Abschied von Werner Birnstiel
Am 8. April verstarb unser Autor Werner Birnstiel.
Noch kurz zuvor hatte er uns einen Beitrag für diese Blättchen-Ausgabe in Aussicht gestellt.
Werner, von Hause aus Sinologe, widmete sich vor allem der Entwicklung der Volksrepublik China. Ohne den kritischen Blick zu verlieren, wies er stets auf die unvermindert großen Herausforderungen hin, denen sich das Riesenland und seine Führung stellen müssen. Die Tatsache, dass sich im „Reich der Mitte“ in den letzten Jahrzehnten Millionen Menschen aus der Armut befreit und China zur Hightech-Nation mit stetig wachsendem Einfluss auf die Weltpolitik entwickelt haben, nötigte ihm höchsten Respekt ab. Üblich gewordenen Forderungen nach einer „Abkopplung“ von einer solchen wirtschaftlichen und politischen Weltmacht – gar nach einer Konfrontation – begegnete er dagegen mit Unverständnis und Empörung.
Wir nehmen Abschied von einem leidenschaftlichen Autor, dem wir ein ehrendes Angedenken bewahren werden.
Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.
Atomare Vernichtung
António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), hat schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Menschheit nur eine Fehlkalkulation von einem Atomkrieg entfernt sei.
Die US-amerikanische Investigativjournalistin Annie Jacobsen warnt jetzt vor einem solchen Krieg. Deswegen habe sie, so erläuterte sie dem Handelsblatt, ihr neues Buch geschrieben. Denn das Bewusstsein für die nukleare Bedrohung habe aktuell an Brisanz verloren. Das sei gefährlich.
Viele ihrer Quellen für das Buch waren am Kalten Krieg beteiligt und haben das US-Atomwaffenarsenal mit aufgebaut. Sie vertrauten Jacobsen zwei Dinge an: Erstens die Sorge, dass die Verantwortung für die Atomwaffen an Menschen weitergegeben wird, die mit ihr nicht umgehen können. Und zweitens eine Art Bedauern. Sie haben ihr Leben dem Glauben gewidmet, dass ein größeres Atomwaffenarsenal die Welt sicherer machen würde. Jetzt merken sie, dass ihr Glaube bröckelt.
Unter anderem hat die Autorin mit Richard Garwin gesprochen. Er ist für den Entwurf der ersten Wasserstoffbombe bekannt und wahrscheinlich einer derjenigen, der sich weltweit am besten mit Atomwaffen-Politik auskennt. Er hat die US-Präsidenten während des Kalten Krieges beraten. Ihn beängstigt das sogenannte Mad-Man-Szenario. Dass narzisstische, verrückte Männer in Machtpositionen aus irgendwelchen Gründen eine Atomwaffe starten können. Das würde unweigerlich unkontrollierbare Kettenreaktionen anderer Länder auslösen. Und, so Jacobsen: „Sobald eine Atomrakete gestartet wird, gibt es keine Möglichkeit zu wissen, was andere Länder denken und entscheiden. Das ist ein Zitat von Leon Panetta, der CIA-Chef war.“
Jacobsens Erkenntnis und Warnung: Die meisten Menschen „wissen nicht, was für Schreckensszenarien es gibt. Atomstarts ohne Warnung, alleinige Verfügung des US-Präsidenten über das US-Atomwaffenarsenal, technische Probleme mit Frühwarnsystemen. Das kann alles zu Missinterpretationen führen und so zu einem Raketenstart. […] wir können alle in 72 Minuten verschwinden.“
Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung, Heyne, München 2024, 400 Seiten, 22,00 Euro.
Selbstbestimmungsgesetz
„Etwa ein Prozent der Menschen in Deutschland identifizieren sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht. Es ist eine sehr kleine Gruppe“, informierte die FAZ online am 12. April 2024.
