Wider die atomaren Gefahren
Anlässlich des 75. Jahrestages des Abwurfes der ersten US-Atombombe auf Hiroshima am 6. August 1945 haben ehemalige Diplomaten aus der DDR und der BRD, die bei der Genfer Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen tätig gewesen sind, in einer gemeinsamen Erklärung zum Ausdruck gebracht: „Es ist […] dringend geboten, der nuklearen Rüstungskontrolle wieder den ihr gebührenden zentralen Platz auf der internationalen Tagesordnung zu geben. Höchste Priorität hat dabei die Bewahrung und Stärkung des Atomwaffensperrvertrages.“ Mit diesem Ziel haben die Ex-Diplomaten zugleich einen sechsgliedrigen Katalog komplexer Maßnahmen zur Minderung der nuklearen Gefahren in der Welt unterbreitet (zur Erklärung hier klicken).
Hans-Jochen Vogel (†)
Ganz dem landläufigen Verständnis von de mortuis nil nisi bene entsprechend folgte in zahlreichen Nekrologen auf den verstorbenen früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel höchst Löbliches auf Superlative und wurde beides trefflich flankiert von Verdiensten und Denkwürdigkeiten.
Sein einer aktueller Nachfolger im Amt des SPD-Chefs, Norbert Walter-Borjans, befand Vogel für einen „ganz Großen der Sozialdemokratie“. Und: „Er hat vorgelebt, was es wert ist, eine Haltung zu haben.“ Ein anderer Ex-SPD-Chef nach Vogel, Siegmar Gabriel, sah in ihm den „Repräsentanten der reformorientierten und kraftvollen SPD“, den als „Oberlehrer“ abzuqualifizieren „immer mehr über deren (der Kritiker – H.-P.G.) eigene Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit ausgedrückt“ habe denn über des Verblichenen Charakter. Ein dritter Ex-SPD-Chef nach Vogel, Franz Müntefering, erinnerte daran: „Ideologie und Wolkenschieberei wurden nie seine Sache.“ Vielmehr sei er „Anker für vieles und viele, für die ganze SPD“ gewesen sowie: „Ein stolzes Stück SPD-Geschichte.“ Und Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung, bescheinigte Vogel, „für sein deutsches Vaterland wie ein Recke gekämpft und dabei nicht wenige Wunden empfangen“ zu haben. Hübsch auch, dass Prantl noch im Gedächtnis hatte, dass die Schweizer Weltwoche Vogel mit Blick auf seine Zeit als sehr beliebter Oberbürgermeister von München einst zum „Karajan der Kommunalpolitik“ geadelt hatte.
De mortuis nil nisi bene jedoch, so meinen feinsinnigere Interpreten, habe nie bedeutet, Verstorbene so über den grünen Klee zu loben, dass sie quasi zu Heilsgestalten werden, denen nie auch gänzlich anderes unterlaufen wäre, sondern vielmehr jenes, entsprechend gewichtet (bene), ebenfalls aufs Tapet zu bringen.
Also: Fakt ist nun mal ebenfalls, dass Hans-Jochen Vogel als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion (ab 1983) und als SPD-Parteichef (ab 1987) beim Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, dermaßen antichambrierte, dass er zu einem von dessen häufigsten Besuchern aus dem Westen wurde. Dutzende Begegnungen sollen es gewesen sein. Das Verhältnis gestaltete sich so, dass Honecker, was die grundsätzliche Bewertung des Verhältnisses SPD – SED anbetraf, schließlich eher Vogel traute als den eigenen Leuten. Als Honecker im Zusammenhang mit dem SED-SPD-Papier „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ vom August 1987 eine Feststellung von Egon Bahr hinterbracht wurde, dass das Papier aus Sicht der SPD nichts an der prinzipiellen Feindschaft beider Parteien ändere (siehe ausführlicher Das Blättchen, Sonderausgabe, 23. September 2019), beschied Honecker dem Emissär, Stasi-Minister Mielke: SPD-Chef Vogel habe ihn, Honecker, des glatten Gegenteils versichert! Wenige Jahre später allerdings, so Helmut Kohl in seinen Memoiren, war Vogel der entscheidende Weichensteller dafür, dass die höchsten Amts- und Funktionsträger der DDR – darunter Honecker – nach dem 3. Oktober 1990 nicht von strafrechtlicher Verfolgung freigestellt wurden. Kohls Resümee: „Hans-Jochen Vogel, der dem Staatsratsvorsitzenden jahrelang politisch wie menschlich mit großem Entgegenkommen begegnet war, zeigte Honecker jetzt die kalte Schulter.“
Auch ein Zeichen dafür, „was es wert ist, eine Haltung zu haben“?
