsozialistisch orientiert. Woher nimmt man nur die scheinbar selbstverständliche Gewißheit, daß die Warenwirtschaft das Ende der Menschheit wäre und andere Produktionsweisen undenkbar seien? Gibt es keine Erkenntnisse, die diesen Glauben in Frage stellen? Genau die aber sind der Inhalt des Harbach‘schen Buches. Daraus, nicht aus dem von mir Geschriebenen, ergäben sich Ansatzpunkte, die in der Welt stehenden Theorien sowie die eigenen Auffassungen zu hinterfragen und die Wirtschaftstheorie neu anzugehen, ohne nach den dominanten Theorien zu schielen, ganz im Sinne des alten Marx, den meine Kritiker so gern im Schilde führen, aber wohl auch nicht so ganz verstanden haben. Harbach sagt ihnen, worin ihre Versäumnisse liegen.
„An das Buch! Auf die Plätze …“.
Anmerkung der Redaktion: Allein der – wie auch immere zu bewertende – Widerspruchsgeist, den Werner Richter ausgelöst hat, belegt, dass eine Diskussion seines Themas wirklich lohnt. Nur eben überfordert dies das Blättchen sowohl in dessen regulären Ausgaben als auf die Dauer auch im Forum. Wir unterstützen deshalb Werner Richters Anregung,die Debatte auf der von ihm betriebenen Homepage http://www.wirtschaftstheorie-forum.de/ fortzuführen, ausdrücklich.
Dank dem Feuerschutz! Kurze Selbstkritik: Die Thesen auf der Website sind wegen natürlicher Platzgrenzen sehr allgemein geraten und eignen sich so nicht als Appetitanreger. Wir sind dabei, einzelne konkretere Thesen zu erarbeiten und ins Netz zu stellen, die danach hoffentlich provokativer daher kommen und besser zum Streit taugen. Bis dahin braucht es aber noch Zeit, da auch eine technische Reorganisation dritter Beteiligter zu schaffen ist. Ich bitte um Verständnis.
Die Sonderausgabe des Blättchens zu lesen war mühevoll, aber es hat sich gelohnt; auch wenn es nicht mt einer finalen Meinungsfindung zu den dort aufgeworfenen Politkategorien endete. Erinnert hat mich das Editorial mit seinen Anmerkungen zur Demokratie aber noch einmal an Günter Gaus, der 2003 in der Süddeutschen Zeitung erklärte „Warum ich kein Demokrat mehr bin“, was in der Ausgabe 1 des Blättchen-Jahrgangs 2011 noch einmal nachlesbar ist.
Richard Albrecht
Liebes Blättchen-Redaktionsteam,
2013, das Jahr der Kriege, der hausgemachten Katastrophen, der
gesellschaftlich faulen Kompromisse und des fauligen Geruchs eines
ausdrücklich visionsfreien politischen Mainstreams, möchten wir um
jeden Preis auch genauso in Erinnerung behalten.
In Anbetracht der sterbenden Empfindsamkeit gegenüber der wachsenden
menschlichen Not, der existentiellen Entwürdigung, der Peinigung und
Zerstörung von Mensch und Tier weit über die Schmerzgrenze des
Verzeihbaren hinaus erkennen wir eher ein verlorenes Jahr.
Als Trophäe und Triumph im Zeitalter des homo oekonomicus und bereits
verstiegen zum homo legalitus mag der Profiteur und Nutznießer diese
Zeit der Überforderungen und lähmenden Ängste vielleicht frenetisch
feiern; wir von der Schattenblick-Redaktion wollen jedoch dieses Jahr
2013, so mürbe, geschmacklos und verdorben wie es für die große
Mehrheit der Menschen war, nie vergessen, damit es uns auch mit
Nachdruck daran erinnert, daß es doch für viele Einsichten, bestimmt
aber für alle kalkulierten Aussichten ein sicheres „Zu spät“ gibt,
für eine Utopie aber nie, die überhaupt erst dem Menschen in seinem
Streben das gesündeste aller Korrektive gewährleistet.
In diesem Sinne leicht gefaßter Schwergedanken wünschen wir
allen Freundinnen und Freunden und Genossinnen und Genossen
eine gleichsam erholsame und besinnliche Zeit.
Die Blättchen-Mannschaft bedankt sich und wünscht dem verdienstvollen Schattenblick (redaktion@schattenblick.de) ein schaffens- und erfolgreiches Jahr 2014.
Zum Beitrag von Bernhard Romeike im “Blättchen” Nr. 26/2013
Der Verfasser schreibt: „[Werner Richter] versteigt sich […] dazu, mathematische Modelle in die Tradition alchimistischer Trickbetrügerei zu stellen. Der Diskutant Bernhard Mankwald belobigt Richter dafür und attestiert ihm den richtigen ‚Klassenstandpunkt‘.“ Meint Herr Romeike vielleicht den folgenden Satz aus meinem Kommentar vom 28.11.? „Der Kernaussage von Ulrich Busch in seinem aktuellen Beitrag ist unbedingt zuzustimmen: ohne mathematische Modelle geht es in der Ökonomie nicht.“ Es folgte eine inhaltliche Überlegung, die bisher nur Werner Richter überhaupt zur Kenntnis genommen hat; die Eiferer für „Sachlichkeit“ ziehen es offenbar vor, unliebsame Argumente zu ignorieren. Bei Herrn Richter schaffen sie das nicht; und nur dafür habe ich ihm am 15.12. in der Tat ein – durchaus ironisch gefärbtes – Lob gespendet.
Thomas Kuhns Begriff des „Paradigmas“, also gewissermaßen des „Strickmusters“, nach dem Wissenschaft hergestellt wird, ist in der Tat wichtig für das Verständnis der Entwicklung. Dieser Autor konzentriert sich aber auf die Entwicklung in den Naturwissenschaften, in denen es in gewöhnlichen Zeiten tatsächlich ein vorherrschendes Muster gibt – bis sich dann in Krisenzeiten die Befunde häufen, die sich nicht mehr einordnen lassen. In den Gesellschaftswissenschaften gibt es dagegen einen Widerstreit der Meinungen; auf die Erkenntnisse vom Gramsci, nach denen diese sich auch unterschiedlichen Interessen zuordnen lassen, habe ich ebenfalls schon am 15.12. hingewiesen.
In den Gesellschaftswissenschaften gibt es ein solches Paradigma nur, wenn es mit Macht durchgesetzt wird. Die „Logik des Polarisierens und Spaltens“, mit der Lenin dies schaffte, habe ich schon früher dargestellt (vgl. http://das-blaettchen.de/2013/07/lenin-im-politischen-kampf-25862.html ). Dass der dazugehörige Jargon auf viele wie ein rotes Tuch wirkt, ist verständlich. Aber ist das ein Grund, sich statt dessen dem Paradigma der bürgerlichen Hegemonie und dessen Logik zu unterwerfen (vgl. http://das-blaettchen.de/2012/11/gramsci-und-die-buergerliche-hegemonie-17695.html )?
Der offenbar anstößige Begriff des „Klassenstandpunkts“ taugt übrigens auch zur Kritik an Lenin: von seiner Herkunft her kann man ihn als „deklassierten Bürokraten“ beschreiben, von seiner historischen Wirksamkeit als Gründer einer bürokratischen Hierarchie, aus der später eine neue herrschende Klasse hervorging (vgl. http://das-blaettchen.de/2013/07/lenin-und-die-berufsrevolutionaere-25726.html ).
Zu Bernhard Romeike Heft 26
Bernhard Romeike nennt die Diskussion merkwürdig, man kann sie aber auch amüsant finden. Soviel Kritik kann den gleichen Stolz bewirken, wie viel Feind – viel Ehr. Die meisten der Anwürfe lösten sich in Rauch auf, würde mein ständiger Verweis auf Heinrich Harbachs Theorie in „Wirtschaft ohne Markt“ mal beachtet und das Buch gelesen werden. Ohne dies ist die Diskussion in der Tat merkwürdig, es läuft ein Streit über Aussagen, die gar nicht in den von den Kritikern angenommenen Zusammenhang gestellt worden waren und nicht dorthin gehören. Bei Harbach findet man die Begründung, warum fast alle ökonomischen Theorien der Neuzeit das Wertgesetz verließen und dem Neoliberalismus hinterher schleichen, ohne es zu merken. Dabei kann man allentwegs groteske Situationen erleben. Z. B. im Blättchen, auch in der jüngsten Ausgabe Nr. 26, findet regelmäßig Kritik neoliberaler Theorien statt, aber gegen einen simplen, zugegeben recht schnoddrigen Verweis auf die Infiltration der ökonomischen Theorie durch neoliberale, der selbst keinen Wissenschaftlichkeitsanspruch erhebt, werden schwere Geschütze aufgefahren. Das werde ich wohl nie verstehen. Es kann doch nicht ernsthaft verlangt werden, die Unwissenschaftlichkeit des Neoliberalismus zu begründen. Oder bestreitet jemand, daß Friedman und Anhänger ihre Theorien vom Glaubensgrundsatz „Der Markt regelt alles“ herleiteten und den Kern der Werttheorie einfach beiseite legten? Mit diesem ursprünglichen Sündenfall verließ die Wirtschaftswissenschaft das Paradies und ohne diesen hätten die herrschenden Wirtschaftsstrategien nie ihren Platz einnehmen können. Und ohne Friedmans „Theorie“ hätte eine Anne T., nach Eigendarstellung, sich nie irgendwelche Finanzkonstruktionen aus den Fingern saugen können, die keinen ökonomischen Sinn haben, aber die Weltwirtschaft beherrschen.* Und man könnte uns nicht allabendlich die Börsenkurse als Widerspiegelung der Wirtschaft verkaufen und die bundesdeutsche Exportoffensive zur Eroberung des europäischen Wirtschaftsraumes als Allheilmittel für die EU. Anstelle der Wirtschaftstheorie wurden Wirtschaftsstrategien etabliert, die als Wirtschaftstheorie getarnt wurden. Wirtschaftsstrategien aber sind zuerst langfristig angedachte Wege zur Durchsetzung von Interessen, nicht der Lösung von Gesellschaftsproblemen. Wenn aus dieser Basis heraus dann beliebige, mathematisch gestützte Theorien entwickelt werden, werden diese dann mittels Mathematik wieder Wissenschaft? Kann denn die innere Stimmigkeit der mathematischen Modelle die Absurdität der Ausgangsthese heilen? Wird hier die Mathematik nicht als neoliberale Waffe mißbraucht? Sind dann meine Einlassungen eine Absage an die Mathematik in der Ökonomie? Das sind keine Fragen, die ich neu in den Raum stelle. Krugman, Stieglitz, auch Flassbeck und Albrecht Müller haben nicht nur einmal den Fehler bereut, sich auf die inhaltliche Diskussion der letztendlich obskuren Modelle eingelassen und den Weg der prinzipiellen Diskussion verlassen zu haben. Ich verwies nur darauf, ohne Anspruch auf Urheberschaft. Auch der Begriff „Pseudoökonomie“, ist leider auch nicht von mir, den hat Krugman in die Welt gesetzt. Gut, einigen wir uns auf den Marxschen Begriff der „Vulgärökonomie“, einverstanden?
Hat sich die Wirtschaftswissenschaft verirrt? Sie vergaß immerhin, daß der kapitalistische Reproduktionsprozeß im Zentrum der Gesellschaft im Kern ein „autoregulatives Kreislaufsystem der Warenproduktion ist. Er zeugt ein organisches, von Menschen geschaffenes gesellschaftliches System, das in wesentlichen Zusammenhängen noch naturbelassen, also naturwüchsig funktioniert und in seiner Totalität und in seiner vollendeten Gestalt als komplexes, soziales System von der industriell-technologisch geprägten kapitalistischen Produktionsweise angetrieben wird. [Es] … funktioniert als eigenständiger Organismus. Es handelt sich um ein autoregulatives [nicht-lineares und rekursives] System mit fraktaler Struktur, die im Kern selbstreferenziell ist, also keiner Steuerung von außen bedarf und daher vorrangig naturwüchsig-unbewußt funktioniert.“**
Wie es scheint, müssen wir uns auf der Website http://www.wirtschaftstheorie-forum.de weiterstreiten. Die Möglichkeiten des Blättchens sind wohl ausgeschöpft.
*Anne T.: Die Gier war grenzenlos, Berlin, Econ Verlag 2009
** Heinrich Harbach, Wirtschaft ohne Markt, dietz berlin, 2011
Die Rhetorik-Fachleute der Universität Tübingen haben die Bundestagsrede von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zum NSA-Skandal zur „Rede des Jahres“ gekürt. Nachzuhören und auch zu sehen unter http://www.youtube.com/watch?v=hp0FVvpfbFU&feature=player_embedded
Jan Bielicki in der Süddeutschen Zeitung über den Rücktritt Holger Apfels von der NPD-Spitze: „Burn-out lautet parteioffiziell Apfels Rücktrittsmotiv. Daran ist immerhin so viel wahr: Er hinterlässt eine ausgebrannte Partei, gebeutelt von Geldmangel, Mitgliederschwund, sinkender Zustimmung und internen Zerwürfnissen. Die NPD ist dabei, sich selber zu zerlegen. Das ist erfreulich, allerdings kein Grund zur Entwarnung: Auch zerstritten und zersplittert bleiben Neonazis gefährlich.“ Und schon deshalb, wäre hinzuzufügen, gehört sie verboten; schau´n wir mal.
Werner Pirker in der Jungen Welt: „ … Natürlich hatte Chodorkowskis langjähriger Gefängnisaufenthalt politische Gründe. Wäre dem nicht so, müßten alle russischen Räuberbarone hinter Schloß und Riegel sitzen. Daß den Jukos-Chef allein die Härte des Gesetzes traf, lag daran, daß er das politische Betätigungsverbot für die Top ten unter den Wirtschaftskriminellen ostentativ mißachtet hat und nach der Macht im Staate griff. Ein unschuldiges Opfer war er jedenfalls nicht.“
Deutschland ist in heller Aufruhr, und ein EX-Außenminister, eben noch für Rösler und Co. am Ball, hat seinen Ruf endgültig ruiniert. Die Politposse um den von Putin begnadeten Chodorkowski erlebt in Germany ihren vorläufigen Höhepunkt. Man hält Hof für einen Menschen, der nach russischem Recht wegen betrügerischer Machenschaften bei Yukos (die Anklage: Öldiebstahl) hinter Gittern saß. Bezeichnender Weise interessiert sich hier zu Lande niemand für den Straftatbestand – der dem von Timoschenko sehr ähnlich ist Was bei uns zählt, ist nicht der schnöde Steuerbetrug (das kann doch Uli Hoeneß auch!). Es ist der Versuch, die Macht im jeweiligen Land im Sinne des Westens zu attackieren. Chodorkowski soll – anders als andere Oligarchen – den Kremelchef direkt, und zwar politisch, herausgefordert haben. Dafür gibt es in Russland naturgemäß doppelten Knast, dann aber auch der Genscherschen Privat-Jet nach Schönefeld oder … im Fall der Blondbekränzten das Anerbieten für eine Bagatell-OP, die ebenso gut in der Ukraine stattfinden könnte Ich gebe Ihnen Recht: Die Zaren in Russland und der Ukraine hätten sehr viel mehr Leute hinter Gitter bringen müssen. Die hier Genannten sind zweifellos nur ein marginales Beispiel für den beispiellosen Raub am Volkseigentum. Der hat in Russland ebenso wie in der Ukraine stattgefunden. Für ein paar Rubel haben sich alle möglichen dunklen Gestalten in beiden Ländern ehemals staatliche Unternehmen unter den Nagel gerissen. Wer die für die Vergabe zuständigen Beamten am cleversten bestach, bekam den Zuschlag. So geschah es, dass die ehemaligen Staatsbetriebe – oft ohne jegliche Modernisierung – weiter produzierten und, sofern sie lukrative, devisenträchtige Produkte lieferten, märchenhafte Gewinne/Devisen einfuhren. Oft waren die neuen Eigner ehemalige kommunistische Funktionäre. Auch Abramowitsch (heute in Londaon) und hunderte andere Oligarchen wurden auf diese Weise steinreich. Die meisten von ihnen, haben ihre Dollar-Guthaben inzwischen in der Schweiz oder in Großbritannien deponiert, sprich: ihrer russischen Heimat entzogen. Doch diese Treulosigkeit allein war es nicht, die Putin drängte, ein Exempel zu statuieren. Es war der darüber hinausgehende Versuch, auch politisch Einfluss zu gewinnen – im Sinne des Westens. Dafür gab’s Straftlager im Kreml-Land.
Die Sonderausgabe Nr. 4/2013 ist ein neuer Höhepunkt dieser ohnehin sehr interessanten Reihe – dafür ein großes Lob! Auch derjenige, der sich schon intensiv mit der Materie befasst hat, wird hier noch Neues finden. Von Tocqueville etwa war mir bisher nur seine Beschreibung der Zustände in den USA bekannt. Dabei lässt sich von seinen Betrachtungen über die französische manches auch auf andere Revolutionen übertragen; auch Lenin und besonders Stalin übernahmen ja sehr viel von der vorhergegangenen Herrschaftsform.
Gibt es aber, wie Gabriele Muthesius im Editorial bedauert, tatsächlich so gar keine Vorstellung, von wem die notwendige Veränderung ausgehen soll? Wir sehen uns nicht mehr wie Marx mit einer Diktatur der Bourgeoisie, wohl aber mit ihrer fest etablierten Hegemonie konfrontiert. Lässt sich also der Gegner klar definieren, so werden sich auch Verbündete im Kampf gegen ihn finden lassen (hierzu ausführlicher: http://das-blaettchen.de/2012/11/gramsci-und-die-buergerliche-hegemonie-17695.html ). Und warum vielleicht gerade „professionelle marxistische Kritiker“ wenig geeignet sind, diesen Widerstand zu organisieren, wurde ebenfalls bereits erörtert (vgl. http://das-blaettchen.de/2012/12/gramsci-und-die-hegemonie-seiner-partei-18955.html ).
Dies nur als Ergänzung zu einer Materialsammlung, die noch viel Stoff zum Denken und hoffentlich auch Diskutieren bieten wird.
Hätte es nicht wenigstens eine kleine Demutsgeste für all das bisher so teuer Versaute sein können, wenn der BER-Aufsichtsrat in irgendeinem landeseigenem Büro getagt hätte, anstatt zur Miete in einem Residenzhotel Motzen?
Wobei: Auf die damit verbundenen Peanut-Kosten kommt es bei dem Projekt nun auch nicht mehr an.
Werner Kahle
Zum Beitrag von Stephan Wohanka im „Blättchen“ Nr. 25
Von Werner Richter lernen heißt, nicht unbedingt siegen, aber doch wenigstens Aufsehen erregen lernen. Ein kurzer Beitrag provozierte mehrere Kommentare im Forum; nun auch schon die zweite Replik im redaktionellen Teil. Was die Gegner dabei aufbringt, ist gerade die recht hemmungslos subjektive Art, in der Herr Richter für seinen Standpunkt so etwas wie Objektivität beansprucht.
Dabei war die Diskussion schon einmal weiter. Die „Subjektivität“ läßt sich nämlich auf einen bestimmten Klassenstandpunkt zurückführen; Marx hat diese Erkenntnis zu einer oft durchaus polemischen Kritik an der „Ideologie“ seiner Widersacher genutzt. Er hat aber auch über den eigenen Standpunkt befriedigend Auskunft gegeben: er hielt sich für einen Bourgeoisideologen, der auf die Seite des Proletariats übergegangen war. (Ausführlicher habe ich das an anderer Stelle dargelegt: http://www.bernhard-mankwald.de/leseprobe2006 .)
Diesen wissenssoziologischen Ansatz hat übrigens Gramsci später wesentlich weiterentwickelt (vgl. http://das-blaettchen.de/2013/01/gramsci-und-die-linken-intellektuellen-20500.html ). Mit seiner Hilfe lassen sich nicht nur die heutigen Ideologen des Kapitals kritisieren – sondern auch die tatsächlich herrschende Klasse des ehemals vorgeblich real existierenden Sozialismus, die Herr Wohanka als abschreckendes Beispiel anführt.
P.S. Im Spiegel von dieser Woche steht, dass Frau Merkel dem Putin die Ukraine wieder abnehmen will. Dazu soll zunächst Klitschkos Faust eingesetzt werden. Im Rundfunk berichtete der Sprecher heute früh mit angespannter Stimme, dass „mutige Männer“ in Kiew besetzte Häuser gegen die „Angriffe der Polizei“ verteidigt hätten. Man sollte der ARD empfehlen, die Franz Lists „Les Préludes“ abgeborgte Siegeshymne des Reichsrundfunks zu reaktivieren. (Die aber das schließliche Ende des Unternehmens „Deutsche Vorherrschaft im Osten“ auch nicht betrötet zu verhindern vermochte.)
„Der ukrainische Präsident Janukowitsch führt die Europäische Union vor. Erst empfängt er die EU-Außenbeauftragte Ashton – dann treiben Polizisten Demonstranten auseinander. Von dem Streit zwischen Kiew und Brüssel profitiert vor allem der Kreml“, kommentiert Spiegel-online die Vorgänge in Kiew. Dass der Westen seit Jahr und Tag – und immer massiver – Russland vorzuführen sucht, um es sich endgültig zu unterwerfen, findet weder an dieser noch an anderen Stellen einschlägiger Abnklagen Erwähnung.
Helge Jürgs
Zu Ulrich Busch am 09.12.13
Mein Artikel war keine Analyse Friedmans‘ Theorie. Die allerdings ist fragwürdig. Man kann ihn für einen großen Ökonomen halten, aber ebenso nicht. Einen Kotau vor diesem zu fordern, bevor man zur Diskussion ernst genommen wird, nur weil er inzwischen weltweit anerkannt sei, ist zumindest komisch. Ulrich Busch hat wohl noch nicht realisiert, daß es in der angelaufenen Diskussion nicht um die Wertung der inzwischen dominierenden Theorien gehen soll, sondern um die Grundfragen rund um den Wert. Ein kluger Ökonom (Klarname ist dem Autor bekannt)hat die aktuelle Theoriediskussion treffend gekennzeichnet: … „Es zeigt sich hier dasselbe Problem […]: Man redet zwar unablässig über Wert, Geld und Waren- und Geldzirkulation, aber mit viel Spekulation und Stochern mit der Hirnstange in gesellschaftlich nebulösen Bereichen. Wert kann man eben nicht „erzeugen, erarbeiten oder schaffen“. Selbst Marxisten überkommt er wie eine mystische Naturgewalt.“ … und … „Die Linken wollen (fast) alle das Kapital abschaffen, die Mehrwertproduktion auflösen, aber die Warenzirkulation beibehalten, selbst […] hat dies in Hamburg öffentlich bekundet. So als ob das Herz ungehindert weiterarbeitet, wenn man es vom Kreislauf abtrennt. Plötzlich sind der Wert und der Geld- und Warenkreislauf keine Gesellschaftsformen mehr, die dieses System genetisch definieren, sondern verselbständigte technische Funktionen und Vermittlungssysteme, die man beliebig steuern und lenken und in ein artfremdes System integrieren kann.
Und diese gesellschaftspolitische Traumtänzerei wird dann als einzig realistischer Weg einer gesellschaftlichen Transformation ausgegeben. Ich glaube, da liegt noch viel wissenschaftliche Kärnerarbeit vor uns !…“ Daß dann Wissenschaftlichkeit daran gemessen wird, ist einleuchtend. Wenn Theorien die o.g. Eigenschaften eindeutig zuordenbar sind, ist es dann mit deren Wissenschaft nicht allzu weit her. Abgesehen von der Zwiespältigkeit z. Z. des Erscheinens Miltons Theorie, viele bezeichneten sie damals als Scharlatanerie, hat er natürlich seine Verdienste. Er holte die vermoderten Von-Hajek-Glaubenssätze aus der Mottenkiste, machte sie salonfähig, half mit seinen Chicago-Boys Pinochet ein ganzes Volk in noch bitterere Armut zu stoßen, wobei er ein einmalige Großversuchsfeld nutzen konnte, machte eine kleine Schicht unanständig reich und wurde dafür mit dem Nobelpreis geadelt, seine Theorien aber nicht wissenschaftlicher. Das chilenische Volk ist ihm heute noch dankbar. Die damaligen Finanzterroristen der chilenischen Regierung gingen nach vollbrachter Arbeit daran, die Segnungen der Friedmanschen Theorien in die ganze Welt zu tragen und wenn sie nicht gestorben sind …. Seine Theorie ist nichts anderes als der Weg zur totalen Herrschaft der Finanzoligarchie ohne Rücksicht auf Verluste (der anderen, aber auch der Funktionalität des Systems), „selbst auf die Gefahr des Galgens“. Warum soll dann der Inhalt dieser Theorie a priori anerkannt werden und diese Anerkenntnis die Zulassung zur Diskussion sein? Man kann, und für einige große Ökonomen, z. B. Krugman, Stieglitz, sind diese Theorien einfach nur pseudo, durchaus an ihrer Wissenschaftlichkeit zweifeln. Weltweite Dominanz ist kein Kriterium der Wahrhaftigkeit und eine zur VW-Lehre aufgeblasene BW-Lehre mit mathematischen Modellen auf Basis fragwürdiger Ausgangsbedingungen ist noch lange keine Wissenschaft. Die Alchimisten waren in eigener Zunft und in bekloppten Fürstenkreisen hochgeachtet und Rasputin (merke ich erst jetzt: da steckt Putin drin!)auch. Die Geschichte führt sie jedoch nicht als Wissenschaftler.
Ulrich Busch ist nochmals dazu aufgerufen, Harbachs Buch zu lesen, dann versteht er auch die Weigerung, an den üblichen Wertquantifizierungsdebatten teilzunehmen. Harbach will die Theorie auf den Wert zurückführen, denn erst davon kann man wissenschaftliche Thesen entwickeln. Den Wert ignorierende, aber hochgestochene Theorien können kein Ausgangspunkt sein.
In Bezug auf die „verdrängenden Nichtökonomen“ ist anzumerken, dass dies keine Domäne der Neoliberalen ist. Der unter Linken gern zitierte Noam Chomsky ist von Hause aus Linguist, David Harvey Geograph.
Werner Richter begeht in seiner Entgegnung vom 29.11. einen groben Fauxpas, indem er dem weltweit anerkannten Ökonomen Milton Friedman einfach so und ohne jegliche Begründung die Seriosität abspricht. Dies ist ein Vorgehen, das jegliche sachbezogen Debatte von vornherein vereitelt und deshalb für eine Diskussionsplattform völlig ungeeignet ist. Selbst wenn man mit bestimmten politischen Äußerungen Friedmans nicht übereinstimmt und seine Ansichten zur Ökonomie, namentlich zur Geldtheorie, nicht teilt, so muss man doch anerkennen, dass er als Begründer einer theoretischen Schule und als kreativer Ökonom bedeutende Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte und -theorie verfasst hat und einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Ökonomie im 20. Jahrhundert hatte. Die Äußerung von Werner Richter ermutigt mich, meine Forderung zu wiederholen: eine echte Kritik und Auseinandersetzung setzt die Kenntnis der kritisierten Auffassungen voraus und soviel Sachverstand, dass eine Diskussion auf Augenhöhe möglich ist. Also: Was ist falsch an Friedmans „A monetary history of US“ oder an seiner „Theorie der optimalen Geldmenge“? Weshalb sind diese Arbeiten „unseriös“? Dies konkret aufzuzeigen und damit zu beweisen, dass man einen besseren Lösungsansatz hat – das wäre eine seriöse Kritik. Alles andere endet wiederum in (unseriöser), da unprofessioneller Krittelei und verhallt wirkungslos.
Dank Großer Koalition soll die Vorratsdatenspeicherung – ein weiterer Frontalangriff zur Abschaffung von Privatsphäre – nun doch kommen. Wer sich das nicht bieten lassen will, kann hier etwas dagegen tun: https://www.change.org/vds?utm_source=supporter_message&utm_medium=email&utm_campaign=petition_message_notice
Ergänzung zur Antwort auf Ulrich Busch
Man muß Ulrich Busch dankbar sein, einen wichtigen Fragenkreis der aktuellen Ökonomie hier benannt zu haben: die Mathematisierung/Quantifizierung der ökonomischen Theorie. Genau dieser Komplex ist auch Gegenstand der Betrachtungen des theoretischen Werkes Heinrich Harbachs (Wirtschaft ohne Markt“, Der gesellschaftliche Gebrauchswert der Äquivalentform S. 83 ff u.a.O.) mit seiner Kritik der „Äquivalenz- und Quantitätstheorie“. Wie die bisherige Diskussion zeigt, stehen in diesen Fragen auch andere Blättchenleser im Stoff (z. B. Bernhard Mankwald) und da offensichtlich das Blättchenforum der ungeeignete Platz für deren Weiterführung ist, schlage ich die Fortsetzung des Disputs in der Website http://www.wirtschaftstheorie-forum.de vor. Es könnte spannend werden.
Zum Schluß noch zur Fragestellung von Literat vom 01.12.: „Schön, dagegen kann man mit der „Verantwortung fürs Vaterland“ einreden. Aber wäre nach dem Lehrbuchverständnis von Demokratie nicht eine starke Opposition dafür dienlicher? Freilich nur, wenn man wirklich Opposition zum Bisherigen wollte, wie per Programm versprochen. Aber diese Grundfrage verschwimmt angesichts der rhetorischen Spielereien, aktuell auch von Gabriel geübt – das wird doch nicht etwa die Absicht sein?“ – Wäre es so abwegig, hinter diesem eigenartigen Winden zur Findung einer unverfänglichen Argumentation die klare Erkenntnis der SP-Führung über ihren aktuellen Marktpreis hinsichtlich der anstehenden strategischen Linienfortsetzung, jetzt den transatlantischen Wirtschaftsraum zur Freihandelszone und dann zur Währungsunion auszubauen, zu suchen? Ist nicht eine ähnliche Situation wie die, die zu „Agenda 2010“ führen sollte und führte, gegeben? Es wäre viel des Geschehens in diesem Zusammenhang (halbwegs) erklärbar.
Siegmar Gabriel hat televisionär auf die insistierende und hartnäckig wiederholte Frage, ob es nicht antidemokratisch sei, wenn eine übersichtliche Zahl von Mitglieder einer Partei über die Vertretbarkeit eines Regierungsprogrammes befindet mit der Gegenfrage reagiert, ob es denn demokratischer sei, wenn die noch viel übersichtlichere Zahl der an den Koalitionsverhandlungen beteiligten SPD-Großkopferten diese Entscheidung alleine träfe. Nun kann man ja zur designierten Großen Koalition stehen, wie man will, aber eine gewisse Logik ist dieser Entgegnung nicht abzusprechen.
Gegen das logisch schlüssige Verfahren, mit dem HWK die Hinter–List (um einen zwar gängigen, aber bayerischen Ausdruck dafür zu gebrauchen) von Siegfried Gabriel auf ihren Gehalt hin hinterfragt, ist nichts Anständiges vorzubringen.
Dadurch angeregt, könnte man aber auf ein demokratisch-parlamentarisches Prinzip abheben, wie im “blättchen“ bereits mehrfach angeregt. Also weniger die Frage, wie es um Kopfzahlen steht, sondern, warum die SPD mit der Plattform ihres Wahlprogramms in die Koalition „hinein gemußt“ hat, und ob diese Entscheidung – derzeit bis hin zu dem Koalitionsvertrag – denn keine Fehlinterpretation der Wählerentscheidung ist? Denn das Wählervotum übersteigt doch die Zahl derer, die jetzt zu einer Art nachträglicher Entscheidung als SPD-Mitglieder aufgerufen sind.
Kann man wirklich davon ausgehen, dass die bisher führende Oppositionspartei dazu gewählt wurde, um in der von CDU/CSU gestalteten Regierung SPD-Politiker finden zu dürfen? Die siegreiche CDU/CSU-Kombination hat doch die SPD-Führung in Kenntnis des Wahlergebnisses zu den Verhandlungen eingeladen. Und die SPD müsste ja das Wahlergebnis auch hinsichtlich der Erkenntnis interpretieren, wie das bei dem Schwanzwedeln so zugeht. Muß man denn (aus angeborener Höflichkeit etwa?) jeder Einladung folgen?
