28. Jahrgang | Nummer 4 | 24. Februar 2025

Antworten

Gerhard Gundermann, 1998, mit 43 Jahren, viel zu früh verstorbener Liedermacher – Am 21. Februar 2025 hätten wir gern mit Ihnen zusammen Ihren 70. gefeiert, womöglich bei einem Konzert. Kollegin Birgit Walter hat an diesem Tage Ihrer gedacht. In berührender Ausführlichkeit schrieb sie unter anderem: Ihre Lieder „wurden im besten Sinne zu Volksliedern. Die Konzertsäle füllten sich von selbst. Bob Dylan und Joan Baez wählten Gundermann und seine Seilschaft als Vorband. Er lebte jahrzehntelang zwei Leben, eins als Musiker, eins im Tagebau als Führer eines Tausend-Tonnen-Baggers mit tausend Kettengliedern, zu dem er ein inniges Verhältnis pflegte. Vor der Schicht oder danach fuhr er durch das halbe Land, um zu singen. Das war keine Attitüde, oben in der Bagger-Kanzel kamen ihm Ideen, Gedanken, die er in ein Diktiergerät nuschelte. Er brauchte immer beides, die Brotarbeit für Unabhängigkeit und die Kunst. […] Das Unbehagen, mit seiner Arbeit die Landschaft zu verwüsten, Heimat zu verheizen, auf sein eigenes Haus hin zu baggern, dabei nicht wehrhaft genug zu sein, setzte ihm zu. […] Für seine IM-Zeit schämte sich Gundermann, ja, aber sein Lebensthema war ein größeres, war die Existenzkrise des Planeten. Er hatte vergeblich auf die Reformierbarkeit des Sozialismus gehofft […]. Gundermanns Energie hatte am Ende doch nicht für zwei Leben gereicht, zur Halbzeit war sie aufgebraucht.“

Menschen wie Sie werden immer fehlen. Zu allen Zeiten.

 

JD Vance, US-Vizepräsident und Brandmauernverächter – Erst proklamierte Elon Musk: „Nur die AfD kann Deutschland retten.“ Und dann legten Sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz noch eine Schippe drauf: „Demokratie beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass die Stimme des Volkes zählt. Es gibt keinen Platz für Brandmauern.“

Zur deutschen Geschichte gehört nun aber mal, was der NSDAP-Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels am 30. April 1928 im Völkischen Beobachter mitgeteilt hatte: „Wir [die NSDAP – die Redaktion] sind […] eine antiparlamentarische Partei, lehnen aus guten Gründen die Weimarer Verfassung und die von ihr eingeführten republikanischen Institutionen ab, sind Gegner einer verfälschten Demokratie, die den Klugen und den Dummen, den Fleißigen und den Faulen über einen Leisten schlägt, sehen im heutigen System der Stimmenmajoritäten und der organisierten Verantwortungslosigkeit die Hauptursache unseres ständig zunehmenden Verfalls. Was also wollen wir im Reichstag?

Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns aus dem Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren.

Wenn es uns gelingt, bei diesen Wahlen sechzig bis siebzig Agitatoren und Organisatoren unserer Partei in die verschiedenen Parlamente hineinzustecken, so wird der Staat selbst in Zukunft unseren Kampfapparat ausstatten und besolden. Eine Angelegenheit, die reizvoll und neckisch genug ist, sie einmal auszuprobieren. Wir werden auch in den Parlamenten verparlamentarisieren? So sehen wir aus! Glaubt einer von euch, dass wir, wenn wir in das Plenum des hohen Hauses einmarschieren, gleich mit Philipp Scheidemann Brüderschaft trinken? Haltet ihr uns für so miserable Revolutionäre, dass ihr fürchtet, wir würden vor einem dicken, roten Teppich und einer wohltemperierten Schlafhalle unsere geschichtliche Mission vergessen?

Wer ins Parlament geht, kommt darin um! Jawohl, wenn er ins Parlament geht, um auch einer zu werden. Geht er jedoch hinein mit dem zähen und verbissenen Willen, auch hier seinen bedingungslosen Kampf gegen die zunehmende Verlumpung unseres öffentlichen Lebens mit der ihm angeborenen Rücksichtslosigkeit fortzuführen, dann wird er nicht verparlamentarisieren, sondern er bleibt das, was er ist: ein Revolutionär […].

