Nachricht aus Kathmandu
Vor Jahren besuchte ich mehrfach Nepal, um dortige Antikorruptionsinitiativen zu unterstützen und von ihnen zu lernen. Ich war fasziniert von den Leuten, ihrer lebendigen Kultur und dieser Landschaft mit den im Smog der Städte oft unsichtbaren weißen Riesen im Hintergrund. Die Armut konnte man schon bei der Ankunft in Kathmandu riechen. Motorradrikschas beherrschten den Verkehr, die in Indien aus Alters- und – positiv gedacht – Umweltgründen aussortiert worden waren. Dennoch, Kathmandu wirkte einladend, menschlich nach den Erfahrungen der riesigen Molochstädte in Asien. Die nepalesischen Partner gehörten zu den zuverlässigsten und fleissigsten, die ich im Laufe der Jahre bei Transparency International kennengelernt hatte. Sie schienen auf diesem Wege, die Rolle der großen Nachbarn Indien, Pakistan, China und auch Bangladesh ausgleichen zu wollen. Dabei ist Nepal mit seinen rund 27 Millionen Einwohnern im Vergleich zu vielen europäischen Ländern durchaus nicht klein zu nennen. Unvergessen der Besuch in Bhaktapur, dessen Holzbauten, Paläste und der Tempel mit feinen Schnitzereien zum schönsten Stadtbild gehörten, das ich auf meinen vielen Reisen gesehen hatte. Bhaktapurs damaliger linker Stadtrat hatte sich einem Antikorruptionsprogramm angeschlossen. Ein zartes Pflänzchen, gehegt von sehr engagierten Leuten, inmitten eines korrupten Systems.
Daran musste ich denken als die schrecklichen Nachrichten und Bilder aus Kathmandu und auch aus Bhaktapur durch die Nachrichtensendungen liefen. Ich war so froh zu hören, dass die mir Bekannten überlebt haben. Ein nepalesischer Freund schrieb jetzt aus Kathmandu, dass er so eine Katastrophe sein gesamtes erwachsenes Leben über befürchtet habe. „Wir haben so lange Zeit unter Korruption und politischer Inkompetenz gelitten, und jetzt hängen wir von genau diesem Apparat ab, um durch diese Situation hindurch zu kommen.“ Er setzt hinzu, bemüht um etwas Positives: „Andererseits sind die Leute tapfer, Ärzte, Sicherheitspersonal und Freiwillige machen einen guten Job. Und natürlich kommt jetzt die internationale Gemeinschaft, um zu helfen. Dennoch, ich weiß nicht wie und in welcher Zeit all dies effizient und in menschlicher Weise gemanaged werden kann.“ Letztere Zweifel sind seinen Erfahrungen und Forschungen zur Innenpolitik Nepals sowie zur Entwicklungshilfe geschuldet. Er hat über Jahrzehnte verfolgt, wie internationale Entwicklungshilfe im Endeffekt dem Land nicht geholfen hat. Es sind keine belastbaren staatlichen Strukturen entstanden, die Armut hat sich nicht wesentlich verringert. Die Wünsche werden angesichts der Toten und der Zerstörung kleiner: Möge zumindest der Vorzustand möglichst bald wiederhergestellt werden.
Margit van Ham
Keine Leos für die Saudis?
Eine Schwalbe macht zwar bekanntlich noch keinen Sommer, aber da die deutschen Rüstungsexporte in alle Welt, inklusive des Vorhabens, Kampfpanzer Leopard 2 nach Saudi-Arabien zu liefern, in diesem Magazin – notwendigerweise – schon wiederholt kritisch beleuchtet worden sind, soll auch nicht unter den Tisch fallen, was der Spiegel in seiner Ausgabe 18/2015 vermeldete: „Die Bundesregierung hat unlängst eine Lieferung von über 200 Panzern vom Typ ‚Leopard 2‘ nach Saudi- Arabien verhindert. Das Kriegsgerät sollte von Spanien an den Golf exportiert werden. Die spanische Firma Santa Bárbara kann die deutschen Panzer in Lizenz bauen. Doch die Regierung in Madrid hat Saudi-Arabien inzwischen eine informelle Absage des Geschäfts zukommen lassen […], da Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dem Export […] nicht zustimme. […] Spanien hätte […] Lizenzrechte und Komponenten in Deutschland erwerben müssen.“
Alfons Markuske
Minimachiavelli
Ein Staatsbediensteter, wird jetzt geklagt,
er habe zur Geheimdienstschnüffelei
nichts als die reine Unwahrheit gesagt.
Wenn schon. Da ist nichts Unrechtes dabei.
Der Mächtige muss sehn, dass er umschifft,
was Bürgern Angst bereitet und Verdruss.
Das gilt besonders wenn der Bürger Gift
in der Gestalt von Wahrheit schlucken muss.
Wenn sich die Wahrheit nicht dem Volkswohl fügt
und böse Possen mit den Bürgern treibt,
dann ist es unumgänglich, dass man lügt,
damit die Lebenslust erhalten bleibt.
Die Lüge ist als Handwerkszeug erlaubt,
so dass es, wenn man das im Zorn vergisst
und sie vielleicht und überhaupt nicht glaubt,
im höchsten Maße unanständig ist.
Die Welt, die unter manchem Missstand stöhnt,
wird so per Lüge sanfte Ruhestatt,
die den, der das Gehörte glaubt, verwöhnt,
so dass er sie von Herzen gerne hat.
So ist es Pflicht für jeden, der regiert,
dass er die Wahrheit, wirkt die wie schachmatt,
gewissenhaft eliminiert,
dass alles seine Ordnung hat.
Günter Krone
WeltTrends aktuell
Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind so schlecht wie noch nie seit dem Ende des Kalten Krieges. Washington modernisiert seine Kernwaffen, Moskau rüstet nach. Die Autoren der aktuellen Ausgabe von WeltTrends – Experten der Deep Cuts Commission – konstatieren, dass die Chancen für ein Ende des Wettrüstens nicht gut stehen. Aber ein Anfang müsse gemacht werden – von verstärkten militärpolitischen Kontakten über mehr Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen bis hin zur Erörterung neuer Konzepte.
Außerdem: Eine Analyse zur Spaltung der Ukraine sowie der Streitplatz zu den aktuellen Verstimmungen zwischen Berlin und Moskau.
am
WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 102 / April 2015 (Schwerpunktthema: Nukleare Abrüstung heute), Potsdam / Poznán, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.
Blätter aktuell
Am 22. März hielt die kanadische Publizistin Naomi Klein die diesjährige Democracy Lecture der Blätter. Im Vorfeld der Weltklimakonferenz am Ende dieses Jahres in Paris plädierte sie dafür, den Kampf für Klimagerechtigkeit mit dem Kampf gegen den globalen Kapitalismus und seine fatale Wachstumsideologie zu verbinden. Nur dann bestehe Hoffnung, zumindest die schwerwiegendsten Folgen des Klimawandels noch zu verhindern. Die professionelle Bekämpfung der Gewerkschaften gehört in den USA seit mehr als 150 Jahren zum Repertoire unternehmerischer Dienstleistungen. Anlässlich der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP unterzieht der Publizist Werner Rügemer die Branche der Union Buster einer genauen Betrachtung. Er warnt: Auch deutsche und europäische Arbeitnehmer sind nicht vor deren gewerkschaftsfeindlichen Praktiken geschützt. Sich des Union Busting zu erwehren, ist daher eine der drängendsten Herausforderungen für die globale Gewerkschaftsbewegung. Sei es das Monitoring der Gesundheit, die Standorterfassung von Angestellten oder die Messung der eigenen Gefühlslage – in immer mehr Lebensbereichen überwachen sich Menschen mit Hilfe digitaler Apps selbst, um das als fehlerhaft wahrgenommene Selbst zu optimieren. Der Soziologe Stefan Selke geht diesem Trend zur Selbstvermessung auf den Grund. Seine Befürchtung: Umso mehr die Menschen ihr Leben Algorithmen unterwerfen, desto stärker entwickelt sich das Lifelogging zum Organisationsprinzip des Sozialen und bringt so gänzlich neue Formen von Diskriminierung hervor.
Dazu weitere Beiträge – unter anderem: „Arabisches Inferno. Der Westen und der Mittlere Osten“, „Vom ewigen Krieg: Wozu taugt das Völkerrecht?“ und „Atomstreit mit Iran: Die große Ernüchterung“.
am
Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, Mai 2015, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.
Sisyphos und absurde Zeiten in Groß Dölln
Anfang Mai konnte man wieder Brandenburgs Künstler besuchen – der „Tag des Offenen Ateliers“ ist inzwischen eine schöne Tradition geworden. Maler, Schriftsteller, Bildhauer und Keramiker und andere Künstler stellen ihre Werke vor.