Schön, dagegen kann man mit der „Verantwortung fürs Vaterland“ einreden. Aber wäre nach dem Lehrbuchverständnis von Demokratie nicht eine starke Opposition dafür dienlicher? Freilich nur, wenn man wirklich Opposition zum Bisherigen wollte, wie per Programm versprochen. Aber diese Grundfrage verschwimmt angesichts der rhetorischen Spielereien, aktuell auch von Gabriel geübt – das wird doch nicht etwa die Absicht sein?
Literat sieht die demokratische Tradition „Fragen lesender (und nicht nur dieser!) Arbeiter“ dringlich bemüht.
Zur Kritik von Ulrich Busch
Er hat da wohl etwas gründlich mißverstanden. Mit dem kritisierten Artikel bestand keinesfalls die Absicht, eine umfassende Theoriekritik abzuliefern, schon gar nicht eine neue ökonomische Theorie zu entwickeln. Dann hätten seine Maßstäbe ihre Berechtigung. Das wäre auf den begrenzten Blättchenseiten auch gar nicht möglich. Die einzige Absicht des Artikels war, auf die Plattform http://www.wirtschaftstheorie-forum.de zu verweisen, die drei Bücher verschiedener Autoren zum Ausgangspunkt einer Diskussion zur Gültigkeit oder Nichtgültigkeit der Werttheorie in moderner Zeit nimmt. Damit ist die Hoffnung verbunden, daß Ökonomen verschiedener Ausrichtung die Gelegenheit nutzen, ihre Standpunkte dort darzustellen. Das mag etwas anmaßend klingen und niemand mit normaler Zurechnungsfähigkeit würde beanspruchen, dieses Problem lösen zu können. Aber einen kleinen, vielleicht später zu Recht zu vergessenden Beitrag zur Fokussierung vieler alternativer Ökonomen im weiten Land, die in kleinen Gruppen wie die Masch Hamburg, die Rote-Ruhr-Uni, die Bremer alternativen Ökonomen, die Schweizer M’eM und vom Mainstream abweichende Promi-Ökonomen ohne großen gesellschaftlichen Einfluß auf die „mainstreamige“ Wirtschaftstheorie vor sich hinarbeiten, zu versuchen. Dazu braucht es an der Stelle keines theoretischen Tiefganges, der Autor (ich) versteht sich in dieser Sache fast ausschließlich als Moderator, nicht als Theoretiker. Natürlich kann man den Sack schlagen, obwohl man den Esel meint, aber dem Esel ist das egal. Schön wäre es, wenn die Kritiker erst einmal die Bücher läsen und dann in die Diskussion einstiegen, das wäre ein erster Schritt („in die richtige Richtung“). Auch und gerade Ulrich Busch sind dazu herzlich eingeladen. Da wir schon dabei sind, würde nicht nur mich brennend eine Kritik eines Basisbuches der o. g. Website („Wirtschaft ohne Markt“) interessieren. Vielleicht findet sich ein Experte.
Nun noch zu einigen Details der Vorwürfe. Die Zusammenfassung der „Neoströmungen“ im Begriff „Pseudo-Ökonomen“ ist nicht mein Urteil, sondern nur eine Wiedergabe von Paul Krugmans Einschätzung, der die ihn verdrängenden Nichtökonomen („Ökonomiekenntnisse sind nicht geeignet zum Verständnis der Wirtschaft“) wohl zu Recht so titulierte. Und der Abstecher gegen die wuchernden, bewußt undurchsichtigen Mathematikmodelle war ebenso seine als auch die von Heiner Flassbeck, nicht gegen die Mathematik an sich und deren Bedeutung in der Ökonomie. Krugmann als auch Flassbeck resümieren den generellen Fehler, sich auf die Diskussion über die Inhalte der mathematischen Modelle eingelassen und die Grundlagendiskussion aus dem Auge verloren zu haben.
Mit Verweisen auf Nobelpreise sollte man vorsichtiger umgehen, schließlich gehört auch ein Milton Friedman zu diesem Kreis und der ist nicht gerade, obwohl Ikone bestimmter Leute, zu den seriösen Ökonomen zu rechnen. Das trifft auch auf weitere zu.
Heinrich Harbach: Wirtschaft ohne Markt, Dietz Verlag, Berlin 2011.
Paul Krugman: Der Mythos vom globalen Wirtschaftskrieg, Campus Verlag Frankfurt/New York 1999
Heiner Flassbeck: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, Westend Verlag, Frankfurt a. M. 2010.
Der Kernaussage von Ulrich Busch in seinem aktuellen Beitrag ist unbedingt zuzustimmen: ohne mathematische Modelle geht es in der Ökonomie nicht. Allerdings müssen diese realistisch sein, also auch ein Phänomen wie etwa die Wertschöpfung erklären; und dass dazu aktuelle Theoretiker etwa auf den sehr plausiblen Begriff des Mehrwerts zurückgreifen, halte ich eher für unwahrscheinlich.
Hat aber Marx mit seinen unausgereiften Modellrechnungen wirklich nichts nennenswertes herausgefunden? Zugegeben sei, dass er die Ergebnisse vermutlich tatsächlich nicht befriedigend fand; aber das liegt wohl an der Tendenz. In meinem Buch „Die Diktatur der Sekretäre“ argumentiere ich, dass Marx mit seinen Modellrechnungen in Band II des Kapitals die theoretische Möglichkeit einer krisenfreien stationären Entwicklung und auch eines krisenfreien Wachstums demonstriert hat; letzteres unter der Bedingung, dass alle Teile der Bevölkerung einschließlich der Arbeiter gleichmäßig am Zuwachs beteiligt werden. Da die Grundannahmen beider Szenarien dem Wesen des Kapitalismus widersprechen (wie er an anderen Stellen klar gemacht hat) hat er damit grundsätzlich auch die Unvermeidlichkeit von Krisen bewiesen, die aber unter normalen Umständen keine systemgefährdenden Ausmaße annehmen. Mein Fazit: Marx hätte mit dieser Argumentation „unversehens eine Antithese zu seinem ‚Allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation‘ aufgestellt; die Synthese, also die Auflösung des Widerspruchs auf einer höheren Ebene, wäre ihm sicher nicht leicht gefallen.“ Wen wundert es, dass er sich auf solche Überlegungen nicht einlassen mochte – in einer Situation, in der ihm die Arbeit ohnehin über den Kopf wuchs?
Wer diese Argumentation im Zusammenhang nachlesen will, möge bei mir eine pdf-Fassung des betreffenden Kapitels anfordern; die Kontaktadresse ist über das Link im Kopf dieses Kommentars zugänglich.
Petition für Abschaffung der Sanktionen bei ALG II
Inge Hannemann lässt nicht locker. Die bekannte Hartz IV –Kritikerin, die bis zu ihrer Suspendierung selbst als Arbeitsvermittlerin in einem Hamburger Job-Center tätig war, hat eine Petition zur Aufhebung der bestehenden Sanktionspraxis gestartet. Die Petition, die am 23. November auf dem Onlineportal des Petitionsausschusses des deutschen Bundestages zugänglich ist, hat bislang über 16.000 Unterschriften erhalten. Am 18. Dezember endet die Frist zur Mitzeichnung. Bis dahin müssen 50.000 Unterschriften vorliegen. Dann muss sich der Petitionsausschuss des Bundestages damit befassen.
Leistungskürzungen gegen Arbeitslose sind ein beliebtes Mittel der Jobcenter, um Betroffene gefügig zu machen, schlecht bezahlte Job im Niedriglohnsektor anzunehmen. Jedes Jahr fallen diese Entscheidungen der Jobcenter massenweise vor Gericht durch. Dennoch denkt die Bundesagentur überhaupt nicht daran, diese Praxis einzuschränken, sondern will sie noch verschärfen, was übrigens schon Eingang in den Koalitionsvertrag von SPD und Unionsparteien gefunden hat. Für Inge Hannemann sind die Sanktionen dagegen eine Bedrohung der „Existenz und gesellschaftliche Teilhabe“ der Betroffenen.
Diese Online-Petition ist nicht nur eine Möglichkeit, den Bundestag zu zwingen, sich erneut mit dem Problem auseinanderzusetzen, sondern auch ein Gradmesser dafür, wie es den Kritikern der Sanktionspraxis gelingt, Widerstand zu mobilisieren. Die Petition kann über das Internet direkt unter http://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2013/_10/_23/Petition_46483.nc.html mitgezeichnet werden.
Ein sehr wichtiger Hinweis. Diese Petition muss erfolgreich sein. Es ist nach wie vor erstaunlich, wie gering der Widerstand gegen die Sanktionen beim Arbeitslosengeld II ist. Sind diese Sanktionen doch ganz offenbar verfassungswidrig. Weshalb das Bundesverfassungsgericht noch immer nicht angerufen wurde, bleibt unverständlich. Ulrich Wegener, Sozialist in der Braunschweig-SPD
Diese Mitteilung auf Spiegel ONLINE von gestern hat nicht nur, sondern ist Kalkül in Reinkultur: „CDU und SPD haben sich in einer wichtigen Personalie geeinigt. […] Frank-Walter Steinmeier [soll] Außenminister werden. Mitarbeiter des SPD-Politikers bereiten bereits seine Rückkehr ins Auswärtige Amt vor.“
Da hatte es doch geheißen, zunächst müsse lange geprüft werden, ob Große Koalition überhaupt geht; danach die Sachfragen, und gaaanz zum Schluss die Auflösung des großen Personenquiz. Und nun, noch vor dem möglichem Koalitionsvertrag, schon Möbelrücken in Richtung AA!
Da muss die Sorge bei der Allianz der Willigen vor dem Mitgliederentscheid in der SPD doch größer sein, als sie das bisher selbst wahrhaben, geschweige denn zugeben wollten. Die verständliche Sympathie für Steinmeier soll nun richten helfen, dass die Partei so wählt, wie es die entschlossenen Koalitionäre brauchen.
Wieder eine Sternstunde für die deutsche Demokratie – dieses Mal passender Weise eingeläutet am Totensonntag, um 17.23 Uhr.
Liebe Blättchen-Macher,
ich komme soeben am 16. Jahrgang | Sonderausgabe | 18. November 2013, Tucho-Motto vorbei: Welch eleganter Schritt über die Elbe! Aber mußte gerade dieses Tucho-Motto sein? Im Land der blühenden klassischen Philologie an der Isar weiß jedes Kind, dass Tucholski hier Tacitus plagiiert: „Ich bin kein Germane, aber wenn ich mir die herrschende Moral im Imperium romanum ansehe, könnte ich glatt einer werden. Also benehmt euch endlich wieder wie Römer.“ (Germania, passim) Hat der gute Genosse Hobsbawn solche unterschwelligen Vorbehalte verdient?
Gruß
Hans Peter Bordien
P.S. Ich hielt den „SPAM-Schutz“ ganz spontan für einen gelungenen Scherz. Aber nun zeigt sich…
Lieber Herr Bordien,
dass die Redaktion Hobsbawm die Einordnung als „Kommunist“ nicht absprechen will, sehen Sie am gleichfalls vorangestellten Selbstzeugnis des Autors. Aber das Motto gibt doch einen guten Hinweis darauf, inwiefern er es auf „untypische“ Weise war.
Erstaunlich finde ich bei der Lektüre, wie bürgerlich doch die meisten dieser linken Intellektuellen waren – im guten Sinne des „Staatsbürgers“ oder „Bildungsbürgers“. Das lässt als Motiv für ihre politische Einstellung vermuten, dass ihnen die Mehrheit der „Besitzbürger“ unsympathisch war. Und diese Einstellung kommt auch im T-Zitat sehr schön zum Ausdruck.
„Tucholski“ mit i war übrigens der Mädchenname der Mutter. Heute könnte sie einen Doppelnamen führen – und ihr Sohn würde eine Satire darüber schreiben.
Gruß
Bernhard Mankwald
Dieter Hildebrandt ist tot.
Wir sind sehr traurig.
Margit van Ham, Wolfgang Brauer, Heinz Jakubowski, Wolfgang Schwarz
Das ist „Heldenmut vor Fürstenthronen“! Siegfried Gabriel, von sich selbst gerührt in der Schlußrede des SPD-Parteitags (falls akustisch im Original richtig verstanden): „Wir kneifen nicht vor der Großen Koalition“.
Das ist dann die bisher wohl originellste „kämpferische“ Begründung, um Vizekanzler werden zu wollen. Und die Delegierten jubeln.
Vgl. dazu nochmals den vorausschauenden Beitrag von Fritz Gericke in Blättchen Nr. 23 „Wann wir schreiten …“ mit der Charakterisierung der SPD als „Kaderpartei“.
Aufruf an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands
»Wider die Große Koalition!«
Die Große Koalition gilt als kleineres Übel. Es heißt, die SPD-Mitglieder müssen jetzt entscheiden, ob sie lieber 100 Prozent ihrer politischen Ziele nicht durchsetzen oder 50 Prozent durchsetzen wollen. Wer so fragt, hat sich bereits für die Große Koalition entschieden. Und tatsächlich erweckt die Führung der Partei – mit kräftiger medialer Unterstützung – den Eindruck, dass es nur noch darum gehe, 47 oder 51 Prozent des »eigenen Programms« durchzusetzen. Aber darum geht es nicht!
Vielmehr geht es um die Frage, ob sich die SPD in einer Regierung mit CDU und CSU weiter marginalisieren und für ein »Weiter so!« einspannen lässt oder ob sie eine politische Alternative nicht nur behaupten, sondern für diese auch einstehen will.
Die SPD will zukunftsfähig sein, bestärkt aber die Konzepte einer vergangenen Politikepoche.
Die SPD könnte in anderen Bündnissen grundsätzliche Änderungen erreichen, tritt aber freiwillig in die zweite Reihe.
Die SPD wandelt sich durch Annäherung an die CDU/CSU zur Gesichtslosigkeit, statt selbst Wandel durch Annäherung zu bewirken.
Die SPD verschenkt den Führungsanspruch – und sei es in der Opposition gegen eine CDU/CSU-Minderheitsregierung – für eine warme Mahlzeit: Jedes Ergebnis der Koalitionsverhandlungen steht unter Finanzierungsvorbehalt, nur die Ministerposten sind sicher.
Eine Große Koalition stellt keine unterschiedlichen Konzepte zur Wahl, sie stellt die Kaste der Politiker den Wählern gegenüber. So verhindert die SPD jetzt und in nächster Zukunft ein Bündnis linker und alternativer Parteien und Bewegungen. Wieder wird die Mehrheit links von der Mitte nicht genutzt.
Die Große Koalition schwächt nicht nur die demokratische Debatte und damit das Vertrauen in die Korrigierbarkeit und Offenheit demokratischer Prozesse, sie lässt auch den Wunsch der Mehrheit nach einer politischen Alternative ohne Adresse und ohne Antwort. Wenn der SPD die Courage fehlt, die Führung zu übernehmen, sollte sie in die Opposition gehen und sich von Grund auf erneuern.
Der Aufruf wurde am Donnerstag im Internet veröffentlicht unter http://www.wider-die-grosse-koalition.de. Die Erstunterzeichner waren: Silvia Bovenschen (Autorin), HG. Butzko (Kabarettist), Daniela Dahn (Publizistin), Christian Dunker (Buchhändler), Manfred Domrös (Theologe), Dieter Hanitzsch (Karikaturist), Stefan Hanitzsch (Mitbetreiber des Internet-TV-Kanals »Störsender«), Sibylle Havemann (Pädagogin), Annette Humpe (Musikerin), Inga Humpe (Musikerin), Marc Iven (Buchhändler), Kirsten Klöckner (Künstlerin), Maren Kroymann (Schauspielerin), Vera von Lehndorff (Künstlerin), Juliane Lorenz (Filmemacherin), Manfred Maurenbrecher (Liedermacher), Oskar Negt (Sozialphilosoph), Susan Neiman (Philosophin), Christian Nürnberger (Autor), Tim Renner (Musikproduzent), Elisabeth Ruge (Verlegerin), Michael Schneider (Schriftsteller), Friedrich Schorlemmer (Theologe), Daniel Schreiber (Autor), Ingo Schulze (Schriftsteller), Hanna Schygulla (Schauspielerin), Walter Sittler (Schauspieler), Christoph Sieber (Kabarettist), Antje Vollmer (Politikerin), Konstantin Wecker (Liedermacher), Hans-Eckardt Wenzel (Liedpoet), Roger Willemsen (Autor).
Mit Fritz Gericke „Seit an Seit“ (geht sicher ganz gut, wobei es mit dem gemeinsamen Schritt allerdings seine Schwierigkeiten haben könnte) ist fast immer „ehrenvoll und bringt Gewinn“, wie jüngst in der Ausgabe vom 11. November. Schmerzlich vermisst wird aber ein expliziter Bezug des angelernten „Kölsche Jung“ zum 11.11., 11 Uhr 11, der in der Sache selbst – ohne diese Kennzeichnung – allerdings hinreichend enthalten ist.
Zu seinen Beispielen der „über Bord gegangenen“ bundesdeutschen Parteien könnte man auch etwas aus früherer, ebenfalls nicht von allen Seiten günstig bewerteter deutscher Parlamentsgeschichte hinzufügen, als es Parteien die Fülle gab: In Bremen/ Bremer Hafen traten seinerzeit auch die Partei von Hausbesitzern mit Zentralheizung gegen die Partei solcher ohne Zentralheizung werbend auf; so geschehen in der guten, der „Weimarer Zeit“. Ob dies Modell besser funktioniert?
Fritz Gericke, betrübt und zornig auch aus sehr persönlicher Betroffenheit, hat angesichts der heutigen Realität aber die schlimmste aller Visionen: „Die Nationale Front lässt grüßen“.
Womit nebenher wieder bestätigt scheint: Nichts ist so schlecht, um nicht wenigstens noch als abschreckendes Beispiel dienen zu können. Damit aber genug der Frotzelei, wofür Freund Fritz übrigens kein schlechter Lehrmeister ist, wie nicht nur sein Zitat „Wann wir schreiten Seit an Seit“ zeigt.
Könnte es, einfach mal als „Wille und Vorstellung“ mit „zureichendem Grund“, nicht wirklich so sein, dass die parlamentarische Demokratie mit dem bisherigen Parteiensystem ( auch die aktuellen Koalitionäre dürften eigentlich nur an der politischen Willensbildung mitwirken – haben aber de facto das politische Monopol ) einfach nicht mehr zeitgemäß ist, auch wenn dies von Politikern und anderen Meinungsmachern – nicht zuletzt auch aus eigensüchtigen Motiven – so nicht thematisiert wird? Das allgewaltige, Churchill zugeschriebene und auch von Helmut Schmidt 2002 bekräftigte Urteil müsste dann freilich auch zeitgeschichtlich bewertet und nicht sogleich als ewige Wahrheit Kritikern am bestehenden System um Augen, Ohren und Tippfinger herum zitiert werden.
Warum sollte es nicht auch ganz anders gehen können und sollen, zumal wenn nichts mehr so richtig zu gehen scheint, schon gar nicht „Seit an Seit“, wie im Beitrag zutreffend konstatiert? Ist wirklich schon alles andere erprobt und nicht nur ideologisch als „zu leicht“ befunden worden? Oder passiert da gerade etwas, was zeitgerechter scheint?
Zeiten ändern sich, wissen viele aus persönlicher und gemeinschaftlicher Erfahrung – warum sollte sich da die gegenwärtige Gesellschaft heute so verhalten, wie die Parteien „früher“ und vom Empfinden irgendwie sinnvoller waren? Das betrifft auch das Schicksal der SPD wie das der FDP. Übrigens von manchen Blättchen-Freunden schon so oder ähnlich – nachlesbar! – vermutet, dabei allgemein schon früher erwartet.
Nach Votum der Wähler und Parteien-Entscheid hätte die angestrebte Koalition nun auch die Mehrheit dafür, die Verfassung bei Bedarf zu ändern. Wie soll Ulbricht 1945 (nach Wolfgang Leonhard) doch gesagt haben? „Es muß alles demokratisch aussehen; aber wir müssen alles in der Hand haben.“ – geht doch!
Dem Kommentator kann ich nur zustimmen. An anderer Stelle habe ich schon vor längerer Zeit kritisiert, dass die repräsentative parlamentarische Demokratie nur noch eine so genannte ist, weil alle Parteien Kaderparteien sind. Wenn den diese Form des Parlamentarismus repräsentierenden Parteien, die ja nur eine verschwindende Minderheit der Gesamtbevölkerung ausmachen, schon nur noch oder vorwiegend nach dem Willen ihrer Vorsitzenden oder Vorsitzenden artikulieren und nach Möglichkeit in reale Politik umsetzen, dann kann man nicht mehr von Demokratie die Rede sein. Wir müssen das eingefahrene Gleis verlassen, um nicht zu entgleisen, aber wir brauchen Mitreisende. Dem Literaten meine besten Grüße.
John Kerry hat mit Blick auf viele seiner in Deutschland verbrachten Kinderjahre bekannt: „Ich liebe Deutschland.“ Das erklärt nun freilich manches. Denn wenn man jemanden liebt, möchte man auch möglichst alles über ihn wissen, gell?
HWK
Heute in den Nachrichten:“ Es geht um fragwürdige Aktien-Deals und Betrugsvorwürfe: Dutzende Banken sollen laut „Süddeutscher Zeitung“ vom Fiskus mehr Steuern erstattet bekommen haben, als sie zahlten. Der Gesamtschaden könnte bei mehr als zehn Milliarden Euro liegen. …“ (http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/banken-sollen-deutschen-staat-um-milliarden-betrogen-haben-a-932026.html)
Man kann wirklich nicht annähernd so viel fressen, wie man kotzen möchte …
Maik Thorn
Wenn ein Forum-Autor bei der Taufe keinen eigenen Namen abbekommen hat, muß er sich halt einen Borgen …
Und hier zum SARCASTICUS in der aktuellen Ausgabe noch der passende Ignaz Wrobel: „Aber eine so gute Propaganda, wie sie die Kirche gegen die Kirche macht, können wir gar nicht erfinden.“ (Die Weltbühne, Nr. 28/1931)
Offenbar ging es nur darum, Aufmerksamkeit zu wecken bzw. dieselbe aufrecht zu erhalten. Weg von Merkels Handy, hin zu Snowden! Es geht offenbar um die RICHTIGE Art von Aufmerksamkeit. Für die wirklich wichtige Person in Sachen Spionage und den richtigen Tatbestand. Mehr ist von dem Moskau-Knüller keineswegs zu erwarten…
Ein Knaller ist das zweifellos, ein Knaller für die Medien: Der Grünen-Politiker Ströbele trifft, gemeinsam mit zwei deutschen Journalisten, Edward Snowden. Der wiederum erklärt, weiter an der Aufklärung der NSA-Spionage-Aktivitäten mitwirken zu wollen, gibt sich dabei gleichermaßen entspannt wie auskunftsfreudig. Sagt aber nichts Konkretes – weil er Putin ja versprechen musste, keine weiteren Geheimnisse zu lüften. Wir erinnern uns: Schon die Linke hat mehrfach gefordert, Snowden nach Deutschland einzuladen, auf dass er hier mit freiem Geleit aussage. Der Mann, dem wir alle viel zu verdanken haben, kommt jetzt – und gerade mit der jüngsten Aktion – in eine immer fragwürdigere, gefährlichere Situation. Immerhin wird ihm suggeriert, dass er irgendwo – am besten in Deutschland oder aber in Moskau – gefahrlos weiter auspacken könnte. Wenn die Randbedingungen (welche denn wohl?) stimmten. Glaubt Snowden selbst an diese Strategie und verlässt er die sichere russische Asylsituation, dann gerät er in akute Lebensgefahr. Denn der Bundesrepublik liegt längst ein Auslieferungsersuchen der USA vor, und Putin wird einen Teufel tun, die Lage weiter eskalieren zu lassen. Warum auch sollte er deutschen Aufklärungseiferern mitten in Moskau eine Verhörstation genehmigen – wo er doch weiß, wie Obama schäumt und dass er den Ball tief halten muss. Und warum sollten gerade die Deutschen, die Putin permanent beschimpfen, bei Putin um Zustimmung ersuchen?
Nein, das Ganze scheint mir eine populistische Luftnummer zu sein, mit der bestimmte Leute punkten, andere Auflagen und Quoten steigern wollen. Ströbele ist sicher um das Wohl der angeschlagenen Grünen bemüht. Das ehrt und blamiert ihn zugleich. Anders kann ich wirklich nicht ordnen, was heute ablief. Davon auszugehen, dass vielleicht auch noch NSA-Chef Alexander nach Deutschland käme, um Auskunft zu erteilen, setzt der absurd anmutenden Naivität vollends die Krone auf.
Gewiss: Ein Teil der Deutschen möchte Snowden danken und unterstützen. Das ist verständlich. Doch der andere Teil verdammt ihn mit gleicher Inbrunst. Die abgefahrene Show muss die Unterstützer ob der angedachten Modalitäten entsetzen, den Gegnern aber treibt sie erneut die Wut ins Gesicht. Beides schadet der Sache. Wollte man von Snowden mehr erfahren, dann sollten entsprechende Aktionen diskret ablaufen. Der Traum vom tribunalähnlichen Ablauf des Aufklärungsdramas dürfte schon im Ansatzzerplatzen. Denn weder wird Angela Merkel eine öffentliche Untersuchung in Deutschland, noch Putin das Entsprechende in Russland gestatten. Man fragt sich wirklich, wo die Ströbele und Co. leben.
Lieber Kollege Sarcasticus,
Karlheinz Deschner hat sehr wohl über die römische Papstkirche und ihre Kriminalgeschichte im 20. Jahrhundert geschrieben, allerdings – das stimmt nun wieder – nicht in seiner mehrbändigen „Kriminalgeschichte“. DAS BLÄTTCHEN hat am 1. April 2013 unter dem Titel „Von guten Päpsten“ darüber berichtet. Das lustige Datum war Zufall, die Sache selbst alles andere als lustig: Die guten Werke der „allein selig machenden usw. usf.“ des 20. Jahrhunderts reihen sich durchaus ungebrochen in deren blutige Traditionslinie ein. Wenn Bischöfe und Kurie denn damit endgültig und auf glaubwürdige Weise nachhaltig brächen- dann sollen sie sich doch meinetwegen überall güldene Klobecken einbauen lassen. Es sieht nicht danach aus.
Zu Sarcasticus in der aktuellen Ausgabe: Gut gebrüllt Löwe! Aber von Amtskirche wird erst seit etwa 1.600 Jahren gesprochen.
In Ergänzung zum Beitrag „Im Weinberg des Herrn“ bliebe zu fragen: Da Gott uns ja bekanntlich nach seinem Ebenbild geschaffen hat – was folgt aus dem Fall Tebartz-van Elst eigentlich im Hinblick auf den Schöpfer selbst?
Zu der etwas längeren Notiz zu Salzwedel (Nr. 21/2013)
Zur kritisierten Richtigkeit der Angaben: Natürlich gibt es in Salzwedel keinen Pulverteich, sondern einen Pfefferteich. Der Name wäre eine Überlegung wert gewesen angesichts der salzigen Ausrichtung der Stadt – die bekannt ist für die populärste Zuckerware im Land. Ein komisches Nebeneinander … Ich entschied mich aber lieber für eine Anspielung auf den bekannten Pulverteich in Hamburg, um das hanseatische Erbe Salzwedels milde zu belächeln. Dass keinem der beiden Kommentatoren der Zusammenhang aufgefallen ist, spricht für das Verblassen dieses gern zitierten Erbes. Oder ich setze zu viel voraus.
Und natürlich gibt es auch keinen Platz der Freiheit, sondern einen gleichnamigen Park. Aber ich schreibe doch recht deutlich von wenig Grün und vielen Grabplatten, die sich über die Landschaft beiderseits des „Park“-Wegs erstrecken. Somit ist das für mich ein grauer Platz, kein grüner Park.
Zum kritisierten Urteil über Salzwedel: Es handelt sich – wie in allen meinen „Notizen“ – um einen Reiseeindruck, der mir durch einen mehrtägigen Aufenthalt und einige Gespräche vor Ort entstanden ist. Betont subjektiv aus der Haltung des Flaneurs, der beobachtet und sonst nichts weiter macht, außer dass er sich – wie in diesem Haustierzoo, von dessen Besuch mir mehrfach von Salzwedelern abgeraten worden ist (ein südlich gelegener Märchenpark sei viel schöner) – zum Selbstschutz ein Taschentuch vor die Nase hält. Da gibt es weiter nichts zu rechtfertigen. Das, was schön wirkte, ist benannt, das andere auch. Ein Stimmungsbild eben.
Zu Gardelegen siehe im Übrigen „Kurze Notiz zu Raguhn-Jeßnitz und anderen Kopfgeburten“ (Blättchen Nr. 14/2013).
zu Thomas Zimmermann: „Etwas längere Notiz zu Salzwedel“ (Nummer 21/14.Oktober 2013)
Im Januar 2013 loben die Herausgeber das Niveau des Blättchens ausdrücklich. Eine Vielzahl aktueller Themen von „NSU“ bis „Lampedusa“ belegen das ausdrücklich. Um so seltsamer, dass sich im Forum ein Thomas Zimmermann derart „witzig“ über eine ostdeutsche Kleinstadt auslassen darf, die (seinem Fazit folgend) eigentlich keiner Erwähnung wert ist. Ja, Tucholsky war sehr scharfzüngig, aber er wusste worüber er schreibt. In Salzwedel ist alles enttäuschend, angestaubt, arm, „leer“ und „ehemalig“. Da ist es auch egal, dass es in Salzwedel garkeinen Platz des Friedens und auch keinen Pulverteich gibt. Dafür haben wir „dummgefütterte Ziegen“ und „lebendes Gammelfleisch“. Thomas Zimmermann hat dann wohl statt Baumkuchen (wegen der horrenden Preise) auch lieber den ähnlich anmutenden Dönerspieß aus ehemaligen dummgefütterten Tierparkhühnern verzehrt, der seinen Geist nicht nur symbolisch gequält zu haben scheint.
Lieber Thomas Zimmermann, ob die Begründer der Weltbühne ihnen verzeihen weiß ich nicht, aber die Grabplatten im Birkenwäldchen werden auch noch das Unkraut niederdrücken, wenn nach Ihrem Geschreibsel kein Gammelhahn mehr kräht.
Übrigens – der „unglaublich wunderbare Ort“ Gardelegen (40 km südlich von Salzwedel) ist die nach der Fläche drittgrößte Stadt Deutschlands und hat als Großstadt auch die (Achtung: Superlativ!) die landesweit höchsten Kartoffelerträge.
Auch da kann Salzwedel nur hinterher japsen.
Joachim Mikolajczyk
Christian Bommarius, hochzuschätzender Publizist – In Ihrer Kolumne zum Urteil des Verfassungsgerichtes über die nun endlich für unrechtmäßig erklärte Überwachung des Linken-Politikers Ramelow geißeln Sie – abermals – die verfassungsfeindliche Einäugigkeit des Verfassungsschutzes, der nicht in der Lage (oder Willens) ist, Bürger dieses Landes wie die NSU-Opfer zu schützen oder den Staat vor der NSA-Spionage, hingegen mit viel Aufwand linke Politiker observiert. Sie beenden Ihren famosen Text allerdings mit einem Satz, der ein Irrtum sein dürfte: „Der Kalte Krieg ist längst vorbei.“ Das, mit Verlaub, ist er wohl nicht. Auf der einen der beiden Seiten, die es zu einer Kriegführung bedarf, wird er lediglich noch von orthodoxen Randgruppen praktiziert, auf der anderen jedoch von repräsentativen Teilen des Staates und der Medien. Und er wird weitergehen, solange Links-Sein für letztere Teile ein hinreichender dauerhafter Grund zur Kriegführung ist.
Das Thema, das sich derzeit so spektakulär um den Tod der nach Lampedusa strebenden Afrikaner rankt, ist zu komplex, um mit einem solchen Eintrag auch nur annähernd gerecht behandelt werden zu können. Und soweit auch und vor allem klar ist, dass die erste, hier vor allem die europäische Welt zu handeln hätte, um Afrika beim Aufbau menschenwürdiger Lebensbedingungen behilflich zu sein – was mit Entwicklungshilfe-Geldern nicht einmal dann getan wäre, wenn diese sich an (uralte!) UN-Vorgaben halten würden sondern ohne Einschnitte in eigene Komfortabilitäten nicht zu haben sein wird – muss hier denn doch noch einmal auf den Irrsinn hingewiesen werden, der in abendländische Gesetzgebungen Eingang findet: Sowohl den Flüchtlingen – soweit sie das Glück hatten zu überleben – als auch den hilfreichen italienische Fischer, soweit sie haben Leben retten können, drohen nun nach italienischem Recht reguläre Verurteilungen und Bestrafungen. Tiefer kann die Moral einer Gesellschaft wohl kaum sinken. Dass besagtes italienisches Recht 2002 von den Postfaschisten Umberto Bossi und Gianfranco Fini ein- und durchgebracht worden ist, mag dabei symptomatisch für die Gesetzesverfasser sein, dass es in Bella Italia noch immer „Recht“ verkörpert, zwingt einen auch dann zum Fremdschämen, wenn selbst die restriktive Flüchtlingspolitik fast ganz Europas beklagenswert ist.