Man soll nicht glauben, der Parlamentarismus sei unser Damaskus. Wir haben dem Gegner die Zähne gezeigt von den Podien der Massenversammlungen und von den Riesendemonstrationen unserer braunen Garde aus. Wir werden sie ihm auch zeigen in der bleiernen Sattheit eines parlamentarischen Plenums. Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir. Jetzt seid ihr nicht mehr unter euch! Und so werdet ihr keine reine Freude an uns haben!“

Nach den Reichstagswahlen vom 20. Mai 1928 zog Goebbels als einer von zwölf Abgeordneten der NSDAP in den Reichstag ein.

Der weitere Verlauf dürfte selbst Ihnen nicht gänzlich verborgen geblieben sein.

Daher gilt: solange die AfD einen Björn Höcke und dessen Gedankengut in Ihren Reihen nicht nur goutiert, sondern ein nicht unmaßgeblicher Teilt der Mitglieder und der Wähler der Partei diesem Flügel zuneigt, solange gibt es nicht nur Platz für eine politische Brandmauer, sondern ist sie ein notwendiges Instrument, um einer Zerstörung der Demokratie mit ihren eigenen Mitteln zu wehren.

 

André Mielke, SvD* – Unter Transatlantikern, so kolumneten Sie dieser Tage in der Berliner Zeitung, sei nach dem Münchner Auftritt des US-Vizepräsidenten Vance, „von Verrat die Rede“. Sie respektieren solche Emotionen ausdrücklich, denn: „Mitbürger, die kadavergehorsam in die Luft guckten, als ihr großer Bruder die deutsche Gasleitung sprengen ließ, werden nun aus der schützenden Wärme seines Enddarms ins Offene gepresst. So muss Honecker sich gefühlt haben, als Gorbatschow ihn informierte, dass sogar unverbrüchliche Wertegemeinschaften ein Verfallsdatum haben.“

Wahrlich – eine hübschere Metapher und eine trefflichere historische Analogie wären auch uns nicht eingefallen.

 

* – Schandmaul vom Dienst

 

Maritta Tkalec, Journalistin der Berliner Zeitung – Dem Mainstream in Politik und Medien im deutschen Westen und anderenorts in NATO-Europa geht angesichts der sicherheitspolitischen Paukenschläge des US-Präsidenten und seiner Entourage der Allerwerteste zunehmend mit Grundeis. Dazu konstatieren Sie: „Was im Westen Angst auslöst, stößt im Osten eher auf Gelassenheit. Wenn die amerikanischen Truppen aus Deutschland abziehen? Gut so. Wenn keine amerikanischen US-Raketen in Deutschland stationiert würden? Yes, please. Aber wenn die Russen nach Deutschland kommen? Das haben sie freiwillig noch nie gemacht – Napoleon haben sie rausschmeißen müssen und die Wehrmacht ebenso. Danke dafür.“

Letzteres könnte man zur Not in einschlägigen historischen Standardwerken nachlesen. Aber hülfe das den Predigern der Bedrohung durch Moskau wie Annalena Baerbock wirklich, wenn die nun mal in ihren nächtlichen Alpträumen schon wieder russische Panzer durchs Brandenburger Tor rollen sehen? Wie hieß es mit gehörigem Fatalismus doch schon so trefflich bei Schiller: „Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.“ („Die Jungfrau von Orleans“)

 

Michael von der Schulenburg, früherer OSZE- und UN-Diplomat sowie BSW-Abgeordneter im Europaparlament – Sie haben dem politischen Mainstream und seinen medialen Verstärkern jüngst ins Stammbuch geschrieben: „Während es bei uns heißt, Putins angeblicher Imperialismus habe den Krieg verursacht, spricht Trump aus, was wir schon immer wussten: Es war die von Biden und den amerikanischen Neocons vorangetriebene NATO-Erweiterung um die Ukraine, die zu dem Krieg geführt hat. Trump setzt noch einen drauf: Er könne „Putin sogar verstehen“. In Deutschland würde man dafür seinen Job verlieren. Die neue US-Regierung spricht auch nicht von einem bevorstehenden russischen Angriffskrieg. Bereits im vergangenen Jahr stellten die sieben US-Geheimdienste in einem gemeinsamen Bericht fest, dass ein russischer Angriff auf ein NATO-Land mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei.“

Und Sie fragten: „Was nun?“

Allerdings nicht nur rhetorisch. Sie haben auch eine Antwort: „Wenn wir retten wollen, was noch zu retten ist, muss Deutschland eine unmissverständliche Wende in allen Bereichen seiner Politik machen. Wir müssen den Weg zurück zu einer Friedenspolitik finden und endlich unsere eigenen Interessen formulieren und danach handeln. Dazu müssen wir mit unseren östlichen Nachbarn auskommen und allen voran mit Russland und China ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen und Handel treiben.“

