16. Jahrgang | Nummer 15 | 22. Juli 2013

Ansichten eines passionierten Pessimisten*

von Georg Kreisler

Alles hat zwei Seiten, eine schlechte und eine noch schlechtere.

Meine Freiheit heißt, daß ich Geschäfte machen kann, und deine Freiheit heißt, du kriegst bei mir einen Posten . . . . also ohne meine Freiheit bist du arbeitslos.

Leute, die mit gutem Beispiel vorangehen, drehen sich leider nie um, sonst würden sie sehen, daß ihnen niemand nachgeht.

Jeder Mensch lernt sehr früh, sich zu verstellen, das wird ihm nicht zur zweiten, sondern zur ersten Natur. Dadurch merkt er nichts von seiner Seele.

Eines Tages regnete es Taufbecken. Die Leute fielen auf die Knie, dankten dem Himmel und wurden von den Taufbecken erschlagen.

Man muß die Leute, die man bezahlt, auch demütigen, das tut beiden Teilen gut.

Die Menschenfresser sind der beste Beweis, daß wir Menschen sind.

Was nützt schon Schönheit! Sie nützt sogar einer Frau wenig, außer die Frau ist arm und blöd.

Niemand weiß, warum er lebt, bis er ein Kind kriegt. Dann glaubt er, es zu wissen, und entdeckt seinen Irrtum erst viel später.

Mütter sind fröhliche Menschen, wenn sie einmal tot sind.

Tatsachen lassen sich zwar schwer leugnen, aber dafür stimmen sie meistens nicht.

Wir werden modern, es fragt sich nur, auf welcher Silbe.

Seit Lots Weib ist viel Zeit vergangen. Heutzutage erstarrt man zur Salzsäule, wenn man nach vorne blickt, nicht wenn man zurückschaut.

»Leben« rückwärts gelesen ergibt »Nebel«.

Aus: Georg Kreisler für Boshafte, Insel Verlag, Berlin 2010, 91 Seiten, 6,00 Euro.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Verlages. (Die Schreibweise des Originals wurde beibehalten.)

* – Überschrift von der Redaktion.