Holger Jemlich
Liebe Blättchen-Redaktion,
diesmal schreibe ich Ihnen eine Art offenen Brief, da das Thema vielleicht auch andere interessiert. Über den Abhörskandal war im redaktionellen Teil und im Forum viel Interessantes zu lesen, zuletzt noch in der „Antwort“ an Dilma Roussef in der aktuellen Ausgabe – aber wo bleiben die eigenen Konsequenzen? Solange die Korrespondenz der Redaktion über „Google“ läuft, kann ich ja praktisch sicher sein, daß die NSA mitliest. Wenn ein Beitrag dann schließlich veröffentlicht wird, ist er ohnehin im Netz sichtbar – aber ist das nicht noch früh genug? Bei einer Adresse wie „redaktion@blaettchen.de“ würden die Nachrichten über I h r e n Server laufen. Und die einzelnen Redaktionsmitglieder könnten, falls dies gewünscht ist, unter dieser Domain jeweils eigene Adressen bekommen.
Beste Grüße,
Bernhard Mankwald
Lieber Herr Mankwald,
Sie haben einerseits natürlich völlig Recht, aber andererseits ist die Lage beim BLÄTTCHEN noch viel prekärer: Wir haben gar keinen eigenen Server, unsere Ausgaben werden vielmehr mit der Open Source Websoftware WordPress erstellt. Wir sind also offen wie ein Scheunentor für alle Geheimdiensthanseln dieser Welt, die sich fürs BLÄTTCHEN interessieren. Bei einem so öffentlichen Medium, wie wir es sind, halten wir dies ausnahmsweise für unschädlich.
Trotzdem prüfen wir „ein Leben ohne Google“ (siehe z.B.: http://blog.zdf.de/hyperland/2012/03/leben-ohne-google-in-zehn-schritten). Ein Hinweis noch für Sie: Alle Server basierten Internetdienste bieten ein für Profis einladendes Einfallstor zum nicht autorisierten Mithören, Mitsehen und Mitlesen – den SERVER. Mehr dazu z.B. hier: http://www.iavcworld.de/visual-communications/video-conferencing/2430-videokonferenzen-und-datensicherheit.html
Und nicht zu vergessen: Die klandestinen Sachen kommunizieren wir natürlich nur mündlich – etwa auf unseren jährlichen Autorentreffen …
Mit besten Grüßen
Die Redaktion
Über die genaue Darstellung der Gedankengänge in meinem Essay „Peter Hacks und Heiner Müller“ (VAT André Thiele, Mainz 2012) wie auch über die offenkundige Sympathie mit meinen Intentionen habe ich mich sehr gefreut und möchte mich bei Eric Baron dafür bedanken.
Gottfried Fischborn
Sehr geehrter Herr Scherer,
ich freue mich, dass mein absichtlich eher persönlich und erinnerungsbetonter Text über Friedrich Herneck für Sie offenbar Anlass war, sich bei Wikipedia zusätzliche Informationen zu holen. Das haben sicher andere Leser ebenfalls getan. Die Informationen bei Wikipedia sind zutreffend bis auf die Zeitangabe seiner Tätigkeit an der Landesparteischule der SED in Schmerwitz, die nach Hernecks eigenen Angaben in der Personalakte (Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin) 1949 begann und nicht schon 1946. Zum Problem seiner späten Mitgliedschaft in der NSDAP wollte ich in dem kurzen Beitrag nichts Kommentarloses bemerken, da hier noch etliche ungeklärte Widersprüche bestehen. So hat Herneck während seiner freien Tätigkeit (nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Autor) kritische Texte gegen die nazistische Henlein-Partei veröffentlicht, die ihm sogar ein Verhör durch die Gestapo einbrachten.
Auf einem Kolloquium anlässlich des 20. Todestages von Herneck (Humboldt-Universität und Leibniz-Sozietät der Wissenschaften) haben wir uns am 19.09. ausführlich mit zahlreichen Aspekten seiner Biographie und seines Wirkens befasst. Die Beiträge werden voraussichtlich publiziert. Es wurde aber auch deutlich, dass noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist, ehe wir zu einem wahrheitsgetreuen Gesamtbild der Persönlichkeit und Leistungen von Herneck gelangen werden.
Mit bestem Gruß
Dieter B. Herrmann
Herrmann hätte in seinem Beitrag zum Wirken Friedrich Hernecks meines Erachtens auf diese Bemerkungen in Wikipedia eingehen müssen:
„Von 1934 bis 1938 arbeitete er freiberuflich an Theatern. Im Jahr 1940 trat er der NSDAP bei.[Harry Waibel: Diener vieler Herren: Ehemalige NS-Funktionäre in der SBZ/DDR. Lang, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-631-63542-1, S. 135.] 1941 wurde er an der Universität Erlangen mit der Arbeit Die deutsche Bühnenlautung der letzten fünfzig Jahre, ermittelt aus Schallplattenaufnahmen bedeutender Bühnensprecher zum Dr. phil. promoviert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war er von 1946 bis 1952 Lehrer an der Landesparteischule der SED Brandenburg und von 1952 bis 1954 Dozent für Dialektischen Materialismus an der Pädagogischen Hochschule „Karl Liebknecht“ Potsdam.“
Hier hätte sich ein nachdenklicher Blick auf eine Facette deutscher Geschichte eröffnet!
Uri Avnery zum 90.
Lieber Uri Avnery,
Das Blättchen erscheint seit 2010 nur noch online, die neue Form hat aber an seiner Verpflichtung gegenüber dem großen Erbe des Vorgängers – der Weltbühne von Siegfried Jacobsohn, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky – nichts geändert. Seit vielen Jahren begleiten Sie die ehemalige Weltbühne und nun den Nachfolger, unser Blättchen, mit Ihren Beiträgen. Sie geben uns Orientierung im verzwickten Nahostlabyrinth, zeigen den Schmerz auf allen Seiten, geben die Hoffnung auf einen Frieden in der Region, zwischen Israel und den Palästinensern nicht auf. Ihre Texte berühren mit Realismus und einem großen Herzen. Sie helfen auch dabei, keinen einfachen Schwarz-Weiß-Mustern im Konflikt zu folgen. Wir bedanken uns und gratulieren von Herzen zum 90.Geburtstag, wünschen Ihnen weiterhin alle Energie und Gesundheit der Welt – und uns, der Redaktion und den Lesern des Blättchens, viele weitere Beiträge aus Tel Aviv.
Mit herzlichsten Wünschen aus Berlin,
Margit van Ham,
Wolfgang Brauer,
Wolfgang Schwarz und
Heinz Jakubowski
(Redaktion Das Blättchen)
Durch ein klemmendes Relais aufseiten des Autors, nicht des verantwortlichen Redakteurs, blieb die nachfolgende Annotation leider auf der Stecke und findet sich nicht in der heutigen Ausgabe. Sie soll hiermit zumindest nachgereicht sein.
Aus anderen Quellen
„Man kann nur staunen über das Ausmaß an fast schon sträflicher Naivität oder auch nur schlichter Ignoranz, das viele Beurteiler der Syrien-Krise an den Tag legen, vor allem, wenn es darum geht, die Hintergründe für das zähe Tauziehen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zwischen Amerika und den westlichen Mächten einerseits, Russland und China andererseits aufzuhellen“, resümiert Hans-Christof Kraus. Das liege daran, dass man in Deutschland verlernt habe, in weltpolitischen und geostrategischen Kategorien zu denken. Der Autor gelangt zu dem klaren Fazit: „Den Amerikanern und der westlichen Seite geht es nicht oder nicht vorrangig darum, der bedauernswerten syrischen Bevölkerung zu helfen, sondern um Einflussnahme auf die Neugestaltung des Landes nach einem voraussichtlichen Sturz des derzeitigen Regimes […] Mehrere, seit längerem geplante, für den Westen wichtige Öl- und Gaspipelines stehen auf dem Spiel, die […] durch syrisches Gebiet führen sollen.“
Hans-Christof Kraus: Syrien. Und ihr denkt, es geht um einen Diktator, FAZ.NET, 24. Juli 2013. (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/syrien-und-ihr-denkt-es-geht-um-einen-diktator-11830492.html)
Seit dem zweiten Weltkrieg hat kein Bombardement des Westens irgendein Problem gelöst. Im Gegenteil: die Verzweiflung, die Armut und der Hass der drangsalierten Völker erreichten ein nie gekanntes Ausmaß. Dennoch sind Granaten und Marschflugkörper bei jeder sich bietenden Gelegenheit weiter im Einsatz. Nicht, dass die Akteure aus dem Versagen lernen müssten. Sie wissen um die Fragwürdigkeit ihrer Handlungen und setzen sie fort – um der Renditen (Rüstungsindustrie) willen und weil ihr Machtanspruch es (irrsinnigerweise) einfordert. Leider beeindruckt das große Teile der Menschheit eher als dass es sie auf die Straße bringt.
Aktuell sieht das wie folgt aus: Auf der einen Seite der Verbrecher Assad, auf der anderen die verbrecherische Clique derer, die jetzt ihre Bomben auf Syrien (und glaubt man den westlichen Medien: auf syrische Giftgasbehälter!) abwerfen wollen. Im teuflischen Gemenge wächst von Tag zu Tag die Wahrscheinlichkeit, dass noch mehr Blut fließt. Die syrische Bevölkerung könnte auch dafür büßen, dass Putin dem Aufklärer Snowden Asyl gewährt. So ein Spielchen, bei dem Damaskus eher nebenbei dem Erdboden gleich gemacht würde, käme den USA gerade recht. Schon sammelt sich die unheilige Allianz der Weltpolizisten: Der Friedensnobelpreisträger, der Pudel aus Great Britain und das um einen Image-Relaunch bemühte politische Leichtgewicht aus France. Sie alle scheinen erneut zuschlagen zu wollen – wegen eines Giftgases, dessen Ursprung und Anwendung niemals zweifelfrei identifiziert werden wird (oder glaubt irgendwer ernsthaft an eine objektive Analyse?). Dennoch könnte sich die Gesamtbilanz – zumindest aus der Sicht des Westens – sehr positiv darstellen: Tausende frisch produzierte Bomben und Marschflugkörper verballert (TOP-Profite für die Rüstungskonzerne), den Stützpunkt der Russen ad absurdum geführt, die Syrer dem Gemetzel zwischen Aufständischen aller Couleur, Assadgetreuen und Al Qaida ausgeliefert … und damit extrem geschwächt (was Netanjahu und Co. genauso extrem nützen dürfte) und die Chance, eine dem Westen verpflichtete/genehme Bande auf den „syrischen Thron“ zu hieven. Was dem syrischen Volk bliebe, wäre das Chaos, eben das, was wir aus Libyen, Tunesien und dem Irak zur Genüge kennen. Schließlich schreien überall, wo die Boben der US-amerikanischen, britischen und französischen Bomben und Marschflugkörper verraucht sind, Verzweiflung und Elend empor. Anschläge en Masse und Völker, die ausbluten. Hunderttausende von Toten generieren gerade Hunderttausende von Befreiern, die gegen Mörder und Kollaborateure zu Felde ziehen. Dieser zweite Feldzug schwächt die Muslime erneut: Aufrechte Patrioten töten Verräter, fanatisierte Sunniten töten Schiiten und umgekehrt, die Hisbollah tötet syrische Aufständische, Israel tötet syrische Soldaten, Assad tötet, was sich ihm in den Weg stellt und Al Qaida mordet sowieso, was an Gegnern vor die Flinte kommt. Im Wirrwarr der Blutströme/im Niedergang einst berechenbarer Regime aber installieren sich bereits tausende miteinander im Krieg befindliche Warlords, formiert sich ebenso schnell wie unsichtbar der neue, lukrative Zugang zu preiswerten Rohstoffen. Fast überall dürften korrupte Strohmänner der Sieger auf den goldenen Handschlag warten. All das ist vom Westen gewollt und geschieht lautlos. Wer schon spricht heute von irakischem Öl, wer von … libyschem? Niemand. Doch panta rhei – alles fließt. Fehlt nur noch der neue MUBURUK (vgl. „abgebloggt“, S. 250) … und der Niedergang all dessen, was der Tahrir-Platz beschwor. 1,3 Milliarden US-Dollar fließen auch jetzt an die ägyptischen Generale – und das zählt irgendwie, selbst wenn uns verlogene Politiker eines besseren belehren wollen. Wie verkommen müssen wir Europäer uns eigentlich fühlen?
Was wir für Syrien brauchen, ist eine Konferenz unter Führung der UNO – ohne … (ich betone!) ohne … Vorbedingungen
In Sachen Manning, Snowden etc, pp: Es bräuchte eine Justiz, die nicht nur die Verletzung gegebener Gesetze sanktioniert sondern ggf. auch die Gesetze selbst. Dann wäre im Falle der beiden Genannten klar, auf welcher Seite die Verbrecher angesiedelt sind.
Der Beitrag von Günter Hayn charakterisiert die Überlegungen zu einer „Tolerierung“ treffend: als intransparentes Gekungel, mit dem die Linkspartei die Geduld ihrer Wählerschaft wieder einmal auf die Probe stellt. Hinzuzufügen ist, daß solche Planspiele auch gänzlich an der Verfassungswirklichkeit vorbeigehen. Wenn jemand eine Minderheitsregierung „tolerieren“ kann und muß, so ist es einzig und allein der Bundespräsident. Falls nämlich kein Kandidat und keine Kandidatin bei der Kanzlerwahl die absolute Mehrheit erreicht, so kann dieser entweder die Person mit den meisten Stimmen ernennen – oder aber den Bundestag auflösen.
Übrigens kann der Präsident einer solchen Regierung mit dem „Gesetzgebungsnotstand“ auch ein Verfahren zur Verfügung stellen, mit dem sie ihr Programm recht bequem mit Hilfe des Bundesrats umsetzten kann. Da werden derartige Strategen also nicht einmal für eine Politik wechselnder Mehrheiten gebraucht.
Bradley Manning ist zu 35 Haft verurteilt worden, weil er Dokumente von US-Verbrechen im Irak an die Öffentlichkeit gebracht hat. (Kurzer Auszug:
02:44 Alles klar, schieße.
02:47 Sag Bescheid wenn du sie erwischt hast.
02:49 Laßt uns schießen.
02:50 Fackel sie alle ab.
02:52 Komm schon, schieß!
02:57 Weiterschießen, weiterschießen.
02:59 Weiterschießen.
03:02 Weiterschießen.
03:05 Hotel.. Bushmaster Zwei-Sechs, Bushmaster Zwei-Sechs, wir müssen uns bewegen, es ist Zeit.
03:10 Alles klar, wir haben gerade auf alle 8 Individuen geschossen.
03:12 Ja, wir sehen zwei Vögel [Helikopter] und wir schießen immer noch [nicht].
03:14 “Roger”.
03:15 Ich hab sie.
03:16 Zwei-Sechs, hier spricht Zwei-Sechs, wir sind mobil.
03:19 Oops, Entschuldigung, was war los?
03:20 Gott verdammt, Kyle.
03:23 Alles klar, hahaha, ich hab sie erwischt…
Die Menschenjäger und -schlächter in den Hubschraubern und die in der militärischen und politischen Kommandostruktur Übergeordneten sind unbehelligt geblieben. Wer meint da noch, dass Irrsinn etwas mit Irresein zu tun hat, auch wenn man an solchen Vorgängen irre werden kann.
Helge Jürgs
Hitze(Dach)Schaden
„Das ist mir so herausgerutscht, ohne etwas dabei zu denken. Ich war so begeistert bei dieser Messe, da ist mir diese Formulierung so blöd über die Lippen gekommen.“ – So lautet die Erklärung eines 80jährigen Ruhestands-Priesters des Bistums Trier, der während seiner Sonntagspredigt in Fell bei Trier ein fröhliches „Sieg Heil“ in die versammelte Runde geschmettert hatte. Der Priester sei „hoch betagt und gesundheitlich sehr angeschlagen“ ließ das Bistum hernach wissen und verwies zugleich darauf, dass es an dem betreffenden Sonntag sehr heiß gewesen sei und dem Geistlichen die hohen Temperaturen offensichtlich zu schaffen machten. Das erklärt a posteriori freilich auch das deutsche Massenverhalten der Jahre 1933 bis 45, die bekanntlich von permanent tropischer Extremhitze gekennzeichnet waren.
HWK
Bei Ulrike Krenzlin ist Moses gut aufgehoben, bei Reinhard Wengierek allerdings nicht. Der von ihm gepriesene Autor einer George-Biografie heißt nicht Werner Moses sondern Werner Maser. Er ist allgemein als Geschichtsrevisionist bekannt, vor allem wegen seiner fragwürdigen Veröffentlichungen zur Person Adolf Hitlers, und hatte eine große Anhängerschaft unter den Abonnenten der „National-Zeitung“. Um sein George-Buch habe ich bewußt einen Bogen gemacht, aber wenn Kollege Wengierek es so lobt, ist es ja möglich, daß hier Masers einziges objektives und vorurteilsfreies Werk vorliegt. Daran habe ich aber gelinde Zweifel.
Der NSA-Skandal hat derartige Wellen recht vordergründiger Empörung ausgelöst, dass in diesem Tsunami die vergleichsweise wenigen Analysen mit Tiefgang bisher kaum zur Wirkung kommen, und darüber hinaus blockiert die schiere Empörung, ich sage das jetzt nur mal für mich, auch den kritische Blick auf uns selbst – auf die Masse der gedankenlosen Nutzer kostenfreier Internetangebote. Jedenfalls kam mir der folgende Gedanke, obwohl mir die Zusammenhänge an sich bekannt sind, nicht; ich fand ihn vor einigen Tagen auf FAZ.NET:
„Wir finden […] nichts dabei, dass ein Google-Algorithmus unsere E-Mails scannt und wir daraufhin eine Werbeanzeige erhalten. Personalisierte Werbung ermöglicht es Google, sein aufwendiges (und kostspieliges) E-Mail-System gratis anzubieten. Es ist diese stillschweigende Vereinbarung – Google analysiert unsere E-Mails und verkauft uns die entsprechende Werbung –, die dafür sorgt, dass unsere E-Mail-Kommunikation kostenlos und für die NSA einsehbar ist. Google könnte unsere E-Mails mühelos in einer Weise verschlüsseln, dass seine Algorithmen sie nicht mehr lesen können, so dass weder das Unternehmen selbst noch die NSA Zugriff auf begehrte Daten hätten. Aber dann könnte Google uns auch nicht einen kostenlosen Dienst anbieten. Wer fände das schon gut?“
Die Redaktion möchte den folgenden Aufruf, einen Offenen Brief an Angela Merkel zu unterzeichnen, unterstützen.
Liebe Freunde und Kollegen,
Ich habe soeben den Offenen Brief an die Bundeskanzlerin unterzeichnet.
Er enthält die Forderung nach einer angemessenen Reaktion zur NSA-Affäre.
Bitte beteiligen Sie sich zahlreich an der Petition.
Unter folgendem Link findet sich die Möglichkeit zu unterschreiben:
http://chn.ge/15TkOup
Mit besten Grüßen,
Franz Zauleck
Die Reinwaschungskampagne läuft auf vollen Touren. Alle Parteien – außer der LINKEN – sind bemüht, ihren Anteil am NSA-Skandal so zu vergleichmäßigen, dass keiner das tödliche Alleinstellungsmerkmal anhaftet. Denn eines ist klar. Die Schnüffelei der Amerikaner, die unheilige Allianz zwischen BND und NSA gibt es seit Jahrzehnten – über alle sonst wie gestrickten deutsche Regierungsbündnisse hinweg. Dass heute keine der hochgestellten politischen Persönlichkeiten etwas von großflächiger Spionage gewusst haben will, wirkt nicht mehr töricht – es wirkt zutiefst lügnerisch. Ich kann einfach nicht an die Schlafmützen in der Spitze glauben – an Lug und Trug schon.
Noch versuchen die üblichen Verdächtigen zwischen dem „Ich weiß nicht“ und dem „Ich war nicht beteiligt“ so zu agieren, dass Flecke ausbleiben. Noch wabert der Skandal zwischen Merkel und Pofalla, noch knirscht die SPD Vorteil erheischend mit den Zähnen, und die Grünen rufen nach Transparenz. All das aber dürfte schon in Kürze zu einem undurchdringlichen Brei verkommen. Ja, ja, das lächerliche Geheul um Aufklärung wird tonlos versanden. Denn jede der sogenannten Volksparteien hat Dreck am Stecken. Den kann man sich in Grenzen zuschieben, vor dem eigenen Wanst aber nie ganz austilgen. Folglich dürfte passieren, was schon zu Zeiten von ESM und Fiskalpakt geschah. Alle schwingen sich aufs gleich Pferd, sprich: Schwarze, Gelbe, Rote und Grüne werden von den gegeneinander gerichteten Attacken ablassen und dem Bürger eine auf die Nachwahlzeit vertagte Debatte/Untersuchung vorgaukeln. Die aber wird – wie fast immer – im Nichts enden. Denn niemand kann ernsthaft glauben, dass Details über erschnüffelte Merkel-, Gabriel- oder Trittin-Mails ans Tageslicht kommen, dass der BND seine Praktiken offen legt oder gar der NSA seine Abschöpfungspraxis ändert? Nix wird sein. Doch die wackere Schar der politisch Unterbelichteten wird erneut glauben, dass – wer sich regt – ein besserer Mensch ist als der, der sich aufregt. Frau Merkel hat ersteres wieder für sich gepachtet. Täglich ist sie im TV präsent und gaukelt Fleiß vor – von Inhalten soll und kann nicht die Rede sein. Die hielten die Amerikaner noch unter Verschluss, sagt sie. Was für eine Schmierenkomödie!
Ich bekam doch eine Antwort von der ARD – eine, die erwartungsgemäß keien war:
Sehr geehrter Herr Dr. Scharfenorth,
vielen Dank für Ihre e-mail und Ihr Interesse am Ersten Deutschen Fernsehen.
Wir bedauern Ihre Kritik an der Berichterstattung des Ersten über den fall Snowden.
Grundsätzlich bemühen sich die Reporter und Redakteure der ARD immer, möglichst gute journalistische Arbeit zu leisten und alle Aspekte des behandelten Themas angemessen zu beleuchten. Dazu gehört auch, Betroffene beider Seiten ausreichend zu Wort kommen zu lassen.
Bei ihrer Arbeit verfolgen die Journalisten der ARD als oberstes Ziel, gründlich zu recherchieren, Fakten zu erhärten und sie verständlich darzustellen. Bei der Auswahl der Themen orientieren sich die Redaktionen an journalistischen Nachrichtenkriterien.
Keinesfalls ist das Erste Deutsche Fernsehen einer politischen Instanz, Partei oder sonstigen Interessengruppen in besonderer Weise verpflichtet. Das öffentlich-rechtliche ARD-Gemeinschaftsprogramm wird aus Rundfunkbeiträgen finanziert und arbeitet frei von staatlicher Einflussnahme. In den Kontrollgremien der Landesrundfunkanstalten achten Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen darauf, dass journalistische und ethische Standards eingehalten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Putz
Erstes Deutsches Fernsehen
Programmdirektion
Zuschauerredaktion Das Erste
Nachschlag: Frau Putz haut leider nicht auf denselben, bedauert aber meine Kritik (was für eine blödsinnige Formulierung ?????)und salbadert die ARD von allen Verdächtigungen frei. Es lebe die unabhängige bundesdeutsche Berichterstattung!
Nachdem ich heute Abend die Tagesthemen konsumiert habe, musste ich schnell an meinen PC laufen, um mir die Wut vom Leib zu schreiben. Habe also die ARD-Zuschauer-Redaktion angeschrieben, von der ich allerdings kaum Antwort erwarte. Vielleicht findet sich hier der eine oder andere Leser, um Stellung zu nehmen. Und so lautet der Original-Mail-Text:
Sehr geehrte Damen & Herren der Redaktion, ich habe inzwischen den Eindruck, dass sich die ARD im Fall Snowden zunehmend auf die Seite der verbrecherischen Spione stellt und den investigativen Aufklärer im Regen stehen lässt. Das scheint mitunter sogar Spaß zu machen. Besonders abenteuerlich wird die Sache, wenn man dem (offenbar für verblödet gehaltenen) Zuschauer die Reaktionen von Venezolanern zumutet, die das Asysl von Snowden im eigenen Lande für fragwürdig halten oder ablehnen – und zwar einhellig (!). Scheinbar ist dem zuständigen, vorgespannten ARD-Korrespondenten (oder seinem Zuschläger/Berichte-Nacharbeiter) entgangen, dass Madura in Venezuela die Wahl gewonnen hat und mindestens 50% der Menschen eine höchstwahrscheinlich andere Meinung haben als die gezeigte – negative. Madura hat das Asyl angeboten, und er kann es ganz sicher gewährleisten. Wo ist das Problem? Die verkorkste Darstellung eskaliert geradezu, wenn man im Anschluss leere Lebensmittel-Schaufenster in Venezuela zeigt und eine Öl-Absatzpanne in Richtung USA herbeiredet. Wie närrisch muss man denn sein, will man Venezuela einen massiven Versorgungsnotstand unterschieben. Bekanntlich verfügt das Land über die zweitreichsten Ölvorkommen der Welt. Und nur der absolut Dumme kann vermuten, dass dieses Öl nicht anderweitig – z.B. in China – abgesetzt und gegen Lebensmittel getauscht werden kann. Sofern Lebensmittel überhaupt importiert werden müssen ….
Es ist leider nicht das erste Mal, dass ich in der ARD Kommentare höre/sehe, die mir bestellt scheinen, sprich: ein Recherche-Ergebnis erlebe, dass vom Auftraggeber ganz offensichtlich erwartet/gewünscht worden ist. Möglich, dass dort ebenso die Einseitigkeit der Betrachtung zum Verdummen von Fernsehzuschauern benutzt wurde. Berichte aus Libyen, Irak und natürlich auch aus den aufmüpfigen Ländern des ALBA-Verbundes (Kuba, Venezuela, Bolivien, Ecuador) sprechen da Bände.
Schöne Grüße aus Ratingen!
Dr. Ulrich Scharfenorth
http://www.stoerfall-zukunft.de
Ein bemerkenswertes Dokument: Doku-Film „Unser Wirtschaftswunder-Die wahre Geschichte“
Es wäre unverantwortlich gewesen, diesen Film von Christoph Weber vor 23:50, wie am 15.07.2013 gelaufen, dem brav-dummen, aber überheblichen Michel zu zumuten. Daß heißt, wenn er denn noch fähig sein sollte, tiefgründige Denkprozesse zu erzeugen, woran leider berechtigte Zweifel bestehen. Sein festes Weltbild, vor allem über sich selbst und seine historischen Leistungen, würde ernsten Schaden nehmen.
Weber ist eindeutig nicht von Knopps Tatortreinigern und nimmt keinerlei Rücksicht auf Irgendeines Gemütslage, schon gar nicht auf die eigene. Geradezu brutal und „voll“ konsequent stellt er die Frage: Stimmen eigentlich unsere bundeshistorischen ewigen Wahrheiten? Wie war denn der „Anfang“ 1945 tatsächlich, lag Deutschland tatsächlich in Trümmer? Wissenschaftler und US-Geheimdienstler, die seit Jahren die Unstimmigkeit zwischen den Totalschaden-Parolen und der Realität kennen, kommen zu Wort. Sie berichten von ihren Erkenntnissen: die deutsche Industrie war nicht wegbombardiert, nur einige Innenstädte. Die Industrie war leistungsfähiger als vor dem Krieg. Es fehlte nur an einem ökonomischen Kreislaufsystem, das schufen die USA, nicht die tüchtigen deutschen Fachleute, aus ausschließlich antikommunistischem Kalkül. Sie waren der Überzeugung, käme die europäische Wirtschaft nicht ins Laufen, würde auch Westeuropa kommunistisch werden. Das hatte Priorität. Auch die Währungsreform, eine der legendär gehandelten Ursachen des Wirtschaftswunders, war eine rein amerikanische Aktion in eben diesem Sinne, deutsche Experten gaben nur die Staffage ab. Selbst Ludwig Ehrhard, der „Vater von Währungsreform und des Wirtschaftswunders“, erscheint hier völlig unwichtig und als geistiger Okkupant, der nur an seinem Wohl, die Entwicklung für sich beanspruchend, interessiert war. „Leistung“: null. Obwohl Weber die Arie von der schrecklichen Verfolgung ostdeutscher Ingenieure mitsingt, soweit geht er nun auch nicht, dies in Frage zu stellen, belegt er die zielgerichtete Abwerbung der Ost-Spezialisten, natürlich nur mit technischen Unterlagen willkommen, als eine Ursache des westdeutschen Booms. Sie ermöglichten den Aufbau der bayrischen Autoindustrie, der Osten blutete aus. Die Legende vom Marshall-Plan als Industrieaufbauursache bleibt nicht verschont, er diente ausschließlich US-Absatzinteressen an Rohstoffen, keine einzige Maschine kam über diesen Weg ins Land. Einen Glücksfall besonderer Art brachte der Korea-Krieg, hier als UN-Krieg dargestellt. Mit ihm entstand ein unerschöpflicher Markt für bundesdeutsche Investitionsgüter, die dann den Kriegsbedarf der westlichen Industriestaaten produzieren halfen. Dieser Trend hält die Wirtschaft bis heute am Dampfen, nicht übersehbar basiert die deutsche „Exportweltmeisterschaft“ seit dem auf Rüstungsproduktion, Anlage usw. Sehr interessant ist die Untersuchung zum Aufstieg der Auto-Industrie. Es war dem Weiterwirken von „Speers Kindergarten“ nach dem Führerprinzip, fachlich kompetent, autoritär und die alten Kriegswirtschaftsstrukturen ausbauend, zu verdanken, daß der VW-Konzern mit hinreichender Qualität in Massenproduktion mit dem Ziel der Weltmarktführerschaft, da haben wir das schöne Wort wieder, aufstieg. Nicht zuletzt brachte Billigproduktion, von einer unterwürfigen „Arbeitnehmerschaft“ ermöglicht, bei Adolf gelernt, den Durchbruch. Sehr zu danken ist dem Filmemacher, die Bedeutung des Londoner Gipfels, dort wurde der BRD die immense Verschuldung halbiert, also die Streichung der Reparationen, wieder in antikommunistischer Absicht, gewürdigt zu haben. Ansonsten wäre das „Wirtschaftswunder“ wegen Bodennebels ausgefallen. Die USA überzeugten die übrigen Satelliten, Deutschland die Lieferung von Investitionsgütern, die können das viel besser, zu zuordnen, alle würden profitieren. So kam es, daß Deutschland nicht Griechenland und dieses nicht Deutschland wurde. Weber verzichtet nicht auf das Bonmot, die PICS führten jetzt nur die Ernte des damaligen Verzichtes ein, einfach herrlich.
Hätte ich die Sendung nicht mitgeschnitten, würde ich mich in die Mediathek der ARD einklinken. Auf jeden Fall bringe ich in nächster Zeit immer den Link als Gastgeschenk mit:
http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/wdr/wirtschaftswunder-100.html
Sehr geehrter Herr Mittig, haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, die ich hier – aus technischen Gründen in drei Teilen – beantworten möchte.
Antworten, Teil 1
Zur Frage des Verrates
Im Januar 1905, wenige Tage nach Ausbruch der russischen Revolution, schrieb Rosa Luxemburg in der »Neuen Zeit«: »Russland tritt auf die revolutionäre Weltbühne als das politisch zurückgebliebenste Land; es kann vom Standpunkte der bürgerlichen Klassenentwicklung mit dem vormärzlichen Deutschland keinen Vergleich aushalten. Allein gerade deshalb trägt, entgegen den landläufigen Ansichten, die jetzige russische Revolution den ausgesprochensten proletarischen Klassencharakter von allen bisherigen Revolutionen. Freilich, die unmittelbaren Ziele der heutigen Erhebung in Russland gehen nicht über eine bürgerlich-demokratische Staatsverfassung hinaus, und das Schlussergebnis der Krise, die vielleicht und höchstwahrscheinlich noch jahrelang mit raschem Wechsel von Flut und Ebbe dauern kann, wird womöglich nicht anderes als eine kümmerliche konstitutionelle Verfassung sein. Und doch ist die Revolution, die zur Geburt dieses bürgerlichen Wechselbalgs geschichtlich verdammt ist, eine so rein proletarische wie noch kein vorher.« (Rosa Luxemburg: Die Revolution in Russland, in: dies.: Gesammelte Werke, Bd. 1/2, S. 479.)
