19. Jahrgang | Nummer 16 | 1. August 2016

Antworten

Melania Trump, eventuell demnächst First Lady der USA – In Ihrer Rede vor dem Konvent der Republikaner, der Ihren Gatten zum Präsidentschaftskandidaten kürte, verwendeten Sie einige Sätze aus einem früheren Auftritt der Präsidentengattin Michelle Obama. Das brachte Ihnen den Vorwurf des Plagiats ein. In der Washington Post führte Monika Nalepa, polnischstämmige Politologin, diese Verfehlung auf Ihre Sozialisation in Ihrer Heimat Slowenien zurück. In „post-kommunistischen“ Staaten sei das Abschreiben eine zählebige Gewohnheit, denn im überwundenen System sei es geradezu gang und gäbe gewesen. Nicht dass man Sie verteidigen müsste, aber Sie könnten durchaus die Frage stellen, auf welche Art der Sozialisation die Plagiatsaffären Karl-Theodor zu Guttenbergs, Annette Schavans, Silvana Koch-Mehrins und anderer zurückzuführen wären. Von einem „post-kommunistischen Erbe“ der Universitäten Bayreuth, Düsseldorf oder Heidelberg ist jedenfalls bisher nichts bekannt gewesen.

Wilhelm Schneider, Berliner Notar – Dass die SS eine Hausbank hatte, die Dresdner Bank nämlich, ist hinlänglich bekannt. Dass sie auch einen Hausnotar hatte, schon weniger. Das waren Sie. Bis 1944 beurkundeten Sie über 5.000 Rechtsakte der SS und der Wehrmacht und kleideten damit die Enteignung jüdischen Besitzes in so etwas wie ein Mäntelchen der Rechtmäßigkeit, standen Firmen bei, die Menschenversuche unternahmen , und halfen höheren SS-Chargen, sich an den in Vernichtungslager Deportierten persönlich zu bereichern. Dass Ihr Wirken bisher weitgehend im Dunkeln blieb, haben Sie seit 2012 vornehmlich dem Amtsgericht Schöneberg zu danken. Der Hobbyhistoriker Gerhard Niebergall und der Profihistoriker Götz Aly haben bereits mehrfach Einsichtnahme in Ihre Urkundenrollen beantragt, und die hat das Gericht überwiegend verweigert – mit der Begründung, es sei hinsichtlich deren Inhalts zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nun ist der Rechtsstaat uns zwar einerseits heilig, aber andererseits wurde die SS in Nürnberg immerhin zur verbrecherischen Organisation erklärt. Und das Beispiel NRW zeigt, dass es auch anders geht. Notariatsakten aus dem Dritten Reich sind dort frei zugänglich, weil das Justizministerium des Landes diese nach einer Aufbewahrungszeit von 50 Jahren an die Staatsarchive abgeben lässt. Doch auch für Berlin leuchtet Licht am Ende des Tunnels: Eine anstehende Novellierung der Bundesnotarordnung durch das Bundesjustizministerium soll vorsehen, Notariatsakten nach spätestens 100 Jahren für die Öffentlichkeit freizugeben. Dann könnte womöglich spätestens 2044 die Frage beantwortet werden, ob Ihre wiederholten Reisen nach Budapest im Jahre 1944 etwas mit den dortigen Judendeportationen zu tun hatten, die just in jenem Jahre begannen. Hoffentlich interessiert sich in 28 Jahren noch jemand für diese Frage …

Jochen-Martin Gutsch, Zeitläufte-Besichtiger & Kolumnist der Berliner Zeitung – Sie vermissen das gute alte Sommerloch, in dem wochenlang nix los war und die Medien „Berichte über einen traurigen Brillenpin­guin mit Schuppenflechte in einem deut­schen Zoo“ zur Spitzenmeldung des Tages aufmotzten. Derzeit trauten Sie sich „kaum, den Fernseher einzuschal­ten. Sofort taucht der Kopf von Thomas Roth oder Claus Kleber auf, oder ich sehe ei­nen ARD-‚Brennpunkt‘ über das Attentat von Nizza, den Putsch in der Türkei, den Amoklauf von München, den Axt-Mann von Würzburg oder das Selbstmordattentat von Ansbach. Es hört überhaupt nicht mehr auf.“ Ob dieses alltäglichen, zunehmenden Realhorrors schwermütig zu werden, wäre nicht verwunderlich. Sie sehen die Gefahr und steuern gegen: „Im Moment versuche ich es mit Zerstreuung, damit mich die Nachrichten nicht zu depressiv stimmen.“ Doch schon tun sich neue Abgründe auf: „Ich habe kurz überlegt, ‚Pokemon Go‘ zu spielen. Das ist ja gerade das neue Ding. Aber ich schaffe es nicht. Ich finde, man kann sich nicht über das Niveau von Donald Trump beschweren und gleichzeitig mit dem Handy durch die Straßen, Wiesen und Wälder irren auf der Jagd nach kleinen virtu­ellen Figuren, die Manzi, Taubsi oder Pikachu heißen. Ich habe Pupsi gefangen!, rufen die Menschen fröhlich. Da werde ich gleich noch depressiver.“
Lieber Kollege Gutsch, versuchen Sie es doch mit Brachialzerstreuung: Die US-Serie „The Walking Dead“ spendet nachhaltig Trost, denn hätte alles ja auch noch sehr viel schlimmer kommen können …