Das war der Tag, an dem im Bundestag das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet wurde. Was sich damit im Vergleich zur bisherigen Praxis ändert, fasste die Berliner Zeitung folgendermaßen zusammen: „Nach Inkrafttreten des Gesetzes, am 1. November ist es soweit, werden Transpersonen ab 14 Jahren in Deutschland ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in offiziellen Dokumenten beim Standesamt ohne die Notwendigkeit medizinischer Gutachten ändern können.“
Leider unterschlug das Blatt mit dieser grundsätzlich korrekten Mitteilung die restlichen 99 Prozent der gesetzlich verfügten Veränderung, denn nicht nur Transpersonen können das neue Recht in Anspruch nehmen, sondern – jeder ab 14 Jahre. Welchen auch kriminellen Missbrauch das nach sich ziehen kann, wird die Zeit zeigen. Sahra Wagenknecht sagte in der Bundestagsdebatte, die der Abstimmung über das Gesetz vorausging: „Einmal im Jahr sein Geschlecht frei wählen zu können, diesen grandiosen Freiheitsgewinn haben Millionen Bürgerinnen und Bürger sicher seit Jahren sehnlichst erwartet“. Und wenig später: Das „Gesetz macht Eltern und Kinder zu Versuchskaninchen einer Ideologie, von der nur die Pharmalobby und die Pharmaindustrie profitieren. Das BSW sagt Nein zu diesem gefährlichen Irrsinn“.
Brauner Bundesbank-Chef
Mit der Aufarbeitung ihrer NS-Vorgeschichte, also der eigenen Beteiligung an den Naziverbrechen, ist die Bundesbank noch später dran als andere. Das Auswärtige Amt tat dies zwar auch erst in den 2000er Jahren getan, aber dann eben doch noch fast zwei Jahrzehnte früher als das noble Geldinstitut. Industriekonzerne wie Volkswagen hatten sich schon in den 1990er Jahren bequemt.
Erst im Jahre 2017 hatte der damalige Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ein elfköpfiges Historiker-Team unter Führung von Magnus Brechtken vom Institut für Zeitgeschichte in München und Albrecht Ritschl von der London School of Economics damit beauftragt, das braune Erbe der Bundesbank zu untersuchen. Jetzt, sieben Jahre später, haben die Wissenschaftler ihre Ergebnisse vorgelegt, zunächst in Form einer hundertseitigen Zusammenfassung, der bald weitere Publikationen folgen sollen. Damit ist nunmehr quasi bundesbankamtlich bestätigt, was unter der Hand insbesondere Insidern immer, also auch zum Zeitpunkt seiner Ernennung im Jahre 1958, bekannt war: Karl Blessing, der erste Präsident der Bundesbank, hatte eine besonders unappetitliche braune Vergangenheit – er gehörte dem „Freundeskreis Reichsführer SS“ an, einer Gruppe von unmittelbaren (vor allem finanziellen) Unterstützern des NS-Massenmörders Heinrich Himmlers aus der deutschen Wirtschaft.
„Blessing“, so berichtete die FAZ kürzlich, „diente lange loyal dem Naziregime. Die von der Reichsregierung betriebene Einschränkung von Devisentransfers ins Ausland gestaltete der fähige Geldexperte mit. Die sogenannte Devisenbewirtschaftung wurde zur Plünderung der Vermögen von Juden, die ins Ausland fliehen wollten, missbraucht. 1938, nach dem deutschen Einmarsch in Österreich, wurde Blessing von seinem Förderer Schacht damit betraut, in Wien die Übernahme der österreichischen Notenbank zu organisieren und die Beschlagnahmung jüdischer Vermögenswerte abzuwickeln.“
In der jungen Bundesrepublik war dies öffentlich nicht bekannt, und an der Spitze des Staates nahm man keinen Anstoß daran. Im Gegenteil, so die FAZ: „Blessing war ein hoch angesehener Mann im Nachkriegsdeutschland. Der Notenbanker wurde als Hüter der Deutschen Mark verehrt.“ Kanzler Ludwig Erhard dekorierte den Verdienten 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz.
Nur einmal gab es einen PR-Gau. Das war 1965. Da thematisierte die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, die legendäre Kabarettgruppe um den unvergessenen Dieter Hildebrandt, bei einem Gastspiel ausgerechnet in Frankfurt am Main, dem Dienstsitz der Bundesbank, das braune Kapitel Blessings. Die Informationen dafür stammten pikanterweise aus der in der Bundesrepublik üblicherweise nur als Zone bezeichneten DDR. Dort war im Sommer 1965 ein „Braunbuch“ veröffentlicht worden, das die NS-Vergangenheit von führenden Repräsentanten der westdeutschen Republik detailliert dokumentierte.