An dieser Situation vermochte selbst der Weltkrieg nichts zu ändern. Auch für die russische Revolution gilt, was für jede Revolution gilt: Sie konnte nur freisetzen, was zur Freisetzung reif war. Die Aufhebung der Leibeigenschaft hatte zwar nach 1861 zu einer Kapitalisierung der Landwirtschaft geführt – von Tschechow beeindruckend im „Kirschgarten“ gestaltet (in Berlin z. Z. gleich an zwei Häuser zu sehen, wobei die im „Berliner Ensemble“ gebotene Inszenierung mich weit mehr überzeugt [es ist die letzte Arbeit von Thomas Langhoff; nächste Aufführung: 27. September, 20 Uhr]) –, allerdings ohne den Landhunger der entlassenen Leibeigenen zu stillen. Denn statt des amerikanischen Weges zur Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise in der Landwirtschaft, also mit freien Bauern, die sich nach und nach niederkonkurrieren, war in Russland der preußische Weg via Gutswirtschaften und mit großen feudalen Schlacken, weit größeren als in Ostelbien, eingeschlagen worden.
Während in Preußen aber die ländliche Überbevölkerung von den sich industrialisierenden Städten aufgesaugt werden konnte und sich dort in Industrieproletariat verwandelte, blieb Russland trotz regionaler Industrialisierung (in Russisch-Polen, in Teilen des Baltikums, in und um St. Petersburg und Moskau sowie in Baku) ein Bauernland mit mehr als 90 Prozent ländlicher Bevölkerung. Deren politischer Arm waren die aus den Volkstümlern hervorgegangenen Sozialrevolutionäre, während die in Bolschewiki und Menschewiki gespaltenen Sozialdemokraten dem kleinen, wenngleich nicht schwachen Industrieproletariat politischen Ausdruck zu verleihen versuchten und für die Landwirtschaft eine Nationalisierung forderten. Das war die Situation im vom Krieg erschöpften Russland am Vorabend der Februarrevolution.
…
Antwort, Teil 2
…
Als die Bolschewiki im November 1917 zusammen mit den linken Sozialrevolutionären die Macht übernahmen, hofften sie, mit Hilfe des Westens ihre Revolution in eine proletarisch-sozialistische Eröffnungsrevolution umwandeln zu können – was dann allerdings ausblieb und Russland sich vor die Lösung der eigenen Aufgaben gestellt sah, jener Aufgaben, die zur Lösung anstanden. Letzten Endes hatten die Bolschewiki auf den Skat gereizt – und verloren.
Die Bolschewiki konnten 1917 nur die Rolle der äußersten Linken spielen (in der Großen Französischen Revolution von 1789 z. B. erfüllten diese Funktion die Jakobiner und die Enragés). Soll eine Revolution nicht vor ihre Ausgangspunkte zurückgeworfen werden – was vielen, wenn nicht gar den meisten Revolutionen widerfährt (zuletzt 1978 ff. im Iran und jüngst in Nordafrika) –, ist eine zeitweilig erfolgreiche äußerste Linke unabdingbar. Ihr fällt es zu, die Revolution über das Mögliche hinauszutreiben, um den unvermeidlichen Rückschlag am Punkt des Möglichen abzufangen – siehe die niederländische Revolution des 16., die englische Revolution des 17. und die französische Revolution des 18. Jahrhunderts.
Die Bodenreform hätte es im Übrigen auch ohne die Bolschewiki gegeben; sie war als spontaner (und blutiger) Akt ohnehin in vollem Gange. Mit ihrem Umschwenken auf die Forderung nach einer Bodenreform hatten die Bolschewiki zwar im November 1917 für den Moment große Teile der ländlichen Bevölkerung hinter sich gebracht, erledigten aber die Aufgaben einer bürgerlich-demokratischen Revolution. Das war kein Hinaustreiben über das Mögliche, auch wenn die Bolschewiki – unter den Bedingungen des Bürgerkrieges – mit dem Kriegskommunismus, also mit der Ablieferungspflicht, etwas in diese Richtung unternahmen.
Im Frühjahr 1921, nach dem Sieg im Bürgerkrieg, vor die Wahl gestellt, von der Revolution gefressen zu werden oder bürgerliche Politik zu machen, entschieden sie sich mit der Neuen Ökonomischen Politik für letzteres und damit für die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise in der Landwirtschaft. 1927/28 war dieser Weg jedoch zu Ende: Die Bauernschaft war so weit erstarkt, dass sie zum offenen Kampf gegen die Stadt und damit gegen die Bolschewiki übergehen zu können glaubte. Die Kollektivierung als Antwort war nichts anderes als die Errichtung einer zweiten Leibeigenschaft – in den Arbeitslagern herrschte sogar offene Sklaverei –, die erst nach Stalins Tod schrittweise wieder aufgehoben wurde. Sozialer Fortschritt sieht m. E. anders aus, das hier war ein Zurückgehen in Zustände vor der Revolution, und zwar in Zustände, die lange als überwunden gegolten hatten.
Letztlich stellten die Bolschewiki ihre Machterhaltung stets über den sozialen Inhalt ihrer Politik – und zwar bis 1991. War das sozialistische Politik?
Man kann die Übernahme der Forderung nach einer Bodenreform als große politische Klugheit bewerten, für bürgerliches Politikverständnis war sie das zweifellos auch. Was ist aber der Sinn sozialistischer Politik? Für mich immer noch: Für zunehmend größere Teile der Ausgebeuteten und Unterdrückten die Möglichkeiten zu verbessern, sich der eigenen Kraft und Potenzen bewusst zu werden. Das ist die unumgehbare Voraussetzung, um die bürgerlich-kapitalistischen Zustände hin zu einer menschengerechteren Gesellschaft überwinden zu können.
Die Pariser Kommune von 1871 wirkte lange Zeit als Fanal; ihre Niederlage tat dem kein Abbruch. Denn die sozialistische Idee wurde durch diese Niederlage nicht diskreditiert. Ganz im Gegenteil: Für die Ausbreitung der sozialistischen Idee wurde die Kommune zu einem positiven Bezugspunkt. Das wurde die Machtübernahme durch die Bolschewiki in den ersten Monaten auch. Aber schon ein später Jahr, während der Novemberrevolution in Deutschland, wurde sie zum stärksten Argument gegen ein Weitertreiben der Revolution – und zwar unter Arbeitern. Niemand stellte sich schützend vor die Spartakisten, als sie als vermeintliche Bolschewiki gejagt
Zu schwache Logik
Karl Mai
Die deutsche Öffentlichkeit soll sich nach Absicht der Mainstream-Lenker noch mehr daran gewöhnen, den von Europastrategien ausgehenden „Verrenkungen“ der normalen Logik auf den Leim zu gehen. Spitzenreiter dieser Manipulation gibt die Bundeskanzlerin, die unentwegt verkündet hat, dass die rigorose „Sparpolitik“ in krisengeschüttelten EWU-Ländern den Ausgleich zu den steigenden Haushalts-Defiziten und enormen Staatsschulden schafft, indem sie den dortigen Binnenmarkt rigoros einschnürt.
Sogar In der Linkspartei ist ein heftiger Richtungskampf zu beobachten, der die Ungewissheit stärkt, ob es hierbei noch um „logisch begründete Positionen“ geht. Hier einige Beispiele:
1. Die Co-Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, überraschte die Öffentlichkeit mit der Feststellung, dass eine Abkehr vom Euro für Deutschland ein „unmarxistischer“ (!) Rückfall in eine überholte Geschichtsstufe Europas sei. Hat sie vielleicht den „Fortschritt“ europäischer Länder zum neoliberalen Kapitalismus als „marxistisch“ einstuft, ohne es explizit so zu sagen? Man kann sich über diesen „ideologischen“ Rückfall nur wundern.
2. Mehrere Vertreter des „Reformflügels“ der Linkspartei verkündeten lauthals in der Öffentlichkeit, dass sie die Einwerbung von ausländischen Arbeitskräften nach Deutschland unterstützen, weil sie die „Opfer von Merkels Austeritäts-Europapolitik“ seien, denen man „solidarisch“ helfen müsse, um die Folgen im Sinne europäischer Gesamtverantwortung zu vermindern. Denkt man dies konsequent weiter, so müssten Deutsche für alle negativen Folgen der neoliberalen Finanzierungspolitik gegenüber Südeuropa politisch haften, die durch die Austeritätsforderungen der merkelschen Logik und der „Troika“ zunehmend ausufern. Dass die eingeworbenen qualifizierten Auslands-Arbeitskräfte die volkswirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa letztlich auch erhöhen und den ungesunden Exportüberschuss Deutschlands verstärken, wird von diesen „Reform“-Linken nicht bewertet.
3. Eine ganz spezielle „Logik“ in der Haushaltspolitik pflegt der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Landtag von Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert. Er suggerierte öffentlich, dass der weitere Prozess der Preisinflation den realen Schuldenstand des Landes vermindere – er glaubt so warten zu können, bis sich die überhöhten Landesschulden automatisch selbst entwerten. Damit übergeht er die Tatsache, dass immer die nominellen Schulden und ihre Restzinsen tatsächlich von Jahr zu Jahr getilgt werden müssen – eine enorme Gesamt-Tilgungshöhe, die alle gegebenen Landesmöglichkeiten für einen absehbaren Zeitraum weit übersteigt.
Allerdings gibt es auch in anderen Bundestagsparteien immer wieder logische Fehlleistungen, die offenbar mit der Frustration des anrollenden Verdrängungs- und Wahlkampfes zusammenhängen. Wie weit dabei die Volksmassen getäuscht oder manipuliert werden können, wird wohl erst am Wahltag erkennbar werden.
Die Autoindustrie in Deutschland, so hat Angela Merkel das Verweigerungsverhalten der Bundesregierung bei den EU-Klimaschutzvorgaben für Autos begründet, dürfe nicht durch zu harte EU-Umweltschutzauflagen geschwächt werden. „In einer Zeit, in der wir hier tagelang sitzen und über Beschäftigung sprechen, müssen wir bei allen Notwendigkeiten, voranzukommen im Umweltschutz, darauf achten, dass wir nicht die eigene industrielle Basis schwächen“, erklärte die einstige Umweltministerin, die sich gern schon mal die Polkappenschmelze betroffen vor Ort anschaut. Offenherziger kann man das Verhältnis von Politik und Wirtschaft in Deutschland und die Rolle der Umwelt als lästigen Störenfried nicht charakterisieren.“Merkel rechtfertigt Blockade mit Industrie-Interessen“ hat spiegel-online die (ausführliche) Meldung zu Merkels Äußerung überschrieben – fein beobachtet!
Wieder mal ein sehr anregender Text von Jörn Schütrumpf, was mich freut. Was die Agrarpolitik der Bolschewiki betrifft, sollte er meiner Meinung nach allerdings die Kirche im Dorf lassen. Wieso ist es „Verrat“, wenn die B. noch rechtzeitig kapiert hatten, dass eine „sozialistische“ Sofortvergesellschaftung enteigneten Grund und Bodens nicht den Hoffnungen der Bauern entsprach, auf deren (mindestens) Tolerierung die russische Revolution schließlich angewiesen war. Dass an der Macht befindliche Sozialisten/Kommunisten ihre politischen Vorstellungen gar zu oft und dann auch verderblich als Dogmen betrachtet und behandelt haben, ist leider nur allzu wahr. Wieso wird als Verrat denunziert, wo Einsichts- und Veränderungsfähigkeit obwaltet haben?
Und noch eine Frage: Könnte Jörn Schütrumpf einmal andeuten, wo der seiner Meinung nach der „eigenen Platz in den heraufdämmernden Konfrontationen“ zu suchen wäre, den die Linke bestimmen müsste?
Drittens schließlich: Die Feststellung, dass“ Immer mehr Menschen in eigenes selbständiges politisches Handeln hineingetrieben (werden)“; und „keine Führer, keine Hegemonen, (brauchen) die ihnen sagen, was zu tun sei, erst recht keine elitären Glücksverheißer aus dem linken politischen Spektrum“ – widerspricht zumindest meiner subjetiven (und damit natürlich höchst bescheidenen) Wahrnehmung ganz entschieden – und war hinsichtlich beider Aspekte dieser Aussage. Aber das ist zumindest nur eine ganz persönliche Widerrede ohne Anspruch auf Verbindlichkeit …
Das, sehr verehrter Herr Mittig, hat Jörn Schütrumpf bereits recht ausführlich getan, seine Standortbestimmung der Linken kann man in einem Blättchen-Artikel nach lesen:
15. Jahrgang | Sonderausgabe | 23. April 2012
Die Linke oder:
die liebevolle Pflege selbstverschuldeter Unmündigkeit
von Jörn Schütrumpf
oder gleich über folgenden Link:
http://das-blaettchen.de/2012/04/die-linke-oder-die-liebevolle-pflege-selbstverschuldeter-unmuendigkeit-11741.html
Leider oder aus guten Gründen stieß seine sehr provokante Analyse auf sehr wenig Echo. Diese hätte aber diverse linke Kreise zur Rebellion führen müssen, fand nicht statt. Um so wichtiger ist sein jetziger Artikel, um eine angemessene Diskussion auslösen zu können. Wünschen wir uns die.
Antwort, Teil 3
Zur Neubestimmung des Platzes der Linken
Dazu kann ich nur etwas sagen, wenn man Ihren dritten Punkt hinzunimmt. Dass immer mehr Menschen in eigenes selbständiges politisches Handeln hineingetrieben werden, zeigen in den vergangenen Tagen nicht zuletzt Brasilien und Ägypten, in Griechenland, Portugal und Spanien gärt es seit geraumer Zeit. Welcher Klassenkampf von oben durch die USA-Eliten gegen die eigene Bevölkerung sowie gegen die Bevölkerungen der USA-Konkurrenten getrieben wird, haben seit einigen Tagen Millionen von Menschen angefangen zu begreifen.
Das Manko von uns Älteren ist, dass die Jahrzehnte der politischen Stagnation uns dünnhäutig, um nicht zu sagen: kleingläubig gemacht haben. Natürlich geht die Entwicklung nicht linear vor sich, das tut sie nie, Flut und Ebbe werden sich auch künftig abwechseln. Aber die vergleichsweise ruhigen Jahre des kalten Krieges gehen zu Ende. Egal, wie viel Rückschläge es geben mag (es wird sie ganz gewiss geben): Die Lernprozesse beschleunigen sich…
Wie sehr das Hegemonie-Modell, das Führer-Geführte-Modell gescheitert ist, zeigen alle bisherigen Versuche, »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist«. Der 3. August 1914, also die Zustimmung der SPD-Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten, und die Herrschaft der Bolschewiki, sind nur zwei Seiten einer Medaille. Beide Male sind die Führer auf die Positionen bürgerlicher Politik übergegangen, die SPD-Führung in der Hoffnung auf künftige Regierungsbeteiligung und damit freiwillig, die Führer der Bolschewiki in einer Revolution, die nicht mehr als bürgerlich-kapitalistische Verhältnisse freisetzen konnte, und damit unfreiwillig. Die heutigen Regierungen von Venezuela, Ecuador und Bolivien schwanken noch hin und her. Der einst ironisch hingeworfene Satz, dass die Politik zu wichtig sei, um sie Politikern zu überlassen, wird täglich mehr von der Wirklichkeit bestätigt…
Die Suche nach alternativen Assoziationsformen jenseits des Führer-Geführten-Modells ist seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts zu beobachten: Im Artikel erwähnte ich Sozialforumsbewegung, Blockupy, Bürgerbegehren zur Rekommunalisierung etc. als Vorboten. Es wird kein neues Modell entstehen, die Organisationsformen werden je nach Anlass variieren. Und es wird auch nicht den „großen Durchbruch“ geben, die Revolution als das goldene Tor, nach dessen Durchschreiten das Paradies ausbricht – das ist nichts als das säkularisierte Jüngste Gericht.
Das Vereinslokal als die Organisationsbasis des 19. und 20. Jahrhunderts ist durch die neuen technischen Möglichkeiten abgelöst. Sie ersetzen zwar keine Politik, ja sie erzwingen sie nicht einmal, aber dass sie für Politik nützlich sein können, egal, wer mitschneidet, scheint unterdessen unstrittig zu sein.
Es wird ein langer Weg zur nicht-hierarchisierten Emanzipationsbewegung – das ist übrigens ein alter anarchistischer Gedanke, dem es nur technischer Umsetzbarkeit fehlte. Letztlich geht es um kollektives Lernen, wie man sich verteidigt, wie man angreift und – wie man menschwürdig lebt.
Und die Linken? Zwei Altvordere meinten, die Linken (sie sprachen von Kommunisten) hätten „theoretisch vor der übrigen Masse … die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der … Bewegung voraus“. Diese Zeilen wurden 1848 verfasst; viel zu merken war davon seitdem nicht.
Es naht der Zeitpunkt, an dem Linke (wer und was auch immer das sei), jede und jeder für sich allein, zu entscheiden haben werden, ob sie sich als Gleiche unter Gleichen beteiligen – oder weiter von der Hegemonie träumen wollen.
Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, hat zu Angela Merkels Wahlversprechen Klartext gesprochen: „Wahlversprechen sind das, was die Parteien versprechen, um gewählt zu werden. Es war noch nie der Fall, dass Wahlversprechen eins zu eins in ein Regierungsprogramm übernommen werden. Und das wissen die Wähler aus Erfahrung“. Dass Lauk daher die Wahlversprechen seiner Partei mit „einer gewissen Gelassenheit“ sieht, ist allemal nachvollziehbar.
Urban Priol in einer Rede auf der Blockupay-Demo in Frankfurt: „Wenn man das Wort B u n d e s k a n z l e r i n lang genug dreht und wendet, steht am Ende B a n k z i n s e n l u d e r.“
Laut dem neuen „World Wealth Report“ der Unternehmensberatung Capgemini ist die Zahl der Dollar-Millionäre weltweit auf zwölf Millionen angestiegen – 2011 waren es noch eine Million weniger. Während in Deutschland 2011 noch 951.000 Millionäre gezählt wurden, konnten nunmehr 1.015.000 registriert werden. Vielleicht liegen ja alle Gerechtigkeitsfanatiker mit ihren Forderungen nach dem Schließen der Einkommensschere völlig falsch, und wir befinden uns auf einem Weg, der uns nach und nach alle zu Millionären macht; wer ausrechnen mag, wann es soweit sein wird, braucht nur die gegebene Entwicklung hochzurechnen …
„Big brother is watching you“: nie zuvor war dieser berühmte Satz aus Orwells „1984“ für unser Verhältnis zu den USA so wörtlich zu nehmen wie heute – PRISM sei dank, und Obama auch.
Die ganze Angelegenheit hat einen noch viel tieferen Untergrund, als wir mit unseren zumindest teilmanipulierten Gehirnen vorstellen können. Wenn man sich die Darlegungen von Andreas Clauss etwas länger zu Gemüte führt, kann man ahnen, in welch tatsächlichen völkerrechtlichen Situation wir uns alle befinden. Clauss‘ Darstellung kann man nicht mit rechter Propaganda abtun, dazu bieten diese tatsächlich Anlaß, ohne so eingepaßt werden zu können. Er argumentiert bar jeder politisch geprägten Einstellung juristische Fakten, die erst mal widerlegt werden müßten. Die Welt ist viel differenzierter, als unsere betäubten Gedankengänge zulassen:
http://www.youtube.com/watch?v=ILdqlI0YGu8
FF – Viel Vergnügen, wie Heinz, der Quermann zu sagen pflegte!
Das Unwort des Jahres 2013 hat einen heißen Kandidaten: „Technikaufwuchsprogramm“ nennt der BND, womit unser bürgernaher Geheimndienst nunmehr das Internet noch effizienter zu überwachen gedenkt. „100 Millionen Euro kostet das Programm, das sich über die kommenden fünf Jahre streckt. In einer ersten Tranche hat die Bundesregierung bereits fünf Millionen Euro freigegeben. Geplant sind demnach der Ausbau der Abteilung „Technische Aufklärung“ mit bis zu 100 neuen Mitarbeitern und in großem Umfang der Aufbau neuer Rechen- und Serverkapazitäten.“, weiß Spiegel-online zu berichten.
Sehr geehrter Herr Weber,
der Begriff BANKROTT im Beitrag von Norbert Podewin, der momentan für eine direkte Anfrage nicht erreichbar ist, dient unverkennbar und ausschließlich der zusammenfassenden Situationsbeschreibung für die Lage der DDR vor dem 17. Juni 1953. Die von Ihnen genannten Pro-Kopf-Verschuldungssummen für die DDR und die BRD hingegen beziehen sich offenbar auf die „Schlussbilanz“ der DDR im Jahre 1989. Für diesen Zeitraum hat Norbert Podewin nicht von BANKROTT gesprochen, sondern lediglich die Aussage getroffen, dass die DDR von der Sowjetunion erneut zur Disposition gestellt wurde. Dem dürfte kaum zu widersprechen sein.
Die Redaktion
Georg Diez in einer Spiegel-online-Kolumne zum Berliner Stadtschloss – Aufstand der Zombies:
Der Witz geht so: Kommt ein Mann zur Demokratie und sagt: „Ich will ein Schloss bauen.“ Sagt die Demokratie: „Aber ich bin doch keine Monarchie.“ Sagt der Mann: „trotzdem“. Sagt die Demokratie: „Aber ich weiß doch gar nicht, was wir mit einem Schloss machen sollen.“ Sagt der Mann: „trotzdem“. Sagt die Demokratie: „Aber ich habe auch gar kein Geld.“ Sagt der Mann: „trotzdem“. Sagt die Demokratie: „Vergiss es!“ Und natürlich wird das Schloss gebaut.
Anmerkung zum Artikel „Von der Stalin-Note zum 17. Juni“ zum Absatz „Stalins Erben – der Diktator war am 5. März 1953 verschieden – hatten bereits in den Tagen zuvor die Beendigung des beschleunigten Aufbaus des Sozialismus Ulbrichtscher Prägung, der die DDR an den Rand des Bankrotts manövriert hatte, angeordnet.
Von Moskau zur Disposition gestellt werden sollte die DDR erst 36 Jahre später wieder“
Frage an Herr Podewein. An welchen Kriterien messen Sie, dass die DDR an den Rand des Bankrotts manövriert wurde?
Bankrott hat etwas mit Zahlen zu tun. Nach meiner Kenntnis lag die Pro-Kopf-Verschuldung der DDR bei ca. 6.500 DM, die der BRD bei ca. 16.500 DM. Wie würden Sie die Situation vieler EU-Länder heute bezeichnen? Oder die der BRD, heute eine Pro-Kopf-Verschuldung von über 53.000 DM oder Österreich über 60.000 DM.
Würde mich über eine Antwort freuen.
Grünen-Chefin Claudia Roth und die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament, Barbara Lochbihler, wollten soeben Saudi Arabien besuchen, um dort über die Rechte der Frauen zu sprechen und sich von deutschen Waffenlieferungen für Riad zu distanzieren. Beide sind kurzfristig ausgeladen worden. Roth dazu: Saudi-Arabien habe zwar „offene Arme und Grenzen, wenn es um deutsche Panzer und Waffen geht“. Wenn aber Grüne „vor Ort die Situation in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte in Augenschein nehmen wollen, werden die Schotten dicht gemacht“.
… Selten war unser Bestes, selten aber auch unser Schlechtestes so umstandslos zutage gefördert. Von den Opfern des anonymen Cybermobbings soll gar nicht erst gesprochen werden, auch nicht von dem ozeanischen Dünnpfiff, den die meisten parasozialen und hyperbanalen Alltagstweets darstellen.
Dieser Ozean entfaltet seine wahre Wucht, wenn er sich zu Empörungswellen auftürmt. Für einen Shitstorm, auch für den angeblich „gerechten“, braucht es kein kulturelles Hintergrundwissen, keine politischen Überzeugungen, keine fundierte Meinung und nicht einmal mehr Mut. Nur Arschlöcher.
(Aus einem Taz-Text von Arno Frank über die Twitter-Euphorie)
Herr Professorin
Sage noch einer, in unserem heimeligen Gemeinwesen obwalte Stagnation; das Gegenteil ist richtig. Und neuerlich nach dem Herbst 1989 geht von Leipzig eine Heldentat aus; die Stadt kann offenbar nicht anders. Diesmal ist es die ehrwürdige Universität, die in einem Gesellschaftsbereich voranprescht, in dem sich jahrhundertelang patriarchalische Pression gegen die bessere und schönere Hälfte der Menschheit scheinbar unauflöslich festgesetzt hatte. Bislang jedenfalls, denn dort, wo der DDR Ende sein Anfang gemacht wurde, geht’s jetzt der verbiesterten Mannesdominanz quasi ans nominale Gemächt. Der erweitere Senat der Goetheschen Lehranstalt hat Mitte April beschlossen, die „lesebehindernde“ Schreibweise Professor/Professorin abzuschaffen und durch die einheitliche Formulierung „Professorin“ zu ersetzen. „Herr Professorin“ wird also die korrekte Ansprache eines maskulinen Vertreters der Bildungselite in Leipzig lauten müssen, sofern das sächsische Wissenschaftsministerium diesen Beschluss nicht noch kippen sollte. Das ist nach der historischen Demütigung von FrauInnen zwar nur gerecht, wirft freilich aber z.B. für besagtes Ministerium weitere Bezeichnungsprobleme auf. Zwar nicht für die Staatsministerin Prof. Sabine von Schorlemer, schon aber für ihren Staatssekretär Dr. Henry Hasenpflug, der dann konsequenter Weise „Herr Doktorin Staatssekretärin“ zu nennen wäre. Dazu fehlt nun nur noch ein klitzekleiner Schritt. Und sollte sich die Politik außerhalb der Leipziger Uni sträuben, wäre es wohl an der Zeit für eine neue Demo über den messestädtischen Ring. Mehr Anlass geht nimmer.
Helge Jürgs
Sehr geehrter Herr Bertsch,
leider bin ich erst jetzt dazu gekommen, Ihre Antwort auf meine Einlassung in Sachen ideologischer Einäugigkeit von Historikern und anderen Gesellschaftswissenschaftlern zur Kenntnis zu nehmen, was schade ist, da ich nun sozusagen „nachkleckere“. Aber mich drängt es doch danach. Denn mit zwei Ihrer Argumente bin ich mehr als nur unzufrieden, vielmehrbin ich damit sehr „über Kreuz“. Zum einen jenes, wo Sie darauf verweisen, dass über das besagte „Phänomen“ in der DDR-Gewi ja alles hinlänglich gesagt sei. Das ist ein probates, aber m.E. doch demagogisches Mittel, um unseriöse Aussparungen nach dem Motto „Das weiß man doch“ vorzunehmen.
Noch mehr ärgert mich der Verweis auf die ideologische Einäugigkeit westdeutscher Historiker. Nicht, weil ich diese ernsthaft bezweifele, vielmehr, weil mich die Verteidigungshaltung ankotzt, die da sagt: Die anderen waren ja auch nicht besser. W i r wollten seinerzeit anders und besser sein. Jenen, die wir erklärtermaßen abschaffen wollten, nun anzulasten, dass wir auch nicht besser sein konnten, ist jämmerlich. So recht scheint mir das nicht zum Blättchen zu passen.
Sehr geehrter Herr Richter,
Ich halte Ihr Argument gegen meine Sättigungstheorie eher für ihren Beweis. Wir haben einen Hunger nach Energie, und da uns der Grünwahn die effizienteste Energiegewinnung verbietet, bauen wir eben Mais zum Verbrennen an. Hier ist unser subjektiver Mangel an Energie so viel wichtiger als Afrikas objektiver Mangel an Nahrungsmitteln, daß wir sogar unsere „Jungs fürs Grobe“ hinschicken, um denen die Felder vor der Nase wegzukaufen. würden wir unsere Energie aus Kernspaltung beziehen, könnten wir es uns „leisten“ die Afrikaner essen, und die Vögel leben zu lassen. Stattdessen zerreissen wir die Wälder mit Windkraft und stehlen den Ärmsten das Land um Rohstoffe zu ernten. Prost. Ich glaube hier ging es ursprünglich um Kernenergie, oder?
Interessant ist, was sie mir alles unterstellen…
Malthusianismus? Im Gegenteil. Wir können alle (einst) 10 Mrd Menschen in Wohlstand leben lassen, wenn wir nur auf unsere Kreativität vertrauen.
Rassentheorie? Nun, es gibt bestimmt Unterschiede zwischen den Menschen, aber wenn ich auf einer einsamen Insel gestrandet bin, dann ist das wertvollste wasich finden kann ein zweiter Mensch, egal wie er aussieht. Sie müssen schon sehr verbittert sein, wenn sie solche Vorwürfe auch nur indirekt in den Ring werfen.
Sozialdarwinismus? Eine Biologische Erklärung? Man muss schon recht dreist sein, um meinen bisherigen Aussagen sowas anzudichten. Was haben Sie denn für ein Problem, und mit wem eigentlich?
Ich habe auch nicht behauptet, die Deutschen fräßen immer weniger Fleisch. Es gibt aber Erscheinungen, die auf eine Sättigung hindeuten. Reiche achten eher auf Ihre Gesundheit, haben Zeit über Vegetarismus überhaupt erst nachzudenken.
Sicher fressen wir immer mehr Viecher, ich glaube aber an die Existenz einer Asymptote. Es ist sicher nicht die ungebildete Klasse, die auf Schnitzel verzichten. Daher muss man daran arbeiten, diesen Menschen die selben Voraussetzungen zu geben, die gebildeten schichten schon bekommen.
Zu Ihrer Wirtschaftstheorie…. Ich glaube Sie haben sich da in etwas abgehobebes verrant, ohne die Grundlagen verinnerlicht zu haben. Gewinn bedeutet, daß ich meine Arbeitskraft einsetze, um etwas so gutes zu machen, daß mir ein anderer dafür mehr von seiner Arbeitskraft anbietet. Gewinn bedeutet, daß ich mit weniger Arbeit mehr schaffe, und damit auch meinen Mitmenschen einen Mehrwert biete. Von daher ist das Gewinnstreben eine gute Sache.
Worüber man reden kann ist, wie es kommt daß das Leben vieler Menschen derart sinnentleert ist, daß sie jeden Scheiß kaufen. Das begründet aber keine Kritik an unserer Produktionsweise sondern an unserer Bildung und Kultur.
Natürlich wird jede Menge sinnloses Zeug hergestellt und angeboten. Statt sich zu überlegen ob man das Angebot verbieten sollte, wäre es produktiver über die Gründe für die Nachfrage nachzudenken.
Bei allem was schief läuft darf man niemals vergessen, wie viel besser es uns durch diesen Prozess heute geht als noch vor 100 Jahren.
Was wir zur Zeit erlauben ist, daß einige wenige den Mehrwert unter den Nagel reißen. Der Kapitalismus ist kein Selbstläufer. Ich meine seine Asymptote ist Feudalismus, wenn man die Libertären machen lässt. Der Arbeitsmarkt funktioniert auch nicht, wie er soll. Man muss dieses System ein bischen steuern, und das wird zur Zeit sehr schlecht erledigt. Diese Zyklen wird es immer geben.
Unser System bedingt eien gewisse Verschwendung. Leider sehe ich nicht, wie wir die Pros ohne die Cons haben können. Daher ist es sinnvoll, unsere Energie mit dem geringstmöglichen Fußabdruck herzustellen. Die einzigen Technologien, die da über zukunftsfähige Entwicklungsmöglichkeiten verfügen sind die Fission und die Fusion. Keine anderen Energieformen erlauben eine langfristige Weiterentwicklung der Spezies Mensch. Und auch wenn das doof klingt, darum geht es.
Alles in allem halte ich Ihre Analyse für völlig verfehlt, wenn Sie auch gute Ansätze haben.
Danke, Herr Barth, der rührenden Anteilnahme, aber ich habe mit niemandem Probleme, nicht mal mit mir.
