17. Jahrgang | Nummer 23 | 10. November 2014

Antworten

Mr. Acker Bilk, von uns Gegangener – Ihrem Klarinetten-Evergreen „Stranger on the Shore“ ist eine Ehre widerfahren, die fast singulärer Natur ist: Apollo 10 hat 1969 diesen wunderbaren Titel des Traditional Jazz mit zum Mond genommen, als kulturelle Erdenbotschaft sozusagen. Wie nahezu immer zu spät, danken wir Ihnen für die Bereicherung unseres Lebens, die (auch und gerade) Sie und Ihre Bands uns gegeben haben.

Claus Weselsky, GDL-Chef – Wird man Ihrer gewerkschaftlichen Unnachgiebigkeit gegenüber der Bahn gewahr, kommt einem unwillkürlich ein Paradoxon in den Sinn: Bei der GDL stellt der Hardliner die Weichen…

Angela Merkel, lupenreine Demokratin – Mit fast 70 Prozent hat die thüringische SPD-Basis dafür gestimmt, die Koalition mit einem linken Regierungschefs einzugehen. Im Unterschied zu all jenen Fällen wie vor allem Ihrem Kabinett, wo die Sozis ganz selbstverständlich und ebenfalls basisakzeptiert Juniorpartner der Konservativen sind, sei die thüringische Entscheidung der „stolzen linken Volkspartei“ (Ihr O-Ton) für den „aufstrebenden Freistaat Thüringen eine schlechte Nachricht“. Und noch schlimmer – dieser Schritt, so haben Sie sorgenvoll wissen lassen, bringe die SPD in eine „geradezu staatspolitisch bedrückende Lage“. Genau so haben wir uns alle die Stellungnahme eines deutschen Regierungschefs mit dem Rang einer „lupenreinen Demokratin“ 25 Jahre nach Mauerfall vorgestellt.

SPD, alte Tante – Das sprachliche Phänomen des Euphemismus, also Unangenehmes in genau das Gegenteil bedeutende Worte zu kleiden, reicht etymologisch mindestens bis ins klassische Altertum zurück. Damals tauften die Griechen das Seeleuten meteorologisch und nautisch häufig besonders fies gegenübertretende Schwarze Meer Πόντος Εὔξεινος (gesprochen: Pontos Euxeinos) – Gastliches Meer. Um die Götter milde zu stimmen! In gewisser Weise kann man den Euphemismus daher auch als Keimform der Propagandalüge ansehen. Dessen vergleichsweise harmlose Gefilde komplett verlassen hat allerdings, wer die Vorgänge nach der jüngsten Wahl in Thüringen als rot-rot-grüne Regierungsbildung bezeichnet. Das ist schon mehr als nur eine fette Propagandalüge. Wenn man den Sachverhalt tatsächlich glaubt, farblich apostrophieren zu müssen, wäre allenfalls rot-blassestrosa-grün vertretbar. Zu danken ist in diesem Kontext dem Kabarettisten Max Uthoff, der dieser Tage mal wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt hat, was die SPD allenfalls noch darstellt – eine Sammelbewegung zur ProletarierDemütigung.

Joachim Gauck, alles Mögliche – Dass Sie der Präsident der Herzen hierzulande sind, wollen uns Meinungsumfragen ja ein ums andere Mal glauben machen. Das genügt Ihnen aber offenbar nicht – auch im politischen Neuererwesen wollen Sie Ihren Fußabdruck hinterlassen: Entgegen dem allgemeinen Komment, dass der Bundespräsident sich parteipolitisch neutral zu verhalten habe, übten Sie dieser Tage dezidierte Kritik an der rot-blassrosa-grünen Regierungsbildung in Thüringen. „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen, dass wir ihr voll vertrauen können?“, so fragten Sie öffentlich, und wir haben – im Gegensatz zu all den Scheltern, die sich sogleich beckmesserisch vernehmen ließen, – diesbezüglich volles Vertrauen zu Ihnen. Denn wer sollte sich mit den Vorstellungen der SED bei der Unterdrückung der Menschen besser auskennen als jemand, der in der DDR eine Vorzugsbehandlung, manche meinen gar Privilegien, genoss, wie sie üblicherweise nur Zeitgenossen zuteilwurde, die ein besonders inniges Verhältnis zur Staatsmacht, insbesondere zum „Schild und Schwert der Partei“ pflegten. Also: Nur weiter so, Mr. President!

Olaf Henkel, AfD-Realitätsdeprimierter – „Es heißt, die Steigerung von Feind sei Feind, Todfeind, Parteifreund.“ Darüber haben Sie eigener Auskunft zufolge früher gelacht, um heute jedoch zu wissen: „Aber es ist nicht übertrieben. Der Satz stimmt.“ Dies allerdings ganz sicher nicht nur innerhalb der AfD.

Bernd Fabritius, neuer Präsident des Bundes der Vertriebenen – „Ich werde mich bemühen, das Verhältnis zwischen unserem Verband und Polen zu entspannen“, haben Sie als Credo Ihrer soeben begonnenen Amtszeit angekündigt. Nach 16 – und gefühlten 100 – Jahren Erika Steinbach und noch mehr deren Vorgängern klingt dies zumindest hoffnungsvoll und insofern ermutigend, als dem Ihre Erkenntnis zugrunde liegt, dass es in einem modernen Europa keine Feindbilder mehr braucht; da sind Sie sogar weiter als so ziemlich alle Beteiligten im leider ebenfalls innereuropäischen Ukraine-Konflikt.

Helga Blömer-Frerker, CDU-Bezirksbürgermeisterin in Köln – Sie haben im Stadtteil Lindenthal eine Straße nach dem sandinistischen Revolutionär Enrique Schmidt Cuadra benannt, der einst in Köln lebte, dann Kommunikationsminister in Managua war und dort von den Contras ermordet wurde. Dieser Vorgang ist gleich in doppelter Hinsicht bemerkenswert, ist er doch zum einen das Ergebnis eines gemeinsamen (!) Antrags von CDU, Linken und Grünen im Stadtteilparlament und zum anderen wird mit Schmitt Cuadra ein Sandinist geehrt, der vor rund 30 Jahren hierzulande noch als kommunistische Vorhut galt. Respekt also für solche unideologische Unabhängigkeit des Denkens und Handelns – wir werden dem wohl auch in naher Zukunft eher selten begegnen.

Bodo Hechelhammer, Ex-Spion und nun als oberster Historiker des BND reüssierend – Ihr Vorwort ziert eine Aktenedition des BND mit geheimen Materialien der Jahre 1989/90. „Die Dokumente zeigen, dass man in Pullach über die grundsätzlichen Entwicklungslinien und Ereignisse frühzeitig informiert war“, heißt es in dieser Präambel, die locker durch solche Dokumente widerlegt werden, die Ihr Amt nicht für aufnehmenswert hielt. Die Meldung vom Tod Honeckers war immerhin bereits fünf Jahre vor dessen realem Eintreten an das Kanzleramt übermittelt worden, was wer will auch als vorauseilende Weitsicht gewertet werden könnte. Bereichert man seine Kenntnisse durch Fehlstellen wie solche bei spiegel-online Genannten, wird neuerlich klar, welch lange Tradition es hat, dass der BND von hochrelevanten politischen Vorgängen keine Ahnung hat oder eine solche nicht haben will – die NSU grüßt in herzlicher Verbundenheit.