Rettende Insel
Wenn Parteien sich und Massen
Sichtbar und geräuschvoll hassen,
Klingt das mir wie Meeresrauschen.
Und dann mag ich henkelltrocken
Still auf einer Insel hocken,
Die mich zusehn läßt und lauschen.
Nicht, daß ich dann etwa schürfe
Oder was dazwischen würfe
Oder schlichten wollte, nein,
Nein, ich weiß, das muß so sein.
Und ich dehne mich und schlürfe
Eingefangnen Sonnenschein.
Wechselnd laut und wieder leise
Rauscht das Meer in weitem Kreise
Mir vertraute Melodie.
Wo blind oder falsch gestempelt
Mißklang sich an Mißklang rempelt,
Windelt neue Harmonie.
Und dann schwimmt – fast ist es schade –
Noch ein Mensch an mein Gestade,
Sucht an meiner Pulle Halt.
Aus ist die Robinsonade,
Denn nach Insulanersitte
Sag ich unwillkürlich: „Bitte!«
Und ein zweiter Pfropfen knallt.
Und wir trinken. Es gesellen
Andre sich dazu. Die Wellen
Glätten sich. Der Haß zerstiebt.
Bis zuletzt in süßer Ruhe
Niemand noch was in die Schuhe
Andrer schiebt,
Und sich alles gegenseitig
Eingehenkellt ganz unstreitig
Duldet, gern hat oder liebt.
Aus „Allerdings“ (1928)
Weiße Laken für den Retter von Havanna
Von den Balkonen und Dächern Havannas hängen weiße Laken. Damit ehren die Bewohner der kubanischen Hauptstadt ihren Stadthistoriker Eusibeo Leal Sprengler, der am 31. Juli nach langer schwerer Krankheit im Alter von 77 Jahren verstorben ist. Weiße Bettlaken, ein Symbol der kubanischen Metropole, geht auf das Lied „Sábanas Blancas“ des kubanischen und auch in Deutschland bekannten Liedermachers Gerardo Alfonso zurück. Mit diesem Liebeslied für „ mein altes Havanna“ , wo von den „Balkonen weiße Laken hingen“ begannen die beliebten „Spaziergänge durch Havanna“, regionale Rundfunk- und Fernsehsendungen mit dem Stadthistoriker.
Der 1942 geborene Eusibeo Leal Sprengler, dessen Vorfahren 1808 aus Süddeutschland nach Kuba auswanderten, war schon früh von der Geschichte seiner Geburtsstadt fasziniert. Als Doktor der Geschichtswissenschaften der Universität Havanna und Spezialist für Archäologie übernahm er als seine Hauptaufgabe die Restaurierung und Konservierung des historischen Zentrums von Havanna, das 1982 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Er sollte Alt-Havanna vor dem Zerfall bewahren und gleichzeitig den Wohnraum für tausende Hauptstädter erhalten. Dazu wurde 1994, inmitten der „Spezialperiode“, eigens ein staatliches Unternehmen mit dem Namen „Habaguanex“ gegründet, abgeleitet von jenem Indianerstamm, der einst an der Bucht von Havanna lebte. Die Firma lässt aus den Ruinen spanischer Palacios, prachtvolle Kolonialbauten wiedererstehen, in denen dann staatliche Hotels, Bars und Restaurants Devisen erwirtschaften. So konnte Habaguanex Hunderte von Gebäuden aus der Kolonialzeit vor dem Verfall retten. Die damit einhergehende Aufwertung des Viertels sollte aber nicht zur Vertreibung seiner Bewohner führen. Die im Tourismus erwirtschafteten Devisen kamen nach einem festgelegten Schlüssel auch der Instandsetzung der Wohnungen der Einheimischen und von Kindergärten, Schulen und Altenheimen des Viertels zugute. Ebenso flossen sie in soziale Projekte, es entstanden Arbeitsplätze.