In Groß Dölln, einem Dorf im Landkreis Uckermark, lebt und arbeitet Siegfried Haase, der aus Schrottteilen und Holz viel Nachdenken und Lachen zaubert. Genaue Beobachtung und feiner Humor zeichnen seine Werke aus, die in einem Gartenlabyrinth zu bewundern sind. Da gibt es den Sisyphos, der in unterschiedlichsten Varianten in seinem Bemühen scheitert. Der Mensch schlechthin. Auch Don Quichotes treten in verschiedener Form auf. Philosophisches kommt als mal heitere, mal nachdenklichere Schrottkunst daher. Als Unruhe schweben Schlösser und Schlüssel über unseren Köpfen – „Luftschlösser“. In einer Ecke hockt die Picasso-Katze – bestehend aus Kuben und Dreiecken. Die Nachfolgerin der Bauhauskatze früherer Ausstellungen. Schrottvögel fliegen oder stehen im Gelände neben allerlei „Schloss“-Gestalten. Kassandra, bestehend aus Stäben und Drähten, trägt einen Munitionsgürtel um den Bauch. Ein „Sessel mit Chef“ zeigt ein winziges Persönchen in einem riesigen Sessel. Eine Spirale führt nach oben, endet in einer goldgefärbten Geraden, ein Mensch sieht ins – Nichts. „Auch der Fortschritt hat ein Ende…“. Ein Punker mit einem großen Zahnradteil als Haarschmuck und eine Schnepfendisco aus Spitzhackenteilen grüßen. „Migranten“ stehen auf einem brüchigen Holzschiffchen und ein „Narrenschiff“ zeigt den Spiegel unserer Welt. Am Steuer sitzen Figuren mit Währungssymbolen, in der Mitte bildet eine alte Forke das Segel und am Bug stehen Metallfigürchen mit den Symbolen der Religionen. „Wir leben in absurden Zeiten“, fasst Siegfried Haase einige dieser Werke zusammen. Nicht mehr in dieser Ausstellung, aber in bester Erinnerung sind „Die Spezialisten bei der Erörterung eines Problems“. Die Spezialisten konzentrieren sich auf ein riesiges Loch im Boden und debattieren, während – völlig unbemerkt von den Spezialisten –ein riesiger Stein über ihren Köpfen droht, auf sie zu stürzen…
Allein das Erlebnis der angeregten, vergnügten Besucher, das Kichern aus den verschiedenen Teilen des Gartens, wenn die im Baum hängenden Fahrräder oder neue witzige Kommentare entdeckt werden, lohnt mal einen Abstecher nach Groß Dölln zu einzuplanen.
mvh
Ohne Titel
Ein Fahrradergometer
fuhr in den grünen Wald.
Da schrie es Mordio und Zeter:
„Ach, ist mir kalt, ist mir kalt!“
Es war nicht gebaut fürs Freie,
drum fror es auch im Maie.
Frank-Rainer Schurich
Pegida im Schrebergarten
Können Gartenzwerge radikal werden? Im neuen Programm „Ausweg freihalten!“ des Berliner Ensemble-Kabaretts „Die Stachelschweine“ geht das. Hausautor Linus Höke hat die Handlung diesmal in einer Kleingartenkolonie angesiedelt. Keine schlechte Idee! Schließlich gibt es immer wieder Berichte über drangsalierte Kleingärtner, die Bauprojekten weichen sollen oder die gegen den neuesten Fluglärm kämpfen. Diese Themen spielen bei den Stachelschweinen aber eine untergeordnete Rolle. Höke sieht die Schreberkolonie als die ganze Welt in klein. Themen wie NSA und NSU werden angesprochen, Dobrindts Maut (die als Mini-Musical abgehandelt wird) oder das marode Gesundheitssystem werden nicht ausgespart. Insgesamt sind die Stachelschweine wieder politischer geworden. Besonders böse wird es, wenn die „Pegida“ im Schrebergarten Einzug hält oder wenn man sich gegen die undeutsche Banane wehrt. Nur die Nummer mit dem nach 25 Jahren aus einem Tunnel gestiegenen DDR-Flüchtling ist ziemlich dämlich. Regisseur Hans Holzbecher, der neu zu den Stachelschweinen gekommen ist und früher unter anderem am Düsseldorfer „Kom(m)ödchen“ arbeitete, hat zügig inszeniert und lässt die Darsteller ihre Stärken ausspielen. Birgit Edenharter, Kristin Wolf, Holger Güttersberger und Alexander Pluquett sind so wandlungsreich und komisch, dass keiner der vier hervorgehoben werden kann. Das große Plus ist aber, dass man mit ihnen nicht nur lachen, sondern auch nachdenken kann!
