22. Jahrgang | Nummer 3 | 4. Februar 2019

Bemerkungen

Der mit Salz beladene Esel

Ein mit Salz beladener Esel musste durch einen Fluss, fiel hin und blieb einige Augenblicke, den Moment des Ausruhens genießend, behaglich in der kühlen Flut liegen. Beim Aufstehen fühlte er sich um einen großen Teil seiner Last erleichtert, weil sich viel Salz im Wasser gelöst hatte. Das Tier merkte sich diesen Effekt und wandte ihn gleich am folgenden Tage an, als es mit Schwämmen belastet wieder durch ebendiesen Fluss ging. Diesmal ließ der Esel sich absichtlich fallen. Allerdings bemerkte er bald seinen Irrtum: Die Schwämme hatten sich mit Wasser vollgesogen und waren bedeutend schwerer als vorher. Die Last war so groß, dass der Esel nicht mehr aufstehen konnte und ertrank.
Moral: Sei vorsichtig mit der Wahl Deiner Mittel! Nicht jedes dient für jeden Fall.

nach Aesop

Von wahren und falschen Gefühlen

Armer Dichter liebt kranke Blumenstickerin, sie ihn auch, beide trauen sich aber nicht über den Weg, verplempern ihre Zeit mit Beziehungsknatsch, und als er sein Glück endlich begreift, ist sie tot. Jugend und Kunst feiern sich, können Krankheit und Sterben aber nicht überwinden. Puccinis „La Bohème“ steht auf der Liste der meist gespielten Opern weltweit auf Platz 7.
Das eiskalte Händchen kann jeder Opernafficionado mitsingen, und es muss schon viel passieren, damit die abgebrühte Kritikerin das Taschentuch zückt. Die Tränchen laufen in der Tat, das liegt einmal an Puccinis Kunst, um die Jahrhundertwende existentielle Gefühl zu übersetzen in eine Musik ohne überflüssige Dekoration. Puccini kannte das Leben der armen Intellektuellen und Künstler aus seiner Mailänder Studentenzeit. Er gibt der falschen Sentimentalität trotz herzzerreißender Melodien keine Chance. Mimi stirbt leise, zwischen zwei Atmern, ohne große Geste, und das geht stark ans Gemüt.
Zum Anderen braucht es ein überzeugendes Konzept für die Inszenierung. Intendant und Regisseur Barrie Kosky inszeniert zur Pariser Mansardenidylle die zeitgleich entstandene frühe Fotografie, die Daguerreotypie, und rückt den altertümlichen Fotoapparat mit Stativ und schwarzer Decke ins Zentrum der Handlung. Wo Fotos entstehen, inszenieren sich die Künstler. Und wer sich inszeniert, hat keinen Zugang zu den eigenen Gefühlen. Kosky verzichtet auf jede Aktualisierung mit Selfies und Instagramästhetik, er bleibt streng in der Zeit der Bohème, Paris Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein altes Postkartenmotiv der Pont Neuf, aufgenommen vom Montmartre, und die sehr frühe Fotografie einer Gasse bilden den Hintergrund der Bühne, des Weihnachtsfestes im Quartier Latin, des Wirtshauses. Die Mansarde ist angedeutet als Podium in Form zweier kleiner verbundener Rechtecke, oben hängen ein paar alte Vorhänge am Eisengestänge, die Künstler gelangen durch eine Treppenluke in ihr ärmliches Stübchen, in dem auch Nachbarin Mimi erscheint und Rodolfo betört, eben mit eiskaltem Händchen
Immer wieder taucht diskret, ohne Ausrufezeichen, der Fotoapparat auf, die Künstlermuse Musetta zerschlägt ihn schließlich, und da fühlt Rodolfo zum ersten Mal, wie ernst es ihm ist mit Mimi. Leider zu spät. Mimi haucht ihr Leben aus und sitzt erstarrt im Scheinwerferlicht. Der kanadische Dirigent Jordan de Souza begleitet das hochmotivierte junge Ensemble souverän durch die vier Szenen, Nadja Mchantaf als Mimi mit dunklem Pagenschnitt und Karokleidchen bezaubert , Jonathan Tetelman als Rodolfo im lila Samtanzug wirkt ein wenig blass dagegen, die Muse Musetta gibt die blonde Sirene, Chor und Ballett feiern den Weihnachtsabend manchmal einen Tick zu klamaukig, aber das Publikum feiert zum Schluss eine gelungene „Bohème“ mit langem Applaus, bei dem die Tränchen der Rezensentin dann schnell getrocknet sind.