In einem Nachruf der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba ist über den „Retter von Havanna“, wie er von den Kubaner gern genannt wurde, zu lesen: „ Eusebio Leal war ein Gelehrter, ein Kämpfer und ein Visionär. Er war ein Katholik, der ein Himmelreich auf Erden für realistisch hielt und daher in die Idee einer egalitären, sozialistischen Gesellschaft verliebt war. Er war ein großer Kommunist, der mit seinen gelebten Werten die Welt an die humanistischen Wurzeln der kommunistischen Idee erinnerte.“ Präsident Miguel Díaz-Canel würdigt den Mann, der „Havanna im Namen von Fidel gerettet und sich mit solcher Passion dieses Werkes angenommen hat, dass sein Name nun nicht mehr ihm allein gehört“. Er sei zu einem Synonym der Stadt Havanna geworden.
Auf der Internetseite des Netzwerkes Cuba – informationsbüro e. V. kann man sich in ein ein digitales Kondolenzbuch eintragen. Das wunderschöne Lied von Geraldo Alfonso ist hier zu hören und im Video ist auch der Stadthistoriker zu sehen.
Beton in die Gewächshäuser
Es herrschte „die Zeit danach“, als die „Friedensverhandlungen“ scheitern mussten und die kapitalistische Brut langsam aber sicher in den Osten einfiel und alles, was noch irgendwie zu gebrauchen war, unter sich aufteilte.
Bis zu dieser unseligen, verdammt falsch gelaufenen „Wende“ arbeitete ich in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (Gemüse): LPG (G). Hier wurden auf vielen tausend Quadratmetern unter Glas Gemüse und Blumen angebaut. Tomaten wuchsen saftig und rot an kräftigen Pflanzen, von fleißigen Gemüsebäuerinnen gehegt und gepflegt. Bei grünen Gurken kam es weniger auf die Form und die Größe an, sie brauchten nicht nach EG-Maßstab gleich auszusehen, sie hatten noch die Möglichkeit krumm und besonders groß zu werden. Der Geschmack wurde als wichtig eingeschätzt und das Einhalten von Karenzzeiten ebenso. In anderen Gewächshäusern, die gerade ihren letzten Anstrich erhielten, standen dicht an dicht Nelken, Veilchen im Topf und viele andere Zierpflanzen. Auch Jungpflanzen, wie Salat, Blumen- oder Rosenkohl wuchsen gar kräftig in den Häusern aus Glas. Das Öffnen der Dachluken wurde automatisch durchgeführt, und auch bei der Bewässerung war kaum noch Personal notwendig. Dieses konnte sich auf die Ernte, auf das Umtopfen oder Einsäen konzentrieren. Jede der Frauen und Mädchen hatte eine erstklassige Ausbildung genossen, in der sie auch die hochsensible Technik beherrschen lernten.
Doch dann wurde die Einheit im Jahre 1990 beschlossen und gleich knallhart und zerstörerisch durchgeführt, das „Westgeld“ sollte den Ostdeutschen erreichen und alles in verblühte Landschaften verwandeln. So war schon früh klar, dass die Gewächshäuser nicht mehr notwendig waren. Um noch zu retten, was gar nicht mehr zu retten war, vermietete unser LPG-Vorsitzender die Gewächshäuser an verdammt kapitalistische Firmen, da diese unbedingt den Osten mit ihren überflüssigen Waren überschwemmen wollten, aber dazu keine passend großen Gebäude fanden.