Frank Burkhard
„Vergessene Sieger – Jahre danach“
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurde 1990 auch der Abzug der Sowjetarmee vom Territorium der ehemaligen DDR bis Endes des Jahres 1994 vereinbart. Mehr als vier Jahrzehnte war die „Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland“ (GSSD) in der DDR stationiert. Ein Gebiet, so groß wie das Saarland, hielt die Sowjetarmee hier besetzt. Zwischen 350.000 und 500.000 sowjetische Soldaten waren in der DDR stationiert – so viele wie nirgendwo sonst außerhalb der Grenzen der UdSSR.
Der Fotograf Joachim Liebe hat die einzelnen Abzugsetappen mit der Kamera begleitet – meist im Raum Berlin/Potsdam oder im nördlichen Sachsen-Anhalt. Mit seinen Fotos wollte er „die Lebensspuren der nun Heimkehrenden festhalten, ebenso die Erinnerung daran, dass ihre Väter und Großväter es einst waren, die Deutschland 1945 mit befreiten“. Neben den technischen Abzugsvorbereitungen (zum Beispiel dem Verladen von Militärgerätschaften) wird auch der Soldatenalltag dokumentiert. Schließlich machte die „Westgruppe“ der Sowjetarmee trotz aller Wirren bis zum letzten Tag ihren „Dienst nach Vorschrift“ mit der Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin und Einsatzbereitschaft. Es sind sehr bewegende Fotos, die durch persönliche Kontakte und mit der Zeit erworbenes Vertrauen zustande kamen. Sie gewähren einen Blick in das Kasernenleben und oft auch in die verstörenden Gesichter der Soldaten. Neben den fotografischen Dokumenten, die in der Zeit des Abzugs zwischen 1990 und 1994 entstanden, präsentiert der Bildband in einem zweiten Kapitel auch zahlreiche Fotos, die Liebe erst in den letzten Jahren gemacht hat und die eindrucksvoll zeigen, was aus den einstigen Liegenschaften geworden ist. Immerhin wurden rund 1.500 Militäranlagen zurückgelassen. Verlassene Appellplätze, verfallene Gebäude und abbröckelnde, kaum noch erkennbare Wandbilder sind trostlose Überbleibsel vom einstigen Ruhm der Sowjetarmee. In einem kurzen Schlusskapitel erweist Liebe mit einigen Fotos von Ehren- und Garnisonsgräbern den „Hiergebliebenen“ eine letzte Ehre und appelliert damit an die Verantwortung für die Pflege der sowjetischen Friedhöfe.
Alle drei Bildkapitel – gewissermaßen eine Trilogie – werden mit kurzen Essays von Jörg Morré (Direktor des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst), Friedrich Schorlemmer (Theologe und DDR-Bürgerrechtler) sowie Gunther Butzmann (Leiter der kommunalen Friedhöfe in Potsdam) eingeleitet, während T.O. Immisch (Kurator für Photographie an der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle) in seinem Nachwort für ein „Festhalten des Verschwundenen“ plädiert. Liebes nachdenkliche Bilder zeigen das langsame Verlöschen eines Stückes deutscher (europäischer) Nachkriegsgeschichte und veranlassen den Betrachter, sich mit alten Vorurteilen auseinanderzusetzen.
Manfred Orlick
Joachim Liebe: Vergessene Sieger – Jahre danach, Mitteldeutscher Verlag, Halle/Saale 2015, 160 Seiten, 24,95 Euro.
