24. Jahrgang | Nummer 5 | 1. März 2021

Antworten

Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW und neuer Hoffnungsträger (nicht nur der CDU?) – Dass Sie dem 50-35-Inzidenz-Wechsel der Bundeskanzlerin in deren jüngster Corona-Runde mit den Ministerpräsidenten am 10. Februar widersprochen hätten ist zwar nicht bekannt, doch knapp eine Woche später äußerten Sie beim digitalen Neujahrsempfang des regionalen Wirtschaftsrats von Baden-Württemberg: „Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet.“ Und: „Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen.“ Sowie (mit Blick nach Berlin?): „Populär ist glaube ich immer noch die Haltung, alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder.“
Schön und gut.
But the proof of the pudding is in the eating.
Wir sind gespannt auf Ihr Agieren in der nächsten Corona-Runde.

Robert Habeck, möglicher Kanzlerkandidat der Grünen – In diesem Magazin ist Ihrer Partei ja jüngst unterstellt worden, sie wanzte sich mal mehr clandestin, mal weniger offen an die Unionsparteien ran – unter dem Blickwinkel möglicher Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Bundestagswahl (siehe Blättchen 2/2021).
In Ihrem neuem Buch „Von hier an anders“, dessen Titel die Intention auf einen radikalen gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsel zumindest nicht auszuschließen scheint, offenbaren Sie jedoch, dass Sie – ganz im Gegenteil – blankes Biedermeier im Visier haben: „Die politische Aufgabe unserer Zeit besteht nach meiner Überzeugung nicht darin, eine Revolution anzuzetteln […], sondern die Fundamente des Vertrauens zu erneuern.“ Das hätte ein schwarzer Konservativer nicht schöner formulieren können! Daher Bestnote aus dem Hause Springer: „Diskret erteilt Habeck Grün-Rot-Rot eine Absage“ (DIE WELT).
Wir sehen unsere Unterstellung daher (leider) bestätigt: Wer Grüne wählt, wählt CDU.
Dieses Mal weiß man es also rechtzeitig. Nicht wie vor der Bundestagswahl 1998. Da wären wir nicht auf die Idee gekommen, befürchten zu müssen: Wer Grüne wählt, wählt Krieg. Doch genau in den hat der damalige grüne Außenminister – zusammen mit seinen SPD-Kumpels im Kanzleramt und im BMVg – die Bundeswehr dann geschickt. Erstmals seit deren Gründung und gleich ohne UN-Mandat, also völkerrechtswidrig …

Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister – Was in den Medien diplomatisch „Kooperation des Gesundheitsministeriums mit Google“ genannt wird, ist offenbar eine formidable Mauschelei am Rande der Legalität: Google trimmte seinen Algorithmus für Suchanfragen so, dass bei Eingabe von Begriffen wie „Migräne“ und anderer Krankheiten und Beschwerden zuoberst ein Info-Angebot Ihres Hauses aufploppte. Sie erläuterten dazu: „Wenn wir ein Interesse daran haben, objektive, fundierte, evidenzbasierte Informationen rüberzubringen, dann bringt es mir nichts, wenn wir bei Google an Stelle 783.000 auftauchen.“ Im Unterschied zu Webseiten anderer Anbieter, bei denen Google von den damit generierten Werbeeinnahmen einen Teil an die Anbieter abführen muss, durfte der Internetkrake in diesem Falle die gesamte Kohle behalten. Win – win, könnte man meinen.
Im Medienkonzern Burda war man offenbar genau dieser Auffassung und klagte gegen das Geschäftsmodell – wegen Wettbewerbsverzerrung. Und bekam in erster Instanz Recht. Das Gericht wertete die Zusammenarbeit als Kartellverstoß. Und nun hat auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages ein Gutachten vorgelegt und festgestellt, dass ein Verstoß gegen die Pressefreiheit vorliege.
Sie Ärmster. Wenn es nicht schon ein anderer getan hätte, könnten Sie jetzt ausrufen: „Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu!“

Volker Reinhardt, Historiker – Seit Monaten immer wieder hört man aus den Medien, der Politik und von anderen Seiten, nach Corona werde nichts mehr so sein wie vor Corona, diese Pandemie sei der Wendepunkt. Wenn schon nicht für alles, dann doch für Vieles und jedenfalls ganz sicher für Entscheidendes.
Hinreichend Gründe genug für diverse Paradigmenwechsel in dieser Welt gibt es auch ohne Corona ja seit langem.
Die Pandemie also eine Chance für das zarte Grün der Hoffnung?
Mitnichten. Sie haben zurückgeblickt auf Seuchen bis hin zur großen Pest im 14. Jahrhundert, bei der rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung starb, und holen uns unsanft zurück auf die harten Planken der Realität: „Ob im Jahr 2020 wirklich etwas Großes und Prägendes geschehen ist, wird sich erst in 50 Jahren zeigen. Ich persönlich glaube, Corona wird keinen größeren Einschnitt darstellen.“ Wenn die Pandemie „durch Impfungen eingedämmt werden kann, und so sieht es ja aus, werden sich Haltungen und Mentalitäten der Menschen nicht ändern. […] Die scheinbaren Sicherheiten der Moderne werden infrage gestellt, aber langfristig wird daraus nichts Entscheidendes folgen. Geschichte ist immer der Aufbruch ins Unbekannte, aber bisher sind Epidemien stets mit Verdrängen und Vergessen beantwortet worden.“
Das lässt uns befürchten, dass the human beeing as such einfach weiter an seiner Selbstabschaffung werkeln wird, ohne den Vorgang an sich auch nur wirklich zu realisieren.
Hat Walther Benjamin das bereits erahnt? Als er resümierte: „Daß es »so weiter« geht, ist die Katastrophe.“

Antje Vollmer, vormals Vizepräsidentin des Bundestages und Grünen-Politikerin – Ihr Blick zurück: „Es war eine grundsätzliche Unfähigkeit der westlichen Demokratien Europas, einen guten Plan für die Zeit nach dem unerwartet glücklichen Ende des Kalten Krieges zu entwickeln.“ Diese Unfähigkeit findet Ihre Fortschreibung bis heute: „Viele Führungskräfte in Politik und Medien leben in einer eigenen Blase, mit eigenen Wertmaßstäben. So werden die innereuropäischen Konflikte, ob mit Griechenland und Italien, ob mit Ungarn und Polen oder gar mit Russland, in der Regel vom hohen Ross eines moralischen Imperialismus ausgefochten. Insbesondere die glücklichen Deutschen und Teile des europäischen Parlaments neigen seit 1990 zu dieser unangenehmen Form des Nicht-Dialogs. Sie sollten allmählich erkennen, dass diese Methode der Auseinandersetzung zwischen unabhängigen Staaten in der realen Außenpolitik regelmäßig scheitert.“
Wir sind da pessimistisch, was die Erkenntnisfähigkeit der angesprochenen Führungskräfte in Politik und Medien anbetrifft. Oder um es mit dem Volksmund zu sagen: Was Hänschen (vor dreißig Jahren) nicht gelernt hat, das lernt Hans …

Josef Kardinal Höffner, zu späten Lebzeiten katholischer Oberhirte der Westdeutschen – Mit Blick auf die spanisch-portugiesische Kolonialisierung Lateinamerikas fassten Sie zusammen: „Wenn die indianische Rasse in Mittel- und Südamerika erhalten geblieben ist, so verdankt sie das dem christlichen Gewissen […].“ Mithin dem Gewissen derer, die sowohl durch direktes Hinmetzeln wie durch Einbringen in jenen Landstrichen bis dato unbekannter Infektionskrankheiten (Masern & Co.) für die systematische Dezimierung der indigenen Ureinwohner gesorgt haben. Darauf muss man erst einmal kommen.
Dass Sie mit derartigem Erkenntnisgewinn als Bestandteil Ihrer Dissertation „Christentum und Menschenwürde. Das Anliegen der spanischen Kolonialethik im Goldenen Zeitalter“ im Jahre 1944 in Deutschland promoviert wurden, verwundert nicht, denn da war das hiesige Herrenmenschentum zwar bereits tödlich verwundet, aber noch nicht geschlagen. Dass Sie es mit Ihrer Denke später bis zum Erzbischof von Köln, Kardinal und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz brachten, verwundert angesichts des übervollen Kerbholzes der katholischen Amtskirche seit Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im Jahre 393 allerdings auch nicht wirklich.

Anton Hofreiter, Co-Chef der Bundestagsfraktion der Grünen – Wir wissen ja nicht, ob Sie im Jahre 2014 des Lesens bereits mächtig waren. In jenem Jahr jedenfalls erschien aus der Feder des FAZ-Redakteurs Niklas Maak die Schrift „Wohnkomplex. Warum wir andere Häuser brauchen“. Darinnen zum Auftakt ein Foto von Christian Wulf beim Rasensprengen vor seinem Haus in Großburgwedel mit folgender Bildunterschrift: „Hätte sich Wulf 2008 gegen ein Krüppelwalmdachhaus auf dem Land bei Hannover entschieden, würde er vermutlich noch heute als Präsident im deutlich größeren Berliner Schloss Bellevue wohnen.“ Damit hielt Maak einerseits die Leseschwelle niedrig, denn der Hype um den Skandal-Präsidenten lag nur kurze Zeit zurück, und andererseits war der Autor sofort bei seinem Thema: spießigen Einfamilienhäusern („dämmverputzte Billigstkisten“), mit denen die Stadtränder zersiedelt werden. Maak präsentierte eine geballte Ladung an Kritik an dieser Wohnform, die in der Schweiz, wo sie weit häufiger als hierzulande verbreitet ist, schon mal als „Häuschenpest“ apostrophiert wird.
Und nun haben auch Sie entdeckt: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.“
Na ja, besser eine lange Leitung als gar keine!

Theo Sommer, DIE ZEIT-Ex-Chefredakteur und -Herausgeber – Sie bilanzieren, dass der knapp 20-jährige Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan bisher 13 Milliarden Euro gekostet habe. Neben den mindesten zwei Billionen Dollar seitens der USA. Von den Ausgaben der weiteren 36 militärisch beteiligten Länder gar nicht zu reden. Sie nennen dieses Engagement „eine mission impossible“, weil: „Wer nicht gewinnen kann, hat verloren.“ Und Sie plädieren dafür, die Bundeswehr – unabhängig vom Verlauf der innerafghanischen Friedensgespräche in Doha – in spätestens einem Jahr endgültig abzuziehen sowie die verbleibende Zeit zu nutzen, all jene Afghanen in den Westen „zu holen, die seinen Truppen als Übersetzerinnen, Fahrer, Lagerarbeiter, Sekretärinnen oder Putzhilfen wertvolle Dienste geleistet haben und sich deswegen auf Bestrafung einzustellen hätten“ sowie auch all jene, „die sich in einem Taliban-Regime in ihrer freien Entfaltung behindert fühlen würden“. Bis zu 200.000 Personen, schätzen Sie. Ein ehrbares Ansinnen, nur – dieser Personenkreis war, von eher kargen Lippenbekenntnissen abgesehen, dem Westen bisher ziemlich gleichgültig und dürfte es allem Anschein nach auch fürderhin bleiben.
Energisch widersprechen müssen wir allerdings Ihrer Feststellung: „Der Satz ‚Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt‘“ habe „längst seine Gültigkeit verloren“. Es sei denn, Sie lieferten den Nachweis, wann und warum dieser Satz je Gültigkeit gehabt haben sollte …