Bernhard Romeikes Mahnung eben hier vom 29.05.13, nicht weiter in Duelle zu verfallen, gebietet eigentlich Schweigen, aber eine Antwort muß noch sein.
Zur Lösung der Kernenergiefrage enthalte ich mich der Meinung, das mögen (hoffentlich) Fachleute beleuchten. Ihre Sicherheit diesbezüglich ist sehr beeindruckend, wie einfach! Wenn nur alle Menschheitsprobleme so gelöst werden könnten. Auf Details gehe ich nicht näher ein, was ich mit gewisser Nähe zu Malthus, Sozialdarwinismus, Rassentheorie und biologischen Erklärungen gemeint haben könnte, müßten Sie schon selbst herausfinden.
Eines möchte ich aber noch erklären, das, was Sie „abgehobene, …. ohne …verinnerlichte … Grundlagen …[aufgestellte] Wirtschaftstheorie“ bezeichnen. Meine „Wirtschaftstheorie“, so vermessen bin ich nicht, eine eigene zu reklamieren, verdanke ich einem gewissen Karl Marx, von dem Sie, wie viele andere, sicher schon gehört haben, ohne nun genau zu wissen, was der so geschrieben hat. Ich meine damit nicht die irrigen, verfälschenden Phrasen der sehr oberflächlichen Meinungsdoktrin, die wohl mehr politisch-diskriminierenden Charakter trägt. Konkret ist sein „Kapital“ und die Vorarbeiten dazu die Quelle meiner Auffassungen, nicht nur, weil ich zufällig Ökonomie studierte und noch dazu mit ihm gemeinsam Geburtstag habe. Es ist seine Systemanalyse aller Produktionsweisen, auch der aktuellen, die auch sehr eindeutige Definitionen ökonomischer Kategorien in eindeutigen Zusammenhängen einschließt. So müssen Sie verzeihen, wenn ich anstelle Ihrer Definitionen von „Gewinn“, „Mehrwert“ u.a. diese als ausschließlich ökonomische Kategorien ansehe und nicht einer Lösungsrichtung nach Pro und Contra als Weltentwicklungswaage nachgehe. Wie Marx interessiert auch mich, welche inneren Gesetze eine Gesellschaft aus sich selbst antreiben und welche Tendenzen zur weiteren Entwicklung objektiv aus ihr entstehen. Unter diesem Blickwinkel erscheint Ihre „Sättigungstheorie“ marginal, eher als Maß aktueller politischer Veränderungen, mehr nicht, und nicht die Weltläufte bestimmend. Ihre Theorie ist nicht allein, sie trifft sich mit anderen modernistischen, ob „Nachfragetheorie“, „Angebotstheorie“, „Wertschöpfungstheorie“ usw. Allen ist gemeinsam die ewige Funktion der Warenwirtschaft als selbstverständlich vorauszusetzen, also innerhalb einer existierenden Wirtschaftsweise zu deren Heilung Erklärungen und Lösungen aktueller gravierender Probleme zu suchen.
Die Frage nach einer (theoretisch möglichen und auch wahrscheinlichen) Nach-Warenproduktionsweise, zu der wesentliche “technische“ Voraussetzungen durch die Warenproduktion bereits geschaffen werden, also Systeminfragestellung, wird ausgeblendet, gilt als „sozialistisch“ anrüchig. Kurios ist an diesen vorherrschenden Theorien, daß sie hauptsächlich von Nichtökonomen in den Mainstream gedrückt werden und diese sich nicht entblöden, die Kenntnis von ökonomischem Wissen als eher hinderlich zum Verständnis der Wirtschaft zu proklamieren. Dazu fällt mir dann wirklich nicht mehr ein.
Sollten Sie mehr dazu wissen wollen, sehen Sie sich doch die Arbeit von Heinrich Harbach auch auf der Website: http://www.wirtschaftstheorie-forum.de an.
Der immer erstauntere Leser fragt sich bei etlichen dieser Bekundungen, weshalb die Herren ihre Möhren nicht privatissime hin und her schieben, sondern meinen, das unbedingt öffentlich betreiben zu sollen.
(Nichts) Neues von unseren Finanz-Patrioten:
http://www.welt.de/wirtschaft/article116567976/Unternehmen-rechnen-sich-um-92-Milliarden-aermer.html
Verehrter Herr Barth,
Ihrem 1. Abschnitt schließe ich mich sofort an.
Ihre These vom objektiven und subjektiven Mangel ist nicht neu, damit hat vor einiger Zeit ein gewisser Malthus ganze Arbeit geleistet. Ihr „Faktum“, die „Deutschen“ würden immer mehr Gemüse essen, bleibt fragwürdig. Es subsumiert auch, Ihre „Deutschen“ fräßen immer weniger Fleisch, es sei denn, sie vertilgten immer mehr Lebensmittel. Warum dann zum Teufel werden immer mehr und größere Mastanlagen gebaut? Der relative Anstieg des Gemüseverzehrs kann nicht so gravierend sein. Eine modische Verhaltensnorm einiger, das vermute ich dahinter, macht noch keinen Sommer. Ihre „Sättigungstheorie“ steht wohl auch auf wackeligen Füßen, denn ein Weltproblem beschreibt sie nicht, ganz im Gegenteil. Die Proteinversorgung des größten Teils der Menschheit in Afrika, Asien und Lateinamerika, des absolut größten Menschheitsteils, wird schon rein rechnerisch immer unlösbarer, vor allem dank wachsender Ackerflächenbesetzung von Konzernen zur Rohstoffgewinnung, IWF-Strategie und Lebensmittelspekulation. Das sind keine Sensationsbehauptungen der Medien, die gibt es auch. Es ist Realität, Fachleute und auch nicht gleichgeschaltete UN-Organisationen weisen seit Jahren die Trends nach. Natürlich gibt es immer reicher werdende Afrikaner, das ändert nichts an der weiteren absoluten Verarmung der Massen. Erklären Sie den zunehmenden Kannibalismus, gewiß nur eine Randerscheinung, mit dem niedrigen Zivilisationstand der Afrikaner, deren „Minderwertigkeit“ als Rasse? Ach ja, inzwischen marktbeherrschende Rohstoffspekulationen mit Folge der Vervielfachung von Grundnahrungspreisen für Milliarden Menschen sind nicht für den wachsenden Hunger verantwortlich, den es Ihrer Meinung nicht gibt, sondern Hilfe zum „Leistungsdruck“, sagt die Deutsche Bank.
Ich fürchte, Ihre „biologische“ Erklärung mit einem Schuß Sozialdarwinismus taugt überhaupt nicht zur Erklärung irgendeines Trends der Gesellschaft, „Verbraucherschuld“ ist ein Hauptalibi für viele Kapitalbewegungen. Es ist keine Träumerei, eine bewußt auf die Bedürfnisse der Menschen gerichtete und von diesen gestaltete Gesellschaft im Blickfeld zu haben. Zunehmende Dysfunktionalität des kapitalistischen Warenproduktionssystems, Regulierungsmechanismen werden, allen „Warenproduktions- und –Konsumgesellschaft“-Anbetungen zum Trotz, immer wirkungsloser, erfordert dies. In dieser auch von Ihnen geheiligten Gesellschaft arbeiten wir alle nur scheinbar bewußt für einander, tatsächlich aber zuerst für den Mehrwert, ohne den es keine Bedürfnisbefriedigung gäbe, Sie sagen dazu „effektivste Form der allgemeinen Reichtumsmehrung“. Zum Irrtum über Reichtum empfehle ich Heerke Hummel bei http://www.wirtschaftstheorie-forum.de. Der Mehrwert bestimmt unser gesamtes gesellschaftliches Leben, damit ist Bewußtheit in den Beziehungen unter den Menschen minimiert. Angebot und Nachfrage werden die Menschheit nicht weiter bringen, dies stellt sich gerade und immer mehr selbst in Frage. So entstand eine Gesellschaft, in der nur das an Bedürfnissen erforscht, entwickelt und produziert wird, das auch gewinnversprechend ist. Nur so kann ich mir die Entwicklung der Atomenergieproduktion gegebener quasi raubbaumäßiger Art als „goldenen Weg“ der Energieproblemlösung erklären und damit liege ich bestimmt nicht ganz falsch. Für die Gesellschaft zukunftsträchtigere Forschungs- und Entwicklungslinien hatten unter diesen Kriterien keinen Platz.
M.E. haben die „Grünen“ wie alle Parteien in diesem Zusammenhang überhaupt nichts verloren, sie sind nur Ausdruck der Degeneration der Gesellschaftsordnung. Mit jeder Parteiengründung, so eine alte Erfahrung, entstehen neben den Wählerinteressen neue, von diesen sich immer weiter entfernende separate Parteiinteressen, die vom Geschick der Agierenden abhängig als Volkswille verkauft werden oder nicht. Unter den Grundbedingungen der Nachträglichkeit des Marktes politisch Nachhaltigkeit zu versprechen ist Scharlatanerie oder Dummheit.
Schuldenlegenden
Sehr geehrter Herr Busch,
tatsächlich gibt es in Deutschland keine Staatsschuldenkrise; denn deutsche Staatsanleihen finden Käufer zu Niedrigst-Zinssätzen unter der Inflationsrate. Trotzdem halte ich das Wachstum der deutschen Staatsverschuldung für bedenklich. Bedenklich deswegen, weil der überwiegende Anteil der neu aufgelegten Staatsanleihen allein zur Zahlung von Zinsen dient und eben nicht für Investitionen zum zukünftigen Wohlergehen der Allgemeinheit. Unsere Staaten befinden sich in derselben Lage, wie viele Privathaushalte, die es gerade schaffen, die Zinsen ihrer Bankkredite abzuzahlen, jedoch nie die Kredite zu tilgen, immer unter dem Damoklesschwert von Zinssatz-Erhöhungen durch die Gläubigerbank.
Jeder einigermaßen politisch interessierte Zeitgenosse hat mitbekommen, dass das Platzen der US-amerikanischen Subprime Immobilenkreditblase das internationale Finanzsystem 2008 fast hat zusammenbrechen lassen. Danach oder zeitgleich platzten anderer Immobilien-Spekulationsblasen innerhalb der Eurozone, welches zur Insolvenz vieler Banken führte. Die Regierungen der Eurozone sahen sich genötigt, mit staatlichen Geldern und Bürgschaften ihre nationalen Banken mit frischem Eigenkapital auszustatten und vor dem Konkurs zu retten. Diese Bankenrettungen sind der Grund für das sprunghafte Anwachsen der Staatsverschuldungen, eindeutig nicht ein „über ihre Verhältnisse lebende Völker“. Ganz im Gegenteil. Die meisten von uns leben unter ihren Verhältnissen, müssen wir doch für die Verluste der spekulativen Exzesse der Geschäftsbanken und ihrer spekulierenden Kunden geradestehen.
Der direkte Auslöser für die jetzige Finanz-, Staatsschulden-, Euro- und Wirtschaftskrise liegt eindeutig in unserem Geldsystem, welches die Geschäftsbanken dazu verleitet, exzessiv und grenzenlos risikovergessen zu spekulieren. Dies ist an der Wurzel zu ändern. Das Privileg der Giralgeldschöpfung gehört, wie schon das Privileg der Bargeldschöpfung, in die Hand der EZB. Genaues unter ‚“www.monetative.de“ . Mit einer solchen Giralgeldreform würde sich das Problem der Staatsverschuldung in Luft auflösen.
Es ist Aufgabe eines jeden Bürgers, sich zu informieren, wie unser Geld- und Banksystem aufgebaut ist und funktioniert. Leider haben weit über 90% der europäischen Wahlbürger äußerst irrige Ansichten zu diesem Thema, wobei ich Politiker, Wirtschaftswissenschaftler und -journalisten jeder Couleur einschließe.
Sehr geehrter Herr Schwarz,
mit Interesse habe ich Ihren sehr faktenreichen Artikel „Die Endlagerlüge“ gelesen, kann Ihnen allerdings nicht den Vorwurf ersparen, daß die meisten Argumente bald nicht mehr stimmen werden. Haben Sie noch nie etwas vom Thorium-Flüssigsalz-Reaktor gehört? In dem wird man die langlebigen Actinoide aus den Kernbrennstäben durch Transmutation in relativ kurzlebige Spaltprodukte umwandeln können, die nur ca. 300-500 Jahre gelagert werden müssen und dabei viel Energie gewinnen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist das Verbuddeln der Brennstäbe das Falscheste, was man machen kann. Die Verbrennung ist sicher billiger, als eine Million Jahre darauf aufzupassen. Dieser Reaktortyp wird in den nächsten Jahrzehnten die alten monströsen Leichtwasserreaktoren ablösen, die schlicht eine Fehlkonstruktion sind. Wie es zu dieser Fehlentwicklung kam, können Sie bei Richard Martin (SuperFuel: Thorium, the Green Energy Source for the Future) und über die Technik bei Robert Hargraves (THORIUM: energy cheaper than coal) nachzulesen. (Beide bei Amazon erhältlich, Links zu lang.)
Als weitere Links zu diesem Thema:
Für Laien:
http://www.final-frontier.ch/ThoriumEnergie
Zu den Grundlagen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Molten_salt_reactor
http://en.wikipedia.org/wiki/Molten-Salt_Reactor_Experiment
http://en.wikipedia.org/wiki/Thorium_fuel_cycle
Zu den Organisationen:
http://www.thoriumenergyalliance.com/
http://energyfromthorium.com/
http://www.the-weinberg-foundation.org/
Dieser Reaktor hat solch phantastische Vorteile, daß er nicht mehr lange zu verhindern sein wird. Die Chinesen arbeiten schon daran, einige westliche Gruppen ebenfalls. Nur bei uns wird diese Möglichkeit totgeschwiegen, ich vermute mal, weil die Atomhysterie das Betriebskapital der Grünen ist, was sie ungern verlieren möchten.
Die Energiewende, die Merkel und die Grünen angezettelt haben, kann sowieso nicht funktionieren, lesen Sie mal von David MacKay: Sustainable Energy – without the hot air (http://www.withouthotair.com/Contents.html), da wird Ihnen klar, was der Energiewende für Milchmädchenrechnungen zu Grunde liegen. Ein Vortrag von Hans-Werner Sinn und ein SPIEGEL-Artikel sind ebenfalls aufschlußreich:
http://mediathek.cesifo-group.de/iptv/player/macros/cesifo/mediathek?content=1594683&idx=2&category=203653159
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-91568151.html
Da keine vernünftige Regierung den deutschen Schwachsinn nachmachen wird, und der Herr Trittin kein fremdes Land dazu zwingen kann, wird es wohl bei einer extrem teuren Besserwisserei bleiben. Die einzige Möglichkeit, die Klimakatastrophe noch zu vermeiden, ist die Entwicklung einer CO2- freien Energiequelle, die billiger ist als ein Kohlekraftwerk. Dann braucht man keinen zu zwingen. Nur der Thorium-Flüssigsalz-Reaktor hat dazu das Potential!
Bevor Sie mich für verrückt erklären, befassen Sie sich bitte mit der Materie. Sie als Redakteur könnten ja mal für etwas Information sorgen, die einflußreichen Medien, wie der SPIEGEL tun es ja nicht. (Habe den SPIEGEL schon auf das Thema hingewiesen, keine Wirkung.)
Ich vermute, daß man bei uns in einigen Jahrzehnten die Pleite einsieht, Thorium-Reaktoren in China kauft und als Gegenleistung den Chinesen zu Spottpreisen die Klamotten näht!
Mit freundlichen Grüßen
C.L. Harms
In Sachen Werner Richter vs. Ulrich Busch und Rudolph Caracciola (Mitteilung vom 24. Mai) räumt Herr Richter nun also freundlich ein, dass er sich einen Pappkameraden gemalt hat, den er Busch nannte, um dann kräftig draufzuschießen. Da ist es ja nachgerade ermutigend, dass er Busch konzediert, wissend und klug zu sein. Das sind die Forumsbeiträge, auf die sich der staunende Leser besonders freut!
Zur Antwort von Alexander Barth zu „Endlagerlüge“ von Wolfgang Schwarz Heft 10-2013
Ihre Sichtweise, verehrter Herr Barth, hat schon Charme, sich auf eine simple und wesentliche Darstellung zu beschränken. Oft werden so zumeist komplex und bewußt kompliziert beschriebene Sachverhalte klarer. Einige Ihrer Thesen kann ich unterschreiben, bei anderen geht dies nicht so ohne weiteres. Ersteres erlaubt mir Ihre Fragestellung, gute Fragen sind immer besser als fragwürdige Erklärungen. Gut ist die Frage: Warum wird seit ewig weltweit genau die Energiepolitik gemacht, die die jetzigen Probleme erst schuf, auch, weil sie in der Politik und in Medien überhaupt nicht zugelassen ist. Interessant und wichtig ist das, was nicht täglich auf uns abgeregnet wird, die Berieselung ist die Methode der Ausblendung des „Warum“. Sie versuchen sich auch in Antworten, die sich aber nur auf „grüne“ Politikangebote beschränken. Die sind in der Tat fragwürdig, deren Nachhaltigkeitsfloskeln sind inhaltslos und „Zurück zur Natur“ ist keine Lösung. Diese wird allerdings von den „Grünen“ wohl auch nicht angeboten, so primitiv agieren die „Grünen“ nicht, sie bieten aber durch Nebulösität genügend Raum genau für diese Unterstellung . Leider lassen Sie sich auch ein bißchen dazu verleiten, dadurch vergeben Sie sich aber die Chance einer Verortung der tatsächlichen Ursachen des Energiedesasters. Die Frage nach dem Warum ist nur in der gesellschaftlichen Produktionsweise, die die Selbstverwertung des Wertes, also den Gewinn, und nicht die Bedürfnisse der Gesellschaft einschließlich deren Zukunft, als Beginn und Endpunkt aller Reproduktion hat, zu finden. Nachhaltige Energiestrategie ist unter diesen Bedingungen unmöglich, sie kann es auch so in Zukunft nicht geben, alle andere Hoffnung ist pure Illusion. Da auch die „Grünen“ als bürgerlich-liberale Partei nicht wirkliche gesellschaftliche Alternativen anpeilen, bleibt auch ihr Energieprogramm illusionär, wie die Programme aller anderen Parteien und Gesellschaftsstrukturelemente auch. Und deshalb ist Ihre Alternativstellung, so gern auch von den Lobbyisten der Energiekonzerne verwendet, nicht ganz ehrlich, weil manipulativ. Die Frage heißt eben nicht: entweder nehmen wir die Folgen der Kernenergie in Kauf oder wir ziehen uns ans Höhlenfeuer zurück. Die Frage ist, welche gesellschaftliche Organisation bringt eine wissenschaftlich begründete Zukunftsenergieforschung und –erzeugung hervor, einige technische Lösungsrichtungen haben sie angerissen. Warum wurden die nicht angegangen, war das wirklich ein „Fehler“, der uns für meinen Geschmack zu oft aufgetischt wird, hätte es tatsächlich eine andere Energierichtung geben können? Ich bezweifle das. Das „anonyme“ Kapitalinteresse (G –G‘) lenkt den somit „unfreien“ Kapitaleigner und dessen Anwälte, keine Religion oder Ideologie oder Vernunft hat da eine Chance, eher werden die an die Kapitalinteressen angepaßt, von Regierungen, Parteien und Medien ganz zu schweigen. In diese Richtung wird auch die öffentliche Meinung gedreht, der Schwanz muß mit dem Hund, auch wenn er ab und zu autonom wedelt, auch das nützt letztendlich dem Kapital.
Richtig vergaloppieren Sie sich m. E. mit der Behauptung, die Menschheit würde immer reicher und gesünder, das ist kaum Realitätswiderspiegelung für die Mehrzahl der Afrikaner und Asiaten, der Mehrheit der Menschen. Schade, daß Sie in der bestehenden Warenproduktionsgesellschaft und deren Konsumgesellschaft hängen bleiben, Ihnen entgehen so die Alternativen einer zukünftigen selbstbestimmten Gesellschaftsordnung, die auch das Energieproblem zu lösen in Stande sein wird.
Sehr geehrter Herr Richter,
es ist schwer (für mich, mit all meinen Einschränkungen) herauszufinden, ob da ein schlauer einen schnellen Pinselstrich gezogen hat, oder ein Hohlkopp aufgeschnappten Unfug wiederkäut. Das ist in Foren oft der Fall, daher nehme ich Sie vorerst mal ernst.
Richtig, die Menschen haben durchaus mehr Alternativen als die Croods und die Jetsons. Die Amish halten das mittlere 17. Jahrhundert für einen guten Stand, und scheinen damit auch ganz gut zurecht zu kommen. Inwieweit da z.B. in Punkto medizinischer Versorgung vielleicht geschummelt wird, weiß ich nicht.
Klar ist auch, daß Mangel ein schwieriges Thema ist. Es gibt auf der Welt objektiv keinen Mangel an Nahrungsmitteln, trotzdem bekommen manche davon nicht genug. Es gibt auch den subjektiven Mangel. So lange Hans-Heinrich meint, er bekäme nicht genug Schnitzel, wird es einen Verteilungskampf um Getreide zwischen einem hungernden Kind und einem Schwein geben. Ich persönlich verzichte auf Fleisch, um Hans-Heinrichs subjektiven Mangel zu lindern, wodurch er vielleicht eher geneigt ist, etwas Getreide für klein Ojwang abzwacken zu lassen. Interessant ist, daß der Fleischkonsum einer Gesellschaft eine Sättigung zu erreichen scheint. Wenn Leute teich genug sind, fangen sie an, sich um Ihre Gesundheit zu sorgen und essen wieder mehr Gemüse. Immer mehr Deutsche werden Vegetarier, wenn auch aus anderen Gründen als ich.
Das deutet doch darauf hin, daß die Bereitschaft zum Teilen vom Grad der Sättigung abhängt. Ganz pragmatisch sage ich also: „MEHR IST BESSER“, egal wer es bekommt.
Ihr Einwand zu den armen Afrikanern ist übrigens nicht haltbar. Auch Afrikaner werden reicher und gesünder, das bekommt man nur nicht mit. Für Nachrichtenmeldungen sind die Zustände in von Kriegsgebeutelten Regionen eben attraktiver. Ich empfehle Ihnen Hans Rosling und seine Arbeit unter http://www.gapminder.org
Mit den „Grünen“ meine ich auch nicht die Partei. Vielmehr ist es der quasireligiöse Wahn der unser Volk und seine Politik ergriffen hat. Die SPD unter Rau ist als erste Opportunistin in die Atomangsttreiberei der Grünen eingestiegen, und mittlerweile ist ja sogar die CDU-Kanzlerin eine „Grüne“. Ich lese da Zustimmung aus Ihren Zeilen und will daher nicht weiter darauf eingehen. Ich war Grüne-Wähler, bis mir klar wurde, daß es sich da um eine grundsätzlich vom Selbstekel verzehrte, menschenfeindliche Partei handelt, die mit Umweltschutz nichts am Hut hat.
Wichtiger ist Ihre Träumerei von besseren Gesellschaftsformen. Ich bin ein Träumer. Ich kann es mir leisten, weil ich satt bin. Wer nicht so satt ist wie ich, der träumt vor allem davon, MEHR zu haben. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist die für dieses Streben am besten angepasste, und die effektivste Form der allgemeinen Reichtumsmehrung. Man muss nur aufpassen, daß man sie nicht in feudalistische Tendenzen abdriften lässt.
Da können Sie sich den Mund fusselig reden über eine bessere Welt, zuhören werden Ihnen die Menschen erst, wenn sie satt sind.
Ich ermutige Sie, Ihren Vorsprung weiter auszubauen, und diesen Gedanken etwas Zeit zu widmen. Die Warenproduktions- und -Konusmgesellschaft ist nichts anderes als menschlich. Wir arbeiten füreinander. Einer erbringt eine Leistung, die jemand haben wollte, und darf sich dan hinterher Angebote für die Gegenleistung machen lassen. Wer für sein Angebot keine Abnehmer findet, der hat eben ein unnützes Angebot, und sollte versuchen, bei einem unterzukommen, der noch Arbeitskraft braucht, um sein Nachfrage nach seinem Angebot zu decken.
Wichtig ist: Der Kunde eintscheidet. Und daher auch der Leistungsdruck. Warum sollte ein Kunde meine von Hand gesammelten Kartoffeln für 20 Euro/kg kaufen, wenn der Bauer mit dem Traktor das gleiche Angebot für nur 2 Euro hat. Ja, es zwingt uns zu immer mehr Effizienz, aber das ist auch gut so. Schließlich ist Arbeit ja kein Selbstzweck.
Zu „Steuererhöhungseuphorie“ von Ulrich Busch Heft 10-2013
Es ist wohl angebracht, nicht so einfach die allgemeine verlogene Politikbehauptung von angeblichen Steuerverlusten, wodurch auch immer, unkritisch zu übernehmen. Wir sollten bei allen Behauptungen, die zur permanenten Desinformation geschaffen werden, und die „Steuerverluste“ bilden dabei einen Eckpunkt, genauer hinschauen und die Fakten benennen. Das sind wir dem Ruf des Blättchens schuldig. Das Statistische Jahrbuch 2012 [S. 256] gibt da bestens Auskunft, außer in den Zeiträumen vom Jahr 2000 zu 2001 und 2008 zu 2009 ist kein Rückgang der absoluten Steuereinnahmen zu verzeichnen, sondern veritables Wachstum. Eine nichteingetretene Einnahmeplanung, worum es dabei offensichtlich geht, als Steuerrückgang einzuordnen, ist schon eine ganz schöne Unverschämtheit, denn die angezielten Mehreinnahmen waren bestimmt nicht für soziale Zwecke eingeplant, sie sollten ganz gewiß so schönen Projekten wie Konzernsubventionen, Exportoffensive, vor allem der Rüstungsexporte, und Lohnkostenübernahme für die größten, weil ärmsten Unternehmen zugutekommen. Das kann Michel nicht verstehen, für ihn zu kompliziert, deshalb erzählt man ihm das schöne Märchen von den schwindenden Einnahmen.
„Und morgen, liebe Kinder, erzähle ich Euch ein anderes Märchen!“, hätte Dietrich Kittner an dieser Stelle gesagt.
Lieber Herr Richter, von „Steuerverlusten“ habe ich in Ulrich Buschs Beitrag kein Wort gefunden. Busch hebt vielmehr völlig zurecht darauf ab, dass „dem Staat durch Steuersenkungen in der Vergangenheit, durch die klientelbezogenen Steuerrechtsänderungen seit 1998 und durch die konjunkturellen Stützungsmaßnahmen seit Ausbruch der Krise enorme Mittel verloren(gingen). Allein für 2013 beläuft sich der hierdurch bewirkte Einnahmeverlust auf rund 45 Milliarden Euro.“ Dies zeigt zugleich, dass Busch der von Ihnen beklagten „allgemeine(n) verlogene(n) Politikbehauptung von angeblichen Steuerverlusten“ gerade nicht auf den Leim geht, sondern – Ross und Reiter benennt.
Verehrter Herr Caracciola,
Es liegt mir fern, Ulrich Busch eine Verfehlung zu unterstellen, dazu liest er sich zu wissend und klug. Es geht vielmehr um einen Lapsus, der mir bestimmt auch unterlaufen könnte, würde ich ein Thema beschreiben und nicht auf alle Zusammenhänge achten, habe ich auch schon. Ist das genug Asche? Ulrich Busch schrieb:
„Erstens hat die Finanz- und Wirtschaftskrise die Einnahmebasis des Staates erheblich in Mitleidenschaft gezogen: So verzeichneten Bund, Länder und Kommunen in den Jahren 2009 bis 2012 durch die Krise rund 203 Milliarden Euro Mindereinnahmen, die in den Kassen fehlen. Zweitens gingen dem Staat durch Steuersenkungen in der Vergangenheit, durch die klientelbezogenen Steuerrechtsänderungen seit 1998 und durch die konjunkturellen Stützungsmaßnahmen seit Ausbruch der Krise enorme Mittel verloren.
Allein für 2013 beläuft sich der hierdurch bewirkte Einnahmeverlust auf rund 45 Milliarden Euro.“
Obwohl tatsächlich das Wort „Steuerverluste“ nicht zu finden ist kolportieren die obigen Anmerkungen diese, dafür stehen Begriffe wie „Mindereinnahmen“, „Steuersenkungen“ oder „Einnahmeverluste“. Mit diesen manipulierten Statistikauswertungen werden uns regelmäßig Steuerverluste suggeriert, das ist wohl durchaus gerade zu rücken, sonst verfallen wir den Politiktricks. Die „Steuerverluste“ sind seit einiger Zeit die Hilfstreppe, die uns permanent als Ursache für Sozialkürzungen vorgesetzt werden, um die Milliarden für sinnlose Megaprojekte, überdimensionierte Energiegewinne der 3 „Heiligen“ und (Rüstungs-)Exportsubventionen aus der Schußlinie zu halten. So hat mein Nebenbeieinwand doch seine Berechtigung, oder nicht? Abgrenzung von politisch verdrehten Kategorien ist mehr denn je und immer notwendig.
Fragen zur „Antwort“ an Tomislav Nikolic, Heft 9-2013 S. 30/31
Wie auch regelmäßig anderen Orts toleriert dieser Beitrag das Nato-Konstrukt der 8ooo von Serben getöteten Bosniern in Sebrenica und des tatenlosen Zuschauens der niederländischen Blauhelme. Warum eigentlich akzeptieren wir diese Behauptung, zu der bis heute keine belastbaren Beweise vorliegen? Wir wissen von der Nato-Strategie, die einst Naumann Anfang der 90-er Jahre in einem Vortrag an der Dresdener Militärakademie zum Besten gab, wonach nach dem Fall des „Eisernen Vorhanges“ keine „weiche Südflanke“ akzeptabel sei und Jugoslawien verschwinden müsse. Glaubt denn tatsächlich jemand, der Jugoslawienkrieg wäre im Selbstlauf, bestenfalls auf Grund der Dämlichkeit der Serben entstanden? Wir wissen, daß zuerst bosnische Milizen, von muslimischen Terrorspezialisten organisiert und geführt, provokative Massaker in serbischen Dörfern anrichteten, erst danach kamen die Meldungen u. a. aus Sebrenica. Ist da nicht ein Zusammenhang zu vermuten? Warum können bei allem Aufwand keine 8000 Toten vorgelegt werden, warum werden konspirativ Tote aus anderen Gegenden nach Sebrenica verlagert und den relativ wenigen Serbenopfern zugeordnet? Trauen wir etwa den Aussagen der Ermittler aus Den Haag als unabhängige, auch eingedenk unserer Erfahrungen mit den „unabhängigen“ IAEA-Beobachtern im Irak, fast alle auf den Gehaltslisten der US-Dienste? Warum werden die umfangreichen Obduktionsergebnisse serbischer Spezialisten zu den Toten um Sebrenica von der Kommission entschieden ausgeklammert? Glauben wir, die Nato habe den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien verbrecherisch angezettelt, aber zur Sache Sebrenica sage sie die Wahrheit? Weil sich demokratische Aggressoren von diktatorischen dadurch unterscheiden, einmal in einer Lügenstrecke doch die Wahrheit sagen zu müssen? Uns lehrt doch die Realität gleiches pathologisches Grunzen farbenfroher und einfarbiger Schweine. Generelles Mißtrauen an interessengebundenen Geschichtsdarstellungen hat uns die Erfahrung oft angemahnt, hier, zum Warschauer Aufstand, ja, auch zu Katyn, zum „Eisernen Vorhang“, zu Ungarn 1956, zur geplanten Eroberung Westeuropas durch die SU, der unsäglichen „Luftbrücke“, der Kubakrise usw. Wir können oder wollen nicht glauben, unsere Politiker könnten immer lügen. Doch, können sie und tun es. Hier läuft ein ganz infames Spiel, das Albrecht Müller des Öfteren beschrieb: Wir wehren uns der Lüge A und schlucken dabei die Lüge B. Genau dazu wird die Lüge A geradezu „ungeschickt“ unglaubwürdig gestaltet. Ich kenne die Wahrheit nicht, mich irritiert nur die dauernde Ignoranz gegenläufiger Darstellungen, hier z.B. von Alexander Dorin und Zoran Jovanovic in „Sebrinica“, AHRIMAN Verlag Freiburg, 2010. Gäbe es eine Stigmatisierung als „Verschwörungstheorie“, wäre ich beruhigt, dann hätten sie bestimmt Recht. Ich nehme an, dahin soll es gar nicht erst kommen. Gott, Allah oder Jehova erhalte uns unseren Kinderglauben. Es ist durchaus denkbar, daß Nikolic die zweitrangige Sebrinica-Kröte schluckt, um in die EU zu kommen. Das nennt man dann Realpolitik.
