16. Jahrgang | Nummer 24 | 25. November 2013

Ansichten eines brachialen Berserkers*

von Friedrich Nietzsche

Mit einer Bosheit beginne ich jeden Tag.

Wenn man ein Ziel will, muß man die Mittel wollen: wenn man Sklaven will, – und man braucht sie! – muß man sie nicht zu Herren erziehen.

Voll ist die Erde von Überflüssigen, verdorben ist das Leben durch die Viel-zu-Vielen. Möge man sie mit dem „ewigen Leben“ aus diesem Leben weglocken!

Der Mensch sinkt, wenn er einmal sinkt, immer unter das Thier.

Dass Jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken.

Ja, ein Versuch war der Mensch.

Gott ist widerlegt, der Teufel nicht.

Jesus ist das Gegenstück eines Genies: er ist ein Idiot […] Nicht der entfernteste Hauch von Wissenschaft, Geschmack, geistiger Zucht, Logik hat diesen heiligen Idioten angeweht.

Diese schöne Weltgeschichte ist, um Heraklitisch zu reden, ein wirrer „Kehrichthaufen“! Das Kräftige schlägt durch, das ist das allgemeine Gesetz: wenn es nur nicht so oft gerade das Dumme und das Böse wäre!

Die Demokratie aber ist die Form eines Verfalls des Staates, einer Entartung der Rassen, eines Übergewichts der Mißrathenden […]

Ein Deutscher ist grosser Dinge fähig, aber es ist unwahrscheinlich, dass er sie thut: denn er gehorcht, wo er kann, wie diess einem an sich trägen Geiste wohlthut.

Es giebt wirklich Menschen welche eine Sache damit geehrt zu haben glauben, daß sie dieselbe deutsch nennen.
Es ist der Gipfel der nationalen Verdummung und Frechheit.

Aber die deutsche Küche überhaupt – was hat sie nicht Alles auf dem Gewissen! […] die ausgekochten Fleische, die fett und mehlig gemachten Gemüse; die Entartung der Mehlspeise zum Briefbeschwerer!

Wie viele verheirathete Männer haben den Morgen erlebt, wo es ihnen tagte, dass ihre junge Gattin langweilig ist und das Gegentheil glaubt! Gar nicht zu reden von jenen Weibern, deren Fleisch willig und deren Geist schwach ist!

Man soll nicht in Kirchen gehen, wenn man reine Luft athmen will.

Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Civilisation in eine neue Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben die Thätigen, das heisst die Ruhelosen, mehr gegolten.

Die Lehre von der Freiheit des Willens ist eine Erfindung herrschender Stände.

Jede Gemeinschaft macht, irgendwie, irgendwo, irgendwann – „gemein“.

Ueberzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit, als Lügen.

Es ist nicht der Kampf der Meinungen, welcher die Geschichte so gewaltthätig gemacht hat, sondern der Kampf des Glaubens an die Meinungen, das heisst der Ueberzeugungen.

Und dann selbst noch macht mir der Gedanke Schrecken, was für Unberechtigte und gänzlich Ungeeignete sich einmal auf meine Autorität berufen werden. Aber dies ist die Qual eines jeden großen Lehrers der Menschheit […]

* – Überschrift von der Redaktion.

Bereits erschienen – Ansichten von Georg Kreisler.