22. Jahrgang | Nummer 2 | 21. Januar 2019

Antworten

Olaf Scholz (SPD), auch so ein Gernegroß – Statt der Realität ins Auge zu schauen und allenfalls die Frage zu stellen, wozu in drei Teufels Namen eine demnächst wahrscheinlich 9-Prozent-Partei denn überhaupt einen Kanzlerkandidaten benennen sollte, haben Sie jetzt Ihren Hut als ein potenzieller solcher in den Ring geworfen.
Das ist nicht wagemutig.
Auch nicht tollkühn.
Das ist, mit Verlaub, galoppierender Größenwahn.
Sollte der auf Ihre Amtsführung durchschlagen, immerhin sind Sie der Kassenwart der Republik, dann gnade uns Gott.

Raúl Antonio Capote, kubanischer Aufklärer – Unter der Schlagzeile „Vom Gesang der Spottdrossel zu dem der Grille“ haben Sie in der Granma die Ursache unsäglicher Leiden von US-Diplomaten in Havanna offenbart: Zuvor behauptete „Schallangriffe“ hätten sich selbst nach US-amerikanischen Quellen als lediglich „lästiges Geräusch“ herausgestellt, dem die Beschreibung als „Gesang der Grillen“ am nächsten komme. Eine beim jährlichen Treffen der US-amerikanischen Gesellschaft für Integrative und Vergleichende Biologie (SICB) vorgelegte Studie habe gezeigt, dass die mysteriösen Geräusche nicht von den Russen kämen, sondern mit dem Zirpen eines spezifischen Insektentyps übereinstimmten.
Wenigstens ist die CIA-„Operation Mockingbird“ (Spottdrossel) zur Steuerung solcher Kampagnen keine Erfindung.

Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin a. D. – Erst beim nochmaligen Lesen des Buches „Clusterfuck“, das sich ausführlich den Ursachen und dem Werdegang des Dauerdebakels um den neuen berlin-brandenburgischen Airport in Schönefeld widmet, wurde uns klar, was seit Ihrem Abgang aus dem Roten Rathaus viel zu wenig gewürdigt worden ist: Sie haben sich gleich daran versucht und es sich also zugetraut, dem Aufsichtsrat bei der Errichtung eines Großflughafens vorzusitzen. Quasi zum Warmlaufen hätten Sie sich ja auch erstmal in der städtischen Charité an einer weit weniger komplexen Operation am offenen Herzen versuchen können. Dass Sie das unterlassen haben, macht Sie auch in der Nachbetrachtung doch richtig sympathisch, und das soll Ihnen nicht vergessen sein!

Elmar Brok (CDU), Europa-Methusalem – Manche behaupten ja, die allweil zu beklagende Politikverdrossenheit im Lande habe nicht zuletzt damit zu tun, dass auf der politischen Bühne immer wieder dieselben Pappnasen agieren, die ihr eigenes Verfallsdatum so gut wie nie selber schnallen. Sollte dies zutreffen, dann wären Sie nachgerade die klassische Personifizierung des Phänomens, denn Sie haben es im Europa-Parlament auf sage und schreibe 38 Jahre gebracht. Und das sollte längst nicht das Ende der Fahnenstange sein: Sie, 72-jährig, hätten gern in diesem Jahr ein weiteres Mal kandidiert und konnten dabei sogar auf die Unterstützung einer anderen CDU-Pappnase bauen, des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet. Doch dem versagte das Fußvolk dieses Mal die Gefolgschaft und stellte Sie nicht wieder auf. Vielleicht können Sie sich ja damit trösten, dass Sie Recht hatten, als Sie im Oktober 2018 prophezeiten: „Politik endet immer mit einer Niederlage.“
Die trefflichste Headline zu Ihrer Causa lieferte im Übrigen ein nicht ganz unbekanntes Hamburger Nachrichtenmagazin: „Vom Brexit zum Broxit“.

Heiko Maas (SPD), Außenminister & Wunschdenker – Erst lobten Sie in einem Interview die Konkurrenz in Gestalt der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: „Ich halte sie für eine verlässliche Politikerin. Und Verlässlichkeit ist für mich ein hohes Gut in der Politik.“ Das konterten die Befrager keck mit der Frage, ob Sie AKK im Bundestag auch zur Kanzlerin wählen würden. Darauf Sie: „Ich würde gerne mal wieder jemanden aus der SPD zum Kanzler wählen.“ Im täglichen Morning Briefing des Blattes folgte dann die Häme: „Man beachte auch hier seine Fähigkeit zu sprachlichen Finessen. ‚Ich würde‘ ist, grammatikalisch gesehen, dem Konjunktiv II zuzurechnen, der wiederum die Funktion hat, Fantasien, Wünsche, Träume, irreale Bedingungen […] auszudrücken.“
Tja, wenn man immer noch mit dem Spiegel redet, darf man sich nicht wundern, wenn man einen eingeschenkt bekommt.