„Endlagerlüge“
Natürlich ist es eine Lüge. Man hat immer darauf spekuliert, die verbleibenden 98% des Energiegehalts der Brennstoffe eines Tages nutzen zu können. Die Frage ist, warum tun wir es nicht? Technologien sind seit Jahrzehnten vorhanden. Aktuelles Beispiel ist der Dual Fluid Reaktor vom IFK Berlin, aber es gibt viele Optionen. Leider hat unsere Bundesgrüne Ablehnungspartei Lösungen bisher effektiv blockiert. Statt ein paar Reaktoren in Richtung GEN IV zu bauen, die das Müllproblem lösen könnten, geben wir ein Vielfaches des Geldes aus, um Windmühlen und Sonnenfänger zu bauen, die bisher weder Umwelt, noch Wirtschaft irgendeinen Vorteil gebracht haben.
„Atommüll“ kommt übrigens nicht nur aus der Energiewirtschaft. Wenn wir keinen Atommüll wollen, müssen wir auch aufhören Nuklearmedizin zu betreiben, und noch ein paar andere nützliche Dinge. Zivilisation produziert eine gewisse Menge an Abfällen. Allein in Herfa Neurode lagern wir jedes Jahr 200.000 Tonnen Giftmüll unter der Erde ein, die an Toxizität dem „Atommüll“ in nichts nachstehen. Wäre es etwa „nachhaltig“, unsere Industriegesellschaft abzuschaffen, um unseren Kindern den Umgang mit den wachsenden Müllbergen zu ersparen?
Nahchaltig bedeutet, so zu handeln, daß aus unserer Handlung keine Einschränkung der Handlungsmöglichkeit in der Zukunft bewirkt. Nun ja, alles hat Auswirkung auf die Zukunft, von daher ist das Konzept sowieso unsinnig. Man sollte aber darüber nachdenken, wie unsere Kinder und deren Kinder eines Tages leben sollten. Es gibt da 2 Alternativen: Die Croods und die Jetsons. Die Croods haben kein Problem mit Atommüll, wohl aber mit Säbelzahntigern. Die Jetsons haben sicher irgendwo Giftmüll, aber offensichtlich kein Problem damit. Wir sind 6,5 Milliarden, und wir werden immer mehr, immer gesünder und immer reicher. Und das, weil wir unserer Kreativität vertrauen.
Gesundheit, langes Leben, Frieden, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, das alles sind Werte, die wir nur verwirklichen können, wenn wir den Mangel besiegen. Menschen teilen gern, wenn sie merken, daß es Ihnen immer besser geht. Wenn unser Wohlstand aber schrumpft, dann verfallen wir in Verteilungskämpfe. Bei aller Menschenliebe muss man sich das einfach eingestehen. Der Zusammenhalt in Gruppen, Clans, Stämmen und Nationen beruhte schon immer auf der Verteidigung der eigenen Versorgung.
Wie erreicht man den nötigen Wohlstand? Indem man viel Zeug hat. Punkt. Inklusive der Verschwendung ist der Konsum notwendig um den Frieden zu sichern. Und diesen Konsum können wir nur erreichen, wenn wir unsere Arbeitskraft mit unserer Kreativität und einer externen Energiequelle multiplizieren. Die Leistungsdichte dieser Energiequelle ist dabei entscheidend. Bei den Erneuerbaren Energien sind die Kosten pro zusätzlicher Kilowattstunde viel zu hoch. Kosten bedeutet Einsatz menschlicher Arbeitskraft, aber auch der Eingriff in die Natur, die Störung der Landschaft, die andere Menschen als Ihr Naherholungsgebiet betrachten.
Das ist das wunderbare an der Atomkraft, zumindest perspektivisch selbst für jeden der sie ablehnt. Ein sehr kleines Kraftwerk, eine Verschwindend geringe Menge an Brennstoff und sehr wenig menschliche Arbeitskraft ergeben eine riesige Menge an Energie, die uns Wohlstand und Frieden ermöglicht.
Ein Tennisball Uran oder Thorium enthält genug Energie um einen Menschen sein Leben lang üppig zu versorgen. Und die Spaltprodukte, also der wirkliche Abfall, passt in eine Coladose. Zum großen Teil ist dieser Abfall wieder Rohstoff, der Rest ist nach 300 Jahren ungefährlich. Pro lebendem Menschen also etwa 10 Coladosen. Das ist wirklich kein Problem.
Wie viele Menschen sterben an Kernenergie, wie viele Sterben, weil sie keinen Strom haben?
Frau Caldicott ist eine Lügnerin. Selbst wenn Ihre Aussagen ein Körnchen Wahrheit enthalten, sind sie in Ihrer Gesamtheit dreiste Lügen. Auch ich habe Leuten wie Ihr früher geglaubt, aber Bildung hilft eben weiter.
Es ist wohltuend zu erfahren, dass es mehrere Quellen gibt, um eines Menschen gewärtig zu sein, und sich dabei in der eigenen Bewertung bestätigt zu fühlen.
Wenn die Redaktion des BLÄTTCHENs aus mehrfach gegebenem Anlaß die jüngste Ausgabe mit einem Auszug der „Rechenschaft“ des Carl v. Ossietzky und einer nachgestellten, in ihrer Prägnaz beeindruckenden Würdigung einleitet, so mag man das irgendwie erwarten, auch die Versicherung des weiteren Bestrebens der Redaktion.
Wem es darum gehen sollte, ohne viel Suchen mehr und in aktuellen Bezügen über Ossietzky zu lesen, dem dieser Hinweis: Kurt Pätzold: „Unverkürzte Erinnerung“ – beziehungsreich im Hinblick auf das Hier und Heute schon der Titel – in Junge Welt, heutige Wochenend-Ausgabe (04./05. Mai 2013) – http://www.jungewelt.de/2013/05-04/038.php?sstr=ossietzky.
Übrigens: In bezug auf die kleine Diskussion zu ostdeutschen Historikern im FORUM – Pätzold selbst ist wohl auch ein Beispiel für die meisten Aspekte, die da über deren Verhalten und den Umgang mit ihnen erörtert wurden.
Laut „Monitor“-Recherche hat Entwicklungshilfeminister Niebel seit Amtsantritt 2009 mehr als 40 FDP-Mitglieder in „seinem“ und also jenem Ministerium eingestellt, das er vor seinem Amtsantritt für entbehrlich gehalten hatte. Dass dies nichts mit Filz und Vetternwirtschaft zu tun hat, ist Dank Niebel umgehend aufgeklärt worden: „Einstellungen und Beförderungen im BMZ erfolgen im Einklang mit Grundgesetz und Bundesbeamtengesetz nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“. „Die Parteizugehörigkeit darf nicht abgefragt werden und wird nicht abgefragt. Deshalb gibt es auch keine Zahlen oder Übersichten dazu, wer in welcher Partei Mitglied ist.“ – Ein wirklich gelungener Beitrag zum morgigen Weltlachtag 2013!
Die Überlegungen von Herbert Bertsch in Nr. 8 („Vom kalten Krieg der Dokumente zur ‚lauteren Wahrheit’?“) über Wert, Unwert, Relativität und Umgang von/mit Dokumenten sind sowohl unter prinzipiellen strategischen Aspekten als auch fachwissenschaftlich interessant.
Ich habe in Bezug auf dort verwendete Beispiele in der umfangreichen Arbeit von Tim Weiner „CIA Die ganze Geschichte“ ( S.Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2008) nachgesehen, ob sich dort Informationen zur sowjetischen Deutschlandpolitik aus Sicht US-amerikanischer politischen Praktiker finden. Auch Kennan war ja keineswegs nur „Theoretiker“.
Folgende Passage auf Seite 113 hat zumindest mittelbar Bezug zur von Bertsch besprochenen Edition „Die UdSSR und die deutsche Frage“ gehört: „Stalin hatte weder einen umfangreichen Plan zur Beherrschung der Welt noch die Mittel, einen solchen durchzusetzen. Der Mann, der nach seinem Tod schließlich die Macht in der Sowjetunion übernahm, nämlich Nikita Chrustschow, erinnerte sich später, beim Gedanken an eine weltweite Auseinandersetzung mit Amerika habe Stalin ,gezittert’ und ‚gebibbert’. Chrustschow präzisierte: ‚Er fürchtete sich vor dem Krieg. Er hat nie was unternommen, was einen Krieg mit den Vereinigten Staaten hätte auslösen können. Er wusste, wie schwach er war’.“
Und dem gegenüber das amerikanische Pendant (S. 115 f): „Als Dulles (offenbar Ende September 1953 – Literat) ihm (dem US-Präsidenten – Literat) warnend vor Augen hielt, ‚die Russen könnten schon morgen zu einem Atomschlag gegen die Vereinigten Staaten ausholen’, erwiderte Eisenhower, ‚er glaube nicht, dass irgendeiner der Anwesenden die Kosten eines Sieges über die Sowjetunion in einem Weltkrieg scheue’.“
Nun könnte es zwar sein, dass Chrustschow bei der Abwertung Stalins, innenpolitisch motiviert, nicht die „lautere Wahrheit“ verkündete und Eisenhower die US-amerikanische Entschlossenheit zum Siegen übertrieb. Aber: Kann man in/aus Dokumenten des sowjetischen Außenministeriums etwas von solchen strategische Überlegungen erkennen, die den Weltfrieden betreffen? Dazu müsste man über den Text hinaus schon Erhebliches hinein- oder herauslesen! Und das wäre dann von der Einstellung zur Gegenwart bestimmt.
Natürlich entnehmen wir weltbewegende Konzeptionen und die Informationen dazu anderen Unterlagen, die ihrerseits Dokumente mit den oben benannten Charakteristika sind. Aber es bedarf der intensiven Einbettung. Die Überlegung in der Rezension halte ich daher für angemessen, in welchem Verhältnis jeweils Aufwand und Nutzen solcher Editionen zueinander stehen, die intensiven Anmerkungen dabei eingeschlossen, die die übergeordneten Zusammenhänge nicht ausgleichend behandeln können. Nun, man hat sich daran gewagt, vermutlich auch im Wissen um die Begrenztheit des Ergebnisses – oder war es einfach die Faszination „Dokument“ bei den Fach-Historikern, die den notwendigen Blick auf übergeordnete Zusammenhänge verstellt?
Und wen etwas genauer interessiert, was für eine Quelle LITERAT da aufgetan hat (Tim Weiner „CIA Die ganze Geschichte“), der lese die Rezension im BLÄTTCHEN nach: http://das-blaettchen.de/2008/09/pleiten-pech-und-pannen-13367.html
“ Dass all diese und weitere Arbeiten durch bundesdeutsche Historiker praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurden, hängt vermutlich mit deren ideologisch bedingter Sehschwäche zusammen …“ schreiben Sie, Herr Bertsch, und bestätigen damit nur Ihre eingangs angeführtes arabisches Sprichwort. Denn auch wenn Ihre Feststellung zutrift, wäre es doch wohl mehr als angebracht gewesen, auf die ideologische Einäugigkeit auch osttdeutscher Historiker hinzuweisen. Das wäre schon deshalb besser gewesen, weil sich ihre vielen Hinweise auf die Ergebnisse Ostberliner Historiker teilweise so lesen, als seien diese der Hort der „wahren Wahrheit“.
Jürgen Perten
Die ideologische Einäugigkeit ostdeutscher Historiker infolge Systemnähe, die Sie, Herr Perten, als solche zu Recht diagnostizieren, war für viele von ihnen tatsächlich dem seinerzeit vorherrschenden Verständnis von Parteinahme geschuldet.
Wenn ich bei der Benennung einiger Titel aus DDR-Produktion, die in meinen Sachzusammenhang gehören, auf ausdrückliche Benennung dieses Umstands verzichte, so auch, weil darüber hinreichend Literatur mit eindeutigen Bewertungen vorliegt. Ich verweise in Sonderheit auf die Arbeit von Martin Sabrow: „Das Diktat des Konsenses Geschichtswissenschaft in der DDR 1949 – 1969“, Oldenbourg Verlag, München 2001. Aus dem Klappentext: „Sabrows Studie leistet einen Beitrag zum Verständnis der gelenkten Geschichtswissenschaft in der DDR und zeigt auf, inwieweit Einflüsse inner- und außerhalb des Faches Bedeutung hatten. Dazu kombiniert der Autor den Blick auf die Geschichte des Faches mit der Untersuchung des Charakters und der Funktionsweise der SED-Diktatur als politisches und gesellschaftliches System“.
Also – da ist allerlei an Enthüllungen zur „Einäugigkeit“ der DDR- Geschichtsschreibung am Markt. Und da wäre noch ein Aspekt, auf den inzwischen zwar reagiert wird, der aber noch der Tilgung harrt – in einer Besprechung der Sabrow-Arbeit hatte Rezensent Volker Ullrich in der ZEIT vom 24.01.2002 beklagt: „Man wünschte sich endlich eine ebenso kritische Untersuchung der westdeutschen Geschichtsschreibung der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Denn von einem wirklichen wissenschaftlichen Pluralismus konnte auch hier angesichts der Deutungshoheit nationalkonservativer, zum großen Teil durch ihre Haltung im Nationalsozialismus kompromittierter Historiker keine Rede sein […].“)
Übrigens: Die meisten namhaften DDR-Historiker mit und ohne ideologische Sehschwäche wurden unter Beihilfe anderer Kollegen, auch als Interessenten an staatlich finanzierten Positionen, der Abwicklung unterzogen. Möglichkeiten zu Veröffentlichungen waren auch knapp. Viel mehr kann man Wissenschaftlern als Lebens- und Arbeitsgrundlage ja nicht nehmen. Ergo: Es gibt sehr unterschiedliche Konsequenzen „ideologischer Sehschwächen“. Auch mal ein Thema! …
Zum Artikel Erhard Cromes, der viel Kluges enthält, aber auch dann wohl von zwei Fehleinschätzungen ausgeht, wenn man den spannungsverschärfenden Anteil der sich schon lange wiederholenden Manöver Südkoreas und der USA zu Recht in Betracht zieht:
Zum einen also sprich Erhard Crome mehrfach irrtümlich von Nordkorea, wenn er eigentlich die absolutistisch herrschende Kim-Dynastie meint. Das Volk in Nordkora darf zwar marionettengleich allzeit ihre Führungsfiguren bejubeln – irgendeinen Einfluss auf deren Politik zu nehmen ist ihm allerdings hundertprozentig verwehrt. Was die Kims seit je her schützen, ist einzig ihre persönliche Macht. Kommunistisch ist der Staat dort ansonsten nicht viel mehr als es dereinst in Kampuchea unter den Roten Khmer zuging – nur dass man in Nordkorea mehr verhungert als dass man erschlagen wird.
Was Kim und Co. sichern wollen, ist der Fortbestand ihrer obskuren Herrschaft – mit dem Ergebnis, dass die Millionen ihrer Untertanen ggf. noch lange in der materiellen und politischen Steinzeit verbleiben. (Anmerkung: Ich habe beruflich bereits in Nordkore zu tun gehabt, stütze mich als nicht auf Spiegel undandere „Leitmedien“)
Zweiter Irrglaube: Solange soch Nordkorea passiv verhält, ist es weder für die USA noch für Südkorea von Interesse. Seoul hat längst kein Bedürfnis mehr, sich den vergleichweise armen Bruder einzuverleiben – die damit verbundenen Aufwändungen würden noch erheblich höher liegen als das bei der deutschen Vereinigung der Fall war und ist.
Auch die USA benötigen die Kontrolle über das Territorium nördlich der Linie von Panmundjom nicht . Öl und andere Bodenschätze sind dort nicht zu holen, und politisch wie militärischist man in der Region i auch ohne Nordkorea bestens aufgestellt.
Nein, tut mir leid, aber mit Ihrem Beitrag, lieber erhard Crome, entsteht – wenn vermutlich auch nicht gewollt – der Eindruck, dass man, wenn es um ein – wenn auch ehemaliges – „Bruderland“ geht, dann unbedingt Partei für selbiges nehmen zu müssen; bei mittlerweile auch eingestander Kritik an ihm, zugegeben.
Das ist mir mit Verlaub zu sehr Niveau von Junge Welt und Rotfuchs, wenngleich klüger verabreicht.
Der Ihnen sicher ebenfalls bekannte ungarische Publizist György Dalos hat sein Verständnis von Links-Sein einmal so definiert: „Ich bin ein Linker in meinen kulturellen Reflexen, möchte jedoch diese Haltung nicht ohne Reflexion über mich ergehen lassen. Dementsprechend muss ich für den GAU gerüstet sein, wenn etwa ein Konservativer plötzlich Recht hat oder ein Vertreter des Fortschritts eine enorme Dummheit präsentiert. Jenseits dieser traditionellen Sicht fühle ich mich jenen Paradiesvögeln verpflichtet, die in einer Frage so, in einer anderen wiederum anders denken. Andersdenken ist für mich nicht nur eine Form der ideologischen Devianz, sondern auch das Recht, über etwas anderes als die Themen des gängigen Diskurses nachzudenken.“
Eine solche Sichtweise – finde jedenfalls ich – ist in Sachen Nordkorea, also Kim I, II und nun III nur angeraten.
Mit ungeachtet dieses Meinungsunterschiedes freundlichen Grüßen,
Hans-Hermann Peterlein,
Beglückende Nachricht(für wen auch immer): „Die beiden wertvollsten US-Banken feiern Rekordgewinne. Zusammen kamen JPMorgan Chase und Wells Fargo im ersten Quartal auf ein Plus von knapp zwölf Milliarden Dollar.“ – Was einer Milliarde Gewinn pro Woche entspricht.
Es ist schon so: Was ist ein Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer solchen …
Die Mühlen der Gerechtigkeit (ein Begriff, der gern auch mit „Justiz“ verwsechselt wird) mahlen langsam, wenn man dem Volksmund glauben darf. Dieses Vorurteil ist aber nunmehr hinreichend widerlegt. Kaum, dass das Münchner Oberlandesgericht Anfang März sein seltendämliches (oder übelkalkuliertes) Vergabeverfahren zur Akkreditierung von Journalisten für den NSU-Prozess realisierte, hat es selbiges extrem umgehend, nämlich jetzt, als „Panne“ eingestanden, bei der Journalisten „durch eine technische Panne benachteiligt“ worden sind.
Ein echter Parforceritt der Selbstkritik, Respekt!
Schaun wir mal, was das bayrische OLG noch alles drauf hat, wenn der Prozess erst einmal begonnen hat.
Helge Jürgs
„Nordkorea hat eine Rakete gestartet“, hat die Stadtverwaltung von Yokohama heute Mittag per Twitter verkündet.
Es war „ein Irrtum“, wie die Behörde dann zerknirscht mitteilte: „Wir hatten die Nachricht vorbereitet, aber aus unbekannten Gründen wurde sie versehentlich versandt.“
Nun bleibt zu hoffen, dass nicht irgendeiner der Protagonisten dieses weltpolitischen Desasters „versehentlich“ eine Atomrakete versendet, „vorbereiet“ auch darauf ist man ja allerorten schon…
Auch, wenn es wohl endlich anders zu werden scheint, kann dem folgenden, im ND gefundenen Gedicht Erich Mühsams doch tröstlich entnommen werden, dass es wohl schon einmal einen Winter wie den von 2013 gegeben haben muss:
Erich Mühsam
Wollte nicht der Frühling kommen?
Wollte nicht der Frühling kommen?
War nicht schon die weiße Decke
von dem Rasenplatz genommen
gegenüber an der Ecke?
Nebenan die schwarze Linde
ließ sogar schon (sollt´ich denken)
von besonntem Märzenwinde
kleine, grüne Knospen schwenken.
In die Herzen kam ein Hoffen,
in die Augen kam ein Flüstern –
und man ließ den Mantel offen,
und man blähte weit die Nüstern…
Ja, es waren schöne Tage.
Doch sie haben uns betrogen.
Frost und Sturm und Schnupfenplage
sind schon wieder eingezogen.
Zugeknöpft bis an die Kiefer
flieht der Mensch die Gottesfluren,
wo ein gelblichweißer tiefer
Schnee verdeckt die Frühlingsspuren.
Sturmwind pfeift um nackte Zweige
und der Rasenplatz ist schlammig,
In mein Los ergeben neige
ich das Auge. Gottverdammich!
Das Blaettchen ist grosse Klasse!
Zum Beitrag von A. Seifert in der aktuellen Ausgabe des Blättchens nur folgende Anmerkung: Die Sache mit dem „Rechtfertigungsauftritt“ von US-Außenminister Powell vor dem UNO-Sicherheitsrat in Sachen „irakische Massenvernichtungsmittel“ basierte tatsächlich fast ausschließlich auf Behauptungen eines Exil-Irakers, der sich dem BND angedient hatte und dort unter dem Namen CURVBALL geführt wurde.
Die Sache mit Powells Auftritt war allerdings noch deutlich scheußlicher, als es bei A. Seifert zum Ausdruck kommt, weil CURVBALL eben nicht erst, wie der Autor schreibt, einige Monate nach Powells Auftritt „unglaubwürdig“ wurde. Der BND hatte die Quelle schon etliche Zeit davor als unglaubwürdig eingestuft, weil deren Angaben sich nicht nur nicht verifizieren ließen, sondern von CURVBALLS irakischem Ex-Chef, inzwischen ebenfalls im Exil, direkt dementiert worden waren. Der BND hatte CURVBALL deshalb „abgeschaltet“, also den Kontakt abgebrochen, und dies der CIA auch mitgeteilt – u.a. durch ein persönliches Schreiben des damaligen BND-Chefs Hannig an dessen seinerzeitiges CIA-Pendat Tenet. Trotzdem machten Weißes Haus und CIA CURVBALLS Lügen zur Grundlage für Powells Auftritt und damit zur „Rechtfertigung“ des zweiten Irak-Krieges… Wer solche Verbündeten hat, der braucht eigentlich keine Feinde.
Die ganze CURVBALL-Story, in der der Iraker vor der Kamera dann auch noch offen zugibt, gelogen zu haben, war kürzlich übrigens in der ZDF-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge“ in aller Ausführlichkeit zu sehen: http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/1861808/Es-begann-mit-einer-L%C3%BCge.
Cromme Artikel zu Stalin/Nr 7 – 2013
Die in dem Artikel genannten Fakten sind zweiffellos erhellend. Aber dennoch ist zu kritisieren, mit welcher Distanzlosigkeit und Neutralität die von Stalin zu verantwortenden Säuberungen geschildert werden. Was immer dessen Motive für diese Säuberungen waren, sie bedürfen der Verurteilung. Massenmord kann und darf kein Mittel zur Schaffung welcher Gesellschaften auch immer sein. Oder soll der Zweck die Mittel heiligen?
Zwei Dinge sollte man hier auseinanderhalten: da ist einmal das Bedürfnis, die Vorgänge zu verstehen. Meiner Meinung nach kann man das am besten, wenn man sie als Klassenkampf auffasst – und dem kommen einige der Autoren, die Herr Crome nennt, schon recht nahe.
Die Frage ist dann aber, mit welcher Seite man sich in diesem Kampf identifiziert. Hier stimme ich Jürgen Scherer zu. Dieses Liebäugeln mit einer verflossenen Hegemonie – die ihre Ziele mit sehr gewalttätigen und unehrlichen Mitteln erreicht hat – halte ich für den größten Fehler, den Linke heute begehen können. Ausführlicher begründet habe ich das schon im redaktionellen Teil:
http://das-blaettchen.de/2012/12/gramsci-und-die-hegemonie-seiner-partei-18955.html .
Der Zweck heiligt ganz sicher nicht jedes Mittel – und manche Mittel sind auch für bestimmte Zwecke untauglich.
Zur „Freiheit eines Christenmenschen“, aber auch anderer gehört der dialektisch anmutende literarische Kunstgriff, Tatsachen in Frageform zu fassen, um desto besser sein Unbehagen damit zu artikulieren. Wenn Jürgen Scherer also rhetorisch fragt, „soll der Zweck die Mittel heiligen?“ so handelt es sich vermutlich um einen solchen Fall. Denn daß es diese Sachverhalte einschließlich der jeweiligen Interpretation/Um-interpretation gibt, ist ihm gewiß bekannt; unabhängig davon, ob dies bei Kreuzzügen, der Christianisierung oder Massakrierung, ersatzweise Versklavung, von Ureinwohnern sowohl geschah als allgemein auch so begründet wurde. Parteiisch wird es bei der jeweiligen historischen Einordnung, wann nach Meinung des Betrachters „Gewalt“ und wie überhaupt und von wem (einseitig?) eingesetzt wird. Urteile von hohen Verwaltungsgerichthöfen bieten da kaum Anhalt, sind eher die Bestätigung dessen.
Ich habe einen Literaturhinweis anzumelden: An der Uni Gießen existiert bereits seit längerem – auch außerhalb der „Blättchen“-Gemeinde gab und gibt es also solche Diskussionen! – eine Forschergruppe „Gewaltgemeinschaften“, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Von dort verlautbart: „In Kürze wird der Sammelband ‚Gewaltgemeinschaften. Von der Spätantike bis ins 20. Jahrhundert’ erscheinen.“ Könnte inzwischen auf dem Büchermarkt sein – aber wenn, dann offenbar weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit, was „auf die Schnelle“ nicht zu eruieren war.
Diese Ankündigung stammt vom 29. Januar: „Gewalt ist eine menschliche Grunderfahrung. Auch in der modernen Gesellschaft scheint sie allgegenwärtig. … Die Spannbreite (der Beiträgeim Sammelband – L.) reicht zeitlich von der Antike bis zum 20. Jahrhundert und umfasst räumlich West-, Süd-, Mittel- und Osteuropa ebenso wie ausgewählte Regionen Afrikas südlich der Sahara. So wird ein weiter historischer Bogen geschlagen, der die Vielfalt ebenso wie die erstaunliche Vergleichbarkeit der beobachteten Phänomene vor Augen führt.“ Klingt nach chinesischer Provenienz!
Jedenfalls ein Aspekt, der bei der Bewertung von Aktion und Re-Aktion in der Sowjetunion und um sie herum – man könnte die Rolle von Gewalt in der Geschichte auch am deutschen Beispiel zwischen 1933 und 1945 mit neuem Erkenntnis-Nutzen abhandeln, auch parallel, wenn man denn wollte! – anmerkenswert wäre.
Ob die zitierte „menschliche Grunderfahrung“ eine Erbsünde ist oder durch wesentliche Veränderungen an den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen, vielleicht auch allein schon durch fortgesetzte Appelle zu moralischem Verhalten revidiert werden kann? Trial and error – gilt das auch/oder nicht für Geschehen in und mit der Gesellschaft? Und wer setzt dann das Regelwerk dafür, möglichst vorher?
Lieber Herr Crome,
zunächst sei gesagt, dass mir (auch) dieser Beitrag von Ihnen gefällt, da er – auf sachliche Weise – anregend ist.
Auf eine Schwierigkeit möchte ich dennoch hinweisen, die sich aus der von Ihnen ja nicht absichtslos an das Ende Ihres Textes gestellten Episode ergibt – ganz gleich, ob es sich nun um einen Dolmetschfehler gehandelt hat oder nicht.
„Nah sieht, wer von Ferne sieht – unscharf der, der Anteil nimmt“ ist, soviel ich weiss, eine chinesische Weisheit und kommt der nahe, die Sie in die weit- und weltblickenden Worte Zhou Enlais wohl hineininterpretieren. Daran ist nun viel Wahres, denn es ist wohl schon fast gesetzmäßig zu nennen, dass zumindest nur eine Minorität der Menschen die politischen Zeiten versteht, in denen sie leben. Was also an geschichtlichen Urteilen zu fällen ist, ist selten das letzte Wort, wie wahr. Nur eben: Unsereins kann sich ja leider nicht auf eine Wiedergeburt verlassen, in deren Gefolge man dann final und verbindlich über das einst Miterlebte urteilen kann. Der Normalverbraucher muss m.E. zwar nun auch nicht zu jedem und allem eine endgültige Meinung haben (mehr noch: es wäre manchmal besser, man würde bekennen, dazu mangels komplexer Kenntnisse nicht in der Lage zu sein), aber ohne irgendeine Beurteilung der uns umgebenden Dinge, zumindest der relevanten, ist nicht durchs Leben zu kommen, auch nicht mit dem Hinweis darauf, dass in 100 Jahren alle Umstände so erforscht sind, dass sich dann endgültig der Daumen heben oder senken lässt.
So wie Wolfram Adolphi bei Betrachtungen und Bewertungen von Geschichte mehr Frage- denn Ausrufezeichen wünscht, so ist doch vielen Themen mit dauerhaftem Fragen auch nicht Genüge getan, wenn man nicht ganz speziellen Beantwortern Tür und Tor öffnen will. Das Thema Stalin, besser Stalinismus, dürfte dazugehören, denn es ist weder mit dem Tod des Woschdsch noch mit dem seiner unmittelbaren Satrapen erledigt. Und zumindest aus heutiger Sicht: Wehe einer Zukunft, die das damit Verbundene auch nur ähnlich zu relativieren gedenkt, wie das bei der „Aufarbeitung“ des Faschismus durch die Bundesrepublik Deutschland geschehen ist.
Ich habe in meinen Kalender eingetragen, Ihnen nach 150 Jahren noch einmal zu diesem Thema zu schreiben, mal sehen, was ich dann dazu zu sagen habe.
Freundliche Grüße,
Hans-Hermann Peterlein
Lieber Erhard Crome,
in Ihrem jüngsten Blättchen-Beitrag schreiben Sie, dass „der langjährige chinesische Ministerpräsident Zhou Enlai auf die Frage, was er von der Französischen Revolution (1789ff.) halte, geantwortet [hat]: ,Es ist noch zu früh, das zu sagen.‘“
Inzwischen weiß man jedoch, dass die Pointe dieser Anekdote hüsch erfunden ist, denn Zhou Enlai war der Meinung, er werde zu den Ereignissen vom Mai 1968 in Frankreich befragt.
Insofern mag über die Sowjetunion und Stalin das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, aber dass künftige Worte dem Staat und dem Führer je wieder eine historische Gloriole flechten könnten, das setzte doch wohl gleichermaßen den Verlust von Verstand u n d Moral voraus.
Beste Grüße, RC
Lieber Rudolph Caracciola,
ich bin mir nicht sicher, was „man“ weiß. Die Behauptung, es sei ein Übersetzungsfehler bei der Übermittlung der Frage gewesen, stammt aus den Erinnerungen eines US-Diplomaten, der mitteilt, dabeigewesen zu sein. So ist wieder einmal der Zeitzeuge der Feind der historischen Überlieferung. Man könnte auch fragen, welches Interesse die US-Regierung bei der Image-Produktion im Hinblick auf die kommenden Auseinandersetzungen mit China im 21. Jahrhundert haben könnte, der chinesischen Führung das historischen Denken in mehreren Jahrtausenden abzusprechen. Selbst wenn die Anekdote nicht belegt ist, drückt sie doch sehr schön die chinesische Welt- und Geschichtsvorstellung aus.
Beste Grüße zurück
EC
Aus meinem TV-Wachbuch
24.03.2013
Zypern zickt und bockt, so unisono alle Politiker, sagen alle Medien. Keine Abweichung im Tenor festgestellt. Medien erfüllen prompt ihren Klassenauftrag, wie Karl-Eduard selig gesagt haben würde. Regelrechtes Bombardement auf die Zyprioten, klingt dabei wie Idioten, aber nicht in des Wortes ursprünglicher, nur aktueller Bedeutung. Sträuben sich wie die Katze, die sich stumpfsinnig gegen ihre Rettung vom gefährlichen Ast wehrt. Kein Hinterfragen, ob die Katze nicht doch ahnt, daß sie in der Bratröhre, IWF, weiterbehandelt werden soll. Was sucht denn eigentlich die Lagarde, der IWF, in der aktuellen Brüsseler Rettungsrunde? Ach ja, honorig, Fachfrau und Fachinstitut, nicht der operative Arm der Weltbank, der im Weigerungsfalle auch schon mal Armeen schicken läßt, Irak, Iran, Libyen, Syrien, der Rest ist nach Kapitulation wirtschaftlich auf Null gebracht worden. Gehören selbstverständlich hierher, auch wenn sie in der EU eigentlich nichts zu suchen haben, zumindest solange nicht die Ermittlungen der französischen Staatsanwälte Lagardes andere Rolle ruchbar werden lassen. Bis dahin ist sie sehr honorig, danach höchstens vom Pech verfolgt. Aber dann ist schnell Ersatz da. Was macht eigentlich Schäuble? Wäre genau der Typ für diesen Job, erbarmungs-, skrupellos und borniert. In sein derzeitiges Auftreten mischt sich die Erinnerung an seine fatale Rede auf dem 1. Burschenschaftstreffen auf der Wartburg nach der Wende, man lese mal nach, die ist eine Offenbarung des heutigen Akteurs.
