17. Jahrgang | Nummer 12 | 9. Juni 2014

Antworten

Tundra Freeze, Gesichtserkennungssoftware der NSA – (Auch) mit Ihrer Hilfe sammelt die NSA laut einem Bericht der New York Times täglich Millionen von personenbezogenen Bildern aus dem Internet oder amtlichen Dokumenten, um so Gesichter digital erkennbar zu machen. Sich auf Unterlagen Edward Snowdens berufend, schreibt die NYT, dass die NSA mit Hilfe dieser Technologie das Auffinden von Zielpersonen rund um die Welt revolutionieren wolle. Nun kann man George Orwell keinen Vorwurf machen, muss jedoch heute resignierend feststellen, dass dessen im 1946 im Roman „1984“ entworfene Vision von der Überwachung des Menschen gegenüber dem, womit wir es heute zu tun haben, eher armselig war.

Chuck Hagel, US-Verteidigungsminister – Sie haben China ob dessen „einseitiger destabilisierender Maßnahmen zwecks Durchsetzung territorialer Ansprüche heftig angegriffen und dabei eine Aussage getroffen, die – aus amerikanischem Munde – derart allerliebst ist, dass wir sie freudig zitieren: „Wir sind entschieden gegen Einschüchterung, Nötigung oder die Androhung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung solcher Ansprüche.“ Die USA würden nicht wegsehen, „wenn die fundamentalen Prinzipien der internationalen Ordnung herausgefordert werden“. Difficile est saturam non scribere, hat Juvenal hinterlassen, und er hat recht: Es ist schwer, keine Satire zu schreiben.

Jakob Augstein, unter anderem Spiegel-Kolumnist – Sie wiesen kürzlich unter der Überschrift „Steinmeier, raushalten!“ darauf hin, dass die Deutschen mehrheitlich kein stärkeres Engagement ihres Landes im Ausland wünschten und fragten bei dieser Gelegenheit, „wie wir nach den Erfahrungen der Irak-Lüge jemals wieder den Amerikanern glauben sollen, wenn sie mit ‚Beweisen‘ für finstere Bedrohungen um die Ecke kommen, die einen Militärschlag nötig machen“. Gute Frage!
Aber wenn der Untergang des Schlachtschiffes USS Maine nach Explosion im Hafen von Havanna 1898 oder der Tonkin-Zwischenfall von 1964, um nur zwei Beispiele zu nennen, in Ihrem historischen Gedächtnis verankert wären und also der Sachverhalt, dass das Fabrizieren von erlogenen Vorwänden für Angriffskriege – 1898 gegen Spanien, 1964 zur Legalisierung und Expansion der US-Intervention in Vietnam – schon etwas länger zum Repertoire Washingtons gehören, dann hätte die bessere Frage womöglich lauten müssen: „Wie konnten wir den USA jemals glauben?“

Imre Kerényi, Sonderbeauftrager Victor Orbans  für Kulturfragen – Bei einer Podiumsdiskussion des Christlichen Theaterfestivals in Budapest haben Sie jüngst erklärt, man müsse den „Kampf mit der Lobby der Schwuchteln aufnehmen“. Diese habe die „gesamte internationale Opern- und Filmwelt, überhaupt alles, durchdrungen“ und es ginge ihr nur darum christliche Werte „zu bespucken und alles in Zweifel zu ziehen“. In Ungarn gebe es „ein Wollschwein-, ein Judenfestival und alle möglichen Frühlingsfestivals“, doch Ungarn und Europa müssten sich endlich mit „christlichen Festivals vor schädlichen Einflüssen verteidigen“. Wenn man bedenkt, dass Orbans Partei (und damit Politik) bei den Europawahlen einen ziemlichen Sieg errungen hat, kann einem um das einstige Kulturland Ungarn Angst und Bange werden. Dass Sie einst ein Amtsträger in der quasikommunistischen Regierungspartei USAP waren, macht den Grusel perfekt.

Chin Meyer, Finanzkabarettist – Angesichts ständig möglicher nächster Finanzkrisen wird immer wieder die Frage gestellt, ob es sich grundsätzlich lohne, in Aktien zu investieren. Sie haben darauf zwar bereits vor einiger Zeit eine Antwort gegeben – allerdings eine zeitlose: Hätte man im Oktober 2007 – also vor dem jüngsten globalen Crash – für 1.000 Euro Aktien der Hypo Real Estate Bank gekauft und ein Jahr später wieder verkauft, hätte man 87,00 Euro wieder herausbekommen. Im Falle der amerikanischen Versicherungsgesellschaft AIG hätte der Verkaufserlös noch 14,60 Euro betragen und im Falle von Lehman Brothers Null. Hätte man allerdings im Oktober 2007 für 1.000 Euro Bier gekauft und komplett ausgesoffen, dann wären nach Rückgabe der Pfandflaschen immer noch 250,00 Euro übrig.