Maria Ossowski (RBB)

Die nächsten Vorstellungen sind am 8.2., 14.2., 17.3., 22.3. und 30.3.; jeweils 19.30 Uhr (17.3. bereits 19.00 Uhr).

Trump und die Schlapphüte

Bis zu Daniel R. Coats, Geheimdienstkoordinator der USA, scheint es sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dass sein Chef, Weltpolitiker Donald Trump, Widerspruch überhaupt nicht abkann, denn Coats hat jetzt zusammen mit anderen führenden Schlapphüten, nämlich mit der CIA-Chefin Gina Haspel und dem FBI-Direktor Christopher Wray, kund und zu wissen gegeben, dass der Präsident in wichtigen sicherheitspolitischen Fragen völlig falsch liegt. In einem aktuellen Gutachten kommt zum Ausdruck, dass Coats & Co. – anders als es Trump offenbar erwartet – nicht davon ausgehen, dass Nordkorea seine Atomwaffen aufgibt oder dass Teheran welche entwickelt. Überdies bezweifeln die Schlapphüte, dass der Islamische Staat besiegt sei und damit Trumps Begründung für einen Abzug von USA-Truppen aus Syrien stichhaltig wäre.
Man darf gespannt sein, wie es beruflich jetzt mit Coats weitergeht. Denn wie sprach doch schon ein anderer Präsident, der Franzose Charles de Gaulle, so schön? „Ich habe gern Leute um mich, die mir widersprechen, aber ich kann sie nicht ertragen.“
Und Trump?
Der hat schon mal zurückgetwittert: „Vielleicht sollten die Geheimdienste noch einmal die Schulbank drücken!“

gm

Bunt und hell und leise und schön …

In diesen Zeiten, in denen einerseits bestimmte Entwicklungen nicht nur hierzulande einem schier die Sprache rauben, andererseits die vermeintlich sozialen Netzwerke und Kommunikationsmedien für eine Verarmung bis Verrohung des Wortschatzes sorgen, ist man sehr dankbar für Künstler, die statt dumpfer Parolen und hässlicher Abfälligkeiten ein kreatives Kontrastprogramm darbieten.
Im Falle von Dota Kehr, der als „Kleingeldprinzessin“ bekannt gewordenen Musikerin, sind es Lieder mit Sprachwitz und Sprachgewalt. Ihre Songs sind die aktuellen Wahrnehmungen, die Sehnsüchte und Erinnerungen einer (nicht nur sprach-)sensiblen Frau. Der Musikstil der Künstlerin – mal verlangsamt, mal flott – geht über klassische Liedermacher-Musik hinaus, hat eine folkig-jazzige Anmutung. Ihr „trotz allem“ lebensbejahender Optimismus begründet sich im geschärften Blick für die kleinen Großartigkeiten des Alltags. Und manchmal sind es auch skurrile Beobachtungen wie im Lied „Schwangere Frauen im Baumarkt“.
Im Eingangslied der CD singt Dota: „Es ist bunt und hell und leise und schön …“ Der Musikhörer darf selbst für sich interpretieren, was „es“ ist … Aber diese adjektivische Auflistung „bunt und hell und leise und schön“ ist gleichzeitig eine sehr passende Umschreibung von Dotas Liedgut. Kindliche Neugierde und Naivität machen es möglich, die betonierten Wege des Lebens zu verlassen … Und was wartet dann auf uns?
„Die Orte, an die wir gehen an anderen Tagen / Da sitzen wir dann und lachen, über die, die wir waren. / Und wenn die Sterne gut stehen und die Planeten sich alle vertragen, / bleibt die Erde noch lang genug dafür auf ihrer Bahn…“