Blessing sei ob des Auftritts der Münchner Kabarettisten stark mitgenommen gewesen, berichteten später Mitarbeiter. Das war’s dann aber auch. Der Bundesbank-Chef hat die Affäre unbeschadet überstanden und blieb bis 1969 im Amt. Er starb 1971 und hatte es bis dahin konsequent vermieden, sich mit seiner Rolle im Dritten Reich wahrnehmbar auseinanderzusetzen.
Film ab
Knut Elstermann, geschätzter Cinema-Experte von radioeins, meint „‚Ein Glücksfall‘ ist einer der besten Woody-Allen-Filme seit langem“. Elstermann spricht gar von einem „bürgerlichen Psychothriller“ und hat ihm mit vier von fünf Filmrollen die zweithöchste Elstermann-Wertung verpasst. Das muss daher ein völlig anderer Film gewesen sein als jener, den der Besprecher gesehen hat. Denn in diesem agieren die Schauspieler durchweg so hölzern und emotionslahm wie noch in keinem derjenigen Allen-Filme, an die sich der Besprecher erinnert Und das sind so wenige nicht. Im Glücksfall hingegen versprüht selbst der Seitensprung der Protagonistin, der nicht zuletzt von heftiger sexueller Anziehung herzurühren scheint, so viel prickelnde Erotik, wie man sie allenfalls erwarten darf, wenn zwei Eiswürfel in der Kühltruhe schnackseln. Und von einem Thriller im ursprünglichen Sinne des Wortes („a faint cold fear thrills through my veins“ / „eine leise, kalte Angst zieht durch meine Adern“ – Shakespeare, „Romeo und Julia“) hat der Film nun schon gar nichts, von Suspense hitchcockscher Art ganz zu schweigen.
Doch da Kollege Elstermann der weit erfahrenere Filmfachmann ist, hat er womöglich erkannt, dass das Genie Woody Allen diesen Film ganz vorsätzlich so schwach geplottet und inszeniert hat, damit die Schlusspointe umso mehr reinhaut. Das tut sie durchaus; man könnte glatt einen Roald Dahl („feiner schwarzer Humor“ / Wikipedia) oder Stanley Ellin („treibt den Galgenhumor auf die Spitze“ / Suhrkamp) vergeben. Doch die vorangegangenen anderthalb Stunden gähnender Langeweile macht das leider nicht wett.
„Ein Glücksfall“ ist Allens 50. Film und sein erster ausschließlich mit französischen Schauspielern und auf Französisch gedrehter. Wenn nun nichts mehr nachkäme – der Meister wird nächstes Jahr immerhin 90, er wurde 24-mal für den Oscar nominiert und hat ihn viermal erhalten –, dann wäre das kein Pechfall. Es gibt genug Streifen in seinem Œvre, die man sich alle paar Jahre mit großem Vergnügen immer wieder ansehen kann.
„Ein Glücksfall“, Drehbuch und Regie: Woody Allen; derzeit in den Kinos.
Längst vergessen?!
Fundstücke aus DDR-Jahrgängen der Weltbühne, die dank einer Spende aus Leserhand nunmehr im Blättchen-Archiv stehen.
Plädoyer für die weibliche Endung
Seit langem fällt auf, wie inkonsequent die Sprache mit den Frauen verfährt: Bald billigt sie Ihnen zu, sich im berufsbenennenden Substantiv zur Weiblichkeit zu bekennen, bald verwehrt sie ihnen die geschlechtseigene Endung. Die Beispiele, die hier aufgeführt sind, stammen alle aus Ehrentafeln für tüchtige Kolleginnen, die für ihre Leistungen ausgezeichnet wurden. Herzlichen Glückwunsch dazu von einem, der die Gleichberechtigung auch bei der Berufsbezeichnung durchgesetzt sehen möchte.
