25. Jahrgang | Nummer 5 | 28. Februar 2022

Bemerkungen

Vorahnung

von Renate Hoffmann

Noch wehen kühle Winde
vom Fluss herauf.
Die Wellen ziehn gelinde
in stillem Lauf.

Noch frieren Baum und Büsche
und dort der Schlehdornstrauch.
Im Wasser Frosch und Fische,
die frieren auch.

Doch an den dünnen Haaren
vom Trauerweidenbaum,
fast ists nicht zu gewahren,
man glaubt es kaum –
da sitzen grüne Knöpfchen
und staunen in die Welt,
als wärens schlaue Köpfchen,
die nichts im Dunkel hält.

Die Tage werden heller,
die Wellen wandern schneller.
Von fern ein Flötenton.
Ist das der Frühling schon?

Für Kurt Eisner und Gustav Landauer

Am 21. Februar erinnerte in München der Verein „Das andere Bayern – Verein für demokratische Kultur e.V.“ daran, dass vor 103 Jahren Kurt Eisner von einem Rechtsextremisten ermordet wurde. Zugleich erneuerte der Verein seine Forderung, den Münchener Marienhof nach Eisner zu benennen. Wir unterstützen diese Forderung, halten es aber noch wie vor für zwingender, Eisner gebührend in der Kardinal-Faulhaber-Straße zu würdigen. In der fielen seinerzeit die tödlichen Schüsse. München hätte so die einmalige Gelegenheit, seine damalige Faulhaber-Entscheidung zu korrigieren. Wer sich mit der Biographie des Kardinals genauer befasst, wird recht braun besudelt aus deren Untiefen herauskommen … „Uns kommt es aufrichtig aus der Seele: Gott erhalte unserem Volk unseren Reichskanzler“, telegrafierte Faulhaber im Juli 1933 an Adolf Hitler. Und nach dem gescheiterten Elser-Attentat vom 8. November 1939 ordnete Faulhaber in der Frauenkirche – der Kathedralkirche des Erzbistums – ein Te Deum an, „um […] der Göttlichen Vorsehung zu danken, daß der Führer dem verbrecherischen Anschlag, […] glücklich entronnen ist“. Natürlich war der Mann, also der Kardinal Faulhaber, im Widerstand.

München argumentiert gegen solche Vorschläge mit dem Verweis auf eine Kurt-Eisner-Straße in Ramersdorf-Perlach, einem Stadtteil am südostlichen Rand der bayerischen Landeshauptstadt. Ansonsten sehe man, so teilt es der Verein mit, seitens der Stadtverwaltung keinen weiteren Bedarf an Ehrungen Eisners. Man könnte allerdings die Kardinal-Faulhaber-Straße auch nach Gustav Landauer benennen. Landauer wurde am 2. Mai 1919 in München-Stadelheim von Freikorps-Söldnern auf viehische Weise umgebracht. Der Gustav-Landauer-Bogen in Schwabing-West dürfte kein Hindernis sein. Das ist eine Spielstraße.

München hat an Eisner und Landauer noch einiges gutzumachen. „In München haben wir mit der Hinrichtung des Eisner den Nachweis geliefert, daß es uns nicht an Temperament fehlt. Die Berliner werden auch dankbar anerkennen müssen, daß wir ihnen den Landauer durchgetan haben. Immerhin waren dies nur Vorspiele für größere Kuren, die wir gelobt haben für den Fall, daß sich die Beschnittenen bei uns noch einmal mausig machen. Dann geht´s aus dem Vollen.“ Das ließ ein gewisser Ludwig Thoma am 8. April 1921 im Miesbacher Anzeiger drucken. Aber „dr Ludwig“ ist in Bayern sakrosankt, der ist dank seiner „Lausbubengeschichten“ fast Folklore. In unserer Republik müssen wir uns über nichts wundern.

Günter Hayn

Ein Finne in Fürth spielt Folk Noir

Roman noir und Film noir, also schwarzer Roman beziehugsweise Film, sind durchaus gängige kulturelle Gattungsbegriffe. Keine glatten „Who’s done it?“-Werke, auch die Detektive oder andere Protagonisten dürfen ohne falsche Skrupel Gewalt anwenden. Prototypisch stehen hier die Krimiwerke von Raymond Chandler oder Dashiell Hammett, wo die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht immer trennscharf auseinanderzuhalten sind.

Der im fränkischen Fürth wohnende finnische Musiker Mäkkelä gibt seiner Musik das Etikett Folk noir, also schwarze Folkmusik. Er ist ein Musiker, der in Vor-Pandemie-Zeiten viel unterwegs war…Und höchst unterschiedliche Orte tauchen auch in seinen Liedern auf, bevölkert mit Geistern, dem Teufel oder anderen dunklen Gestalten. Die musikalischen Einspielungen der Lieder verzichten auf elektronische Zusätze oder Gimmicks, insofern darf er als klassischer Songwriter bezeichnet werden, meistens reduziert auf seine dunkle Stimme und die Gitarre, manchmal mit Gastmusikern am Cello, dem Banjo oder der Violine verstärkt.