Wunderbar gezeichnet
Es ist schon nicht einfach, die Menschheit mit Satire zu versorgen. Und wenn man diese auch noch zeichnerisch zu Papier bringt, ist es noch extra etwas Besonderes. Witz ist dabei nicht gleich Witz, denn einige Menschen fühlen sich angegriffen, wollen den Cartoonisten mit allen Mitteln zum Schweigen bringen. Wer hätte das in der heutigen aufgeklärten Zeit im Zeichen der Pressefreiheit gedacht. So ist es gut, dass viele Zeitungen auch weiterhin tagesaktuelle Späße bringen, Magazine und Satirezeitungen regelmäßig Cartoons, Comic-Strips und Karikaturen präsentieren, von einfach humorvoll bis bitterböse aber wahr. Und dann gibt es den kleinen aber rührigen Satireverlag Lappan in Oldenburg, der in schöner Regelmäßigkeit Bücher von renommierten, aber auch neuen Zeichnern auf den Markt bringt. Höhepunkte sind dann die Sammelbücher, die sich allgemein mit speziellen Themen beschäftigen. So ahnt und hofft der Betrachter bei den bereits erschienenen Büchern, dass auch in ihnen steckt, was drauf steht. „Wilde Bilder“ beschäftigten sich mit großen und kleinen Tieren, in „Harte Bilder“ dreht sich alles um die elende Arbeit und „Fiese Bilder“ hat viele Meisterwerke des schwarzen Humors vereint. Oh, wie können sich da humorlose Leute schön aufregen, und wie können sich verständige Menschen freuen. Nun ist ein weiterer Band erschienen: „Reizende Bilder“. Da es viele Reibepunkte zwischen Mann und Frau gibt, genau um diese geht es, ist es bereits die Nummer Zwei. Der Gründer der Cartoonfabrik Köpenick, Wolfgang Kleinert, den gelernte Ostdeutsche noch als langjährigen „Eulenspiegel“-Redakteur kennen, und der Verantwortliche des Lappan Cartoonprogramms Dieter Schwalm riefen und viele „Spaß-Künstler“ kamen. Wieder sind Cartoonistinnen und Cartoonisten dabei, die der humorige Mensch bereits schätzen und lieben gelernt hat. Sie brachten zum Thema Liebe schonungslose, verdammt offene, immer sehr witzige und manchmal sogar skurrile Späße aufs Papier. Spannung herrschte schon immer zwischen Frauen und Männern. Da findet das Mit- beziehungsweise Gegeneinander nicht nur im Schlafzimmer statt, sondern auch auf der Arbeit, auf dem Friedhof oder in der Küche. Es geht um Verliebt sein, Versöhnung und Happy End. Mit Schwung wirft die frustrierte Ehefrau bei einer Klangschalentherapie die Schale an den Kopf des Mannes – und fühlt sich gleich besser. Eine Frau meint zum zukünftigen Chef, der große Stielaugen bekommt: „Ich brauche keine Frauenquote. Wozu habe ich mir die Brüste machen lassen?“ So geht es immer weiter und weiter. Späße reihen sich an piekfeine Witze und werden von verrückten kleinen Comics abgelöst. Herrlich einfach und wunderbar gezeichnet von Michael Holtschulte: Ein Pärchen auf dem Sofa. Frau: „Schatz ich habe schon wieder eiskalte Hände.“ Mann darauf: „Dann halt du mal mein Bier.“
Das Tolle an diesem bunten Almanach ist, dass viele Zeichenstile zu erkennen sind: von krumm und schräg bis klar und geradlinig, über Figuren mit Knollennasen bis hin zu tierischen Späßen. Mit von der Partie sind unter anderem: Beck, Katharina Greve, Til Mette, Rattelschneck, Peter Thulke, Martin Zak und viele Spitzenzeichner mehr. Wer seinen nahestehenden Menschen eine Freude machen will, der greife unbedingt zu „Reizende Bilder 2“.
Thomas Behlert
Reizende Bilder 2, Lappan Verlag, Oldenburg 2015, 168 Seiten, 9,95 Euro.
Mein Dekalog
Wir haben Blättchen-Autoren und -Freunde befragt:Wenn Sie, aus welchen Gründen auch immer, für den Rest Ihres Lebens mit zehn Büchern auskommen müssten, welche wären dies? Und wir haben auch uns selbst befragt …
Die Redaktion
- Hans Carl Artmann: Das Suchen nach dem gestrigen Tag
- Heinrich Böll: Billard um halb zehn
- Hermann Broch: Die Schlafwandler. Band 2: 1903 – Esch oder die Anarchie
- Hans Carossa: Geheimnisse des reifen Lebens
- Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen
- Victor Klemperer: LTI
- Alfred Kubin: Die andere Seite
- Arno Schmidt: Das steinerne Herz
- Leo Tolstoi: Krieg und Frieden
- Juri Trifonow: Zeit und Ort
Erhard Weinholz
- Thomas Mann: Der Zauberberg
- Gustave LeBon: Psychologie der Massen
- Christa Wolf: Kindheitsmuster
- Sebastian Haffner: Geschichte eines Deutschen
- Stefan Heym: Der König-David-Bericht
- Franz Kafka: Das Schloss/Der Prozess
- Arthur Koestler: Sonnenfinsternis
- Anton Tschechow: Meistererzählungen
- Max Frisch: Stiller
- Leo Tolstoi: Krieg und Frieden
Heinz Jakubowski
Pressing
Da schreibt eine Qualitätszeitung im Zusammenhang mit Gauweilers Rücktritt vom Bundestagsmandat, dass es „in der Politik an Charakterköpfen fehlt“ und „dass Fraktionen im Prinzip niemanden wollen, der herausragt…“. Das ist als negative Kritik gemeint und wird der geistigen Beschaffenheit der Fraktionspolitiker nicht gerecht. Sicher ragt in den Fraktionen keiner heraus. Aber das ist im Club der Nobelpreisträger auch so.