Denn es ist nicht einzusehen, wieso Frau Erna Elektromontiererin ist, Frau Elsa hingegen Elektromonteur. Dorothea ist Maschinenarbeiterin, eine andere Dorothea Meßwartenfahrer. Erika ist Mitarbeiter, Martha Facharbeiterin. Lucie ist Professorin. im Ruhestand aber Hochschuldozent, während der Oberlehrer Maria im Ruhestand Rentnerin ist. Wird ein System erkennbar? Vielleicht so: In Verwaltung, Massenorganisationen, Wissenschaft gibt es fast nur maskuline Berufsbezeichnungen für Frauen: Kaderinstrukteur, Bereichsleiter. Gruppenleiter, Bürgermeister, Direktor, Sektorenleiter, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Sachbearbeiter, Schichtmeister – auch wenn von Frauen ausgeübt. Dagegen: Vorsitzende, Abgeordnete, Beauftragte: durchweg die weibliche Form. Ein seltener Fund: eine Wirtschaftsleiterin, einsam unter Dutzenden weiblicher Leiter.
In der HO Lebensmittel sind die Frauen Abteilungsleiter, bei der IDFF sind sie Abteilungsleiterinnen. Die DBD beschäftigt Frauen als Kreissekretäre, der DFD Bezirkssekretärinnen. Unsicherheit auch in der Landwirtschaft: Genossenschaftsbäuerin hat sich durchgesetzt, auch Gartenfacharbeiterin, Facharbeiterin für Rinderzucht, dagegen weibliche Mähdrescherfahrer, Versorgungsfahrer. In der Industrie: Chemiearbeiterin, Weberin, Garnausgeberin, Sortiererin, Farbglaspoliererin, Damenmaßschneiderin, aber auch Frauen als Baumaschinist, Brigadier, Fahrzeugelektriker, Automatenschneider, Operativkontrolleur, Bohnenkaffeeröster. Auch im Bereich der Künste schwankendes Verhalten: Dramaturg, aber Schauspielerin.
Bei einigen Berufsangaben entstehen Zweifel: Ist das männliche Gegenteil zu Schauerin Schauer oder Schauermann? Wie bei Oberin: der Ober? Schwestern, Oberschwestern, Stationsschwestern halten sich aus allem heraus: an ihrer Weiblichkeit ist selbst dann nicht zu zweifeln, wenn beim Schriftverkehr der Vorname abgekürzt ist.
Kürzlich unterhielt ich mich mit einem Redakteur über diese Erscheinung und hörte dabei die Ansicht: Vielleicht liegt den Frauen nicht an den weiblichen Endungen, weil sie zeigen wollen, wie sie in Männerberufen ihren Mann stehen?
Ich kann mich irren, aber bei so vielen tüchtigen Frauen scheint die Redewendung seinen Mann stehen bald so wenig haltbar zu sein wie die Meinung des Redakteurs über die Frauen. Der Genauigkeit wegen will ich hinzufügen, daß der Redakteur eine Frau war.
R.C.
Weltbühne, 9/1980
Die Schreibweise des Originals wurde beibehalten.
Die Paraphe R.C. steht für Richard Christ, den 2023 verstorbenen Schriftsteller und langjährigen Mitarbeiter der Weltbühne. Leider ist es der Redaktion nicht gelungen, Inhaber der Rechte an den Wb-Publikationen Christs ausfindig zu machen. Wir bitten daher darum, sich gegebenenfalls mit uns in Verbindung zu setzen.
Kraut für die Ohren
„Krautmusik“ war die (selbst-)ironische Verballhornung der ersten musikalischen Erzeugnisse, die parallel oder nachgelagert zur Pop- und Rockmusik in den angelsächsischen Ländern entstand und teils wunderliche, teils schräge, teils formidable Hörerlebnisse vermittelte.
Wunderlich, schräg und formidabel – dies trifft auch auf die CD-Anthologie „Heavy Kraut Teil 1“ zu.
Sogar Freunde der gepflegten Rockmusik tun sich schwer, deutsche Bands aus der ersten Hälfte der 1970er Jahre zu benennen.
Während Bands aus England und den USA wie Deep Purple, Uriah Heep, Led Zeppelin oder Alice Cooper immer noch hierzulande (und weltweit) eine beachtliche Fangemeinde haben, ist die Kenntnis über die Anfänge der Rock- und Heavy Rock-Musik „made in Germany“ wenigen Experten vorbehalten.