Lena Kreymann, Bundesvorsitzende der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) – In einem Pressebeitrag über Ziele, Strategie und Taktik der Linken unter den heutigen Umständen merken Sie an, dass „der Rechtsruck nicht von der AfD aus (geht), die AfD ist vielmehr Ausdruck davon, mit welchen Maßnahmen das Kapital derzeit seine Interessen zu wahren versucht. Dass dieses hinter dem reaktionären Staatsumbau steckt, müssen wir vermitteln […].“ Leider haben Sie diesen Gedanken nicht so ausgeführt, wie er das verdienen würde, denn uns scheint doch, an ihm zweifeln zu müssen. Anders als in der Weimarer Republik speist sich das Kapital heute längst aus seiner Internationalisierung; an einer Rückkehr zu präferiertem Nationalismus, wie ihn etwa die AfD wünscht, kann ihm da wohl kaum gelegen sein. Mag sein, dass dem Kapital Kräfte wie die AfD als „nützliche Idioten“ gegenüber linken Gesellschaftsveränderern hin zu einem Sozialismus nicht unsympathisch sind – der Kapitalverwertung dürfte ein Rückzug ins Nationale aber eher schaden als nützen.

Yehuda Bauer (92), Historiker und Holocaust-Forscher – Wer hierzulande Kritik an der Politik der israelischen Regierung äußert, etwa wegen der staatlichen Unterdrückung und Gewalt gegen die Palästinenser oder wegen illegalen Siedlungsausbau, der sieht sich schnell mit Attacken konfrontiert, ihn mit pauschalen Antisemitismusvorwürfen zum Schweigen zu bringen. Dabei sei, wie Sie unlängst der Berliner Zeitung sagten, beides auseinanderzuhalten „ziemlich einfach“: „Kritik an Israel, auch sehr scharfe Kritik, ist nicht Antisemitismus, wenn es darum geht, die Regierung oder die Politik der Regierung zu kritisieren. Aber in dem Moment, wo man sagt, dass die Gründung Israels ein Fehler war, dass Israel ein zionistisches Projekt ist, heißt das, man will Israel auslöschen, und das kann man nur durch Genozid an Juden. Das ist antisemitisch.“
Uns überzeugt diese Logik, aber wir befürchten, für viele selbst ernannte deutsche Israel-Verteidiger ist sie einfach zu einfach.

Elizabeth Rowe, Star-Flötistin des Boston Symphony Orchestra – Victor Hugo befand zwar: „Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ Doch manchmal muss man auch den Mund aufmachen. Ein Tag, nachdem in Massachusetts ein „Equal-Pay“-Gesetz in Kraft getreten war, verklagten Sie Ihren Arbeitgeber – wegen ungleicher Bezahlung aufgrund des Geschlechts, denn Sie erhalten lediglich 75 Prozent des Gehalts eines Kollegen in vergleichbarer Position, nämlich des ersten Oboisten. Der kriegt per anno fast 65.000 Dollar mehr als Sie.
Wir sind gespannt, ob Ihr Arbeitgeber mit seinem Argument durchkommt, dass die Oboe ja auch schwieriger zu spielen sei als die Querflöte. Aber neutral sind wir mitnichten: Wir drücken Ihnen die Daumen!

Sarah Wiener, Starköchin – In Bezug auf die Causa des Bayern-Kickers Frank Ribery, der der Welt per Tweet vom Verzehr eines blattgoldbelegten Steaks Kenntnis gegeben hat, distanzieren auch Sie sich von solcherlei Abnormitäten: „Es ist keine Luxusküche. Es ist eine dekadente Schwachsinnsküche.“ Dem ist zuzustimmen, allerdings mit dem Hinweis, dass im oberen Segment des Profifußballs mittlerweile längst die blanke Dekadenz herrscht, diverser Schwachsinn inklusive. Der wohl größte des Ganzen dürfte darin bestehen, dass Millionen Fußball„fans“ einen Haufen Geld dafür ausgeben, Millionären beim Spielen zuzuschauen (Dieter Hildebrandt) und den Profifußball noch immer für einen Sport zu halten.

Friedrich Küppersbusch, allweil Hellsichtiger – „Das ist nach Luckes ‚Alfa‘ respektive ‚Liberal-Konservativen Reformern‘ und Petrys ‚Blauen‘ der dritte Leerverkauf aus dem AfD-Resteregal“, haben Sie in der taz zum Austritt Poggenburgs und dessen Gründung einer neuen rechten Partei angemerkt. „Alle nach dem Leitmotiv ‚großes Ego, kleine Basis‘, also Leute, die kurz an der Mediensonne aufglühten und dies mit ihrer eigenen Bedeutung verwechseln.“
Mögen Sie auch diesmal recht behalten …