So wurden die Gewächshäuser, in denen Tage vorher noch fröhliche Frauen ihre tägliche Arbeit verrichteten, über Nacht leergeräumt. Die Nelken, Jungpflanzen, Tomaten und Gurken landeten auf einem großen Haufen und später auf der nahegelegenen Müllkippe. Die Erde aus den Gewächshäusern wurde mit großen Geräten auf die umliegenden Felder gekarrt, da man das dort Gesäte und Gepflanzte ebenfalls nicht mehr brauchen konnte, und man schüttete schließlich tagelang Zementmischungen in die Gewächshäuser. Hilfsmaurer, gerade noch als Traktoristen, Einsatzleiter und Schlosser angestellt, zogen alles halbwegs glatt und ersetzten schnell und herzlos Mutterboden durch Beton, Kies und Sand, der natürlich aus dem hessischen Land nach Thüringen kam. Kaum war der Untergrund trocken, begannen Super- und Baumärkte, Drogerien, Schuhverkaufsstellen und „Möbelbuden“ ihre Regale in diese Notunterkünfte zu stellen und mit bisher kaum vermissten Gütern vollzustopfen.
Die einstigen Heldinnen der Gewächshäuser, die teilweise Landwirtschaft oder Gartenbau studierten und alles von der Aufzucht bis zur Ernte wussten, die Jungpflanzen als ihre Kinder bezeichneten, wurden zu Regaleinräumerinnen oder Kassengirls degradiert. Ausbildung war nicht mehr notwendig, um die verwässerten und schlecht gereiften Tomaten und Gurken aus Holland und Spanien aus Trucks zu entladen, einzuräumen und schließlich als tolle Teile zu verkaufen. Manches Herz blutete wochenlang. Geld floss nun in die Taschen skrupelloser Kapitalisten, die Volkswirtschaft hatte sich überholt.
Heute steht kein Gewächshaus mehr. Die Märkte sind längst weg, es existiert nur noch ein Berg voller Scherben, ein weiteres Gebirge mit hart gewordener Erde, einzelne letzte Schrottteile und ein zerfurchter Betonfußboden, aus dem sich die Unkräuter längst einen Weg ans Licht gebahnt haben.
Aphorismen
Die falschen Dampfer werden nicht vor Überfüllung geschlossen, bevor sie untergegangen sind.
Freiheit ist immer die Freiheit der Besserverdienenden.
Nimm das Leben heiter!
Aber versuche zunächst, dich nicht totzulachen!
Scham ist ein zutiefst menschliches Gefühl, dessen man sich nicht schämen muss.
Die unaufdringlichsten Fanatiker sind die, die sich gegenseitig im Phlegma zu übertrumpfen suchen.
Von allen Gewissheiten ist der Zweifel die verlässlichste.
Während man zur Eintracht mindestens zu zweit sein muss, kann man die Zwietracht auch mit sich ganz allein ausleben.
Wer ins Fernsehen eintaucht, sollte die Luft anhalten. Er muss sich in das Seichteste vertiefen können.
Audiophile Schätze für Jazzfreunde
„Wenn ein Mensch lange Zeit lebt, sagt die Welt, es ist Zeit, dass er geht …“, intonierten seinerzeit die Puhdys. Ein langes Leben war Volker Kriegel leider nicht beschieden. Im sechzigsten Lebensjahr starb er, nach längerer Krebserkrankung, an einem Herzinfarkt.
Mit seinem musikalischen Wirken, speziell in den 1970er und 1980er Jahren, gilt er als Pionier des Jazzrocks in Deutschland. In den 1990er Jahren veränderte sich sein künstlerischer Fokus, indem er sich nun schwerpunktmäßig als Autor und Cartoonist („Olaf, der Elch“) betätigte. Das Ouevre des multi-kreativen Künstlers war bereits zu Lebzeiten sehr beeindruckend. Den Anfang machte 1968 das Album „With a Little Help from My Friends“. Viele weitere Alben sollten danach in unterschiedlichen Konstellationen folgen, unter anderem mit dem „United Jazz & Rock Ensemble“ auf dem renommierten mood-Label.
