18. Jahrgang | Nummer 24 | 23. November 2015

Antworten

Ulrich Gellermann, Rationalgalerist – Sie lassen an Klarheit der Wertung des aktuellen Geschehens nichts zu wünschen übrig.
„Der schon lange währende ‚Krieg gegen Terror‘, der immer nur zu weiteren Kriegen und weiterem Terror geführt hat, soll verlängert werden. In seiner Bilanz war und ist der Krieg gegen den Terror eine Kriegserklärung an den Verstand. Das Löschen von Bränden mit Benzin wird offenkundig zum Dauersport der irren Führungs-Eliten.“

Gabor Steingart, Handelsblatt-Herausgeber – An die Adresse derer in Frankreich, hierzulande und anderswo im Westen, die nach der barbarischen Anschlagserie von Paris wieder – wie nach 9/11 – den Bündnisfall oder besser gleich den III. Weltkrieg ausrufen und mit einem noch größeren als dem gegen den IS bereits im Einsatz befindlichen militärischen Knüppel zurückschlagen wollen, haben Sie gern Übersehenes ins Gedächtnis gerufen: „Von den 1,3 Millionen Menschenleben, die das Kriegsgeschehen von Afghanistan bis Syrien mittlerweile gekostet hat, bringt es allein der unter falschen Prämissen und damit völkerrechtswidrig geführte Irak-Feldzug auf 800.000 Tote. Die Mehrzahl der Opfer waren friedliebende Muslime, keine Terroristen. Saddam Hussein war ein Diktator, aber am Anschlag auf das World Trade Center war er nachweislich nicht beteiligt. ‚Diejenigen, die Saddam 2003 beseitigt haben, tragen auch Verantwortung für die Situation im Jahr 2015‘, sagt mittlerweile selbst Tony Blair, einst der willige Krieger an der Seite der USA.“ Ein versteinerter französischer Präsident habe jetzt versichert: „Wir werden schonungslos sein.“ Dem halten Sie entgegen: „[…] der Automatismus von Härte und Gnadenlosigkeit, das vorsätzliche Nicht-Verstehen des anderen, die feurigen Reden an das jeweils heimische Publikum, die schnell in Marsch gesetzten Bombergeschwader haben uns in diesem Kampf der Kulturen dahin gebracht, wo wir heute stehen. So beendet man den Terror nicht, sondern facht ihn weiter an. So schafft man keinen Frieden, so züchtet man Selbstmordattentäter.“ Sie meinen, die bürgerliche Mitte unseres Landes solle sich nicht radikalisieren, sondern sich ihrer vornehmsten Tugenden erinnern: Besonnenheit und Friedfertigkeit. „Mehr Verantwortung übernehmen, das kann nach den Anschlägen von Paris nur mehr Nachdenklichkeit bedeuten. […] Die Schlüsselwörter der kommenden Monate dürfen dann aber nicht Kampf oder Kapitulation lauten, sondern Ordnung, Respekt und Moderation. Nicht aus Liebe zum Islam, sondern aus Liebe zu uns und unseren Familien.“
Gegenwind aus Ihrer eigenen Zunft und aus dem politischen Establishment scheinen Sie nicht zu fürchten. So etwas nannte man früher Haltung. Die nötigt uns etwas ab, das man früher Hochachtung nannte: Chapeau!

Helmut Schmidt, deutscher Übervater – Wir verzichten darauf, den Hekatomben Ihnen gewidmeter Nachrufe einen weiteren hinzuzufügen, denn alles ist gesagt – insbesondere von Ihrer Hauspostille DIE ZEIT und dort gleich auf 30 Seiten. So bleibt Ihnen unsererseits ein Satz erspart, auf den sonst nicht hätte verzichtet werden können: „Er war der Vater des NATO-Doppelbeschlusses, der maßgeblich dazu beitrug, den Ost-West-Konflikt nach einigen Jahren europäischer Entspannung nochmals in einer explosiven Weise zu eskalieren, wie es die Welt seit der Kuba-Krise nicht mehr erlebt hatte.“
Apropos DIE ZEIT und NATO-Doppelbeschluss: Sie verstarben am Dienstag, den 10. November. DIE ZEIT erschien am Donnerstag, den 12. November. Trotzdem wunderte sich niemand wirklich, wie das Blatt in der Kürze der Zeit ein 30-Seiten-Konvolut an Nachruftexten hinbekommen hat, denn Prominenten-In-memoriamme werden ja zu 99,9 Prozent auf Halde vorproduziert. Das Schandmaul Jochen-Martin Gutsch von der Berliner Zeitung allerdings mutmaßte angesichts dieser Produktionsweise, Sie als Herausgeber hätten die Texte selbst noch gelesen und durchredigiert. Da wäre dann ein Satz wie „Der NATO-Doppelbeschluss war politisch sehr umstritten.“ umgehuldigt worden in „Helmut Schmidt war in seiner politischen Weitsicht oft der Zeit voraus. Zum Beispiel beim NATO-Doppelbeschluss.“
Und Frechschwätzer Gutsch setzte noch einen drauf: „Natürlich werden jetzt viele Helmut Schmidt-Bücher erscheinen. Biografien. Zitate-Sammlungen. Aphorismen. Helmut Schmidt über den Islam. Über den Anbau von Tabak. Über den Einbau von Badewannen. Über das Essen von Keksen. Über heute. Über gestern. Über die Ehe. Natürlich werden das alles Bestseller. In den vergangenen Jahren ist ein riesiger Schmidt-Kult entstanden. Alles was Helmut Schmidt sagte, und sei es nur: ,Feuer, bitte!‘, wurde in Deutschland verehrt wie ein Lehrsatz von Konfuzius.“
Doch wie schon gesagt, unsererseits bleibt Ihnen – solches sowieso, aber auch – ähnliches erspart.

Heribert Prantl, auf Fakten Bestehender – Sie beschäftigen sich mit dem Interview des ZDF mit der Kanzlerin und konstatieren, dass alles was die Kanzlerin sagte, den Fakten widersprochen habe. Sie leugne, dass sie die Lage nicht im Griff habe, leugne das Durcheinander in der CDU. Merkel erkläre schlichtweg die abweichenden Positionen in der Partei zu ihren eigenen, obwohl diese nicht zu ihrer politischen Linie passten. Dublin, Familiennachzug für Syrer nennen Sie als Beispiele für eine Chuzpe der Kanzlerin, die wirklich erstaunlich sei.
Der Machterhalt wirkt offenbar stärker als die menschliche Regung, die von Merkel – zugegeben – nicht erwartet worden war, daher umso mehr Respekt erhielt. Der Mensch Merkel ist wieder hinter der Politikerin mit Chuzpe verschwunden. Gut, dass es Journalisten gibt, die das klar benennen.