Wer die jetzige Situation in der EU und die „Hilfspolitik“ momentan gegen Zypern, aber viel weiterreichender, in aller Tiefe erfassen will, führe sich eine interessante Charakteristik Schäubles der „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ zu Gemüte, das ungeschminkte Bild eines brutalen, machtbesessenen, deshalb durchaus richtig platzierten Politikbürokraten, der schon Säcke von Kreide verbraucht haben muß, wohl bekomm’s!
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/03/19/wolfgang-schaeuble-der-gefaehrlichste-mann-europas/
An Sven Bradtke
Lieber Herr Bradtke,
Sie meinen, ich machte es mir sehr einfach mit meinem knappen Kommentar zum Stalin-Text. Ich sollte diesem doch lieber etwas entgegen setzen. Ja, da haben Sie recht. Das ist immer besser: die Dinge gründlich argumentieren. Aber ich gestehe: Die Zahl meiner Fragen ist zu groß, als dass ich das auf die Schnelle könnte.
Auch hier und jetzt wird es mir nicht gelingen. Weil es um zu Vieles gleichzeitig geht. Um den unerhört schweren Stoff – und zugleich zum Beispiel um die geschichtswissenschaftliche Methode. Normalerweise wird mit wachsendem Abstand zu einem Ereignis oder einem Geschichtsabschnitt oder einer Geschichtsepoche die Betrachtungsweise differenzierter. Aus der unendlichen Fülle der Fakten und Zusammenhänge, die ein einzelner ohnehin nie überschauen kann, treten neue, andere hervor; es geschehen Gewichtsverschiebungen zwischen ihnen; mit der Einsicht der noch später Geborenen fällt die Aufmerksamkeit auf Dinge, die zuvor nicht so wichtig schienen; und dann wieder kommt jemand, der das Hinzugewonnene neu zu ordnen versucht. Das differenziertere Bild ist zugleich eines, in dem die Widersprüche stärker als zuvor ihren Platz haben. Die Gleichzeitigkeit des Widerspruchsvollen kommt zu ihrem Recht. Die Fülle der unterschiedlichen Interessenlagen von Menschengruppen – man darf sie durchaus Klassen nennen – tritt hervor. Die Rolle von Einzelnen wird mal schärfer, mal weniger scharf gesehen. Und: An die neu gewonnenen Erkenntnisse schließen sich stets neue Fragen an. Dies vor allem.
Im vorliegenden Stalin-Beitrag geht es aber andersherum. Da sind in der Tat keine Fragen mehr. Mit wachsendem Abstand wird es nicht differenzierter, sondern es gibt nur noch Ausrufezeichen, nur noch verabsolutierend vernichtendes Urteil. Geschichte gerinnt zu kürzesten Linien: „Was Sozialistengesetz und, Jahrzehnte später, Nazi-Terror nicht gelungen war, bewältigten die Marxisten-Leninisten mit leichter Hand.“ Das ist die Geschichte von 1878 bis 1990? Wo soll da Auseinandersetzung ansetzen? Wo doch – folgt man der Logik des Textes – von Lenins allererstem Handeln an im Grunde alles immer gleich schlecht und verdammenswert war: über die Jahrzehnte und das Werden und Vergehen von Staaten, über Weltkriege und Interventionskriege und Kolonialkriege, Revolutionen und wissenschaftlich-technische Umbrüche hinweg.
Nein, ich fahre jetzt und an dieser Stelle nicht fort. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, dem Stalin-Text in dessen verkürzender und eng geführten Machart zu begegnen. Zumal ich nicht weiß, wozu das eigentlich gut sein soll: Geschichte in eine Art Twitter-Stil zu pressen. Wenn Simplifizierung und Dogmatisierung Wesenszüge des staatsoffiziellen Marxismus-Leninismus waren (wobei auch dazu eine Menge zu sagen ist; es gibt herausragend differenzierte Arbeiten dazu wie etwa das Buch des französischen Marxisten Georges Labica von 1987): Warum muss man ihn dann ausgerechnet darin kopieren? Geschichte, denke ich, muss immer wieder kollektiv und individuell erarbeitet werden. Und das ist harte Anstrengung wie in jeder anderen Wissenschaft auch. Und so erlaube ich mir hier den Verweis auf das, was ich selbst in diesem Fach versucht und unternommen habe. Manches davon ist zu finden unter http://www.asiaticus.de. – Und vielleicht auch dies: Für das Historisch-kritische Wörterbuch des Marxismus (www.inkrit.de) habe ich u.a. die Stichworte „Kaderpartei“, „Kommunistenverfolgung“ und „Langer Marsch“ verfasst. Und bin bei der Arbeit an „Marxismus-Leninismus“.
Nein, das ist jetzt alles nicht befriedigend, ich weiß. Es ist suchend. Begleitet und bestimmt mich seit Jahrzehnten und wird mich weiter bestimmen. – Danke, lieber Herr Bradtke, fürs Nachhaken.
Zum Gespräch mit Sahra Wagenknecht:
Wie eigentlich immer, äußert sich Frau Wagenknecht auf intelligente, überlegte Weise. Gerade deswegen betrübt es mich, dass sie nicht eine notwendige Reform an unserem Geld- und Bankensystem der Mindestreserve und multiplen Geldschöpfung anspricht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die Vorschläge von Irving Fisher und die Vorschläge der Initiative Monetative für eine Vollgeldreform nicht kennt, welche das Giralgeldschöpfungsprivileg und die Gewinne hieraus in öffentliche Hand zurückfordern.
Seit Sahra Wagenknecht und Manfred Osten (dieser 14-jährig aus Ludwigslust geflohen, deutscher Diplomat, Kulturpolitiker und insbesondere als Goethe-Spezialist etabliert) im Rahmen der Goethe-Gesellschaft und auch als Autoren mit Werk-Vorstellungen durch Lande und Talk-Shows ziehen, ist ein Aspekt von Goethe en vogue: Ein Blick, so Wagenknecht, „auf eine soziale und gebildete Gesellschaft, wie Marx oder Goethe es sagen, auf eine Gesellschaft, in der der Mensch wirklich Mensch sein kann.“ (Hier so nach Stern, v. 17. März 2012.)
Dies aktuelle Interesse und Echo ist überdimensionaler Reflex auf die für manche offenbar verblüffende Erkenntnis, dass der Kapitalismus keineswegs die gesellschaftliche Lösung aller Grundprobleme sei, der es auch schon längst „geschafft“ hätte, wäre da nicht ein störender Gegenentwurf in der Praxis aufgetaucht, der theoretisch prinzipiell zutreffend vorgedacht war. Zutreffend ist insofern begründet, weil aus den Widersprüchen des Kapitalismus destilliert, nicht als Glasperlenspiel erfunden.
Nun ist dies Hindernis weg (zwar wird an der Leiche noch laboriert und Langzeit-Nachwirkung diagnostiziert, vgl. den Einleitungsbeitrag „Stalin, der Sieger“ im aktuellen BLÄTTCHEN); aber die Vorwärtsblickenden müssen erkennen, weil sie es auch inzwischen selbst erfahren: Das „Ende der Geschichte“, wonach seit 1989/90 die Demokratie westlicher Prägung weitgehend installiert ist und nun immerdar funktioniert, ist nicht erreicht. Dafür aber ein Boom an Geschichte(n) und Geschichtspolitik mit Empfehlungen, was und wie man reparieren müsste, Anprangerung von Mängeln eingeschlossen. Also ideal für „Schlechtmacher“ und „Besserwisser“.
Einige Arbeiten dazu wagen sich allerdings auch mit der Vermutung hervor, die Summe der Fehlleistungen als immer währende Folge derselben könnte das System selbst sein. Nur, dann wären ja nicht sozialistisches Denken und der „reale Sozialismus“ die Verursachung allen Übels, sondern viel mehr ein versuchter Ausweg. Wenn aber so – muss man dann nicht neu darüber denken?
Und da ragt Wagenknecht mit, widerwillig anerkannter, Fachkenntnis hervor, auch mit der These, die Wolfgang Schwarz als ihr Gesprächspartner im BLÄTTCHEN als Überschrift wählt: „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus und Sozialismus ohne Planwirtschaft“. Beide sind freilich geschickt genug, dies nicht als „die“ Auflösung des Dilemmas anzupreisen. Aber der Interviewer veranlasst durch sein Angebot an Information und Analyse im Frageabsatz seine Gesprächspartnerin auch zu Bemerkungen, die man nicht schon von ihr gehört hat, und das ist bei Menge und Volumen ihrer Auftritte schon anmerkenswert.
Also Gewinn ohne den Preis von Verlust. Kurz: „blättchen-like“.
Ein kluger und anregender Kommentar, der in einem Punkt aber noch ergänzt werden kann: der angeblich reale Sozialismus war von Marx nicht nur „theoretisch prinzipiell zutreffend vorgedacht“ – er läßt sich auch anhand von dessen Thesen kritisieren.
Anders als der Interviewer Wolfgang Schwarz (der sich da ja auch nicht ganz schlüssig ist) halte ich den Ansatz von Marx nicht für gescheitert. Gerade seine hochgradig abstrakten Formulierungen sind offen für eine Weiterentwicklung, wobei sie natürlich an manchen Stellen auch im dialektischen Sinn aufgehoben werden müssen. Marx hat sich ja Gedanken über den Übergang gemacht: die „Diktatur des Proletariats“ betrachteten er und besonders Engels als notwendige Form des Übergangs. Man mag die Formel vielleicht als wolkig empfinden; es läßt sich jedoch zeigen, daß damit eine sehr komplexe historische Aufgabe angedeutet war. Lenin hat diese Diktatur zwar propagiert; errichtet hat er eine Diktatur ü b e r das Proletariat, die wiederum Marx zu seiner Zeit entschieden bekämpfte.
Mehr darüber steht in meinem Beitrag zu Blättchen 13/2012; ausführlicher und deutlicher ist der Gedankengang in meinem Buch „Das Rezept des Dr. Marx“ dargelegt.
Zum Nachdenken über Goethe und Marx gehört, unabhängig von dieser Begegnung, der Umstand, dass der bürgerliche Humanismus die Enge von Klasseninteressen sprengte, als er – wie bei jeder neu heraufkommenden Gesellschaftskonzeption – auch sympathische Ideale aufstellte, die, von der sich herausbildenden bürgerlichen Gesellschaft aber nicht zu erfüllen sind.
Dies ist die lange historische Welle, die sich von Goethes „Faust“ bis in die Gegenwart zieht, wozu Wagenknecht mit und ohne Osten gern befragt wird.
Es ist nicht überraschend, dass Goethe sich selbst so als Liberaler outete, wie viele seiner Zeitgenossen. (Die FDP war ihnen seinerzeit ja unbekannt!): „Der wahre Liberale sucht mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln das Beste zu erreichen, ohne mit Feuer und Schwert gegen die Mängel loszugehen, da er vielmehr das Gute sich zunutze macht, um das Bessere zu erreichen.“ (Goethes Unterhaltungen mit Friedrich Soret, hrsg. von C.A.H. Burckhardt, Weimar 1905, S. 77)
Bei dieser Haltung war nun aber Schluss mit der weitgehend allgemein menschlichen Gemeinsamkeit mit Marx! Engels – schneidend – über Goethe: „Goethe verhält sich in seinen Werken auf eine zweifache Weise zur deutschen Gesellschaft seiner Zeit … es ist ein fortwährender Kampf in ihm zwischen dem genialen Dichter, den die Misere seiner Umgebung anekelt, und dem behutsamen Ratsherrnkind resp. Weimarschen Geheimrat, der sich genötigt sieht, Waffenstillstand mit ihr zu schließen und sich an sie zu gewöhnen. So ist Goethe bald kolossal, bald kleinlich; bald trotziges, spottendes, weltverachtendes Genie, bald rücksichtsvoller, genügsamer, enger Philister. Auch Goethe war nicht imstande, die deutsche Misere zu besiegen; im Gegenteil, sie besiegte ihn, und dieser Sieg der Misere über den größten Deutschen ist der beste Beweis dafür, dass sie ‚von innen heraus’ gar nicht zu überwinden ist.“ (Friedrich Engels, Deutscher Sozialismus in Versen und Prosa, in: Marx/Engels, Werke Bd.4, Berlin 1959, Seite 232)
Sowohl Sahra Wagenknecht als auch Manfred Osten spielen sich aus dem reichen Fundus ihrer Zitate, auch von Goethes Zeitzeugen und heutigen Interpreten, gern die Worte sowohl passend als auch widersprüchlich zu. Zu fragen bleibt: War es wirklich die Kunstfigur Mephisto, die Marx zu der Einsicht verhalf, dass „Geld der Geist aller Dinge“ sei? Und macht Faust dann das, was Marx als Quintessenz seiner Analyse der politischen Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft dieser vorwirft, nämlich etwas sich selbst regulierend heilen zu wollen (später: der Markt wird es richten), was nur operabel zu verändern ist? Aufgabe also, in der Gesellschaft die „Verhältnisse zum Tanzen zwingen“.
Es muss ja nicht gleich der Tango infernale sein! (Aber wer will, kann den auch hier haben: Tango infernale. Lyrics by Bodo Wartke – http://www.lyricsvip.com/Bodo-Wartke/Tango-infernale-Lyrics.html). Auch Kunst ist bekanntlich Weg und Mittel zur Erkenntnis, also Lebensmittel.
Engels zeigt Goethes Grundwiderspruch recht genau. Man darf aber nicht vergessen, daß er selbst lange Jahre Geschäftsführer einer Textilfabrik war. Sein Verhältnis zur Arbeiterklasse war also ebenfalls nicht frei von Widersprüchen, und in der I. Internationale war er nicht unbedingt beliebt.
Übrigens hat Goethe die Forschungen von Engels zum Ursprung der Familie und des Staates in einem poetischen Bild vorweggenommen: wenn Faust ein wirkliches Meisterstück in der Magie vollbringen will, muß er zu den „Müttern“ zurückgehen – also vor die patriarchalische Klassengesellschaft.
Öffentlich-rechtliches Dilemma in der €-Krise
Mit wachsendem Unmut verfolge ich die Beiträge der Fernsehsender zu den Vorgängen der Finanzkrise, immer in Hoffnung, endlich das Umschwenken von flankensichernder Begleitung der Merkelschen Katastrophenpolitik zur Bankenschuldenumbuchung auf die Allgemeinheit zum empörten Aufheulen, was da Entsetzliches angerichtet worden, von dem die Medien nichts wissen konnten und arg getäuscht zur Stillhalteparolenverbreitung mißbraucht worden seien. Aber noch immer rudeln die Ratten den Leittieren hinterher, noch nicht ans Verlassen des Schiffes denkend. Einige ausscherende Außenseiter, schon früher erwähnte ich hier Jörg Schönenborn, der die Propagandaleitlinien einst nächtens in Frage stellte, seit dem nie wieder gesehen wurde, gibt es da einen Zusammenhang, sind zu vernehmen, aber die Masse der Journalisten, soweit dieser tradierte Begriff überhaupt noch zutrifft, trottet pflichtgetreu mit starrem Blick in die animierte Berichtsangriffsrichtung. Fast ist zu beargwöhnen, sie hätten Mutti & Co. einen Treueeid geleistet. Aber sie haben wohl gar keine Berufung, die Wahrheit zu bedienen, das ist ein altes Märchen, sie interessiert nur die Karriere, die nur in der Meute, egal, welche Richtung die eingeschlagen hat, gedeihen kann. Es ist, wie einst schon der große Maschmeier sagte: Gießen Sie heute einige Kübel Jauche auf ein Beet, das stinkt kannibalisch, aber im folgenden Frühjahr haben Sie die schönsten und größten Pflanzen! Zarte Gemüter machen das schon einmal, dann ist der Gestank die Gierbremse. Robustere, die Masse der Schreiber und Macher, haben diese Leitlinie verinnerlicht. Ehrlich, ich hielt es nicht für möglich, über längere Zeit die stinkenden Praktiken durchgehalten zu erleben, wurde aber fassungslos eines anderen belehrt. Ein Kübel ideologischer Jauche namens Oswald Metzger, von „INSM-Watch“ zum „Mietmaul“ gekürt, weil für angemessene Summen für alles agitierend, Botschafter der obskuren Einrichtung INSM, natürlich gegen Salär, und wohl wegen seiner Dreistigkeit, mit der er offen den Neoliberalismus predigte und anmaßend wurde, von den Grünen, auch aus Konkurrenzgründen, hinauskomplimentiert, sich bei anderen Parteien einzuschleimen versuchte, eine geradezu armselige und lächerliche Gestalt, war nach anfangs ständiger Medienpräsens plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Für nicht mehr möglich hatte ich ein Comeback dieses Heroen gehalten, so tief kann „Das Erste“ nicht sinken. Doch es kann, er erschien jüngst bei „Maischberger“ wieder als Experte, obwohl dieser Ruf völlig ruiniert war. Mit Dummschwätzerei auf Basis offensichtlichen Flachwissens, aber mit wichtigtuerisch gefurchter Stirn, hatte er sich systematisch selbst desavouiert. Woher dann dieser Ausstieg wie Phönix aus der Jauche, man ahnt es, eine Mischung aus Karrieregeilheit der Sendungsmacher und Not am Mann, ist nicht „gereifte“ Jauche besonders wertvoll, liebe Kleingärtner?
Es lohnt dennoch, das kleine Häuflein der Aufrechten, an dem das korruptere System würgt, nicht zu mißachten, ihr Einsatz ist Lobes wert. Dazu zähle ich neben dem bisher einmaligen Jörg Schönenborn Gegenströmungen in „Plusminus“ am 23. März und den sensationellen Film von Harald Schumann „Staatsgeheimnis Bankenrettung“, der viel größere Beachtung als nur auf Arte zu laufen verdient hat. Ich bin dabei, meine Bekannten auf diesen Film aufmerksam zu machen, denn Schumann stellt die verlogene Darstellung der Finanzkrise durch Regierung, Parteien und Medien ad absurdum. Wer schließt sich an?
Es ist ein glücklicher Umstand, daß mir gerade die Broschüre „Mattscheibe“ von Jürgen Bertram in die Hände fiel, dessen verbittert resignierte, aber nüchterne historische Analyse des Medienmechanismus die Erklärung zur Rolle der öffentlich-rechtlichen Anstalten liefert. Mit welcher Bitternis müssen eigentlich inkonsequente Idealisten wie er am Ende ihrer Medienkarriere leben, ich möchte nicht mit ihnen tauschen.
So warte ich, ich weiß um den Idealismus dabei, auf die Stunde, an der Zittern, Heulen, Zähneklappern und Wehklagen die Medien befällt. Oder mache ich mir da „voll“ Illusionen? Ich fürchte im Stillen, die aufrechte Konsequenz der Akteure aus der BBC-Serie „The Hour“ ist nur ein Ideal, niemals erreicht.
Harald Schumann, http://videos.arte.tv/de/videos/staatsgeheimnis-bankenrettung–7340782.html
Jürgen Bertram, Mattscheibe – das Ende der Fernsehkultur, Fischer Taschenbuchverlag Frankfurt am Main, 2006
Lieber Herr Adolphi,
so leicht kann man es sich natürlich auch machen: Man erklärt, dass bei der gegebenen Betrachtungsweise eines Themas durch einen Autor die Debatte ende. Das spart immerhin die Mühe, dem inkriminierten Text etwas entgegenzusetzen. Davon hätte jedenfalls ich mir erheblich mehr versprochen als von einem Verdikt, schade.
Lieber Herr Bradtke,
ob Sie Herrn Adolphi richtig verstanden haben? „So also ersetzt man den ‚Kurzen Lehrgang‘ durch einen noch kürzeren“ – das ist natürlich ein Vorwurf, der auf den ersten Blick extrem hart erscheint. Der fragliche Beitrag verteidigt den Stalinismus ja nicht; er stellt ihn kritisch aus einer Perspektive dar, die durchaus legitim ist. Die Art, wie Jörn Schütrumpf sehr einfache Antworten auf höchst komplexe Fragen suggeriert, ist aber in der Tat problematisch.
So wird die spätere Entwicklung der Sowjetunion darauf zurückgeführt, daß Lenin sich „außerhalb der Kritik“ wähnte. Über die gesellschaftlichen Verhältnisse und über die hierarchische Organisation seiner Partei, die ihm dies überhaupt ermöglichte, erfahren wir nichts. Übrigens kämpfte Lenin auch innerhalb der Partei mit allen Mitteln, wie etwa seine Polemik gegen Bogdanow zeigt.
Stalin soll kein Programm gehabt haben? Sein Aufstieg ist eng mit der These vom „Sozialismus in einem Land“ verbunden. Inoffiziell ging es dabei um die Frage der ursprünglichen Akkumulation, darum, wie ein rückständiges Land unter sehr schlechten Bedingungen auf den Weg der Industrialisierung gebracht werden kann. Und dieses Problem löste Stalin erfolgreich mit brutaler Gewalt – und mit einem solchen Wust an Lügen, daß einige davon offenbar heute noch geglaubt werden.
Ärgerlich wird die Sache an folgender Stelle: „Es gibt seit Jahrzehnten keine Auseinandersetzung um die Sache, keine substanzielle Kritik mehr.“ Ich habe am 25.4.2012 in diesem Forum einen ausführlichen Kommentar zu einem früheren Beitrag von Herrn Schütrumpf veröffentlicht; wenn es da keine weitere Diskussion gab, liegt das wohl an ihm. Im Blättchen 13/2012 habe ich darauf hingewiesen, daß Lenin in vielen Dingen im Gegensatz zu Marx stand. Und in Nr. 25 habe ich versucht zu zeigen, welcher Art die Hegemonie jener Partei war, der Antonio Gramsci wie auch Stalin angehörten. Ist das alles nicht substantiell? Wenn der Kritiker als Unperson behandelt wird, dann gibt es in der Tat keine Auseinandersetzung um die Sache. Aber als Mittel im Kampf gegen den Stalinismus erscheint das Verfahren nicht recht tauglich.
Zum Schluß noch ein Wort zu den Kommentaren von Holger Janda und „Ilse“: beide machen deutlich, wie wichtig der moralische Aspekt bei diesem Problem ist. Auf der individuellen Ebene bleiben da einige Notizen für die Rubrik „gute Vorsätze“: keine harten Urteile, dafür lieber mehr fragen und mehr zuhören. Auf der soziologischen Ebene sollten die Intellektuellen (und das sind nach Gramsci ja wir alle; vgl. Blättchen 2/2013) sich fragen, mit wem sie eigentlich halten: mit den „linken“ Machtpolitikern – oder mit ihren Opfern.
Zu Jörn Schütrumpfs „Stalin“:
So also ersetzt man den „Kurzen Lehrgang“ durch einen noch kürzeren. – Wo nur noch Ausrufe- und keine Fragezeichen mehr sind, endet alle Debatte. Auch andere Vorzeichen helfen da nicht.
Zu Schütrumpf: “Hauptsache für die Tyrannis jeglicher Art ist das Unterdrücken des Fragetriebs”, hat Victor Klemperer eine Erfahrung notiert, die er bereits bei und mit den Nazis gemacht hatte und nach deren Ende in SBZ und dann DDR neuerlich bestätigt fand. Das Fragen ist aber die allererste Voraussetzung für Kritikfähigkeit.
Zu : Stalin (Schütrumpf): „Entscheidend war, dass es ihnen gelang, die Linke der Auseinandersetzung um die Sache entwöhnen und an ihre Stelle die Denunziation des jeweils Anderen zu setzen –“
Das gilt nach Canetti (Masse und Macht) aber nicht nur für die Linken, sondern für alle Menschen :Er schreibt:“Es ist geraten, von einem Phänomen auszugehen, das allen vertraut ist, der Freude am Aburteilen. „Ein schlechtes Buch“ sagt jemand, oder „ein schlechtes Bild“(falsche Theorie, überheblicher Mensch), und er gibt sich den Anschein, als habe er etwas sachliches zu sagen….. Überall hat man Gelegenheit, Bekannte, Unbekannte, sich selbst bei diesem Prozeß des Aburteilens zu ertappen. Die Freude am negativen Urteil ist immer unverkennbar. Es ist eine harte und grausame Freude, die sich durch nichts beirren lässt. Das Urteil ist nur ein Urteil, wenn es mit etwas wie unheimlicher Sicherheit abgegeben wird. Es kennt keine Milde, wie es keine Vorsicht kennt. Es wird rasch gefunden; es ist seinem Wesen am meisten gemäß, wenn es ohne Überlegung zustande kommt. Die Leidenschaft, die es verrät, hängt an seiner Raschheit…
Worin besteht diese Lust ? Man schiebt etwas von sich weg, in eine Gruppe des Geringeren, wobei vorausgesetzt ist, daß man selbst zu einer Gruppe des Besseren gehört. Man erhöht sich, indem man das (den) andere(n) erniedrigt….
Es ist die Macht des Richters, die man sich auf diese Weise zubilligt….Keine Sachkenntnis wird dazu vorausgesetzt….
Die Urteilskrankheit ist eine der verbreitetsten, die es unter Menschen gibt, und praktisch alle sind befallen….“
Liebes Blättchen,
mit Blick auf Eure neueste Ausgabe freut mich besonders, dass ich Birgit Walter als Autorin bei Euch entdecken konnte. Ich schätze sie sehr und würde mich freuen, wenn sie öfter auch im Blättchen zu lesen wäre.
Gisela Scheffler
Mitte April wird unser heimeliges Gemeinwesen um eine Partei reicher sein. „Alternative für Deutschland“ wird sich nennen, was als Alternative zum Euro-Rettungsschirm den Austritt jener Länder aus dem Euro-Raum fordert, die nicht bleiben können oder wollen.
Solcherart werden also neue Angler am rechten Rand im Trüben fischen, was leider keineswegs bedeutet, dass es dort nichts zu fangen gäbe. Es sei denn, man versteht den semantisch eigentlich mehrdeutigen Parteinamen so, dass er eine Alternative für, also s t a t t Deutschland inspiriert. Und da gäbe es eine: Europa, so kinderkrankheits- und dominanzambitionsbeladen dessen Genese derzeit – und wohl noch länger – daherkommt und selbst ein Scheitern nicht auszuschließen ist. Totengräber gibt es genug, die „Alternative für Deutschland“ ist nur einer mehr.
Hella Jülich
Jürgen Borchert, Sozialrichter beim Verfassungsgericht – Sie haben der „Süddeutschen Zeitung auf die Frage, wie sich Deutschland infolge der Agende 2010 verändert habe, u.a. geantwortet: „Die Agenda 2010 hat einen wesentlichen Beitrag dafür geleistet, dass unser Wirtschaftssystem den Idealen der sozialen Marktwirtschaft Hohn spricht. Wir haben den Aufstieg der Bundesrepublik besonders der Tatsache zu verdanken, dass man sich lange Zeit klar darüber war, dass die Kraftreserven jeder Volkswirtschaft im untersten Einkommensdrittel liegen. Über Jahrzehnte wurde entsprechend darauf geachtet, dass sich die Lohnspirale von unten nach oben drehte. Mit der Agenda 2010 wurde diese Richtung umgedreht: Die Lohnspirale wurde nach unten programmiert.“ Was auf den Hundt gekommene Sozial- und Christdemokraten samt Liberale ebensowenig daran hindert, diesen Vorgang als Erfolg zu feiern wie bereits über eine Agenda 2020 nachzudenken.
Mich fegte es förmlich vom Hocker, als ich gerade routinemäßig die Website von LobbyControl besuchen wollte. Sie war von Avira mit der Kategorie „Politisch Extrem / Hass / Diskriminierung“ belegt und gesperrt worden. Bravo, private Firmen übernehmen wie weiland die Politische Polizei die Zensur nicht zuletzt auch aus Eigennutz und als Bock, der zum Gärtner mutierte. Ich habe protestiert, die sofortige Freigabe verlangt und LobbyControl informiert. Wer sich unter Avira-Fittiche begab, möge es probieren und ggf auch gegen diese Anmaßung protestieren.
Zu Erhard Crome „Italien hat gewählt“ Blättchen 2013-05
Verehrter Herr Crome,
nur eine kleine Anmerkung zum Satz:
„Wenn aber die große Umkehr, die den ethischen Ansprüchen entspricht, nicht sichtbar ist, bleibt nur eines: die kapitalistische Amoralität mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. Das ist die Wahl Berlusconis. Und Grillo ist der halbe Weg dorthin.“
Es war bestimmt nicht Ihre Absicht, Grillo als halben Berlusconi zu interpretieren, die Ebene „Richtung“, die beiden Unvereinbarkeit zuordnet, stände dem ja auch völlig entgegen. Nicht nur mir scheint in der realen Politikgroteske die einzige Möglichkeit des wirksamen Angriffs auf aktuelle Zustände zu liegen. Grillo meint dies sehr ernst, man muß nur sein Programm, das es in sich hat, sehen, und der denkende Teil des Volkes versteht ihn. Ich wünschte mir für uns ein Gleiches. Berlusconi hingegen ist ein Rattenfänger. Klar, für uns, die wir den Stock des Ernstes verschluckt geerbt haben, erscheint Grillo als Clown, der nichts in der Politik verloren hat, diese Politikergattung können wir nicht akzeptieren. Uns ist es geboten, daß in der Politik zum Lachen zunächst die Kellertür aufgesperrt wird. Unter diesen Vorbehalten können nur traurige Kretins wie die „Piraten“ oder die „Grünen“ entstehen. Ich beneide die Italiener für die herrliche Unbekümmertheit bei tiefer Ernsthaftigkeit.
Hugo Chavez ist tot. Und ich lese augenblicklich etliche, in den Maschen des weltweiten Netzes hängengebliebene „Nachrufe“ guter linker Menschen, die eher „Nachwürfe“ sind. So nach dem Motto „ja, aber…“ Und dann kommen Homophobie, Antisemitismus, Iran-Freundlichkeit, undemokratischer Umgang mit der Opposition (die einen Putsch vorbereitete, nur mal nebenbei…) etc.pp. — Kein Wort darüber, dass sich an diesem Manne die Hoffnungen der Ärmsten der Armen festmachten, die alles andere brauchen, als Weltverbesserungsrezepte von der Kuschelcouch – am preußischen Kamin bei Rotwein aus ökologischem Landbau geschrieben!
Zum Artikel von Erik Baron in Heft 2013-04: Adolf Dresens Kritik
der Marxschen Ökonomie
Es ist schon erstaunlich, welche bemerkenswerte Kleinode aus dem Restmüllhaufen der DDR geborgen werden, umso erstaunlicher, wenn es sich um tiefgründigere Analyse ökonomischer Zusammenhänge von Nichtökonomen handelt. Aber vielleicht ist das Wunder gar nicht so groß, haben doch Outsider den Vorteil des theoretisch nicht vorherbestimmten Denkens, wenn sie solches sich nicht nehmen lassen. Der DDR-Ökonom war eine arme Sau, die gezwungen war, die „marxistischen“ Bäume zu zählen und dabei Marxens Wald nicht sehen durfte, wollte er nicht aus der Reihe scheren und seine relativ gut dotierte Ökonomenexistenz aufs Spiel setzen. Ich erlebte solchen Prozeß an einem Philosophen namens Krumpe, der einen Kontrollassistenten zugeordnet bekam, seine Gedanken gingen leicht von den üblichen ab, das reichte.
Aber ein Nichtökonom findet auch seine Stolpersteine, denn das Wirrwarr selbst in der „linken“ Ökonomie ist heute noch riesig. Wie erst soll ein Außenseiter alles durchschauen können.
Hier ist nicht der Platz, um auf Dresens Irrtümer eingehen zu können, aber einige müssen zumindest benannt werden.