Schön und gut. Bloß haben sich die jüngst gescheiterte Bundesregierung und die Unionsparteien bisher entsprechenden Einsichten konsequent verweigert. Da ist wohl eher mit imbeziler Kontinuität denn mit unmissverständlicher Wende in allen Politikbereichen zu rechnen …

 

Jens Spahn (CDU), Ex-Bundesgesundheitsminister – Für Gabor Steingart, Gründer & Herausgeber von The Pioneer dürften Sie „auch dem Kabinett Friedrich Merz als Minister angehören, mutmaßlich in einem der Kernressorts Verteidigung oder Inneres“. Das ist uns schon Veranlassung, besonders hinzuhören, was Sie so von sich geben. Jüngst dieses: „Wir werden über die Wehrpflicht reden müssen. Wir werden viel mehr für Militär, Bundeswehr ausgeben müssen. Wir werden uns aufrüsten müssen, um uns verteidigen zu können. Ich habe den Eindruck, das haben noch nicht alle verstanden.“

Zu denkbaren politischen Ansätzen hingegen, wie ein Krieg mit der Atommacht Russland auf jeden Fall vermieden werden kann, weil im Kriegsfalle Verteidigung allenfalls solange funktionierte, bis Moskau den Atomknopf drückt, haben wir von Ihnen bisher nichts gehört.

Könnte es sein, dass Sie diesen existenziellen Zusammenhang noch nicht verstanden haben? Wir jedenfalls hoffen vorsorglich darauf, dass Steingart einfach mal irrt.

 

Udo Norden, Historiker und Politologe – Auch Sie ketzern offenbar gern mal rum: „Nach drei Jahren Krieg in der Ukraine sieht es nicht so aus, als ob der Export westlicher Politikmodelle und westlicher Waffen dort stabilere Ergebnisse zeitigen wird als zuvor in Vietnam, im Irak, in Libyen oder in Afghanistan. Missionarischer Eifer bringt in der Weltpolitik nichts Konstruktives hervor, sondern nur noch Zerstörung.“

Trotzdem halten hierzulande und anderenorts in der NATO immer noch manche daran fest, Russland mittels der Ukraine eine strategische Niederlage beibringen zu wollen. Auch daran mosern Sie herum: „Offen bleibt, was konkret mit ‚Niederlage‘ gemeint ist. Wenn Millionen russischstämmiger Bewohner der Krim und des Donbass vor der ukrainischen Armee nach Russland flüchten? Oder wenn rivalisierende russische Warlords in den Ruinen russischer Städte um den Zugriff auf Atomwaffen kämpfen?“

Sie gehören augenscheinlich zu den unangenehmen Typen, für die der Spruch „Allen Menschen recht getan, ist …“ mal erfunden wurde.

 

Karl Liebknecht, 1919 von der deutschen Reaktion im Zusammenspiel mit der damaligen SPD-Führung ermordeter revolutionärer Arbeiterführer – In Ihrer 1907 publizierten Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“ hatten Sie vermerkt: „Der richtige ‚Geist‘, den der Militarismus braucht, ist erstens mit Rücksicht auf seine Funktion gegenüber dem äußeren Feind: chauvinistische Verbohrtheit, Engherzigkeit und Selbstüberhebung, zweitens mit Rücksicht auf seine Funktion gegenüber dem inneren Feind: Unverständnis oder selbst Haß gegen jeden Fortschritt, gegen jede die Herrschaft der augenblicklich herrschenden Klasse auch nur im entferntesten bedrohende Unternehmung und Bestrebung.“

Uns kommt es fast so vor, als hätten Sie dieses unseren heutigen Kriegstüchtigkeitspredigern erst gestern ins Stammbuch geschrieben.

 

Martin Sonneborn, Satiriker und für Die Partei im Europaparlament – Deutschland ist wirtschaftlich auf Talfahrt. Ob Sie Ideen für einen konjunkturellen Aufschwung hätten, wurden Sie gefragt, und Sie haben: „Russisches Gas billig von Russland kaufen, nicht teuer über Holland, Aserbaidschan oder andere Zwischenhändler. Außerdem könnte man Habeck verklagen und die Milliardensubventionen abarbeiten lassen, die er – und seine Familie – in den Sand gesetzt haben. Der Mann war ja unfähiger und teurer als Andi B. Scheuert (CSU).“

Einfach genial!

Leider haben Sie vor der Bundestagswahl Ihr Ehrenwort gegeben, dass Die Partei „auch nach dieser Wahl in der Opposition sein“ werde.
Das ist Schei…benkleister!!

Denn wer, bitte schön, soll nun Ihre grandiosen Ideen umsetzen?