Dieses Insiderwissen für Interessenten zugänglich zu machen, ist das Anliegen der CD-Reihe „Heavy Kraut“.
Teil eins unter dem Titel „Wie der Hardrock nach Deutschland kam“ umfasst die Jahre 1970 bis 1976.
Berlin, Hannover und Mannheim waren einige der Zentren der ersten musikalischen Gehversuche. Nur den wenigsten Bands war ein anhaltender Erfolg vergönnt.
Kommerziell auf längere Sicht am erfolgreichsten waren sicherlich die Hannoveraner „Scorpions“. Doch das 1972er Stück „In Search of the Peace of Mind“ ist weder so eingängig noch so populär wie beispielsweise fünfzehn Jahre später das Stück „Wind of Change“ derselben Band.
Zwei DDR-Rockbands sind in dieser musikhistorischen Zusammenstellung gleichfalls vertreten: die „Puhdys“ mit dem lyrischen Untergangsszenario „Vineta“ aus dem Jahr 1973 sowie „Electra“ mit dem 75er Powerrock-Song „Bemühe dich“.
Von der einen oder anderen Kuriosität seien hier explizit noch „Cindy & Bert“ genannt. Ja, dieses Schlagerduo – im Laufe der 70er Jahre Dauergast in der ZDF-Hitparade – veröffentlichte 1971 mit „Der Hund von Baskerville“ eine düstere deutsche Coverversion des Black Sabbath-Klassikers „Paranoid“.
Manche musikalische Schwäche dieser Anthologie wird durch das sehr informative wie gut lesbare Booklet kompensiert.
Und so manches Kraut ist eine (Wieder-)Entdeckung wert …
„Heavy Kraut“ Teil 1, DoCD, Label: Bear Family, 2023, 24,99 Euro.
Biene Majas blühende Welt
Wer Kinder hat, kann natürlich mit vielen bekannten Figuren etwas anfangen. Da wären der liebe Pittiplatsch, all die lustigen Puppen von der Augsburger Puppenkiste, nun auch die Paw-Patrol Hunde und Feuerwehrmann Sam. Schon seit vielen Zeiten gibt es die Biene Maja, die als Zeichentrickfigur durch zahllose Abenteuer fliegt. Jeder Fan kann das einstmals von Karel Gott, heute leider von Helene Fischer, vorgetragene Filmlied über die Biene Maja singen.
Das kleine schwarz-gelb gestreifte Insekt ist liebenswert, intelligent, bei fast allen Wiesenbewohnern beliebt, freiheitsliebend und doch fest mit Königin und Bienenvolk verbunden. Wer aber hat die Biene eigentlich erschaffen und in die Literatur eingeführt? Es war Waldemar Bonsels, dessen Buch nun wieder erscheint und mit einigen Illustrationen von Kurt Wiese verfeinert wurde. Entstanden ist „Biene Maja und ihre Abenteuer“ im Sommer 1912.
Bonsels wurde am 21. Februar 1880 geboren und hatte fortschrittliche Eltern, die ihrem Sohn viele Möglichkeiten in Sachen Kunst, Studium und Schriftstellerei ermöglichten. Da in der heutigen Zeit die Kinofilme und die Serie nur wenig mit dem Original gemein haben, weiß man in der Regel auch nicht, dass Bonsels ein idealisiertes Abbild des deutschen Kaiserreichs geschaffen hatte. Wer das Buch genau liest (also eher die Eltern) wird erkennen, dass der Autor einen Rechtsstaat entwarf und Maja in diesem ihre Abenteuer erleben lässt. Über ihre Entdeckungsfreude, ihre wunderbare Neugier und ihren Tatendrang wird spannend und lesenswert berichtet.
Majas, wie man heute sagen würde, Credo: „Ich will die blühende Welt sehen […] ich bin nicht wie die anderen Bienen sind.“ Sie trifft auf Grashüpfer, Schmetterlinge und Tausendfüßler, muss sich aus einem Spinnennetz befreien, kann sich gegen Hornissen wehren und ihr Bienenvolk vor diesen warnen. Das Bienenvolk wiederum kann den Hornissen eine blutige Niederlage beibringen. Tolles Buch, das sich sehr gut zum Vorlesen eignet.
