21. Jahrgang | Nummer 21 | 8. Oktober 2018

Die AfD – eine Kriegspartei

von Reiner Braun

Gewiss ist nicht jedes Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) als „Kriegstreiber“ zu bezeichnen. Die Programmatik und die reale Politik der Partei AfD stehen jedoch im Gegensatz zu dieser subjektiven Empathie. Denn die sind kriegsbefürwortend, ja kriegsfördernd. Dafür sprechen schon die Auftritte und das Abstimmungsverhalten der AfD-Abgeordneten im Bundestag. So forderte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel am 5. Juli 2017: „Deutschland muss deutlich mehr investieren in die Landesverteidigung. Und wir müssen unseren internationalen Verpflichtungen nachkommen, beispielsweise mindestens zwei Prozent unseres Bruttoinlandprodukts jährlich in die Verteidigung zu investieren.“ Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Rüdiger Lucassen verlangte in seiner Rede zum Etat des Verteidigungsministeriums am 15. Mai 2018 eine Steigerung dieses Haushalts auf 70 Milliarden Euro bis 2025. Damit stellt sich die Partei hinter die Politik der NATO, deren Ziel es ist, dass alle Mitgliedsländer bis spätestens 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben. Für Deutschland würde das nach einer Untersuchung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) circa 80 Milliarden Euro bedeuten, für die NATO angesichts des wahnsinnigen Aufrüstungskurses – besonders der USA unter Präsident Donald Trump – mehr als eine Billion. Die sozialen Auswirkungen wären verheerend. Aggressive Drohungen gegen Russland hätten eine starke materielle Basis, ein Krieg wäre nicht auszuschließen.
Zurzeit erleben wir die stärkste Aufrüstung der Bundeswehr seit ihrer Gründung in den 1950er Jahren. Sie soll mit modernsten Waffen für Interventionskriege aus- und umgerüstet werden. Die Militarisierung der EU und die Schaffung eines europäischen militärisch-industriellen Komplexes (MIK) sind Regierungspolitik. All das findet die uneingeschränkte Unterstützung der AfD. Nur verläuft ihr dieser Aufrüstungskurs nicht schnell und konsequent genug.
Schon im Leitantrag an den AfD-Parteitag 2015 hieß es, die Bundeswehr müsse „eine gründliche, kriegs- und einsatzorientierte Ausbildung ermöglichen“. Auch im Wahlprogramm 2017 wurde die Stärkung der Bundeswehr festgeschrieben. „Die AfD fordert die Rückkehr der Streitkräfte zur Einsatzbereitschaft. […] Die deutschen Streitkräfte sind so zu reformieren, dass deren Einsatzbereitschaft auch bei Einsätzen mit höchster Intensität gewährleistet ist. Dazu sind umfangreiche strukturelle, personelle und materielle Veränderungen unabdingbar.“
In logischer Konsequenz fordert die AfD die Wiedereinführung der Wehrpflicht, also die undemokratische Zwangsverpflichtung junger Menschen zum Kriegsdienst. Nur in Ausnahmefällen soll Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen möglich sein. In seiner erwähnten Bundestagsrede sprach sich Lucassen für die Aufstockung der Bundeswehr auf 240.000 Soldatinnen und Soldaten und für die Aufstellung eines 50.000 Mann starken Reservistenkorps nach dem Vorbild der US-amerikanischen Nationalgarde aus. Es solle im Rahmen der Amtshilfe auch im Inland eingesetzt werden können. In einer Kleinen Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion vom 16. Mai dieses Jahres wird der Bundesregierung daher nahe gelegt, „weitere Schritte“ zu unternehmen, „um bezüglich möglicher Einsätze (der Bundeswehr) innerhalb der Landesgrenzen künftig Handlungssicherheit zu schaffen?“
„Der Auftrag der Bundeswehr ist Verpflichtung für jeden Staatsbürger“, heißt es im Programm der AfD, „die Bevölkerung soll sich mit ‚ihren Soldaten’ und ‚ihrer Bundeswehr’ identifizieren, das Bewusstsein für die wehrhafte Demokratie wiederbelebt werden.“ Keine Frage, dass die Partei auch die Bundeswehrwerbung an Schulen und Bildungseinrichtungen unterstützt.
Kritik an der Bundeswehr übt die AfD allerdings durchaus. So stellte Jan Ralf Nolte, der die AfD im Verteidigungsausschuss vertritt, „einen Trend zur Verweichlichung“ bei der Bundeswehr fest. Er habe den Eindruck, „dass die Soldaten nicht mehr richtig ausgebildet werden, und zwar auch weil die Ausbilder Angst haben, sie zu hart anzufassen“, klagte er laut FAZ vom 17. April dieses Jahres. Nolte, ehemals Mitglied der rechtsradikalen „Patriotischen Plattform“ innerhalb der AfD, war selbst fast zehn Jahre lang Berufssoldat. Seinen Abschied begründete er auf Facebook mit seiner Auffassung, dass sein „Vaterland zur Stunde im Parlament verteidigt werden“ müsse.
