18. Jahrgang | Nummer 17 | 17. August 2015

Antworten

Roger Willemsen, Hochgeschätzter – Sie lieben gute Sätze, haben Sie einmal gesagt. Und Ihre Leser wissen längst: Sie schreiben selbst solche. Womit nicht nur ihre stilistische Meisterschaft benannt wäre sondern auch jener Charakter, der aus guten Sätzen ebenfalls zu sprechen in der Lage ist; in der Wahl der Themen, im Umgang mit nämlichen und mit der Zuneigung zu den dabei behandelten Menschen – sofern es sich nicht um jene handelt, die mit ihrem politischen und gesellschaftlichen Gebaren, nicht zuletzt in der deutschen Medienlandschaft, dabei sind, unser Gemeinwesen zu verheeren. Als einer der „schreibend Intelligentesten dieses Landes“ (H.-D. Schütt im ND) sind Sie nun 60 geworden. Das Blättchen herzlich gratuliert.

Friedrich Küppersbuch, hellsichtiger Publizist – nach der Vernichtung aus dem Westen stammender Lebensmittel in Russland in der taz befragt, geben Sie eine ebenso knappe wie auch bedenkenswerte Auffassung zu bedenken: „Mit Äpfeln, Tomaten und Milch zerniert jeder Bulldozer auch gescheiterte EU-Politik. Kein Grund zur Häme also. Der Irrtum, man könne Kontinentalpolitik zunächst und nur mal so zum Ausprobieren als reine Wirtschaftspolitik angehen, ist keine Idee Putins.“

Fethullah Üzümcüolu und Esra Polat, junge türkische Eheleute aus Kilis – Dass Hochzeiten (nicht nur) in Ihren Gefilden Großereignisse sind, ist bekannt. Wozu Sie sich auf einen Vorschlag des Bräutigam-Vaters indes entschieden haben, ist aller Ehren wert und zeugt Hochachtung. Statt eines opulenten Banketts für Ihre zahlreichen Familienmitglieder und Nachbarn haben Sie das Geld dafür genutzt 4.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem nahen Syrien mit Nahrungsmitteln zu versorgen. „Ich bin sehr glücklich, dass er (der Bräutigam. d. Red.)es angenommen hat und sie ihre neue glückliche Reise mit solch einer selbstlosen Tat beginnen“, wird der Vater zitiert, der selbst in einer türkischen Organisation tätig ist, die den syrischen Flüchtlingen hilft, am Leben zu bleiben.

Til Schweiger, Handelnder – Als Filmemacher haben Sie sich einen charakterlich zwiespältigen Ruf verschafft, mag sein. Wenn Sie aber nun eigenes Engagement und auch eigene Mittel dafür einsetzen, dass in einer ehemaligen („Rommel“- sic!) Kaserne in Osterode eine , zumal „vorbildliche“, Flüchtlingsunterkunft entsteht, dann ehrt Sie das ungemein und gehört gewürdigt. Auch dann übrigens, wenn Sie und die Ihren mit solchen Initiativen den Staat beschämen, der die „Willkommenskultur“ gern im Munde führt, sich aber nun dank langjährigem Ignorieren dessen, was auf den Norden zukommt, heute so überfordert fühlt. Vieleicht ja sogar gerade dann.

Hans-Dietrich Genscher, elder statesman – Die Angriffe auf Flüchtlingsheime hierzulande erinnern Sie an Ihre Kindheit im Nationalsozialismus, haben Sie in einem Interview der Zeit erklärt. „Immer wenn ich eine Meldung über einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim lese, stehen vor mir die Bilder meiner Kindheit: brennende Synagogen und zerstörte jüdische Ladengeschäfte.“ Erfreulich, dass Sie in diesem Zusammenhang die gern gebrauchte Schuldzuweisung an die östlichen Bundesländern ablehnen: „Ich erinnere mich noch daran, welche rassistischen Töne in den frühen Fünfzigern in der Bundesrepublik zu hören waren.“ „Da gab es die Rechtspartei, die Deutsche Reichspartei, die NPD saß in vielen Länderparlamenten“, so Genscher. „Sicher hat der Osten ein Rechtsextremismus-Problem, aber der Westen weiß nur zu gut, wie sich das anfühlt.“