Übrigens: Einen Willy gibt’s in Bonsels Geschichte nicht, und auch viele weitere Insektentypen wurden erst in der Serie zum Leben erweckt.
Waldemar Bonsels: Die Biene Maja und ihre Abenteuer, Reclam Verlag, Ditzingen 2024, 188 Seiten, 14,00 Euro.
Vogelmette
Dringt das erste Dämmerlicht
grüßend mir ans Bette,
hör’ ich vor den Fenstern dicht
eine Vogelmette.
Hell vom Platz vor meinem Haus,
wo die die Sträucher ranken
klingt sie in die Stadt hinaus
wie ein kindlich Danken.
Leise da und dort erwacht
erst ein Vogelseelchen
und halb schlummernd noch und sacht
stimmen sich die Kehlchen.
„Guten Morgen!“ hör’ ich’s dann
„fehlen denn auch keine?“
„Munter, Kinder, fangt nur an,
noch sind wir alleine!“
Und nun setzt es silbern ein
keusch in jedem Klange,
vogelfröhlich, glockenrein,
frisch zum Morgensange.
Innig wie ein Kinderlied,
wie ein Märchen traulich,
dass es durch die Lüfte zieht
wundersam erbaulich.
Wie es schwillt und wogt und rollt
und zum Schöpfer schwebt,
bis das erste Sonnenlicht
um die Dächer webt.
Heinrich Lund / Wilhelm Suhr (Hrsg.): Deutsches Dichterbuch, Verlag Herrosé & Ziemsen, Wittenberg o.J.
Auf den Punkt gebracht
Aus 100 Dollar 110 Dollar zu machen, ist Arbeit.
Aus 100 Millionen Dollar 110 Millionen zu machen, ist unvermeidlich.
Edgar Bronfman,
Milliardär
Irrtümer haben ihren Wert;
jedoch nur hier und da.
Nicht jeder, der nach Indien fährt,
entdeckt Amerika.
Erich Kästner
Religionen, das sind Schuldgefühle mit verschiedenen Feiertagen.
Peter Sloterdijk
Der Krieg ist darin schlimm,
dass er mehr böse Leute macht,
als er deren wegnimmt.
Immanuel Kant
Zum ewigen Frieden (1795)
Leben ist das,
was dir zustößt,
wenn du Pläne machst.
John Lennon
Die alleinseligmachende Wahrheit
ist immer nur der Irrtum ihrer Verkünder.
Bodo Hombach
Je mehr Leute es sind, die eine Sache glauben,
desto größer ist die Wahrscheinlichkeit,
dass die Ansicht falsch ist.
Menschen, die recht haben, stehen meistens allein.
Søren Kierkegaard
Pessimismus ist nichts anderes als Realismus,
befreit von Illusionen.
Christian von Ditfurth
Alles, was uns an anderen missfällt,
kann uns zu besserer Selbsterkenntnis führen.
Carl Gustav Jung
Für Wunder muss man beten,
für Veränderung aber arbeiten.
Thomas von Aquin
Wir müssen auch aus den Fehlern anderer lernen.
Wir leben nicht lange genug, um sie alle selber zu machen.
Groucho Marx
Der Tag ist 24 Stunden lang,
aber unterschiedlich breit.
Wolfgang Neuss
Erringe zuerst den Sieg
und dann mache das Beste aus ihm
Lord Horatio Nelson
Ein Beispiel zu geben ist nicht die wichtigste Art,
wie man andere beeinflusst.
Es ist die einzige.
Albert Schweitzer
Nur weil du paranoid bist,
heißt das nicht,
dass sie nicht hinter dir her sind.
Joseph Heller
Man muß das Wahre immer wiederholen,
weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird,
und zwar nicht von einzelnen, sondern von der Masse.
In Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten,
überall ist der Irrtum oben auf, und es ist ihm wohl und behaglich,
im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist.
