20. Jahrgang | Nummer 16 | 31. Juli 2017

Antworten

Angela Merkel, (wahrscheinlich auch schon wieder die nächste) Bundeskanzlerin – Es gibt ja Kritikaster, die Ihnen nachsagen, dass Ihnen bestimmte Dinge zu bestimmten Zeiten schlicht am Allerwertesten vorbeigingen. Etwa die Menschenrechte, wenn gerade wieder ein Spitzengespräch mit dem Oberchinesen anstehe.
Und nun wollen diese Nörgler definitiv wissen, dass auch die geltenden Rüstungsexport-Richtlinien aus dem Jahre 2000 in diese Kategorie fielen, die Waffenlieferungen in Staaten verböten, „die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind“. Denn der von Ihnen präsidierte Bundessicherheitsrat habe ein Paket von Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien genehmigt: 110 Lastkraftwagen der Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH und vier Patrouillenboote der Lürssen-Werft sowie militärische Werkzeuge und Ausrüstungen der Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH.
Was die Genehmigung anbetrifft – stimmt. Aber Saudi-Arabien und „in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt“? Wo denn, bitte schön? Falls die Damen und Herren Kritiker das bisschen saudische Zurückbomben in die Steinzeit im Jemen wirklich zur militärischen Auseinandersetzung hochmotzen wollen, sei ihnen trotzdem gesagt: Wer lesen kann, ist echt im Vorteil. Denn das diesbezügliche Verbot in den Rüstungsexport-Richtlinien kennt sehr wohl Ausnahmen – wenn nämlich „ein Fall des Artikels 51 der VN-Charta vorliegt“. Dieser Artikel regelt das Recht auf Selbstverteidigung. Und das kann Saudi-Arabien natürlich gegen Jemen ebenso jederzeit in Anspruch nehmen wie in Kürze vielleicht auch gegen Qatar. Und dass Angriff die beste Verteidigung ist, wissen ja nun wirklich selbst militärische Waisenknaben.

P.S.: Zu Ihrer weiteren Ehrenrettung noch dieses. Die SPD hat verlauten lassen, die jetzige Genehmigung für die Lieferung an die Saudis sei „auf Betreiben der Bundeskanzlerin“ erteilt worden. Das ist nun eine Selbstexkulpierung ganz nach Art, wie man sie an Sozialdemokraten so schätzt. Dem Bundessicherheitsrat gehören SPD-Minister für die Ressorts Äußeres, Wirtschaft und Justiz an. Gegen deren Stimmen hätte Sie gar nichts „betreiben“ können. Aber in solchen Fragen sind SPD-Obere halt, ohne mit der Wimper zu zucken, allemal so verlogen, wie es Ihnen der Gabriel nach dem Hamburger G20-Gipfel meinte, unbeschadet vorwerfen zu dürfen …

Frauke Petry, Mutter der Zukunftsdeutschen – An einer postnatalen Depression leiden Sie auch nach der Geburt Ihres fünften Kindes (Glückwunsch!) erfreulicher Weise nicht. Im Gegenteil machen Sie nun mit Ihrem Jüngsten, wohlig und behütet in Ihren Armen ruhend, Parteipolitik via Plakatwand. „Und was ist Ihr Grund, für Deutschland zu kämpfen?“ ist diesem Bild der Glückseligkeit textlich beigestellt, untermalt vom Kampagnenslogan: „Trau dich, Deutschland“. Sehen wir mal davon ab, dass es selbst im ansonsten kaum sensibel zu nennenden Wahlkampfgebaren bislang als „No-Go“ galt, Kleinkinder für Politreklame zu instrumentalisieren, und es allein schon deshalb ein betrübliches Bild Ihrer Skrupellosigkeit bietet, passt diese aktuelle und auch von anderen Plakatmotiven der AfD begleitete Strategie doch gar sehr in ihr völkisch konnotiertes Wahlprogramm. So gesehen geben Sie für diesen Wahlkampf wirklich alles; inwieweit Ihnen nach dem Ausgang des Votums allerdings ein Platz in der Sonne der AfD-Parteispitze bleibt, wird abzuwarten bleiben.