Thomas Rüger

Dota: Die Freiheit (CD), Label: Kleingeldprinzessin / Broken Silence 2018, circa 16,00 Euro; auch als limitierte Box mit 2 CDs, einem Songbuch und einem Turnbeutel für circa 34,00 Euro.

Spitzenreiter aus der Provinz

„Stuttgart 21“ ist bekanntermaßen das Kürzel für ein Großbauprojekt, durch das der Hauptbahnhof der Stadt von deren Antlitz getilgt werden soll, indem man ihn in den Untergrund beamt. Das ganze sollte sich, so eine Spekulation von Initiatoren, allein durch den Verkauf der frei werdenden Grundstücksflächen – in bester Innenstadtlage – als Bauland finanzieren. Aber eigentlich wollten etliche der prominenten Befürworter des Projektes, darunter solche ausgewiesenen schwäbischen Verkehrsexperten wie die frühere Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, es vor allem der bayerischen Metropole München zweigen. Also was man so drauf hat im Baden-Württembergischen.
Beides ist gründlich in die Hose gegangen. Dafür aber gelang es in einem harten Kopf-an-Kopf-Rennen wenigstens, dem Berliner Pleite-Airport in Schönefeld den bundesweit ersten Rang im Hinblick auf planerischen Irrsinn, Führungsdilettantismus und als größtes Milliardengrab zu entringen: Seit Ende 2018 hat „Stuttgart 21“ in Sachen Kosten nämlich das Zehn-Milliarden-Euro-Ziel praktisch erreicht. Da kann der BER mit seinen schlappen 7,2 Milliarden nun wirklich nur noch abstinken.
Für das viele schöne Geld gibts aber in Stuttgart auch Sachen vom Feinsten. So werden im Souterrain unter anderem Bahnsteige verbuddelt, deren (geplanter) Neigungswinkel das Schieben von Rollstühlen künftig zumindest in der abschüssigen Richtung völlig erübrigen wird – an ihrem einen Ende werden diese Bahnsteige nämlich mehrere Meter höher sein als am anderen. Diese Neigung liegt allerdings sechsfach über dem Sollwert, was den Spiegel schon vor Jahren warnen ließ, „dass Kinderwagen auf die Schienen zu rollen drohen“.
Zusammengetragen haben die schier unglaublichen Einzelheiten der schwäbischen Provinzposse mit teilweise spürbar kriminellem Touch die Macher des ZDF-Satiremagazins „Die Anstalt“ in dessen jüngster Ausgabe, gesendet am 29. Januar. Als Zuschauer fühlte man sich sofort an Dieter Hildebrandts legendäre ARD-„Scheibenwischer“-Sendung vom Januar 1982 erinnert, in der es um ein anderes verkehrstechnisches Jahrhundertprojekt ging, den Rhein-Main-Donau-Kanal. Seinerzeit gab das Bundesland Bayern anschließend die beleidigte Leberwurst und klinkte sich bei den nachfolgenden „Scheibenwischern“ aus dem ARD-Sendeverbund aus …
Wer „Die Anstalt“ verpasst hat, muss dank heutiger technischer Möglichkeiten im Übrigen nichts verpasst haben, denn über Fernseher mit Internetanschluss kann die Sendung jederzeit aus der ZDF-Mediathek aufgerufen werden, und wem dieser Komfort fehlt, der hat immer noch die Chance an seinem PC, Laptop, Notebook et cetera.
Die Kanzlerin übrigens, auch das haben die Anstalter ausgegraben, hatte ihr „Basta“ zur Sache bereits im Jahr des offiziellen Baubeginns gesprochen: Stuttgart 21 müsse kommen, sonst sei Deutschland unregierbar, und Europa sei in Gefahr (nachzulesen in der Spiegel-Ausgabe vom 18. Oktober 2010).

Alfons Markuske

Medien-Mosaik

So ein Karikaturist hats nicht leicht! Klaus Stuttmann zeigt sich in seinem neuen Band „Is was!?“ selbst mit einem Chefredakteur (da stehen bei seiner Produktivität drei Dutzend zur Auswahl), der ihm auferlegt: „Keine Trump-Karikaturen mehr! Über kranke, debile und demente Menschen macht man keine Witze!“ Natürlich hält sich der Zeichner nicht daran, lässt den Donald seinen Schnabel nicht halten, wenn er für sich 1000 Friedensnobelpreise fordert oder erklärt: „Diplomatie ist Krieg, nur mit anderen Mitteln!“
Tatsächlich ist Trump diesmal aber weniger präsent, was sicherlich daran liegt, dass man in Deutschland mit sich selbst zu tun hatte, denn Herbst 2017 und Frühjahr 2018 war die Zeit der langen, langen Regierungsbildung. Daraus resultiert, dass beispielsweise Christian Lindner nur am Beginn vorkommt und danach auch nicht mehr vermisst wird. Für Martin Schulz hatte Stuttmann allerdings sehr schöne Einfälle – der fehlt ab der Hälfte des durchweg farbigen Bandes wirklich! Einer kommt nur verbal vor. Olaf Scholz und Andrea Nahles rufen hämisch: „Raus aus der GroKo! Keine Ministerposten mehr! Endlich Zeit, dich zu erneuern, lieber Sigmar!“ Inzwischen werden die Rufe „Gabriel, hilf!“ in der desaströsen SPD wieder lauter. Kleine Rollen im Buch 2018 haben die Brexit-Hexe May und der Menschenhändler Erdogan. Fast gar nicht kommen die Linken vor, wenn man davon absieht, dass Stuttmann die Wagenknecht „in Bewegung“ das Grab der Partei schaufeln lässt. Dafür bleibt natürlich Merkel die dominierende Figur – vor allem im Kampf mit ihrer und der Schwester-Partei, bis sie am Schluss fröhlich selbst erklärt: „Merkel muss weg!“
Klaus Stuttmann: „Is was?!“ Politische Karikaturen 2018, Schaltzeitverlag, Berlin 2018, 224 Seiten, 19,90 Euro.

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Einer der Großen des internationalen Kinos war der Ungar Gábor Bódy (1946-1985) und hätte es noch überwältigender sein können, wenn er länger gelebt hätte. Ihm lag an einer Verständigung in der Zeit des Kalten Krieges, und als er zu Beginn der achtziger Jahre an der Westberliner dffb arbeitete, kam er mehrfach ins Ungarische Kulturzentrum an der Ostberliner Karl-Liebknecht-Straße, um seine Filme vorzustellen. Sein überlanges Hauptwerk „Amor und Psyche“ musste des Andrangs wegen mehrfach angesetzt werden.
Der metaphernreiche, teilweise von verfremdenden experimentellen optischen Mitteln getragene, in der Ausstattung opulente Film erzählt die Geschichte der Dichterin Psyche und schlägt einen Bogen vom Ende des 18. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, in dem die Protagonisten kaum altern. Psyche stammt von einem ungarischen Adligen und einem Roma-König ab und verfügt über übersinnliche Fähigkeiten. Psyches große Liebe ist der Dichter Narziss, ein Hauslehrer. Doch aus praktischen Erwägungen lässt sich Psyche auch mit dem preußischen Adligen Zedlitz ein, den sie heiratet und den geliebten Narziss damit fast zum Wahnsinn treibt. Viele historische Ereignisse und Personen spielen in diese Geschichte hinein, die versucht, ein Stück europäischer Geschichte durch eine vielfach gebrochene poetische Erzählweise fassbar zu machen. Die Spanierin Patricia Adriani, der Deutsche Udo Kier und der Ungar György Cserhalmi spielen die zentralen Rollen. Zusammen mit seinem Kameramann István Hildebrandt schafft Bódy betörende wie auch verstörende Bilder – eine so sinnliche wie auch geschmackvolle Beischlafszene wie hier hatte man zuvor noch nie gesehen. Hildebrandt ist es auch entscheidend zu verdanken, dass das über vierstündige Filmwerk nun in einer restaurierten Fassung vorliegt und seine Faszination neu entfalten kann, eine „fesselnde, ungebärdige essayistische Explosion“ nannte seinerzeit die Frankfurter Rundschau dieses filmische Wunderwerk.
Narziss und Psyche (orig. Nárcisz és Psyché), Regie Gábor Bódy, Ungarn 1981, Doppel-DVD, absolut MEDIEN, 19,90 Euro.

bebe

WeltTrends aktuell

Im Jahr 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele für den Zeitraum bis 2030. Eine zentrale Rolle kommt dabei Städten zu, in denen 2050 immerhin drei von vier Menschen leben werden. Im Thema werden Aspekte städtischer Nachhaltigkeitspolitik untersucht: Städtepartnerschaften als Instrument zur Förderung der globalen Nachhaltigkeitsagenda, kommunale Handlungsstrategien für die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, urbane Katastrophenrisikovorsorge im Kontext internationaler Institutionen, Globale Städte als Orte zwischen Ausgrenzung und sozialer Integration. Im WeltBlick geht es um die mit der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro verbundenen Umwälzungen in der brasilianischen Politik; eine „neoliberale rechte Front“ ist in Lateinamerika im Entstehen begriffen. Dagegen weht in Äthiopien ein neuer, progressiver Wind, seit Abiy Ahmed im Frühjahr 2018 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde; Katar trotzt erfolgreich der von Saudi-Arabien initiierten Blockade. Krisenprävention und Rüstungskontrolle werden zentrale Themen der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat 2019 bis 2021 sein, schätzt SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich im Gastkommentar ein.

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WeltTrends – Das außenpolitische Journal, Heft 148 (Februar) 2019 (Schwerpunktthema: „Städte & Nachhaltigkeit“), Potsdam / Poznan, 4,80 Euro plus Porto. Weitere Informationen im Internet.

Blätter aktuell

Nach dem Ende des Kalten Krieges schien die atomare Bedrohung durch Rüstungskontrollabkommen gebannt. Doch nun kehrt sie rasant zurück, warnt der Politikwissenschaftler Oliver Thränert. Die verschärfte Konkurrenz der Großmächte und die Aufrüstung durch Atomstaaten wie China, Indien oder Pakistan drohen die Rüstungskontrolle fatal zu schwächen.
Fragt man nach der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie, so wird gerne auf Indonesien verwiesen. Doch auch dort sind radikal-islamistische Kräfte auf dem Vormarsch, so der Südostasienwissenschaftler Timo Duile. Die Elite des Landes sucht teilweise den Schulterschluss mit den Extremisten – und schafft damit eine politisch hochgefährliche Lage.
Die Außenpolitik der USA dient zunehmend einer kleinen Elite. Damit aber schwächt Amerika sich selbst, so die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren. Nur wenn es in den Vereinigten Staaten selbst gerecht zugeht, kann Washington eine wichtige Rolle in der Welt spielen – in multilateraler Zusammenarbeit mit seinen Verbündeten.
Dazu weitere Beiträge, unter anderem „Unbestechlich links: Zum Tode Norman Birnbaums“, „Negative Beziehungen und die Schmetterlingspolitik des Sexes“ und „Belgien: Der Wille zur Unregierbarkeit“.