Dresen setzt die „marxistische“ Wirtschaftstheorie und -praxis der meisten KP mit Marxens Wirtschaftstheorie gleich. Das war zwar die Behauptung der Parteien, aber entsprach und entspricht auch heute nicht der Realität. Damit wird aber Marx unterstellt, er habe die traurigen Versuche eines Realsozialismus gewesener Art theoretisch begründet, gewollt und somit zu verantworten. Nur soviel sei dazu gesagt: Die „marxistische“ Ökonomik ist eine Verballhornung und Trivialisierung der Marxschen Werttheorie, die auf diesem Weg auf den Kopf gestellt wurde. Es reicht zur Kritik der Marxschen Theorien nicht, einzelne Gedanken aus dem Gesamtzusammenhang genommen zum Beleg einer vorgefertigten (also: ideologischen) These zu verwenden. Das ist aber ganz DDR-Politikstil, man denke nur an die Zitatensammlungen für geistig minderbemittelten Funktionäre, derer es viele gab, die dann diese Zitate in ihre abartigen Reden einbauen konnten, ohne Marx je gelesen geschweige denn verstanden zu haben. Das ist kein Vorwurf an Dresen, aber zum vollständigen Verständnis Marxens Theorie gehören unbedingt „Grundrisse“, „Theorien über den Mehrwert“, „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“, Manuskripte und Briefe, die das Thema behandeln, herangezogen und eingeordnet. Das ist für Nichtökonomen unmöglich, ließe aber Vorwürfe, er habe seine bewußt strikt verfolgten abstrakten Überlegungen nicht verlassen, sodaß nach 150 Jahren Mißverständnisse entstehen könnten, vermeiden. Auch käme man nicht zu so kuriosen Kategorien von aktiver und passiver Konkurrenz, die nur dem Nichtverstehen der Werttheorie geschuldet sind. Auf diesem Irrweg gelangt man dann leicht zum „Verschwinden der Ausbeutung“. Das relative Wohlergehen des arbeitenden Volkes, gewiß nur temporär in einigen Ländern gegeben, ist doch nicht Nichtausbeutung. Bei Ausbeutung geht es nur um die Aneignung des Mehrwertes und die ist nach wie vor; auch die Verarmung großer Bevölkerungsteile ist wieder im Kommen und in der Strategie (siehe dazu Harald Schumann: „Staatsgeheimnis Bankenrettung“ http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/2023022/. Wer die ganze Krise überblicken will, der Film gibt wichtigste Einblicke.)
Das Wert-Thema, es sei hiermit nochmals angekündigt, ist der Hauptgegenstand einer bald funktionierenden Website der Wirtschaftstheorie, die dann noch vorgestellt werden wird.
Übrigens: Heinrich Harbach hat sich über viele Jahre mit den linken Theorien, auch den staatsozialistischen, beschäftigt und gesammelt, ausgewertet. Er fand einen einzigen (Pokrytan), ein einsamer, armer, halbblinder Buchhalter aus Odessa mit einer alten Schreibmaschine, dem er das (fast) volle Verständnis der Marxschen Wertheorie bescheinigen konnte. Soweit zur „Sozialistischen Politischen Ökonomie“.
Sehr geehrter Herr Richter,
wenn man Ökonom sein muß, um die Ökonomie von Marx zu verstehen – wie konnte er selbst sie dann schaffen? Er war doch von Haus aus Philosoph! Aber auch auf anderen Gebieten waren die Urheber wissenschaftlicher Revolutionen – wie Darwin, Mendel, Einstein, Freud – meist Außenseiter.
Marx grenzte die Geltung seiner Wertgesetze ausdrücklich auf die Warenproduktion ein. Ist es da ein Wunder, wenn die Gelehrten im „realen Sozialismus“ sie nicht verstanden? An anderer Stelle habe ich die These formuliert, daß diese Gesellschaftsform auf einer Naturalwirtschaft beruhte, die allerdings in geldwirtschaftliche Formen eingekleidet war.
Die Wertgesetze werden daher auch nicht ewig gelten. Die Beiträge hier im „Blättchen“ etwa sind im Gegensatz zu denen in den meisten anderen Publikationen keine Waren. (Allenfalls durch die pdf-Abos kommt ein Hauch von Warencharakter ins Spiel.) Der Gebrauchswert leidet darunter keineswegs, sondern gewinnt im Gegenteil eine neue Qualität.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Mankwald
Ich finde, diese Topnachricht gehört in das Blättchen: Nun wird in Deutschland auch vor Fischstäbchen gewarnt, denn sie sollen Spuren von Seepferdchen enthalten.
Zum Artikel: Bankenbashing…
Rudolf Hickel beherrscht recht ordentlich das Metier des Selbstmarketing. Eine Analyse über den tiefen Grund des Fastzusammenbruches des internationalen Banksystems vor nunmehr fast 5 Jahren kann man nicht von ihm erwarten. Es scheint ihm, wie so vielen Wirtschaftswissenschaftlern, der Durchblick über das Funktionieren unseres „Geld- und Bankensystems der Mindestreserve mit multipler Geldschöpfung“ zu fehlen. Da lobe ich mir den Aufsatz des Investmentbankers Christian Gomez aus dem Jahre 2008: http://monetativeordnung.blogspot.fr/2012/03/die-finanzkrise-ein-intellektueller-und.html
Dietrich Kittner ist tot. „Seit Jahrzehnten beunruhigt dieser Mann nun schon die Kleinkunstbühnen und ist so wütend und zornig, aggressiv und scharf, bitter und böse wie eh und je“, hat die Berliner Zeitung einst den in bundesdeutschen Landen öffentlich verfemten und/oder totgeschwiegenen, indes allzeit unbestechlichen und leidenschaftlichen Satiriker aus Hannover charakterisiert. „Kittner hört auf das, was deutsche Politiker so reden, Beamte denken und Kleinbürger empfinden. Und dann graust es ihm, und dann denkt er für sein Publikum einfach mal zu Ende, was auf dieser Grundlage alles so möglich wäre. Dabei produziert der Kabarettist keine satirischen Eintagsfliegen. Obwohl ihm auch der schnellste Witz flott von der Zunge geht. Kittner recherchiert gründlich, analysiert akribisch und schlägt dann zu. Und das Publikum mag den Kabarettisten nicht nur wegen dessen intellektuellen Anspruchs. Kittner ist ein exzellenter Bühnendarsteller und sein „Schandmaul“ nahezu volkstümlich.“
Mehr als 30 Jahre lang hat Dietrich Kittner gemeinsam mit seiner Ehefrau Christel Kittner eigene Spielstätten mit allzeit ausverkauften Programmen in Hannover betrieben- das Kabarett Mehlstraße, den Kabarett club voltaire, das Theater an der Bult und das Theater am Küchengarten. Seit 1998 gehörte er zudem zu den Mitherausgebern der Zeitschrift „Ossietzky“.
Im Alter von 77 Jahren ist der große Kabarettist und Kämpfer nun in seiner Wahlheimat Österreich gestorben. Wir trauern um ihn.
(Redaktion des Blättchens)
*
„Es war einmal ein Mann, der durch Fleiß und seiner Hände Arbeit ein reicher Bürger wurde. – Und morgen erzähle ich euch ein anderes Märchen.“
(Dietrich Kittner)
Charlotte Frank in der Süddeutschen Zeitung: … „Man darf annehmen: Würde langfristig in den Nachrichten über die Massentierhaltung berichtet, so würden die Deutschen nicht weniger Fleisch essen. Sondern weniger Nachrichten schauen – bis zum nächsten Lebensmittelskandal. Dass der früher oder später kommt, kann als sicher gelten. Weil wir essen, wie wir essen. Und kaufen, wie wir kaufen.“
O-Ton Berlusconi: „Bestechung ist ein Phänomen, das existiert, man kann Notwendigkeiten nicht ablehnen, wenn man mit Ländern der Dritten Welt oder manchen Regimen verhandelt.“ – Nun ja: Ist der Ruf erst ruiniert, spricht es sich ganz ungeniert, – heiliger Bimbam…
Die Gysi-Story
Pünktlich zum Wahlkampf
Von Dagmar Enkelmann
http://www.jungewelt.de/2013/02-13/049.php
… „Ist das wahre Freiheit? Sich unverrückbar und total gerechtfertigt zu fühlen? Wer die bessere Welt will, muss sich vom Zweifel entbinden? Darf keine Vergangenheit haben, die ihn warnt, mäßigt, erschreckt? Die Reihen fest geschlossen? Nimmer rückwärts, immer nur vorwärts, vorwärts? Ja, feixt die Geschichte aller Zeiten und Welten, feixt zynisch beweiskräftig: Schaut doch, selbst die unschuldig Erschossenen fallen – nach vorn.“
Hans-Dieter Schütt in einer Rezension von Kriegenburgs Inszenierung von Sartres „Fliegen“
Heerke Hummel . . . . . Bayerisches Rätsel: Wer regiert das Geld?
Für Rätsels Lösung, muss man wissen, wie unser Geld in die Welt gesetzt wird und von wem. Diejenigen, die es schöpfen, herrschen über ihre Schöpfung. Oder beherrscht ihre Schöpfung sie, wie im goetheschen Gedicht?
In unseren hoch arbeitsteiligen Volkswirtschaften sind drei verschiedene Geldarten im Umlauf: Münzen (ca. 0,5%), Banknoten (ca. 4%) und Giralgeld (ca. 95%). Die Bundesbank gibt unter Aufsicht der EZB Münzen und Banknoten aus, sie herrscht über etwa 5% unseres Geldes. Und der große Rest?
Nein, den setzen die Zentralbanken nicht in die Welt, dürfen es in der Eurozone noch nicht einmal. 95% unseres Geldes „regieren“ die Zentralbanken nicht.
Ein aufgeklärter Staatsbürger sollte wissen, wie unser Geld- und Banksystem der Mindestreserve und multiplen Geldschöpfung funktioniert. Jedermann und Jedefrau können sich an der Quelle, auf der Website der Bundesbank, sehr genau informieren. Da wird nichts geheim gehalten.
Der Ministerpräsident des bajuwarischen Freistaates hat sich entweder nie schlau gemacht oder er ist ein gottverdammter Täuscher. Ich tippe darauf, dass er tatsächlich nichts von der Materie weiß. Lebenserfahrung hat mir gezeigt, dass die meisten Wirtschaftswissenschaftler nicht wissen, wie unser Geldsystem funktioniert. Die Dame aus der Wissenschaft ist nicht zu beneiden, könnte man doch gneigt sein, sie Fachidiotin zu titulieren.
Unserem Autor Heerke Hummel ist nicht vorzuwerfen, dass er nicht weiß, ist er doch Teil des Aufklärung erhoffenden Publikums dieser illustren Diskussionsrunde. Stattdessen floß christliches Moralin über ihn. Motto : „Geld verdirbt den Charakter“.
Sehr geehrter Heerke Hummel, machen Sie sich schlau, es lohnt sich. Googeln Sie mit dem Wörtchen „Monetative“.
Ok, lieber Herr Mankwald – aber woher, wenn nicht aus der Praxis, hätte denn ein neuer KP-Chef kommen sollen? Die synthetische Herstellung eines mit jahrzehntelangen zentralen Führungserfahrungen behafteten Jungspunds war selbst der sowjetischen Wissenschaft noch nicht gelungen.
Mit allem anderen ganz bei Ihnen grüßt
Gerhard Rollfs
Lieber Herr Rollfs,
daß er aus der Praxis kam, war natürlich gut – problematisch war nur die Geschwindigkeit des Aufstiegs. Der Schritt vom Gebietssekretariat in das des ZK mußte ja erst mal verkraftet werden, zumal bei dem heiklen Ressort Landwirtschaft, das Mißerfolge beinahe automatisch hervorbrachte. Wegen des Gesundheitszustands von Andropow und Tschernenko fiel ihm dann bald deren Vertretung zu – also mußte er sich in vielen Dingen aufs Improvisieren verlegen, und das ging später auch schon mal schief. Der Vorwurf richtet sich also an die Generation Breschnew, die fast keinen Nachwuchs empor kommen ließ. Bezüglich Gorbatschow ist es eher ein Plädoyer für mildernde Umstände.
Mein Kommentar ist übrigens auch deshalb relativ knapp geraten, weil ich der Redaktion zu der Frage vorher einen Text angeboten hatte, der fürs „Blättchen“ jedenfalls zu lang ist. Falls der Sie interessiert – e-Mail genügt! Meine Kontaktadresse finden Sie, wenn Sie dem Link im Kopf dieses Kommentars folgen. Ich werde ggf. allerdings erst am Dienstag antworten können.
Es grüßt
Bernhard Mankwald
Der Beitrag von Herbert Bertsch im Blättchen 3/2013 wirft ebenso wie der von Wolfgang Schwarz die Frage nach den Motiven Gorbatschows auf. Dessen Handeln wird auf jeden Fall verständlicher, wenn man sich einmal ansieht, welche Qualifikationen er für seine Aufgabe mitbrachte. Man findet dann, daß er als Gebietssekretär von Stawropol recht erfolgreich war, noch unter Breschnew ZK-Sekretär für Landwirtschaft wurde – und wegen der Bedeutung des Ressorts auch Vollmitglied im Politbüro – und daß er jung und gesund war, während seine Kollegen dahinsiechten und sich dabei noch bis zum letzten Atemzug erfolgreich gegen weitere Neuzugänge wehrten. Und das genügte beim damaligen Zustand der sowjetischen KP für den entscheidenden Schritt in seiner Karriere.
Im Zusammenhang mit der DDR mußte ihn vor allem die Lage der dort stationierten sowjetischen Truppen interessieren – und die war ja im Grunde schon mit dem Regierungswechsel in Polen im August 1989 unhaltbar geworden.
„Bei Philipp Rösler“, so hat Jörg-Uwe Hahn, hessischer FDP-Landesvorsitzender und Integrationsminister, medial nachgedacht, “würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren.“ Selbst, wenn Hahn sich den Gegenstand seines Zweifels wirklich nicht zu Eigen machen sollten, ist dank Seiner doch wieder einmal die Frage aufgeworfen, wie lange unsere Gesellschaft Figuren wie ihn und vor allem seine uns alle mitregierende Splitterpartei akzeptiert.
In der Rezension (?) von Herbert Bertsch („Wie beim Häuten der Zwiebel. Nur umgekehrt“) hat mir, soweit das im gegebenen Rahmen möglich ist, die Charakterisierung von Hans-Peter Schwarz gut gefallen. Auch aus dem Grunde, weil daran deutlich wird, wie hoch der individuelle Anteil der Geschichtsaufschreiber im Verhältnis zum Gegenstand ist, gerade, wenn sie als arriviert gelten. In diesem „Kohl“ gibt es wohl erhebliche „Schwarz“zusätze, was nicht weiter schlimm ist, wenn man sich dessen bewusst ist.
In Verbindung damit fällt mir eine Episode zu dem Autor, nein, von ihm ein. Ich zitiere aus einer „Forum“-Sendung des Bayerischen Rundfunks vom 05. Januar 2000 mit einem langen Interview mit ihm. Also jetzt sein Originaltext:
„Das Dritte Reich hat mich nie so interessiert. Und was die Kerle dort gemacht haben, fand ich auch nicht interessant. Diese neue Welt, die wir ganz naiv erlebten – England, Frankreich. später Amerika, die Bundesrepublik selbst, haben wir völlig natürlich als deutschen Kernstaat verstanden, also nicht als etwas ganz Neues. Wir wussten, dass größtenteils alte Weimaraner an der Spitze standen. Heuß tauchte 1957 auf, und er bekam den Ehrendoktor in Freiburg. Bergsträsser, der damals Dekan war, versammelte sich mit verschiedenen Assistenten und Doktoranden (eben auch Schwarz, Zusatz von mir) im Gasthaus ‚Traube’. Im Laufe des Abends stach dann jemanden der Hafer, und er fragte Heuß: ’Aber Herr Bundespräsident, wir fragen uns die ganze Zeit, wie Sie dem Ermächtigungsgesetz zustimmen konnten?’ Jedermann dachte, dass jetzt eine große Explosion kommen würde. Heuß jedoch drehte sein fast leeres Rotweinglas herum und sagt: ‚Ja, wir dachten eben: Es geht gegen die Roten’. Eine völlig amoralische Antwort, die aber sehr überzeugte.“
Ich denke, über die Politik der Bundesrepublik und auch die Historiker gibt es noch viel zu wissen und nachzudenken, auch, ehe man Vorurteilen und Verurteilungen nachgibt. Über Schwarz im „Blättchen“ zu lesen, kann dazu beitragen.
Чушь соба́чья
Interviews mit Berlinale-Chef Dieter Kosslick zu hören oder zu lesen, ist gemeinhin vergnüglich, da Kosslick seine sachliche Kompetenz mit einem uneitlen Schuss Humor zu verbinden weiß. In einem aktuellen Interview mit der „Berliner Zeitung“ indes entpuppt er sich auch als aufmerksamer Dolmetscher, wenn es bei fremdländischen Filmtiteln gilt, diese auch dem deutschen Auffassungsvermögen passgerecht zu machen. Sofern er bei englischen Titeln deutsches Verständnis voraussetzt, gibt er einem russischen wiederum eine Sprachhilfe bei, wer beherrscht hierzulande schon solch exotische Redeweise. Der für die Berlinale seinerseits empfohlene Streifen Dolgaya schastlivaya zhizn, bedeutet demzufolge A Long and Happy Life, wer hätte das gedacht. Und der polnische Film W imię… lautet übersetzt In the Name of … – da ist Sie geholfen worden, nicht wahr?
Ich weiß wirklich nicht, warum sich Prenzl´berger darüber erregen, dass die dort siedelnden sieben oder siebentausend Schwaben beim Bäcker nach Wecken fragen und nicht nach Schrippen, wie hier die Brötchen heißen. Eine Leserin der eingangs erwähnten Zeitung hatte kürzlich zu Recht darauf hingewiesen, dass sie das ewige Englisch bei Geschäftsbeschriftungen aller Art viel mehr nervt – das allerorten anzutreffende open an Ladentüren zum Beispiel. Aber nun ja, das alles ist letztlich doch nur von schöner Belanglosigkeit; чушь соба́чья, wie die Russen sagen, auf Deutsch bullshit.
Mit gleich acht Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf zu ziehen, dürfte ein nahezu gerissener Schachzug der Linken sein. Der parteipolitische Gegner dürfte bis zum Herbst damit ausgelastet sein, herauszubekommen, um wen es sich bei den Politpromis an der Seite von Gysi, Wagenknecht, Bartsch und Ernst überhaupt handelt. Und wenn er es dann wissen wird, dürfte es für Befehdungen zu spät sein.
Dumm ist nur, dass auch das Gros der potentiellen Wähler der Linken mit dieser Recherche vollauf beschäftigt sein wird.
2002 schafften es die „Glorreichen Vier“ – Pau, Zimmer, Claus und Bartsch (sic!) -, die damalige PDS aus den Bundestagsquerelen herauszuhalten. Mal sehen, welchen Erfolg die Verdoppelung des Spitzenpersonals zeitigen wird.
Spätestens seit der Rot-Grün-Variante mit Schröder und Fischer (Agenda 2010 + Kriegsbeteiligung) habe ich in diese Parteienkonstellation kein wirkliches Vertrauen mehr. Dennoch freut mich das Selbsttor der CDU in Niedersachsen doch von Herzen. Für die Linke aber sollte der Herauswurf aus dem niedersächsisschen Landtag sowohl betrüblich als auch – mit Blick auf September 2013 – bedenklich sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass (auch) bisherige Linkenwähler zwecks Ablösung von Schwarz-Gelb „sicherheitshalber“ SPD oder Grüne wählen und es plötzlich nicht mal mehr zu fünf Prozent reicht, dürfte ziemlich großsein. Vielleicht schafft es die Partei ja wenigstens mal neun Monate lang, sich nicht selbst im Wege zu stehen.
Zu wünschen wäre es jedenfalls.
O. Rutsch
Sehr geehrter Literat im FORUM,
sehr geehrter Herr Bertsch im BLÄTTCHEN 26-2012,
ein Kollege auf unserer Etage bekam Kenntnis von Ihren Beiträgen zu „unserer“ Deutschen Bank und sorgte für deren Verbreitung, was für meinen Arbeitbereich aber auch nicht untypisch ist, eher dazu gehört. Mit wenigen Ausnahmen haben wir Ihre Bemerkungen als erstaunlich klar analytisch, also unideologisch empfunden, zudem in dieser Zeitschrift unvermutet.
Ich möchte Ihnen zugleich in gebotener Achtung einen Kommentarsatz unseres Vorstands zur Kenntnis geben, den Sie bei künftigen Arbeiten bedenken mögen: „An der Börse wird nicht die Moral der Deutschen Bank gehandelt, sondern die Bank an sich.“
Abgesehen von meinem Fachinteresse habe ich auch andere Beiträge in Ihrer Jahresend-Ausgabe angelesen, mit Gewinn! Ich wünsche ich Ihnen weiterhin Erfolg, und wenn Sie es versuchen, auch an der Börse. Oder sind wir da bereits unbekannt Kollegen?
Ein überlegenswerter Twittervorschlag in Sachen BER:
„Wenn das mit dem Berliner Fkughafen nicht klappt, machen wir halt wieder Luftbrücke.“
Praktikable Ergänzung: Die Passagiere des Drehkreuzes ließen sich über dem Flugfeld Tempelhof kommod per Fallschirm absetzen.
Die ANTWORTEN im aktuellen BLÄTTCHEN könnten noch um diese ergänzt werden:
Peer Steinbrück (SPD), Sagt-wie’s-ist-Kandidat – Da geilten sich die Journaille, ihre eigene Partei und der politische Gegner wieder mal daran auf, dass Sie – in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung – ausgesprochen haben, was die Spatzen längst vom Dach des Kanzleramtes pfeifen, dass nämlich hierzulande Bundeskanzler zu wenig verdienten und Abgeordnete nicht überbezahlt seien. Mit Stillschweigen übergangen wurde bei jüngsten shit storm hingegen Ihr viel fundamentaleres Bekenntnis: „Aber Geld löst bei mir keine erotischen Gefühle aus.“ Und – nicht minder beeindruckend – Ihre Entgegenung auf die Frage, ob Sie ein harter Hund seien: „Der Eindruck täuscht.“ Da kann man die blasphemische Nachfrage Ihrer Hamburger Parteifreundin Katharina Fegebank – „Bewirbt sich Steinbrück um das Kanzleramt oder als Chef-Wahlkampfhelfer der Kanzlerin?“ – doch wirklich nur mit einem glasklaren „Jein.“ beantworten.
Wie der Kenner weiß, veröffentlichte „Blättchen“ in der Jahres-Endausgabe vom 24. Dezember (Nr. 26) in der lobenswerten Absicht, das Positive zu würdigen, den Beitrag „Unsere deutsche ‚Deutsche Bank’“, deren mögliche strategische Perspektiven dabei nicht ausschließlich günstig bewertet wurden.
Als habe es da eine Verabredung gegeben (?), meldete sich inzwischen Deutsche Bank-Co-Chef Fitschen (Original in der „Börsen Zeitung“) rasch zu Wort und bestätigt mit eigenen Befürchtungen, was tendenziell Tage zuvor bereits im „Blättchen“ zu lesen war. Fitschen laut nt-v vom 29. Dezember: „Die Deutsche Bank fürchtet neue Rivalen aus Schwellenländern und dem Internet … Diese Unternehmen wissen aufgrund ihrer riesigen Datenbasis viel mehr über die Bedürfnisse ihrer Kunden, als Banken jeweils erfahren werden … Um gegen die neue Internet-Konkurrenz bestehen zu können, aber auch gegen neue Großbanken, die in den Schwellenländern entstehen, fordert Fitschen ‚paneuropäische Banken’. Andernfalls werden uns die Wachstumsräume China, Indien, Brasilien oder auch Rußland wirtschaftlich abhängen.
Auch wenn die Deutsche Bank derzeit keine große Zukäufe plane, müsse sie sich fragen, wo sie mittel- bis langfristig ihren Platz sehe … Die Konzentration in der europäischen Bankenbranche sei längst nicht abgeschlossen. ‚Die Aufstellung des europäischen Finanzmarktes entspricht heute bei Weitem nicht der Bedeutung des Euro.’“
Stutzig macht, dass in dem Statement von Fitschen die Wörter USA, Amerika oder eine Ableitung davon nicht vorkommen. Zufall? Oder subsummiert er die US-Banken etwa unter nicht genannten Schwellenländern, lässt er sie – weil vernachlässigenswert – unerwähnt? Oder fürchtete der Mann, dass jegliche Äußerung dazu neue Prügel bewirkt?
„FDP-Parteichef Philipp Rösler hat vor dem Dreikönigstreffen seiner Partei Spekulationen um einen möglichen Rücktritt zurückgewiesen. „In schwierigen Zeiten“ sei es wichtig, die Nerven zu behalten, sagte Rösler der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Dieser erfolgversprechenden Ansicht waren nahezu alle Granden des Realsozialismus auch – bei zudem deutlich fortgeschrittenerem Alter …
„Wenn Herr Haseloff (MP von Sachsen-Anhalt, d. Red.) beklagt, in der DDR wenig verdient zu haben, dann hätte er doch das tun können, was er und seine Partei heute Tausenden Arbeitnehmern zumuten, nämlich dorthin zu gehen, wo es gut bezahlte Arbeit gibt. Zum Beispiel in den Bergbau im Süden von Sachsen-Anhalt. Im Vier-Schicht-Betrieb gab es guten Lohn, Bergmannsgeld, Jahresendprämie, 100 Zentner Deputatbrikett, kostenlosen Transport zum Betrieb und zurück und vieles anderes an sozialen Leistungen. Das war wesentlich mehr, als der heutige Harz-IV-Regelsatz und nicht vergleichbar mit der wirtschaftlichen Lage von Arbeitslosen …
Hans-Jürgen Junghans in einem Leserbrief an das ND
Anmerkung zu „Wertorientierte Außenpolitik…“ von Karsten D. Voigt
Es war bisher selten, daß Politiker vom Format des Herrn Voigt das Gespräch mit den Lesern und Freunden eines Blättchens suchen, das sich, den Überzeugungen von Ossietzky und Tucholsky verschrieben, pazifistisch, also humanistisch, versteht und Klartext anstelle der manipulativen Herrschafts- bzw. Politiksprache bevorzugt. Das ist bemerkens- und begrüßenswert, vielleicht auch ein wenig historisch zu benennen, denn seit jeher bekämpften sich die Akteure der als „links“ bezeichneten Szene so sehr, daß sie zeitweise den Gegenpart als Hauptfeind deklarierten. Ein Großteil der Blättchen-Veröffentlichungen ist vornehmlich auf die Entschlüsselung der Politikcodes gerichtet. Das hierbei keine Unterstellung oder Verschwörungstheorie gezimmert wird, verdeutlichen dem aufmerksamen Zuschauer ab und an mediengeile Vorsänger wie jüngst Herr Brüderle, der sich nach einem Interview diebisch freute, alle Fragen mit vorabgestimmten Sprachregelungen abgetan und kein Sachthema berührt zu haben, und im Überschwang leichtfertig schwadronierte: Sie können mich und meine Mitarbeiter nachts um 3 Uhr wecken und genau die gleichen Antworten wie aus der Pistole geschossen bekommen! Bisher erklärte ich mir diesen offensichtlichen Widerspruch zwischen Sachverhalt und politischer Darstellung immer mit antrainierter Zweistimmigkeit, parallelem Denken der Politiker als große Bühnenkunst. Der gestandene Profi aber denkt schon gar nicht mehr in Sachkategorien, er übergeht dieses Stadium und denkt, spricht und schreibt schon im Reintext der Manipulation. Die Darstellungen des Herrn Voigt sind ein Musterbeispiel dieses Phänomens. Es liest sich überzeugend und gut, die bundesdeutsche Außenpolitik so kritisch kommentiert, also progressiv. Ja nicht die deutsche Überheblichkeit wieder zum Leitfaden machen. Aber deutsche (imperiale?) Interessen werden nicht in Frage gestellt. Damit ist auch die (taktisch richtige) Belehrung anderer Länder nicht in der Kritik, nur die Form, das ist auch der Abhandlung zu entnehmen. Anmahnung demokratischer Veränderungen in den ehemaligen GUS-Staaten sind seiner Meinung nach unser Recht und Pflicht. Auch, wenn wie gegenwärtig der Status Demokratie im eigenen Land von den entscheidenden politischen Kräften Stück für Stück abgebaut wird und zur Farce verkommt? Sollen sich die Angesprochenen am bundesdeutschen schöngeredeten Wunschbild von einst oder unserer wahrscheinlichen Realität z.B. in 5 Jahren orientieren, dann, wenn nur noch eine eingeschränkte Wahlmöglichkeit des Volkes von der gepriesenen Demokratie übrig geblieben sein wird? Sollte nicht die innere Entwicklung eines Landes dem indigenen Souverän überlassen werden, vielleicht mit passiver Hilfestellung, zumal das Verständnis der dortigen Situationen durch äußere Institutionen nur noch schablonenartig nach eigenen Wünschen regelmäßig an der Realität vorbei geht, wie die Eingriffe der letzten Zeit, dramatisch für die betroffenen Völker vor allem, überdeutlich zeigen?
Die „deutsche Besserwisserei“ ist nur eine Fußnote in der Geschichte, wenn auch durchaus von aggressivem Übel. Allein der Kampf dagegen bringt keine Problemlösung, diese liegt weitaus tiefer. Einem integren Geist stände es gut zu Gesicht, über den üblichen Tellerrand zu blicken und nach alten Irrwegen und neuen Wegen zu fragen. Er hätte dabei durchaus Vorbilder, z.B. Jürgen Bertram, der nach jahrzehntelanger Akzeptanz der ARD, an deren Entwicklung er aktiv teilhatte, einhielt, in sich ging und die Ergebnisse der Medienkultur analysierte. * Solches Schaffen braucht die Gesellschaft und bereichert sie, auch wenn am Schluß der eigene Illusionsverlust steht, oder gerade deshalb. „Ein Sumpf zieht am Gebirge hin…“, Faustens Fazit zeigt den Beginn einer Erneuerung, nicht die Verifizierung bestehender Irrtümer.
*Jürgen Bertram: Mattscheibe, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main, 2006, 8,95 €
Zur Tiger-Story von Sarcasticus:
Es ist schon ein altes Lied, das seit Unzeiten beim Militär gesungen wird, dem Sarcasticus eine neue Strophe beifügt. Erinnert sei an die Sage vom k.u.k-Feldwebel, der die Instruktion der Frischlinge zur Handgranate so begonnen haben soll: „Die Hangranate ist die beste Waffe der österreichischen Armee. Krepiert’s, haut’s all’s ‚zsamm. Krepiert’s net, so ist die moralische Wirkung eine ungeheire!“
„Amerika diskutiert über schärfere Waffengesetze, Einschränkungen bei Sturmgewehren gelten als wahrscheinlich. Doch es gibt auch eine Gegenbewegung: Republikaner fordern, Lehrer und Hausmeister zu bewaffnen, um Schulkinder zu verteidigen. (…)“
Oh ja: Wir sind vom Regen in die Jauche geraten…
Ach Gott ja, lieber Ernst Oskar, es ist „schön“, wenn Weise sich mit Weisheiten melden und man sich mokant dazu äußern kann. Es ist nur so: Obgleich auch mir die „vita-soziale“ Erlösung nicht als eine solche erscheinen mag – deren Autor hat sich immerhin um gedankliche Alternativen bemüht und sich damit erheblich mehr Mphe gemacht als Sie. Es sei denn, ich kann in Kürze von Ihnen eine gestochen scharfe und überzeugende Analytik zum Thema lesen. Wäre das nicht mindeystens ebenso „schön“?
Kay Bliewand
Lieber Kay Bliewand,
das Prinzip, das Sie in Ihrem Kommentar vertreten, ist sicher richtig. Machen Sie sich aber einmal die Mühe und verfolgen Sie die Debatte bis zu ihren Ursprüngen: der erste Kommentar zu diesem Thema ist von mir und erschien bereits am 7. August, der erste Beitrag von Herrn Burow stand kurz zuvor im Blättchen. Vielleicht finden sie auf dieser Strecke ja die gestochen scharfe und überzeugende Analytik, die Sie suchen. Vielleicht stellen Sie dabei auch fest, daß Herr Richter Meinungen anderer nur sehr ungern zur Kenntnis nimmt, daß er durch Zahl und Umfang seiner Beiträge die Redaktion fast im Alleingang dazu genötigt hat, eine Begrenzung einzuführen – und daß er dann auch noch versucht hat, diese Begrenzung zu umgehen. Vor diesem Hintergrund fand ich für meinen Teil den süffigen Kommentar von Ernst Oskar durchaus angemessen und erfrischend.
Bernhard Mankwald