GK
Medien-Mosaik
Margarethe von Trotta war mal eine sehr gute Schauspielerin, und vielleicht ist das der Hintergrund, warum sie mit „Die abhandene Welt“ nun einen richtigen Schauspielerfilm vorlegt. Denn das, was die Darsteller aus dem nicht ganz schlüssigen Stoff machen, ist sehenswert. Trotta hat immer wieder das Verhältnis von Schwestern thematisiert, das in ihrem eigenen Trauma fußt, eine Halbschwester ein halbes Leben lang nicht gekannt zu haben. Im neuen Film lässt sie die erfolglose Jazz-Sängerin Sophie (Katja Riemann) auf Geheiß ihres Vaters (Matthias Habich) nach einer Schwester forschen, die beide nicht kannten. Der Vater ist sich nach einem Foto im Internet jedoch sicher. Tatsächlich findet Sophie die erfolgsverwöhnte Opernsängerin Caterina, die der vorgeblichen Schwester ablehnend gegenübertritt. Wie Barbara Sukowa und die Riemann die langsame Annäherung spielen, ist sehenswert. Auch drei Altstars in größeren Nebenrollen sind beeindruckend – Karin Dor als demente „Zweitmutter“, Rüdiger Vogler als alter Russe und Gunnar Möller (86), der mit dem nur wenig jüngeren Matthias Habich eine Prügelszene hinlegt, die zwischen Groteske und Tragödie changiert. Überhaupt ist die Schwäche der Inszenierung, dass kein einheitlicher Stil gefunden wurde. Und schließlich hätte man sich manchmal auch ein sozial genaueres Erzählen gewünscht!
Die abhandene Welt, seit 7. Mai in vielen Kinos.
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Der gestrige Jahrestag der nazistischen Bücherverbrennungen erinnert daran, dass nicht nur vorhandene Bücher ausgemerzt werden sollten, sondern auch künftige nicht produziert wurden. Nach knapp 80 Jahren ist nun im Schaltzeit Verlag ein entzückendes Kinderbuch erschienen, das der bekannte jüdische Maler Felix Nussbaum im Londoner Exil mit seinem Freund Michael Loewen als Trickfilm konzipierte. Weder aus Film noch Buch wurde etwas. Nussbaum setzte seine Odyssee durch Europa fort, wurde 1944 in einem Brüsseler Versteck entdeckt und in Auschwitz ermordet. Von den Skizzen zu dem Film-Buch „Pit und Peggs“ blieben nur einige Schwarzweißfotos. Die Künstler Frank Hoppmann und Dörte Grimm haben diese Vorlagen nun zu einer farbigen Geschichte gefügt, die im Zeichenstil an Walter Trier erinnern. Die Geschichte ist einfach und fröhlich – die Geschwister Pit und Peggs fahren zu einer prachtvollen Blumenparade und erleben kleine Abenteuer. Der Schaltzeit Verlag hat mit Unterstützung des Anne Frank-Fonds daraus eine kleine Buchkostbarkeit geschaffen. Eine Ausstellung zur Entstehung des Buches wird am 16. Juni im Berliner Jüdischen Museum präsentiert.
Felix Nussbaum u.a.: Die Abenteuer von Pit und Peggs, Schaltzeit Verlag, Berlin 2015, 30 Seiten, 16,80 Euro.
bebe
Schlagwörter: „Die Stachelschweine“, Alfons Markuske, bebe, Blätter für deutsche und internationale Politik, Dekalog, Erhard Weinholz, Felix Nussbaum, Frank Burkhard, Frank-Rainer Schurich, Gauweiler, Günter Krone, Heinz Jakubowski, Joachim Liebe, Leopard 2, Manfred Orlick, Margarethe von Trotta, Margit van Ham, Minimachiavelli, mvh, Nepal, Reizende Bilder, Siegfried Haase, Thomas Behlert, WeltTrends