Frank Stocker, Welt-Kassandra – Dem Jahrgang 68 enstammend und westelbisch sozialisiert betätigen Sie sich in der Welt soeben als Kassandra in einer Causa, die Ihren fulminanten Warnruf mehr als nur verdient. Interpretieren Sie doch den Beschluss der Handelskette ALDI, fürderhin keine Plastik- ja nicht einmal Papiertüten für den Transport eingekaufter Warfen anzubieten, um den damit verbundenen ökologischen Schwachsinn zumindest einzudämmen, als den Eintritt in Dantes siebenten Kreises der Hölle, nämlich die Rückkehr zu DDR-Verhältnissen. Nun waren deren Versorgungskalamitäten in der Tat ein Grund, zum Beispiel einen der kleinen Dederon-Minibeutel mit sich zu führen. Dass dies– zwar ungewollt – eine vernünftige Alternative zu dem widerlichen Wegwerfkult westlichen Konsumismus darstellte, ist Ihnen sicher entgangen. Daher als Tipp für Sie: Im Ostprodukte-Versand können Sie für 2,95 Euro einen solchen erwerben, und wenn’s nur zum Ekeln ist.

Silvio Berlusconi, Stehaufmännchen – Dem medialen Vernehmen nach stehen Sie nicht nur in der Blüte Ihrer 80 Jahre sondern auch auf der politischen Matte Italiens, um noch einmal an dessen Spitze zurückzukehren. Ihrem Naturell entsprechend lassen Sie es bislang bei Ratschlägen an die aktuelle Regierung bewenden, haben sich aber schon mal so an die absolute Spitze Ihrer Forza-Italia-Bewegung zurückgekämpft, dass der Schritt zur fünften eigenen Regentschaft auch dann realistisch scheint, wenn die vier vorausgegangenen Italien eher in Krisen als Fortschritte geführt hat. Die, wie es seit langem scheint, bis zum Masochismus veranlagte Duldsamkeit der Wählerschaft Italiens, dürfte für ein Comeback Ihrerseits wieder als sicheres Unterpfand dienen.

Philipp Lahm, Geadelter – Da wir Sie als Fußballer hochschätzen und als Persönlichkeit mögen, sagen wir es nicht gern: Aber Ihre Wahl zum Fußballer des Jahres 2016 ist eine Fehlentscheidung, denn wiewohl sie möglicherweise den nichtausgelobten Titel eines deutschen Fußballers des Jahrzehnts verdienen würden, als deutscher Top-Kicker besagten Jahres haben Sie wirklich nicht reüssiert. Die Vergabe dieses Titels an Sie gemahnt an ein sich immer mehr häufendes Verfahren, wie es vor allem bei der Vergabe erstrangiger Literaturpreise obwaltet. Lagen doch gleich mehreren Entscheidungen für den Literatur-Nobelpreis – bei allem Respekt durchaus auch vor literarischer Leistung – offenkundig politische Erwägungen wie ein Solidarverhalten mit Autoren, die unter schwierigen Umständen Literatur produzieren, zugrunde. Nun ist solch Solidarverhalten ebenso wenig zu ächten wie der Kotau vor Ihnen, lieber Philipp Lahm, aber irgendwie unterhöhlt es halt doch das, worum es jeweils eigentlich ging und geht, oder?

Nicolás Maduro, venezulanischer Präsident – Sie wollen Ihre Verfassungsreform auch dann brachial durchbringen, wenn diese in einem vorherigem, von der Opposition veranstalteten Referendum von fast der Hälfte der Wähler abgelehnt worden ist, fast täglich massenhafte Proteste Caracas erschüttern und mittlerweile fast 100 Menschen bei diesen Protesten getötet worden sind. Das alles erinnert stark an das, womit Syriens unseliger Zerfall begann. Sie sind auf dem besten Wege, der nächste Assad zu werden.