Justin Vaïsse, französischer Außenamtler – Nordkoreas Exporte konventioneller und atomarer Waffen bedrohten den Weltfrieden, haben Sie und weitere Sicherheitsexperten gewarnt. Nach Ihrem Kenntnisstand machen die Exporte konventioneller Waffen und von Atommaterial inzwischen ein Drittel der Deviseneinkünfte Nordkoreas aus. Nun ist das Regime der Kim-Dynastie weiß Gott zum Speien und vor allem die in ihm zwangsbeglückten Menschen zutiefst zu bedauern. Per Waffenexport so viel zur permanenten Bedrohung des Weltfriedens beitragen wie das etwa die USA, Russland oder Deutschland tun, vermag das kleine Nordkorea aber nicht einmal, wenn dort gar nichts mehr anderes hergestellt würde als Rüstungsgüter. Zumal ein Drittel der dank völliger Abschottung plus diverser Sanktionen und Boykotte höchst mageren Deviseneinkünfte Nordkoreas nicht eben viel Volumen repräsentieren.

Erwin Huber, einstiger und nicht eben erfolgreicher CSU-Chef – Sie reden nach dem herben Stimmenverlust für die CSU bei den Europawahlen nun mit Parteichef Seehofer ab. Mit dem Hinweis darauf, dass „die Zeit der einsamen Ansagen“ vorbei sei, fordern Sie die Formierung einer neuen Führungsmannschaft bis spätestens zu den Bundestagwahlen 2017. Das alles wäre eigentlich nur mäßig interessant, wenn Sie im Zusammenhang mit der Causa Seehofer nicht eine ziemlich relevante Erkenntnis formuliert hätten, die ins Stammbuch von Parteimitgliedern aller Couleur Ihrer jeweiligen Vereinigungen gehören sollte: „Es ist die Feigheit von vielen, die Seehofer so überdominant werden ließ.“

Reinhard Marx, Kardinal – Vor Beginn des Katholikentags in Regensburg haben Sie Bemerkenswertes geäußert: „Wir müssen über die Neubestimmung der Gesellschaft und des Staates auf globaler Ebene diskutieren, über den Kapitalismus hinausdenken, denn Kapitalismus ist nicht das Ziel, sondern wir müssen ihn überwinden.“ Ihren obersten Kirchenherrn in Rom haben Sie bei dieser Weltsicht ja schon einmal auf Ihrer Seite. Inwieweit die katholische Christenheit – zumindest deren Gros – dem praktische Folge zu leisten bereit ist, bleibt allerdings sehr, sehr skeptisch abzuwarten.

Manfred W., Leserbriefschreiber aus Kiel – Lassen Sie uns bitte so vermessen sein, Ihre Frage nach dem Antrieb der Autoren und Macher des Blättchens mit einem Satz Lion Feuchtwangers zu beantworten, den dieser in seinem Drama „Die Witwe Capet“ den Revolutionär St. Just am Abend vor deren Hinrichtung zu Marie Antoinette sagen lässt: „Erkenntnis ist wertlos, die sich nicht bemüht, Leben und Wirklichkeit zu werden.“

Joachim Gauck & Norbert Lammert, Zickenkrieger Nr. 1 und 2 der Republik – Manchem wird es gar nicht aufgefallen sein, aber zum 65. Geburtstag des Grundgesetzes gab es zwei Feierstunden im Lande – eine im Bundestag, die angemessen war und ausgereicht hätte, und eine im Schloss Bellevue. Und zwar im Ergebnis des aktuellen Zickenkrieges zwischen den jeweiligen Hausherren, die offenbar beide Träger der intellektuellen Krone des Landes zu sein wünschen und den Streit darum mit der Eitelkeit balzender Auerhähne austragen. Dabei war dem einen, Gauck, zu Ohren gekommen, dass der andere seit einiger Zeit hinter den Kulissen über die Reden des einen lästere, weil es denen an intellektuellem Tiefgang mangle. Aus Trotz verzichtete der eine deshalb darauf, die Festrede zum 65. Jubiläum des Grundgesetzes im Bundestag (des anderen) zu halten, und veranstaltete stattdessen seine eigene Feierstunde.
Souveräner wäre allemal gewesen, im Bundestag zu sprechen und – hinter den Kulissen zurückzulästern. Denn Lammert, wenn er etwas nicht veröffentlicht haben will, gibt schon mal Sätze von sich wie: „Das bitte ich jetzt aber als intellektuelle Delikatesse zu behandeln.“ Solche Sentenzen zeugen zwar vom Vermögen zur verschwurbelten Rede, die sollte aber nicht mit intellektuellem Tiefgang verwechselt werden. Schon eher könnte man da Goethen bemühen: „Getretner Quark / wird breit, nicht stark.“

Rainer Bomba, Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums – Mit Bezug auf die Korruptionsaffäre um den ziemlich kurzzeitigen Technikchef des BER, Jochen Großmann, haben Sie verlauten lassen, alle seien nun „etwas sauer“. Das wirft die uns sehr interessierende Frage auf, was geschehen muss, damit „alle“ Protagonisten in Sachen Hauptstadtairport mal stinksauer sind.