Bodo Hombach, Ex-Chef des Bundeskanzleramtes und Ex-„Medienmogul“ – Sie waren zehn Jahre lang Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, einer der größten Medienkonzerne im Lande. Dass Sie sich offenbar trotzdem – und quasi im Herzen der Finsternis – einen kritischen Blick auf die Branche und den Journalismus bewahrt haben, muss nicht zwangsläufig gegen Sie sprechen.
Zunächst knallten Sie jetzt dem Glauben, „dass nun die ‚sozialen‘ Medien die Statthalter auf Erden einer freien und mutigen Öffentlichkeit seien“, kräftig eine vor den Latz: „Der vermuteten Schwarmintelligenz steht mehr reale Schwarmdumpf- und -dummheit entgegen.“
Sodann konstatierten Sie, den Medienwissenschaftler Uwe Krüger zitierend, „eine schleichende Selbstverstümmelung von Journalisten“. Die „ließen sich […] per ‚Lagebesprechung‘ bei parteipolitischen Verkündern oder lobbyistischen Interessenten zu Gleichschritt und Schulterschluss synchronisieren“. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise 2013 sei die „veröffentlichte Meinung […] fast ausnahmslos auf eine einzige Sicht der Dinge eingerastet“.
Und: „Wer gehofft hatte, nach dem Zusammenbruch des Ost-West-Schemas hätte auch schematisches Denken aufgehört, sah sich bitter getäuscht.“
Da konnten Kollateralschäden nicht ausbleiben: „Aus Journalisten wird ‚Journaille‘, aus kritischer Berichterstattung wird Kampagne.“ Das Nachsehen hat die Öffentlichkeit: „In der offenen Gesellschaft ist ein Übermaß an journalistischer Übereinstimmung nicht Fülle, sondern Vakuum.“ Der Vorteil liegt bei der Herrschaftselite: „Die minimalinvasive Arbeitsweise des Mainstreams müssen die Mächtigen nicht fürchten.“
Lieber Herr Hombach, falls Sie vollends als Gutmensch voluntieren wollen, dann liefern Sie solcher Art Expertise demnächst nicht gegen sattes Salär beim Handelsblatt ab, sondern gegen Gotteslohn beim Blättchen!

Karl Schlögel, emeritierter Russlandhistoriker und menetekelndes Orakel – Zwar sind uns keine kritischen Äußerungen Ihrerseits zu den – gefühlt – hunderten von westlichen NGOs bekannt, darunter Ableger aller den bürgerlichen deutschen Parteien nahe stehenden politischen Stiftungen, die in Russland seit Jahrzehnten ihr Wesen treiben, aber das ist natürlich kein Grund, im Falle des Falles nicht mit einem wirkungsmächtigen Fanfarenstoß gegen den Untergang des christlichen Abendlandes zwischen Sassnitz und der Zugspitze anzublasen.
Das haben Sie gerade in der Springer-Gazette Die Welt (und hoffentlich noch rechtzeitig) getan, denn dieser Untergang steht unmittelbar ins Haus: In Berlin wurde jetzt ein (in Zahlen: 1) russisches Institut mit Namen „Dialog der Zivilisationen“ gegründet, mit dem Putin, so die Gazette, selbstverständlich „den Propaganda-Krieg gegen den Westen auf die Spitze“ treibt. Das steht fest, weil das Unternehmen, so Sie, in den Händen von Wladimir Jakunin liegt, „eines lang gedienten ehemaligen KGB-Generals und eines prominenten Mitglieds von ‚Putins Kleptocracy‘“ – „Geheimdienst, Orthodoxie, Oligarchie in einer Person.“ Wahrlich eine Symphonie des Grauens.
Auf der Gründungsveranstaltung des Instituts in Berlin waren auch Deutsche vertreten, so Ex-Bundeswehrgeneralinspekteur Harald Kujat, und wer’s noch nicht wusste, dem sagen Sie es – „ein Talkshow-General, der nicht einmal Karten lesen kann“.
Auch Vertreter vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft wurden gesehen, der, Sie rufen es gottseidank in Erinnerung, natürlich nur „so tut, als spreche er für die deutsche Wirtschaft oder für die Deutschen insgesamt“.
Ein „ehemaliger Friedrich-Ebert-Stiftungs-Vertreter und in Rostow am Don habilitierter Lehrbeauftragter“ wurde gesehen. Also in Rostow kann man ja gewiss manches, aber ordentliche akademische Grade, das weiß schließlich jedes Kind, lassen sich nun mal nur an deutschen Universitäten erwerben – etwa in Bayreuth (zu Guttenberg), Heidelberg (Koch-Mehrin) oder Düsseldort (Schavan). Gut, vielleicht zur Not auch noch an der Medizinischen Hochschule Hannover (von der Leyen).
Nicht zuletzt war Matthias Platzek da, ein Mann, wenn wir Sie richtig verstehen ohne Eier, „der vom Krieg Putins gegen die Ukraine nicht spricht, weil dies Courage erfordern würde“, und es stattdessen vorzieht, „von deutschen Erinnerungslücken zu sprechen, über deren Verurteilung sich alle längst einig sind“.
Und auch warum Putin seine perfide Speerspitze in Berlin versenkt, wissen Sie dem schlotternden Publikum der Welt mitzuteilen: „Man kann hier mit ziemlich geringem Aufwand einen großen Effekt, vielleicht sogar einen Durchbruch erzielen, um die EU und den Westen auseinanderzudividieren.
„Lassen wir’s dabei bewenden, werter Herr Professor.
Wir wissen natürlich nicht, ob die Schulmedizin für Sie noch etwas tun könnte, aber wenn Schaum vor dem Mund beim Schreiben für Die Welt & Co. stört, sollten Sie es vielleicht zumindest rasch noch versuchen.