von Kurt Tucholsky
Die meisten Leute überlegen sich weitaus sorgfältiger, was für eine Frau sie heimführen, als welche Liste sie für den Reichstag wählen.
Man fällt nicht über seine Fehler. Man fällt immer über seine Feinde, die diese Fehler ausnutzen.
Macht unsre Bücher billiger!
Macht unsre Bücher billiger!
Macht unsre Bücher billiger!
Selbst echte seelische Erschütterung ist noch kein Beweis für die Nützlichkeit und den Wert einer Idee.
Eben das scheint mir ein deutscher Irrtum zu sein, der da glauben machen will, nur der Fachmann könne ein Urteil über die Wirkung der Arbeit von Fachleuten abgeben.
Ich bin kein Männchen und kein Weibchen –
ich bin ein deutscher Demokrat.
Man wirft viel zu wenig fort, viel zu wenig – gut acht Zehntel aller Bücher zum Beispiel kann man getrost vor der Lektüre fortwerfen, ein Zehntel nach der Lektüre.
Man weiß, wie schwer es ist (nicht in der Politik, sondern im Zirkus), den dummen August zu markieren.
Man muß nicht glauben, daß eine Kümmerlichkeit dadurch zur „Kunst“ wird, daß man sie durch eine verzerrende Glasscheibe fotografiert.
[…] das Wörtchen „Geschlechtsakt“ […] wirkt so, wie wenn man die Hostie ein Stückchen Teig nennt: Sakrileg.
Der Frauenleib ist der Anstiftung dringend verdächtig.
Es fragt sich, ob man mit dem Buch eine Liebschaft hat oder mit ihm verheiratet ist – ich wage nicht, eine dieser beiden Möglichkeiten mit dem Wort „nur“ zu versehen …
Er ist ebenso dumm, wie er ehrlich ist. Und er ist der ehrlichste Mensch, den ich jemals gesehen habe.
So viel soziales Gewissen wird doch in breiten Kreisen noch zu finden sein, daß der Verbraucher solche Waren zurückweist, die aus dem Blut, dem Schweiß, der Tuberkulose, aus Kinderarbeit und der Arbeit schwangerer Frauen herrührt.
Laß dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: „Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!“ – Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.
Der Historiker? Er kocht eine Suppe, die ist zusammengesetzt aus: den trüben Quellen, die er zu benutzen gezwungen ist; aus den Fehlern, die durch lange Überlieferung entstanden sind, denken Sie an die Zeit der unvollkommenen Druckerkunst; aus der mehr oder weniger willkürlichen, zufälligen, von tausend Umständen abhängigen Wahl, die er unter diesen Quellen trifft; aus seiner Person; aus der Erziehung, die er genossen hat; aus seinen politischen Ansichten, die er verheimlichen, aber nicht verstecken kann – aus alledem setzt sich die Geschichtssuppe zusammen.
Europa ist ein großes Haus. Seit wann darf eine Mietspartei im zweiten Stock ein Feuer anzünden und dann abwehrend rufen: „Mischt euch nicht in meine Verhältnisse! Das ist meine Wohnung!“? Jede Mietswohnung ist der Bestandteil eines Hauses – jedes europäische Land ist ein Bestandteil Europas. Wer sich abschließt, ist ein Dummkopf und ein Friedensstörer.
Denn noch niemals haben Menschen aus der Geschichte gelernt, und sie werden es auch in Zukunft nicht tun. Hic Rhodus.
Humor: zu wissen, daß es, nachdem man tapfer gewesen ist, alles nicht so schlimm ist. Humor: zu fühlen, daß es von oben reichlich unsinnig aussieht, was wir hier aufführen. Und dennoch zu seiner Sache stehn. Und abends um neun, wenn alles fertig ist, zu wissen: Es lohnt sich kaum – aber man muß ran.
Wird fortgesetzt.
* – Überschrift von der Redaktion.
Bereits erschienen – Ansichten von Georg Kreisler, Friedrich Nietzsche, Karl Kraus, Wilhelm Busch, George Bernard Shaw, Oscar Wilde, Karl May und Kurt Tucholsky I, II.
Schlagwörter: Ansichten, Kurt Tucholsky