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Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, Februar 2019, Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement: 79,80 Euro (Schüler & Studenten: 62,40 Euro). Weitere Informationen im Internet.

100 Jahre Revolution 1918/19

Dieses Thema bildet den Schwerpunkt des Heftes 1/2019 der Zeitschrift Arbeit. Bewegung. Geschichte – der Nachfolgerin des Jahrbuchs für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Die Beiträge konzentrieren sich auf biografische Untersuchungen zum „Kultursozialismus Kurt Eisners“ (Franz Jacob), die Entwicklung der Rosa Luxemburgschen Positionen zum Terror (Jörn Schütrumpf) und holen wichtige Persönlichkeiten wie den ersten Kommandanten der Volksmarinedivision Paul Wieczorek (Klaus Gietinger) sowie Wolfgang Fernbach, der als Parlamentär während des „Spartakus-Aufstandes“ am 11. Januar 1919 von den Noske-Truppen erschossen wurde (David Fernbach), aus dem Schatten der Geschichte. Eine wichtige Orientierungshilfe über die Vielzahl neuer Publikationen und der damit verbundenen Forschungskontroversen zur Geschichte der Revolution und deren Umfeld bietet Gerhard Engel in einer „selektiven Bücherschau“. Weitere Artikel des Heftes befassen sich mit dem „Verständnis der ‘freien Arbeit’ bei republikanischen und marxistischen Achtundvierzigern in den USA“ (Felix Zimmermann) und einer von Gina Fuhrich vorgenommenen Analyse „Rationalisierung von unten – Arbeiter als Gestalter betrieblicher Rationalisierung bei VW“. Konferenzberichte und ein umfänglicher Buchbesprechungsteil runden das Heft ab.

WB

Arbeit. Bewegung. Geschichte. Zeitschrift für historische Studien 2019/1, herausgegeben vom Förderverein für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung e.V.; erhältlich über: Metropol Verlag, Ansbacher Straße 70, 10777 Berlin, Einzelheftpreis 14,00 (drei Hefte als Jahresabo 35,00 Euro).

Aus anderen Quellen

In einer Gedenkrede zum 74. Jahrestag der Befreiung führte der Historiker Götz Aly unter anderem aus: „In seiner bekannten ‚Vogelschiss‘-Rede setzte der AfD-Vorsitzende Gauland der volksgestützten nationalsozialen Verbrechensherrschaft ‚über tausend Jahre erfolgreicher deutscher Geschichte‘ entgegen.“ Und: „Auf die Frage, was das Besondere an unserer Kultur sei, erwiderte Gauland: ‚Es gibt Bach und Goethe und Händel, es gibt Thomas Mann.‘“ Letzterer, so Aly, „weigerte sich bis zu seinem Tode mit guten Gründen, die 1944 erworbene amerikanische Staatsbürgerschaft abzulegen und wieder deutscher Staatsbürger zu werden. Zu Leuten, die fremdenfeindliche Tiraden schwangen und dafür trommelten, dass Deutschland ausschließlich sogenannten Blutsdeutschen gehören solle, bemerkte er 1937: Aus ‚einem völkergesellschaftlichen Minderwertigkeitsgefühl‘ erwuchs ostentative Überheblichkeit. […] 1945 resümierte er: ‚Der deutsche Freiheitsbegriff war immer nach außen gerichtet; er meinte das Recht, deutsch zu sein, nur deutsch und nichts anderes.‘ Er beinhaltete nicht die Freiheit der Menschen, sondern die ‚für das deutsche Vaterland‘. Er war – und ist – Ausdruck von ‚völkischem Egoismus‘ und ‚militantem Knechtssinn‘.“
Götz Aly: Rede zum 74. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, berliner-zeitung.de, 27.01.2019. Zum Volltext hier klicken.