In einer Publikation der Informationsstelle Militarisierung (IMI) werden weitere AfD-Vertreter im Verteidigungsausschuss aufgeführt, die aus der Bundeswehr oder dem militärisch-industriellen Komplex kommen:
Berengar Elsner von Gronow – war Zeitsoldat der Marine und ist Reserveoffizier;
Jens Kestner – acht Jahre lang Berufssoldat, ausgeschieden im Range eines Oberfeldwebels der Panzertruppen;
Hans-Rüdiger Lucassen – war 34 Jahr bei der Bundeswehr, zuletzt Oberst im Generalstab, jetzt Geschäftsführer eines Rüstungsberatungsunternehmens, das unter anderem Geschäfte mit Saudi-Arabien macht;
Gerold Otten – ehemaliger Kampfpilot, 1997 als Major ausgeschieden, inzwischen Oberst der Reserve und „Eurofighter Sales Director“ bei Airbus Defence and Space.
Wen wundert es angesichts dessen, dass die AfD noch mehr finanzielle Mittel zur Förderung der deutschen Rüstungsindustrie fordert, um die „wehrtechnischen Fähigkeiten“ zu entwickeln, „in Schlüsseltechnologien unabhängig zu bleiben, mit der Weltspitze Schritt zu halten“. Anträge für ein Verbot von Rüstungsexporten und eine Beschränkung auf konventionelle Rüstung wurden abgelehnt.
In der Bundestagsdebatte am 14. Juni 2018 verwies die AfD darauf, „dass eine dringende Notwendigkeit der Beschaffung bewaffneter Drohnen bestehe.“ Drohnen töten bekanntlich vor allem Zivilisten, sie sind völkerrechtswidrig und kostenintensiv. Die Anschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen für Deutschland kostet circa 1 Milliarde Euro. Aus Sicht der AfD-Fraktion besteht indes „keine andere völkerrechtliche Einordnung im Vergleich zu bewaffneten Kampfflugzeugen“. Georg Pazderski, Oberst a.D. und stellvertretender AfD-Bundessprecher, verlangte daher am 25. April, es sollten – und zwar so schnell wie möglich – bewaffnete Drohnen angeschafft werden.
Einsätze der Bundeswehr in Ausland, die deutsche Beteiligung an Interventionskriegen, werden von der AfD nicht grundsätzlich abgelehnt. In einem Interview des Deutschlandfunks antwortete Lucassen auf die Frage „Sie sind schon für Auslandseinsätze oder Außeneinsätze der Bundeswehr?“ rundheraus: „Wenn sie den deutschen sicherheitspolitischen Interessen dienen, dann ja.“ Nicht Menschenrechte und Völkerrecht, sondern deutsche ökonomische und geopolitische Interessen bestimmen also die Entscheidungen der „Alternativen“. So stimmte die AfD im Deutschen Bundestag laut Abstimmungsprotokollen unter anderem Militäreinsätzen der NATO im Mittelmeer, in Somalia, in Südsudan und der sudanesischen Provinz Darfur zu.
Damit nicht genug, forderte Lucassen am 28. Juni 2018 im Bundestag, dass Deutschland die verteidigungs- und militärpolitische Führungsmacht in Europa sein müsse. „Deutschland muss führen; das muss auch in der Verteidigungs- und Militärpolitik unser Anspruch sein.“
Fazit: Die AfD ist nicht gegen Krieg, sondern promilitaristisch. Getrieben wird sie von Nationalismus und völkischem Gedankengut, wonach erneut „am deutschen Wesen die Welt genesen soll“. Dieser Nationalismus, der so viel Unheil hervorgebracht hat und mitverantwortlich ist für die größten deutschen politischen Verbrechen soll „reloaded“, mehrheitsfähig und politikfähig gemacht werden.
Wie sich das mit den Bekundungen der Freundschaft mit Russland verträgt? Gar nicht! Wer Freundschaft mit Russland will, muss sich der Aufrüstung der Bundeswehr widersetzen, jede Ausweitung der NATO ablehnen, die Stationierung deutscher Truppen an der russischen Grenze abwenden. Alles das tut die AfD nicht. Stattdessen versucht sie sich an eine Stimmung in der Bevölkerung anzubiedern, die mit großer Mehrheit Freundschaft mit Russland will. Wer Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus propagiert, dessen Freundschaftssprüche sind heuchlerisch und unglaubwürdig. Was bleibt, ist bestenfalls eine politische Kumpanei reaktionärer Kräfte.

Reiner Braun, Jahrgang 1952, ist stellvertretender Vorsitzender der Naturwissenschaftlerinitiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit und Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB).