21. Jahrgang | Nummer 1 | 1. Januar 2018

Miszellen

Rose Ausländer

„Mein Vaterland ist tot / sie haben es begraben / im Feuer / Ich lebe in meinem Mutterland / Wort.“ – Das ist der Ton Paul Celans und der Nelly Sachs. Und doch etwas ganz Eigenes. Rose Ausländer schrieb das Gedicht „Mutterland“ 1978, zehn Jahre vor ihrem Tod. Ihre Lyrik, sie hat fast 2500 Gedichte geschrieben, ist atemberaubend. Rose Ausländer wusste um den Geschmack der Wörter, wie Fred Wander den Zauber der Lyrik einmal sehr treffend benannte, und um ihren Wert („jedes Wort ist notwendig“). Ihre Biographie lässt einem schon beim ersten Draufblick das Blut stocken: Am 11. Mai 1901 wurde sie in Czernowitz geboren, sie starb am 4. Januar 1988 im Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf. Dazwischen liegt ein Leben voller Fluchten und wiederholten Versuchen, das Schiffchen der eigenen Existenz in einem einigermaßen ruhigen Hafen anzulanden. Die Shoah überlebte sie als eine der wenigen Jüdinnen aus Czernowitz – in Czernowitz… Helmut Braun, in den letzten zehn Lebensjahren Wegbegleiter und Herausgeber der Werke Rose Ausländers hat über sie in der Reihe der „Jüdischen Miniaturen“ bei Hentrich & Hentrich ein Portrait geschrieben, das jetzt vorliegt. „Und du wirst danach hungern, die Buchstaben zu finden, die seismographischen Zeichen innerer Beben… “, beschrieb Fred Wander den Zustand, in den auch Sie geraten werden, wenn Sie sich auf Rose Ausländer einlassen. Einen kundigeren Wegbereiter als Helmut Braun gibt es nicht.

Alfred Askanius

Helmut Braun: Rose Ausländer. Der Steinbruch der Wörter, Hentrich & Hentrich, Berlin 2017, 102 Seiten, 9,90 Euro.

Mörderisch gut und wild

Gerade überschwemmen „Pechkekse“ die Supermärkte der Nation. Deren Gestaltung gibt es nicht nur als Kekse, sondern auch als Luftballons, Weihnachtskalender und anderen Firlefanz. Wer plötzlich ein Böser sein will, der kauft sich Pechkekse und schwimmt so mit dem Strom der Dummheit. Viel intelligenter, makaberer und finsterer war der US-amerikanische Autor und Illustrator Edward St. John Gorey, der leider im Jahr 2000 verstarb. Mit seinem skurrilen Humor, nüchternen Texten und herrlichem Nonsens schuf er eine ganz neue Welt voller dunkler Gestalten und tödlicher Momente. Das geniale dünne Büchlein über das Unglücks-ABC beinhaltet schwarzweiß schattierte Zeichnungen (genau ansehen…) über den Tod einiger Kinder. Mörderisch geht es los: „A steht für Alma, zum Sturze ward ihr Lauf / B steht für Bruno, den fraßen Bären auf.“
Wer seinem Kinde lieber ein fetziges Buch voller spannender Abenteuer und lustiger Geschichten schenken möchte, der greife zur „wilden Sophie“ vom Schweizer Schriftsteller Lukas Hartmann. Man wird das Mädel lieben, denn es macht all die Sachen, die ein Kind schon immer machen wollte: einen Tunnel graben, klettern, rennen und den Prinzen Jan kennenlernen. Dieser wird von vielen Aufpassern „betreut“, die nebenher gehen, seine Sachen aufwärmen und Insekten jagen, die gefährlich werden könnten. Der königliche Vater will, dass ihm nichts passiert. Prinz Jan ist blass, lustlos, schwach und ohne Freunde. Dann trifft er Sophie, die es wild und gefährlich mag. Das Abenteuer kann beginnen. Ein herrliches Buch für die Schmuddeltage.

Thomas Behlert

Edward Gorey: Das kleine ABC vom Unglück, Diogenes, Zürich 2017, 60 Seiten, 18,00 Euro.
Lukas Hartmann: Die wilde Sophie, Diogenes, Zürich 2017, 256 Seiten, 16,00 Euro.

Alfred Döblin und Berlin

Michael Bienert hat ein Buch über Alfred Döblin und Berlin vorgelegt. So etwas hatte er auch schon mit Erich Kästner und E.T.A. Hoffmann gemacht. Döblin und Berlin? Viele werden das für einen abgenuddelten alten Film halten und abwinken: „Kenn wa, Franz Biberkopf, Alex, der Knast in Moabit und die Mulack-Ritze, Scheunenviertel eben…“ Nischt kennt Ihr! Klar liegt Biberkopfs Berlin zwischen dem heutigen Nordbahnhof – ganz um die Ecke hausen seit kurzem die Spione, wann hat denn endlich mal wieder eine/r den Mut, den ganzen Kosmos dieser Stadt literarisch zu wuchten? – und dem unsagbar hässlichen Shopping-Center Alexa. Das Berliner Polizeipräsidium, das da einstmals residierte, hat sich inzwischen in das städtische Nirwana nach Tempelhof verzogen und lässt das eigene Polizeimuseum eine Etage unter dem Büro des Polizeipräsidenten beklauen… Bienert billigt „Berlin Alexanderplatz“ (1929) natürlich den Platz zu, der ihm gebührt. Und er kriecht in jede Nische, die irgendwie mit dem Buch zu tun hat. Das ist aufregend. Dabei bleibt es aber nicht. Wer kennt eigentlich noch „Wadzecks Kampf mit der Dampfturbine“? Auch das ist ein Berlin-Roman, geschrieben von Alfred Döblin. Es war sein zweites Buch (1918), und Michael Bienert führt uns mit ihm nach Kreuzberg, in die Gegend um den heutigen Mehring-Platz, der damals Belle-Alliance-Platz hieß. Gar nicht weit ist es von hier bis zum Urban-Krankenhaus. Da war Döblin einmal Assistenzarzt, bevor er sich mit privater Praxis – zuletzt in der Frankfurter Allee 340 – niederließ. Näheres bei Bienert…
Aber nachdrücklich ans Herz legen möchte ich Ihnen dieses Buch, weil der Autor einem Roman ausführlich Platz einräumt, den ich ob seiner literarischen Qualität und als Berlin-Roman neben „Berlin Alexanderplatz“ stellen möchte: „November 1918. Ein Erzählwerk in vier Bänden“. Geschrieben im Exil konnte das Buch erst 1949/50 erscheinen. Da kochte der Kalte Krieg und Alfred Döblin befand sich nicht ganz unverschuldet – auch ästhetisch – zwischen allen Frontlinien, zwischen die man sich nur begeben kann. Auch darüber finden sich wertvolle Hinweise in Bienerts Buch.
Von den Bürgerkriegskämpfen im Gefolge der missratenen deutschen Revolution – 2018 ist ihr einhundertster Jahrestag fällig – war Döblin selbst betroffen. Er war Augenzeuge und in den Märzkämpfen 1919 wurde Döblins Schwester Meta in Lichtenberg beim Milchholen von einem Granatsplitter getroffen und starb. In Berlin tobte seinerzeit ein richtiger Krieg. Döblin hat ihn thematisiert – und er benutzte keineswegs einen Weichzeichner. Den konkreten Geschehnissen kann man dank Michael Bienert folgen.
Bienert nennt sich „Berlinologe“. Das ist ein skurril anmutender Begriff, der sich irgendwie schleichend in die Publizistik hereingemogelt hat. Er klingt leicht hochstaplerisch. Aber angesichts der mit großer Kulturlosigkeit gepaarten Ignoranz, mit der sich die universitäre Wissenschaft und eine mit Leidenschaft Sprechblasen produzierende Wissenschafts- und Kulturpolitik von ernsthaft betriebener Berlin-Forschung abgewendet haben, finde ich den Begriff für Michael Bienert – und einige wenige andere – überaus passend. Der verlag für berlin-brandenburg tat gut daran, diesen Autoren an sich zu binden.
Wie bei den erwähnten anderen Bänden gewohnt, ist dieser ungewöhnliche Stadt-, Literatur- und Geschichtsführer exzellent bebildert und mit aussagefähigem Kartenmaterial versehen worden. Nach der Lektüre bin ich mir nicht mehr sicher – stieg der gebürtige Stettiner Döblin 1888 auf dem Wege nach Berlin am Stettiner Bahnhof aus, oder hat er die Stadt samt Bahnhof selber erfunden?

WB

Michael Bienert: Döblins Berlin. Literarische Schauplätze, verlag für berlin-brandenburg, Berlin 2017, 192 Seiten, 25,00 Euro.

Leipziger Spaziergänge

Seit Jahren ist die Fotografie der ehemaligen DDR fester Bestandteil des Verlagsprogrammes des Leipziger Lehmstedt Verlages. Einige Bildbände mit wichtigen Vertretern der DDR-Fotografie sind hier bereits erschienen. Ein weiterer Schwerpunkt des Verlages sind die kompakten und reich illustrierten Stadtführer, von denen bereits knapp achtzig Titel erschienen sind – von Annaberg bis Wolfenbüttel. Darunter mit Bern, Genf und Zürich auch drei Schweizer Stadtziele. Im Vorjahr hat der Verlag nun mit „Leipziger Spaziergänge“ eine neue Reihe in loser Folge gestartet. Heinz Peter Brogiato, Leiter der Geographischen Zentralbibliothek und des Archivs für Geographie am Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) in Leipzig, schildert darin Rundgänge durch die verschiedenen Leipziger Stadtteile. Den Auftakt bildete 2016 Plagwitz, das bis zu seiner Eingemeindung 1891 eine selbstständige Gemeinde war, aber bereits im 19. Jahrhundert durch viele Industrieansiedlungen geprägt wurde. Nach der dramatischen Deindustrialisierung nach der Wende entwickelt sich Plagwitz nun wieder zu einem beliebten Wohngebiet. Im Mittelpunkt der Exkursion stehen neben den prächtigen Villen der Gründerzeit in der Karl-Heine-Straße und den Gebäudekomplexen des ehemaligen Kaufhauses Joske sowie des ehemaligen Joseph-Konsums die Industriedenkmäler im seinerzeitigen Plagwitzer Industriegebiet.
Nun wurde die Reihe fortgesetzt mit einem Rundgang durch das historische Alt-Gohlis (bis 1890 ebenfalls selbstständig), den heutigen Ortsteil Gohlis-Süd. Hier begegnen dem aufmerksame Spaziergänger Brogiato architektonisch auffallende Wohnhäuser und Villen, imposante Kirchen und Schulgebäude, stille Parkanlagen oder ehemalige Großbetriebe (zum Beispiel die Gohliser Actien-Brauerei und die Bleichert-Werke). Sie alle geben den Anlass, neugierig zu werden, und so versucht der Autor immer wieder zu erkunden, welche Geschichten sich hinter den Fassaden verbergen.
In jedem Stadtteil-Führer macht der Autor an jeweils 46 Sehenswürdigkeiten und Baudenkmälern einen „Musst-du-gesehen-haben-Halt“ und gibt in den jeweiligen Begleittexten zahlreiche historische und architektonische Informationen. Also keine „Sightseeing“-Touren mit kurzen Fotostopps, wie sie von den Touristik-Büros angeboten werden. Auf Fotos muss der Leser aber trotzdem nicht verzichten, denn alle Stationen werden mit einem Farbfoto vorgestellt. Zusätzlich geben Rand-Informationskästen Auskunft zu Leipziger Persönlichkeiten oder benachbarten Baudenkmälern. Insgesamt handliche und doch informative Stadtteil-Führer, die zum Entdecken einladen und Bildung per pedes bieten. Wie vom Verlag zu erfahren war, sind weitere „Leipziger Spaziergänge“ geplant.

Manfred Orlick

Heinz Peter Brogiato: Leipziger Spaziergänge – Plagwitz, Lehmstedt Verlag, Leipzig 2016, 64 Seiten, 4,95 Euro; Heinz Peter Brogiato: Leipziger Spaziergänge – Alt-Gohlis,Lehmstedt Verlag, Leipzig 2017, 64 Seiten, 6,00 Euro.

Mit den Dummheiten der Fußballwelt beschäftigen

Da fliegt der Ball ständig „in die Box“, wie wir es immer und immer wieder von den MDR-Labersäcken hören, oder gar „eine Kugel“ wird in „Richtung Sturm geschossen“ (schon wieder MDR). Die Unschuld hat der Fußball schon längst verloren, bestätigt durch die letzten Vorfälle bei Spielen der Nationalmannschaft und der Clubmannschaften. Warum muss ein Jenaer Fan sturzbetrunken durch Weimar wanken und sinnlosen Quatsch brüllen, nur weil sein Carl Zeiss mal nicht verloren hat? Möge Jena verlieren, damit wir diesen Fan nicht als Alkoholiker enden sehen. Interessantere Vorfälle aus dem Reich des Fußballs präsentiert uns der Autor Jürgen Roth, der sich oft schon mit dem „runden Leder“ beschäftigte, außerdem mit dem Frankenland, der Formel 1 und anderen wichtigen Dingen des Lebens (Bier!). Für dieses geniale Buch drang Jürgen Roth bestimmt in den Keller des DFB ein und durchwühlte den Misthaufen des Verbandes, um wichtige Akten über den Unsinn des Fußballs zu entwenden, über schmierige Machenschaften der Prominenz und besonders über die „Superstarweltmannmamasöhnchenexistenz“ (J. Roth) Franz Beckenbauer, der immer noch jede Menge Politiker im A…loch festhält und für immer unfehlbar sein wird. Herrlich und zum Vorlesen bestens geeignet sind Roths Kommentare über die Fußballmoderatoren, das „Kleine Lexikon der Fußballsprache“ (von Dreierkette bis Zielspieler) und der Text „Das Wirken Gottes im Kolosseum“, der herrlich lustig ist und sich mit den sprachlichen Dummheiten unserer „Fußballmacher“ beschäftigt. Wer also nicht nur stoisch in die Glotze schauen will, sich mit den Dummheiten der Fußballwelt beschäftigen möchte, der sollte an den freien Spieltagen unbedingt Jürgen Roths „Nie mehr Fußball!“ lesen. Ich gucke ja jetzt lieber Volleyball, zumal unsere Männer zum ersten Mal eine Medaille bei einer EM gewonnen haben.

Thomas Behlert

Jürgen Roth: Nie mehr Fußball! Vorfälle von 2014 bis 2017, Oktober Verlag, Münster 2017, 272 Seiten, 16,90 Euro.

Marx und Darwin trafen sich?

In Ilona Jägers erstem Roman strandet der Leser in England, im Frühjahr 1881. Der Forscher und Weltveränderer Charles Darwin hat erkannt, dass die Menschheit vom Affen abstammt und Gott nur einer Erfindung windiger religiöser Fanatiker ist. Nun fürchtet er sich davor, als „Gottesmörder“ in die Geschichte einzugehen und forscht daher lieber über Regenwürmer. Stolz ist er trotzdem auf seine wissenschaftliche Arbeit, denn sonst würde er auf seine Frau hören, die ihn bittet, sich wieder Gott zuzuwenden.
Nur wenige Kilometer weiter lebt Karl Marx, der gerade den ersten Band des „Kapitals“ fertig gestellt hat und nun ziemlich missmutig am zweiten Band arbeitet. Er hätte so gerne eine Weltrevolution angezettelt, die alle Kapitalisten, Pfeffersäcke und Adlige aus der Welt fegt. Marx ist in England ein staatenloser Immigrant, der seine Frau Jenny und seine erwachsenen Kinder vermisst. Nachdem Marx auch noch ernsthaft krank wird und kein Geld für die Behandlung besitzt, schickt sein Freund Friedrich Engels den Arzt Dr. Beckett zu ihm. Der ist ebenfalls der Arzt von Darwin, so erfährt er von den Theorien der beiden Patienten. Da er die Schweigepflicht nicht immer einhält und beide Theorien faszinierend findet, erfahren Darwin und Marx voneinander. In seinen Augen haben der großbürgerliche Naturforscher und der ewig klamme Antikapitalist mehr gemeinsam, als sie zugeben möchten. Das Buch ist so spannend und interessant geschrieben, dass man ohne Pause lesen muss, denn man will schließlich erfahren, wie sich das Treffen der Beiden gestaltet. Ilona Jerger, die Chefredakteurin der Zeitschrift Natur war, verbindet auf geniale und wunderbare Weise gesellschaftliche und wissenschaftliche Erkenntnisse zu einem tollen Roman, der nach weiteren Büchern schreit. Einfach herrlich.

Thomas Behlert

Ilona Jerger: Und Marx stand still in Darwins Garten. Roman, Ullstein, Berlin 2017, 288 Seiten, 20,00 Euro.

Brabax schlug sich für Doktor Luther den Daumen blau

Das „Lutherjahr“ ist zu Ende. Das geplagte Wittenberg kann wieder etwas aufatmen. Die Buchhändlerin in der Collegienstraße nutzte die Zeit zwischen den Feiertagen zum Umräumen. Schräg gegenüber im Cranach-Haus (nicht zu verwechseln mit den Cranach-Höfen, die gehörten dem Meister Lucas auch) residiert die Cranach-Stiftung und die präsentiert derzeit: die Abrafaxe!
Auch das Mosaik-Team konnte sich der Lutherei nicht entziehen und produzierte einen Sonderband „Schlag auf Schlag“, de facto ist das der Sammelband der ersten dreizehn Hefte der „Reformations-Serie“ der Comic-Reihe. Der Titel ist natürlich eine Anspielung auf das Annageln der berühmten Thesen. Professor Luther hatte genau 476 geschrieben, darunter befand sich auch der Einkaufszettel des Augustiner-Cellarius. Dank der rabiaten Kürzungen seines zeitweiligen Gehilfen Brabax blieben leider nur 95 übrig… Midie Geschichte des Beginns der Reformation in Form etlicher Geschichten „drumherum“. Detailverliebte Historienfreaks sollten das Ganze etwas lockerer nehmen – entscheidend ist, dass vielleicht ganz junge Menschen Lust auf Geschichte bekommen, ohne gleich vom Staub der Talare abgeschreckt zu werden. Der erwischt sie früh genug. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, so waren es die Mosaik-Heftchen, die mich zur Geschichte verführten… Und hier sei noch ein erinnerndes Wort über Lona Rietschel gesagt: Viele Jahre gab sie den Digedags ihr Aussehen und kreierte den von allen Bösewichtern gefürchteten Ritter Runkel. Nach dem Ausstieg Hannes Hegens aus dem Mosaik, er nahm die Digedags „mit“, schuf Lona Rietschel die Abrafaxe (mit Lothar Dräger). Am 19. Dezember starb die begnadete Zauberin des Zeichenstiftes in Berlin.
Die Abrafaxe treiben übrigens noch bis zum 18. Februar im Cranach-Haus ihr infernalisches und gotteslästerliches Unwesen (wie Tetzel es gesagt hätte). Sollte die Buchhändlerin bei Ihrem Wittenberg-Besuch immer noch am Umräumen sein: Das Buch bekommen Sie bestimmt noch bei Cranachs. Bringen Sie es Ihren Kindern oder Enkeln mit. 2018 ist der geschichtspädagogische Zeigefinger ja nicht mehr so drohend hochgereckt.

Günter Hayn

Mosaik. Die unglaubliche Reise der Abrafaxe: Schlag auf Schlag.

t der gehörigen Portion Schalk im Genick erzählen die Mosaik-Macher auf vergnügliche Weise Abenteuer mit Luther, Cranach & Co., MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag + PROCOM Werbeagentur GmbH, Berlin 2017, 448 Seiten, 16,90 Euro.

Friedrich, die Ostsee und Hühnergötter

Ach, Frankie. Du schreibst und schreibst und alles ist wohlfeil, von einer sauberen deutschen Sprache durchtränkt, genau recherchiert und fast immer mit einer Portion Spaß versehen. Die ernsten Bücher nicht so, denn hier wird wichtiges Wissen kund getan. Mal berichtest du intensiv über die harte Musik, die dir so viel Spaß macht, dann gibt es Berichte aus dem Leben, bei denen es deiner Frau ständig in den Ohren klingeln müsste und nun also ein Roman über das Leben, in dem ein gewisser Friedrich eine große Rolle spielt. Mit Genuss und ganz fix habe ich das Buch „Hühnergötter“ gelesen, dass mich für eine gewisse Zeit an mein Lieblingsurlaubsgebiet zurück versetzte, an die Ostsee. Der Friedrich hat dort von seinem Onkel ein Haus geerbt, das ziemlich hässlich ist und ihm nicht so richtig in den Kram passt. Wenn er aber schon mal dort ist, an der Ostsee, kann er auch seiner Leidenschaft frönen, dem sammeln von Hühnergöttern. Hühnergötter sind übrigens Steine mit Löchern, die in Millionen von Jahren vom Meer eingewaschen wurden und an Steinstränden zu finden sind.
Natürlich verwendet der Autor Frank Schäfer, der in Braunschweig lebt und arbeitet, wieder Teile seiner Biographie. Da gibt es die alte Rumpelrockgruppe, die sich schon länger aufgelöst hat, nun wieder zusammen finden will, dann die wunderbare Ehefrau, den kleinen Sohn und weitere Freunde (Matze, Knüppel) und Familienmitglieder. Friedrich renovierte das Erbstück, weiß aber nun nicht, ob er darin leben möchte. „Hühnergötter“ ist sehr melancholisch, dann wieder überschwänglich humorvoll, wunderbar verzurrt und sehr lebendig.

Thomas Behlert

Frank Schäfer: Hühnergötter, Limbus Verlag, Innsbruck 2017, 198 Seiten, 18,00 Euro.