Nikolas Busse, FAZ-Journalist, vulgo Träger einer ungeschützten Berufsbezeichnung, deren Verwendung keines qualifizierten Abschlusses bedarf – Vielfach haben hiesige Medien moniert, was die zwar formal-demokratisch gewählte, sich aber totalitär gerierende PiS-Regierung Polens, die Parteichef Jarosław Kaczyński an der kurzen Leine führt, alles unternimmt, um die auch dort bisher noch geltende Gewaltenteilung auszuhebeln und insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz abzuschaffen. Die EU-Kommission hat das Land dafür ebenfalls harsch kritisiert und quasi unter Kuratel gestellt. Jetzt hat der bisher Kaczyński-hörige Landespräsident Andrzej Duda, im In- und Ausland vielstimmig dazu aufgefordert, dem vielleicht letzten Sargnagel des „Justizreform“ genannten Generalangriffs der PiS seine Unterschrift verweigert und damit ein Stoppsignal gesetzt. Fünf vor zwölf. Und was mäkeln Sie? „Es kann […] sein, dass der Präsident sein eigenes politisches Wohlergehen im Blick hat.“
Ja hallo, geht’s noch?
Soll er doch gefälligst!
Das wäre seit Adam Smith’ Zeiten – und Ihr System sollten Sie eigentlich besser kennen, als der in den kolonisierten Ostgebieten sozialisierte Verfasser dieser Zeilen – endlich mal wieder eines der (gefühlt eher sehr seltenen) Beispiele dafür, dass der mit seinem Befund doch nicht ganz danebenlag: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil.“
Oder sind Sie Häretiker und halten es mit Keynes? „Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.“

Georg Ludwig Müller, aufs Altenteil gesetzter Kurienkardinal – Bisher waren wir davon ausgegangen, dass Sie einfach bloß ein stockkonservativer katholischer Kotzbrocken sind, der insofern als später Nachfolger Ignatius’ von Loyolas an der Spitze der vatikanischen, heute nicht mehr Inquisition, sondern mit feinem Euphemismus Glaubenskongregation genannten Behörde durchaus den ihm adäquaten Platz gefunden hatte. Doch nun stellte sich im Zusammenhang mit der Aufklärung der jahrzehntelangen Missbrauchspassion bei den Regensburger Domspatzen – mindestens 547 Chorknaben waren Prügeln, Psychoterror und sexuellen Übergriffen ausgesetzt – heraus, dass Sie als Bischof von Regensburg (2002–2012) diese Katharsis nicht nur nicht angestoßen, sondern den Bock auch noch zum Gärtner gemacht hatten, indem Sie einen der übelsten Quäler – nach Presseberichten schlug er seine Opfer ins Gesicht und warf nach ihnen mit allem, was greifbar war, und sei es ein Notenständer –, den langjährigen Domkapellmeister Georg Ratzinger, zum Ehrendomherren ernannten. Ihrer Karriere ist das gut bekommen, denn dieser Ratzinger ist der Bruder vom anderen Ratzinger („Wir sind Papst“) und der holte Sie 2012 auf den Posten im Vatikan und machte Sie zum Kardinal. Benedikts II. Nachfolger Franziskus hat Sie jetzt in Rente geschickt. Wir hoffen nur, dass, wenn der Herr Sie und Ihresgleichen eines guten Tages abberuft, es tatsächlich eine Hölle mit angemessenem Programm gibt…

Boris Becker, Mittelloser – Selbst in Ihren allerbesten Zeiten als Tennis Matador wurde man – hörte und sah man Sie sich medial äußern – nie den Eindruck los, dass es sich bei Ihrem sportlichen und Ihrem intellektuellen Vermögen um arg divergierende Strukturelemente handelt. Wie Sie mit Ihrem märchenhaften Reichtum so umzugehen wussten, dass Sie nun offenbar insolvent sind, ist für diesen Verdacht eine beklagenswerte Bestätigung.