Dietmar Bartsch, schlagfertig – „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden“, hatte USA-Botschafter Richard Grenell, das (un)diplomatische Enfant terrible auf dem Berliner Parkett, gedroht und damit im transatlantischen Fingerhakeln um die aus Trump-Sicht ungenügende Höhe des deutschen Wehretats die nächste Runde eingeläutet. Und seine Warschauer Kollegin, Botschafterin Georgette Mosbacher, hatte sekundiert: „Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen.“
Sie haben prompt und schnörkellos reagiert: „Die Bundesregierung sollte dieses Angebot unbedingt annehmen und mit den USA einen Plan für den Truppenabzug besprechen.“ Und hinzugefügt: „Die Steuerzahler in den USA sollten […] auch nicht für die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland zahlen müssen“, sondern diese „mitnehmen. Und natürlich nach Hause, nicht nach Polen, denn das wäre eine weitere dramatische Zuspitzung in den Beziehungen zu Russland, die nicht im europäischen und deutschen Interesse liegt.“
Gut gebrüllt Löwe! Auf einen groben Klotz gehört kein feiner Keil.
Aber Sie wissen natürlich, dass hier kein ernsthaftes Stück gegeben wird. Denn Einrichtungen wie die größte US-Air Base außerhalb der USA in Ramstein, das logistische Drehkreuz für die militärischen Aktivitäten der USA im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika, oder den riesigen Truppenübungsplatz bei Grafenwöhr, den viertgrößten in Europa, verlegt man nicht mal soeben.
Leider.
Olaf Scholz, so standhaft wie Ried im Wind – Sie, so weiß man schon länger, halten sich für kanzlerfähig. Aber Sie und SPD-Vorsitzender? Da hatten Sie sich bei Anne Will im Juni klar positioniert: Weder kommissarisch noch dauerhaft strebten Sie diese Position an. Mit dem Amt eines Bundesministers der Finanzen sei das zeitlich auch gar nicht zu schaffen. Zugleich forderten Sie „eine vernünftige Lösung“, denn zielführend sei es nicht, eine Person mit allen Ämtern zu betrauen.
Die Rolle rückwärts dann im August gegenüber dem SPD-Interimstriumvirat: „Ich mache es, wenn ihr es wollt.“
Das erinnert uns doch sehr an einen anderen Bundeskanzler, der nonchalant von sich eingeräumt haben soll: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ Das war Konrad Adenauer.
Angesichts Ihres sonstigen Flairs und Ihrer viel zu schnell in Vergessenheit geratenen Glanzleistung beim G-20-Gipfel 2017 in Hamburg gestehen wir frank und frei: Hätten wir die Wahl, wir entschieden uns lieber für das Original!
Und überdies haben Sie – abermals bei Anne Will, am 25. August 2019, bei der Begründung Ihrer Nun-doch-Kandidatur mit einem Argument aufgewartet, das noch ganz andere Fragen aufwirft: „Man kann das jeden Tag sehen: Unsere Gesellschaft driftet auseinander. […] Die Wahl des amerikanischen Präsidenten, der Brexit sind ja Zeichen dafür, dass es eine tiefe Unzufriedenheit in unserem Land gibt.“
Götz Aly, Scharfzüngiger – Gerade haben Sie der SPD folgendes ins Stammbuch geschrieben: „Denjenigen, die weniger als 50.000 Euro brutto jährlich erhalten und vermögenslos sind, soll sozialpolitisch geholfen werden, zumal deren Kindern und Pflegebedürftigen. Aber die SPD will die Steuern genau dieser relativ schlecht gestellten Menschen dazu nutzen, dass der wohlhabenden Mittelschicht ihre Vermögensanlagen, Fernreisen und kostspieligen Hobbys ungeschmälert erhalten werden. Damit ist sie nicht nur zur Partei der Rentner, sondern auch zur Partei der sozialen Spaltung verkommen.“
Pfui, schämen Sie sich! Jemanden, der schon am Boden liegt (SPD in der bundesweiten Wählergunst 12 Prozent; laut Infratest dimap, 1. August 2019), sollte man nicht auch noch treten.