Im Jahr 2018 wurde mit dem Segen der Witwe Evelyn Kriegel das höchst umfangreiche Tonband-Archiv von Volker Kriegel einer Sichtung unterzogen. Sage und schreibe 130 Bänder umfasste die audiophile Schatzkiste. Und „Moosicus“, das Jazz-Label von M.I.G., begann 2019 damit, diese Originalbänder auf CDs zu pressen. Stellvertretend für diesen Ohrenschmaus sei auf die Doppel-CD „Two Concerts“ verwiesen, die zwei Konzertmitschnitte im Januar 1979 in Lagos sowie im Mai 1990 in Bochum enthält. Auch wenn diese Aufnahmen teilweise über vier Jahrzehnte alt sind, so klingt die Musik alles andere als angestaubt. Der Groove des Jazzgitarristen Volker Kriegel entfaltet auch jetzt noch seine Wirkung, wenngleich das Publikum in Nigeria den Jazzrock aus Europa nicht mit ekstatischem Beifall goutierte. In die Jetztzeit hat die „Frankfurt Radio Big Band“ (Bigband des Hessischen Rundfunks) unter der musikalischen Leitung von Jim McNeely einige Lieder transformiert. Eines der Stücke heißt „Mild Maniac“.
Soviel sei verraten: Diese Musik ist nicht nur für milde Wahnsinnige!
Volker Kriegel: Two Concerts (Lagos 79/Bochum 90), DoCD, 2019.
Frankfurt Radio Big Band: Kriegel Today, CD, 2020.
Jeweils ca. 19 Euro, beide: Moosicus Records (M.I.G.).
Nu(h)r ein Maulkorb
Ich muss zugeben, dass der Kabarettist Dieter Nuhr nicht mein Fall ist – ein zügiger Dampfplauderer mit teils fragwürdigen Pointen.
Das ist meine persönliche Meinung.
Die bedeutet aber überhaupt nicht, dass ich mich – aus ganz grundsätzlichen Erwägungen: Meinungsfreiheit als konstitutives Element von Demokratie und so – nicht solidarisierte, wenn, wer auch immer, Nuhr erst auffordert, sich einzulassen, und ihm danach einen Maulkorb verpasst, bloß weil irgendwer in den sozialen Medien einen Terz veranstaltet. Solches hat sich die durchaus auch verdienstvolle Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), der die deutschen Hochschulen, Forschungseinrichtungen, wissenschaftlichen Verbände und Akademien der Wissenschaften angehören, gerade aufs Kerbholz geladen.
Sie hatte den Kabarettisten anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens um eine Audiobotschaft gebeten. Darinnen Nuhr-Sätze wie: „Wissenschaft weiß nicht alles, ist aber die einzige vernünftige Wissensbasis, die wir haben.“ Oder: Wissenschaft bedeute auch, „dass sich die Meinung ändert, wenn sich die Faktenlage ändert“ – „keine Heilslehre, keine Religion, die absolute Wahrheiten verkündet“.
Passt, so sollte man meinen, zu einem Wissenschaftsverein, der sich aufs Panier geschrieben hat, „alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln sowie einen kritischen Diskurs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zuzulassen und zu fördern“. Doch jene Netzmeute, die Nuhr seit längerem verbissen auf den Fersen ist und gegen alles schweres Geschütz auffährt, was von ihm irgendwo auftaucht, ließ auch dies nicht durchgehen und zog vom Leder.
Das sei diesen Mitbürgern ausdrücklich unbenommen.
Meinungsfreiheit und so.
Aber dass die DFG ganz schnell einknickte und dazu auch noch twitterte: „Liebe Community, wir nehmen die Kritik, die vielen Kommentare und Hinweise ernst und haben den Beitrag von Dieter Nuhr von der Kampagnenwebsite […] entfernt.“, das ist erbärmlich, Verrat der eigenen Grundsätze und ein Skandal allererster Güte. Dass die DFG den Nuhr-Clip schließlich doch wieder auf ihre Homepage gestellt hat, macht den Vorgang als solchen ja nicht ungeschehen.