Johann Wolfgang von Goethe,
Gespräche mit Eckermann, 16.12.1828
Aus anderen Quellen
„Es dürfte kaum noch jemand ernsthaft bestreiten“, so Alexander S. Neu, „dass der Krieg in der Ukraine zwei miteinander verwobene Dimensionen aufweist: Erstens der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und zweitens der Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und Russland auf dem Boden des ukrainischen Staates. Die zweite Dimension […] ist von besonderer Gefährlichkeit aufgrund der möglichen räumlichen Entgrenzung des Krieges auf ganz Europa sowie der qualitativen Entgrenzung, mithin der realen Gefahr eines Atomkrieges.“
Alexander S. Neu: Der Westen muss sich zwischen Diplomatie und einem totalen Krieg entscheiden, berliner-zeitung.de, 22.03.2024. Zum Volltext hier klicken.
*
„Für das Für und Wider von Waffenlieferungen an die Ukraine spielten und spielen das Grundgesetz und sein Friedensgebot kaum eine Rolle.“ Diese Einschätzung trifft Heribert Prantl und fährt fort: „Vielleicht deshalb gilt die Warnung vor einer ‚Eskalation‘ des Krieges als Ausdruck der Verzagtheit, vielleicht deshalb werden in dieser Debatte Wörter wie ‚Kompromiss‘ und ‚Waffenstillstand‘ häufig so ausgesprochen, als wären sie vergiftet; vielleicht deshalb gilt Kriegsrhetorik als Ausdruck von Moral.“
Heribert Prantl: Wie das Grundgesetz wurde, was es heute nicht mehr ist, berliner-zeitung.de, 13.04.2024. Zum Volltext hier klicken.
*
Im Begleitwort zur Neuauflage seines Buches „Der verpasste Nazi-Stopp“ hatte Robert Kempner, Stellvertreter des amerikanischen Chef-Anklägers in den Nürnberger Prozessen, bereits 1983 an die Nachgeborenen geschrieben: „In einer Demokratie ist es möglich und notwendig, dass die Medien und jeder einzelne Bürger sich um den Kampf gegen radikale staatsfeindliche Strömungen kümmern. Der Grundsatz, dass ewige Wachsamkeit der Preis für die Freiheit ist, muss stärker als bisher beachtet werden“.
Gerd Kley Wie Robert M. W. Kempner dabei scheiterte, die Nazis zu stoppen, berliner-zeitung.de, 16.03.2024. Zum Volltext hier klicken.
*
Man dürfe „sich fragen, was genau Politikern vom Schlage eines Armin Laschet wirklich Angst einjagt. Die AfD? Oder die Sorge davor, dass die Parteigänger der CDU von den Futtertrögen der Macht verdrängt werden?“, meint Jens Berger und schreibt weiter: „Seien wir doch mal ehrlich – wer geht in eine Partei, um sich für die politische Willensbildung des Volkes zu engagieren, und wer geht in eine Partei, um sich selbst dadurch Karriereperspektiven zu eröffnen? Gerade bei der CDU dürfte zumindest ab der Funktionärsebene Letzteres gar nicht mal so selten vorkommen. Die Möglichkeit, Ämterpatronage zu betreiben, ist ein zentraler Bestandteil der Macht von Parteien und damit auch ein zentrales Motiv für Bürger, einer Partei beizutreten.“
Jens Berger: Armin Laschet verrät – ohne es zu bemerken – worum es beim „Kampf gegen rechts“ auch geht, nachdenkseiten.de, 14. März 2024. Zum Volltext hier klicken.
Letzte Meldung
Seit dem Erscheinen der ersten ausschließlich online publizierten Ausgabe im Jahre 2010 ist diese Blättchen-Nummer die insgesamt 400. Online-Ausgabe.
Schlagwörter: Alfons Markuske, Ämterpatronage, Annie Jacobsen, Atomkrieg, Avenarius, Biene Maja, Bundesbank, Clemens Fischer, Demokratie, Ein Glücksfall, Gleichberechtigung, Grundgesetz, Heavy Kraut, Karl Blessing, Robert Kempner, Selbstbestimmungsgesetz, Thomas Behlert, Thomas Rüger, Ukraine, Waldemar Bonsels, Werner Birnstiel, Woody Allen