Maximilian Terhalle, Atomwaffen-Aficionado – Gebetsmühlenartig versuchen Sie seit Jahren, die sicherheitspolitische Debatte mit der Forderung nach deutscher Atombewaffnung anzureichern – natürlich nur als Ultima Ratio. Damit hat sich auch Das Blättchen bereits auseinandergesetzt.
Auf die Vorhaltung der Tageszeitung Die Welt, dass eine „solche Option“ in der deutschen Bevölkerung niemals mehrheitsfähig wäre, eierten Sie dieser Tage zwar erst etwas rum: „Im Moment ist das Gespür für strategische Bedrohungen in der deutschen Bevölkerung stark erodiert. Man muss das Bewusstsein in der deutschen Bevölkerung wecken, dass Demokratie und Freiheit stark bedroht sind. Wir haben uns sehr viel Wohlstand aufgebaut. Aber Freiheit und Wohlstand gibt es in der Welt nicht kostenlos. Sie bedürfen des Schutzes, weil andere unsere Art zu leben verdrängen wollen.“
Hatten dann aber erfrischend konkrete personelle Vorstellungen, als Die Welt mit der Frage „Wer soll dieses Verständnis wecken?“ nachhakte: „Friedrich Merz […]. Und Annegret Kramp-Karrenbauer möglicherweise auch, ihre ersten Äußerungen als Verteidigungsministerin deuten das jedenfalls an.“
Wir danken Ihnen für diese Information! Die wollen wir uns mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl gut merken.
Hubertus Knabe, politischer Missionar – Nachdem die AfD vehement, aber erfolglos Ihre Wiedereinsetzung ins Amt des Leiters der Gedenkstätte Hohenschönhausen gefordert hatte, fühlen Sie sich der Partei offenbar verpflichtet: Der Neuen Zürcher Zeitung vertrauten Sie als Sachverständiger für den deutschen Osten aus dem westdeutschen Unna an: „Wenn der Bundestag der größten Oppositionspartei [AfD] beharrlich einen Posten als Vizepräsident verweigert, bestärkt er selbst den Eindruck, er sei bereits ‚gleichgeschaltet‘ mit der DDR-Volkskammer. Auch die Entscheidung des Verfassungsschutzes, die AfD stärker zu überwachen, aktiviert im Osten sofort die Erinnerung an die Stasi.“ Und weiter: „Die Behinderung ihrer Veranstaltungen durch Gegendemonstranten, die Nichtzulassung ihrer Kandidaten in Sachsen, die Forderung prominenter Politiker, die AfD zu verbieten oder einzelnen Personen ihre Grundrechte zu entziehen – all dies gerät im Osten automatisch in den Kontext der DDR-Vergangenheit.“ Der Tagesspiegel bescheinigte Ihnen jüngst, als „Stasi-Jäger“ ein „profundes Fehlverständnis für ihre Kompetenzen“ bewiesen zu haben. Dafür beweisen Sie nun ein profundes Mitgefühl für die AfD als einem „Bund der Verfolgten“. Die Partei hätte Ihnen längst einen Antrag auf Mitgliedschaft zusenden sollen.
Martina Gedeck, preisgekrönte Aktrice, mitten im Leben stehend – Zum Thema Mütter, die zur Kinderbetreuung ihren Job ruhen ließen, bis die Plagen aus dem Gröbsten raus sind, und die dann eine Scheidung durchmachen, wurden Sie von der Berliner Zeitung mit folgender Ansicht konfrontiert: „Eine Frau, die mit 50 nahezu ohne berufliche Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt landet und nach der Reform des Unterhaltsrechts nur bedingt oder gar nicht abgesichert ist, gerät in eine schwierige Lage.“ Das sehen Sie offenbar völlig locker und vor allem ganz anders: „Eine Frau meiner Generation hat alle Freiheiten. Und wenn die Tochter elf ist und der Sohn dreizehn, kann sie wieder anfangen, Kunst oder sonst etwas (Hervorhebung – die Redaktion) zu machen.“
Chapeau! Auf diese frappierend einfache Lösung wären wir nicht gekommen.
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