Entstanden sind die Lieder auf dem Album „Dog & Typewriter“ in der ersten Corona-Zeit, aber es ist beileibe kein „Covid-19“-Album. Wer musikalische Vergleiche sucht, mag Ähnlichkeiten zu den Liedern von Tom Waits, Nick Cave und sogar manchen frühen Stücken von Bob Dylan erkennen.

Aber Mäkkelä ist beileibe kein Imitator, seine schaurig-schön-düster-melancholischen Begegnungen und Erlebnisse schildert er sehr authentisch.

In seinen eigenen Worten:

„Because there a these days
When I wake up in the backseat
Of a van or in a bed some unknown person made for me
I can look out of the window
I can see my planet spin
Have a coffee or just write a song
That’s when I know this world is mine.“

Wer weiß, vielleicht ist dieses musikalische Panoptikum der Absonderlichkeiten tatsächlich so entstanden, zum Beispiel auf dem Rücksitz eines Lieferwagens…?!

Thomas Rüger

Mäkkelä – Dog & Typewriter, CD, 9pm Records / Broken Silence 2021, 15,00 Euro.

Aus anderen Quellen

In einer Pressekonferenz im Anschluss an den Austausch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 07.02.2022 in Moskau führte der russische Präsident Wladimir Putin unter anderem aus: Der Westen würde „immer noch versuchen, Russland mit dem Argument zu beruhigen, die NATO sei eine friedliche und rein defensive Organisation, ein reines Verteidigungsbündnis. Die Bürger vieler Staaten haben aus eigener Erfahrung gesehen, wie wahr das ist.“ Putin betonte des Weiteren, „dass, wenn die Ukraine der NATO beitritt und versucht, die Krim mit militärischen Mitteln zurückzuerobern, die europäischen Länder automatisch in einen militärischen Konflikt mit Russland hineingezogen werden“.
Russia’s Key Security Concerns Ignored by US, NATO, sputniknews.com, 07.02.2022. Zum Volltext hier klicken.

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Vom China-Russland-Gipfel in Peking Anfang Februar war in hiesigen Qualitätsmedien inhaltlich wieder einmal so gut wie nichts zu erfahren. Das ist nicht bloß Zeichen westlicher Arroganz, sondern überschreitet quasi, da systematisch betrieben, auch die Grenze zur Desinformation. Umso verdienstvoller ist es, dass Rainer Böhme, Dresden, und Blättchen-Autor Wilfried Schreiber, Berlin, über die Schriftenreihe dgksp-dp immer wieder den Zugriff auf Schlüsseldokumente nicht nur der russisch-chinesischen Beziehungen ermöglichen. So auch im Hinblick auf das jüngste Gipfeltreffen.
Rainer Böhme / Wilfried Schreiber (Hrsg.): Zum Gipfeltreffen Russland – China (Februar 2022). Global Governance im Diskurs (V), Dresden, Februar 2022. Zum Volltext hier klicken.

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Gedanken über die innerparteiliche Widersprüchlichkeit von Bündnis 90/Die Grünen gemacht hat sich in der Senderreihe Politisches Feuilleton von Deutschlandfunkkultur Tanja Dückers und dabei unter anderem festgestellt, dass die Partei zwar seit Jahren ein Tempolimit gefordert hat, es aber jetzt, wo mitregiert wird, nicht durchsetzen – womöglich, weil man Volkspartei werden und daher breitere Wählerschichten nicht verprellen will. Und: „Auf der anderen Seite verstehen viele WählerInnen nicht den identitätspolitischen zeitgeistigen Sprech aus Body Positivity und Against Fat Shaming, für den Ricarda Lang nach Ansicht der Grünen stehen soll.“ Dückers bezweifelt, „ob es ein geschickter Schachzug war, eine junge Studienabbrecherin wie die 28-jährige Lang gleich zur Co-Parteivorsitzenden zu machen“.
Tanja Dückers: Eine Regierungspartei ist kein Nischenverein, deutschlandfunkkultur.de, 16.02.2022. Zur Audiowiedergabe hier klicken.

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Palantir ist ein US-Unternehmen der besonderen Art, wie schon vor Jahren der Wirtschaftswoche zu entnehmen war: „Niemand ist besser als Palantir darin, Daten zu analysieren, Spuren zu folgen, Menschen aufzuspüren. Das sagen jedenfalls die Geheimdienste, für die das Unternehmen arbeitet.“ Und DIE WELT präzisierte seinerzeit, Palantir sei einer „der wichtigsten Technologiezulieferer der US-Geheimdienste“. Der Mann hinter Palantir heißt Peter Thiel und ist ein deutschstämmiger Selfmademilliardär – ebenfalls der besonderen Art. Mit ihm hat sich Jan Böhmermann eingehender beschäftigt. Unter der Fragestellung: „Ewiges Leben & Weltherrschaft – wer ist Peter Thiel, der künftige Chef von Österreichs in Ungnade gefallenem Ex-Kanzler Sebastian Kurz?“
ZDF Magazin Royale, zdf.de, 11.02.2022. Zur Videowiedergabe hier klicken.