Aus anderen Quellen
„In den USA“, darüber informiert Wolf Wagner, „geht das Rechtssystem nicht von einem ermittelbaren objektiven Sachverhalt aus, sondern von einem Ergebnis, das sich im Wettstreit zwischen Anklage und Verteidigung herausbildet. Es geht um Sieg und Niederlage. Der Erfolg der Staatsanwälte – und damit die Chancen auf Wiederwahl, denn in vielen US-Bundesstaaten werden sie gewählt – bemisst sich daran, in möglichst vielen Fällen zu siegen.“ Und: „Das Ergebnis ist eine der höchsten Strafgefangenenquoten pro 100 000 Einwohner auf der ganzen Welt: 2018 USA 655, Deutschland 75. Bei den 655 sind die Schwarzen weit überrepräsentiert. Ein großer Teil von ihnen könnte unschuldig einsitzen, weil sie etwas gestanden haben, nur um nicht noch länger ins Gefängnis zu müssen.
Wolf Wagner: Wenn die Festnahme zur Falle wird, tagesspiegel.de, 26.07.2020. Zum Volltext hier klicken.
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„Die Weltbevölkerung“, so Torsten Harmsen und Walter Willems, „wird um das Jahr 2064 herum ihren Höchststand erreichen. 9,7 Milliarden Menschen leben dann auf der Erde. Von da an schrumpft die Zahl deutlich. Ende des Jahrhunderts bewohnen 8,8 Milliarden Menschen den Planeten – etwa zwei Milliarden weniger, als die Vereinten Nationen im vorigen Jahr vorhergesagt haben.“
Torsten Harmsen / Walter Willems: Die Weltbevölkerung wächst noch bis 2064 und dann schrumpft sie deutlich, berliner-zeitung.de, 20.7.2020. Zum Volltext hier klicken.
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„Das Mammutgesetz des Pentagon-Budgets 2021 hat“, wie Jakob Reimann beginnt, „die meisten konstitutionellen Hürden überwunden: 740,5 Milliarden US-Dollar sollen im nächsten Jahr fürs US-Militär ausgegeben werden, was dem Wert der nächsten zehn Länder zusammenaddiert entspricht. Ein genauerer Blick auf die Entstehungsgeschichtehttps://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/die-weltbevoelkerung-waechst-noch-bis-2064-und-dann-schrumpft-sie-deutlich-li.93373 des Gesetzes und auf einige ausgewählte Zusatzartikel verrät uns jedoch auch sehr viel über das US-amerikanische Politestablishment: Könnten Demokraten und Republikaner bei anderen Themen kaum weiter voneinander entfernt sein, so sind Krieg und Militarismus der Klebstoff des US-Parteiensystems.“
Jakob Reimann: Krieg und Militarismus sind der Klebstoff des US-Parteiensystems, nachdenkseiten.de, 31.07.2020. Zum Volltext hier klicken.
Letzte Meldung
Kollege Holger Schmale ließ dieser Tage in der Berliner Zeitung die militärische Ost-West-Konfrontation in den Zeiten des Kalten Krieges in Zentraleuropa noch einmal Revue passieren. Mit erstaunlichem Erkenntnisgewinn für den Leser: „Die beiden deutschen Staaten wurden zum Aufmarschgebiet der beiden Militärblöcke, waffenstarrende Vorposten im Kampf der Systeme. Zeitweise standen 400.000 in der Bundesrepublik stationierte Nato-Soldaten etwa 500.000 sowjetischen Soldaten gegenüber, hinzu kamen jeweils noch einmal so viele Angehörige von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee der DDR auf jeder Seite der Grenze.“
Schmales Formulierung ist blanker Sprengstoff, denn ihm zufolge verfügten Bundeswehr und NVA – „jeweils noch einmal so viele Angehörige“ – seinerzeit zusammen über 900.000 Mann: Und das dann auch noch „auf jeder Seite der Grenze“, vulgo insgesamt 1,8 Millionen Mann. Demgegenüber lauteten die landläufigen Angaben für 1990 bisher: Bundeswehr – knapp 460.000 Mann, NVA – 155.000 Mann. Der Rest muss dann wohl gut versteckt gewesen sein – „auf jeder Seite der Grenze“. Kein Wunder also, dass Kollege Schmale 30 Jahre zum Zählen gebraucht hat.
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