Donald Trump, größter anzunehmender Unfall – Infantile Rüpelhaftigkeit gilt in US-Politikkreisen ja keineswegs als unehrenhaft und somit als ein erfolglose Strategie, es gelegentlich auch mal zum Präsidenten zu bringen. Ihr bisheriges Auftreten als milliardenschwerer Rowdy unter den republikanischen Bewerbern ist indes dergestalt, dass Hillary Clinton sich vermutlich die Hände reiben wird; wann je hat ein Präsidentschaftsbewerber aus den Reihen der Republikaner seine eigene – eigentlich rundum abgekochte – Partei gespalten, wenn er Staatschef werden wollte? Weiter so!

Barack Obama, Glückloser – Das mehrheitliche und verächtliche Verdikt von hochfahrenden Be- und Verurteilern Ihres präsidialen Tuns lautet, dass Sie in Ihrer bisherig sechsjährigen Amtszeit kaum etwas von dem zuwege gebracht haben, was Sie dereinst nach dem Motto „Yes, we can“ angekündigt hatten. Nur, Sie konnten leider eben nicht, wie Sie wohl wollten, davor war bei jedem Ihrer Ansätze jene republikanische Opposition, die dank Ihrer Mehrheiten im Parlament nicht nur Drohkulissen aufzubauen vermochte, sondern Sie mal um mal ausbremste. Auch Ihrem jüngsten Versuch, nun endlich (!!!) etwas gegen den US-amerikanischen Anteil an der Klimaverseuchung zu tun, steht bereits die republikanische Weigerung – tragikomischer Weise gar mit dem Verweis auf den Verfassungsbruch einer solchen Aktion – entgegen. Ihre großteilige Glücklosigkeit, die Sie sichtlich hat grau werden lassen, ist nun also wahrlich zu beklagen, Verächtlichkeit daraus zu schöpfen mag nur das Denken jener hervorbringen, die eine Präsidialdemokratie mit einer Diktatur gleichsetzen. Das mag gelegentlich wünschenswert erscheinen, wäre indes mindestens ähnlich verhängnisvoll; man besehe nur die Namen jener Republikaner (Bush oder Trump zum Beispiel), die bereits im Wartestand der nächsten US-Präsidentschaft stehen.

Gérard Depardieu, Wahlrusse – Seit Sie sich zu einer russischen Staatsbürgerschaft samt persönlicher Freundschaft zu Wladimir Putin (oder war´s umgekehrt?) verholfen haben, mag man Sie in der Ukraine nicht mehr. Zuerst sind Sie dort zur unerwünschten Personen erklärt und nun ist auch noch ihr filmisches Werk mit dem Bann belegt worden, da dieses eine „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ sei. Berücksichtigt man Ihren täglichen Weinverbrauch – nach eigener Auskunft bis zu 14 Flaschen – so können wir die Sorge in Kiew nachvollziehen und verstehen diese also als Schutz aller landesweiten Kellereien. Wer möchte, kann Maßnahmen wie diese allerdings gern auch für kindlichen Schwachsinn halten; es wäre auf politischen Ebenen ja beileibe nicht der erste.

Volker Kauder, christdemokratischer Wadenbeißer – Dass Sie Angela Merkels Mann fürʼs Grobe sind, haben Sie aller Welt längst geläufig gemacht. Ihre nunmehrige Forderung, Mitglieder der von Ihnen geführten Bundestagsfraktion von CDU/CSU aus parlamentarischen Ämtern zu entfernen, wenn sie dort eine eigene, und dann gegebenenfalls auch andere als Ihre Auffassung,  vertreten, macht anschaulich, was für ein Top-Parteienoberer Sie auch in der SED hätten werden können.