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Mitte Januar zog der russische Außenminister Sergej Lawrow Bilanz für das Jahr 2018. Unter erschwerten internationalen Bedingungen habe man „den multivektoralen außenpolitischen Kurs [weitergeführt], der auf den Schutz der nationalen Interessen der Russischen Föderation gerichtet ist […]. Wir förderten die Festigung der positiven Tendenzen in der internationalen Arena, die Suche nach kollektiven Lösungen, der vor allen Staaten stehenden Problemen auf Grundlage des Völkerrechts und strebten im Ergebnis die Förderung des Aufbaus eines gerechteren, demokratischeren, repräsentativeren polyzentrischen Modells der Weltordnung, wie das objektive Realien der modernen Welt erfordern, an. Mit diesen Zielen wirkten wir eng mit den Verbündeten und Partnern in der OVKS, EAWU, GUS, BRICS, SOZ zusammen, arbeiteten konstruktiv in den wichtigsten Strukturen der globalen Führung, vor allem UNO und G20.“
Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, bei einer Pressekonferenz zu Ergebnissen der Tätigkeit der russischen Diplomatie 2018, Moskau, 16. Januar 2019, mid.ru, 16.01. 2019. Zum Volltext hier klicken.

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Venezuela werde für China zum Testfall, erklärt der Pekinger NZZ-Korrespondent Matthias Müller angesichts der 62,2 Milliarden US-$, die das Land in den letzten Jahren dort investiert habe: „Zwar hält Peking offiziell weiterhin daran fest, sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen zu wollen. Chinas Machthaber können jedoch kein Interesse daran haben, dass sich das Chaos fortsetzt. Sie laufen sonst Gefahr, Kredite in Milliardenhöhe abschreiben zu müssen.“
Matthias Müller: China bangt um seine Milliarden, die es in Venzuela investiert hat. NZZ Digital, 30.01.2019. Zum Volltext hier klicken.

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„Ein feiner Kompromiss ist das“, schimpft Elsa Koester im freitag über die von den Berliner Koalitionsparteien förmlich als Quantensprung gehandelte Veränderung des Strafgesetzbuchparagraphen 219a: „Alle Frauen in Deutschland müssen ihre Überlegungen über einen Schwangerschaftsabbruch nun weiterhin vom Staat kontrollieren lassen. Der Zugang zu politisch neutralen medizinischen Informationen direkt beim Arzt bleibt ihnen verwehrt. […] Man ist sich darüber einig geworden, dass schwangere Frauen keine voll mündigen, vernunftbegabten Wesen sind.“
Elsa Koester: Nichts begriffen!, der freitag digital, 29.01.2019. Zum Volltext hier klicken.

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Warum denn er, einstiger Hoffnungsträger der Europäischen Linken, jetzt als Spitzenkandidat einer eigenen Bewegung – Diem25 – zu den Europa-Wahlen 2019 antreten wolle, befragte Florence Schulz den einstigen Syriza-Finanzminister Yannis Varoufakis. Der erklärt auch, warum er ausgerechnet in Deutschland antrete: „Wenn man das römische Reich umbauen will, sollte man in Rom anfangen. Deutschland ist das wirtschaftliche Herz Europas. Deutschland ist der Motor, der Europa zieht, ob man das nun gut findet oder nicht. Ein anderer Grund ist aber auch, dass die öffentliche Meinung in Deutschland – zumindest bis vor kurzem – sehr viel proeuropäischer war als beispielsweise in Frankreich. Die französischen Eliten haben die EU immer als Instrument gesehen, um Frankreichs Macht auf globaler Ebene zu stärken. Deutschland hingegen wollte wirklich das europäische Projekt voranbringen.“
Florence Schulz (Interview): Varoufakis: Es gibt keine echte europäische Linke mehr, EURACTIV.de, 28.01.2019. Zum Volltext hier klicken.