28. Jahrgang | Nummer 21 | 1. Dezember 2025

Eine Ökonomie des Hasses?

                                                             von Ulrich Busch

Wir kennen eine Sprache des Hasses, eine hasserfüllte Rhetorik, eine Kultur des Hasses und Hass-Propaganda. Aber eine Ökonomie des Hasses? Das ist neu. Das gab es bisher noch nicht. Um zu verstehen, was damit gemeint sein könnte, bedarf es einer genaueren Erklärung. Der Autor des derart betitelten Buches, der Wirtschaftspublizist und Spiegel-Bestseller-Autor Alexander Hagelüken, liefert sie, indem er, wen wundert es, auf die Handelspolitik von Donald Trump verweist. Trump verfolge, so seine Begründung, indem er auf Importe aus dem Ausland hohe Zölle verhängt und seinen Handelspartnern amerikafeindliche und betrügerische Absichten unterstellt, „eine Ökonomie des Hasses“. Und Parteien, die – wie die AfD in Deutschland – Trumps Politik „gut“ heißen und in ihren Reden und Programmen mit einer ähnlichen Rhetorik aufwarten, stünden ebenfalls für eine „Ökonomie des Hasses“. Soweit die Begründung des Autors.

Mit der Buchveröffentlichung, die aus zwölf lose aneinander gereihten Einzelkapiteln besteht, verfolgt er das Ziel, die Leser über die Hasstiraden Donald Trumps, Alice Weidels und anderer rechter Politiker aufzuklären. Zugleich vertritt er die Auffassung, dass das Ergebnis rechter Politik letztendlich anders aussehen wird, als es ihre Protagonisten behaupten. Statt eines Wirtschaftsaufschwungs werde es einen Abschwung geben, statt Wohlstand für alle werde die Wirtschaftsleistung sinken. Die Reichen werden noch reicher werden und die Armen ärmer. Die ökonomischen Probleme werden infolge rechter Politik nicht kleiner, sondern größer werden als je zuvor.

Der Autor versteht sein Buch auch als eine Analyse dessen, „wie sich die politischen und ökonomischen Folgen rechter Politik gegenseitig verstärken“. Dies ist zweifellos ein in unserer Zeit nützliches Vorhaben. Eine andere Frage ist jedoch, ob es die Wähler davon abhalten wird, bei den nächsten Wahlen einer rechten oder rechtsradikalen Partei ihre Stimme zu geben. Vermutlich nicht! Auch bleibt völlig ungeklärt, welche Gesellschaft der Autor als Referenzmodell betrachtet: die Bundesrepublik der 1980er oder 1990er Jahre? Oder eine frühere Periode? Im Buch ist in diesem Zusammenhang immer von den „demokratischen Parteien der Mitte“ als Hoffnungsträger die Rede. Das vermag jedoch nicht zu überzeugen, denn diese Parteien waren es doch, die die gegenwärtige Situation, den ungehemmten Besitz-Individualismus, die soziale Schieflage und die gewachsene Ungerechtigkeit, zu verantworten haben! Von ihnen nun zu verlangen, „ein Gemeinschaftsgefühl zu fördern“ – etwa so, wie dies in der „Volksgemeinschaft“ unter dem Nationalsozialismus bestanden hat –, wirkt geradezu grotesk, denn es ist doch genau ihre Politik der Individualisierung, Entsolidarisierung und sozialen Kälte, die ein solidarisches Gemeinschaftsgefühl permanent untergräbt. Einzig die AfD könnte sich mit einem solchen Anliegen identifizieren! Das aber ist selbstredend nicht gewollt, weshalb die ganze Argumentation politisch irgendwie „ziellos“ bleibt.

Nicht weniger verschwommen wirkt die fortgesetzte Betonung ideeller und emotionaler Aspekte, anstelle des Eingehens auf Tatsachen und der Orientierung an Fakten. So geht es im Buch nicht um den Tatbestand sozialer Desintegration in Deutschland, sondern lediglich um „Gefühle des Abgehängtseins und fehlender Anerkennung“, nicht um wirkliche Kooperation, sondern um „ein Kooperationsdenken“, nicht um regionale Segregation, sondern um „das Gefühl“ einiger Bevölkerungsgruppen, „den Anschluss verloren zu haben“, nicht um eine ungerechte Einkommensverteilung, sondern darum, dass Menschen „das Gefühl haben, dass ihr Einkommen stagniert“. Eine Konsequenz dieser gefühls- statt tatsachenbezogenen Analyse ist, dass der Autor glaubt, der Rechtsruck in der Gesellschaft sei darauf zurückzuführen, dass das politische Klima „vergiftet“ worden sei. Vergiftet von wem? Hierauf findet sich im Buch keine Antwort. Ganz abgesehen davon: Für den Rechtsruck dürfte wohl eher ausschlaggebend sein, dass die herrschenden Gruppierungen unter den Bedingungen einer Autokratie ihre Macht besser absichern und ausbauen können als unter demokratischen Verhältnissen.

Was im Text aber klar und zutreffend herausgearbeitet wird, ist die Tatsache, dass „die Rechten“ offensichtlich darin übereinstimmen, gegen etwas zu sein. Wofür sie stehen, bleibt dagegen unbestimmt. So strotzen sie vor „Antipolitik: gegen Minderheiten wie Ausländer, Migranten, Homosexuelle oder Arbeitslose“. Ebenso aber auch „gegen die Importe ausländischer Firmen und ihre Beschäftigten. Gegen Steuern für Reiche. Gegen Institutionen demokratischer Gewaltenteilung […]. Gegen scharfe Kontrollgesetze für Unternehmen und Banken. Gegen internationale Zusammenarbeit […]. Gegen Klimaschutz. Gegen den Sozialstaat und gegen Gewerkschaften.“ Aus den vielen „Nein!“ schöpfen sie ihre Agenda: „Es ist eine Politik und Ökonomie des Hasses.“ Dabei geht etwas unter, warum diese Politik des Hasses gegenwärtig so dominant ist. Der Autor versucht hierauf eine Antwort zu geben, indem er betont, dass die Rechten „keine Ökonomie der Verbesserung“ anstreben, keine Reformen und Innovationen, sondern, indem sie alles ablehnen, eine „Ökonomie des Hasses“ praktizieren. Das aber ist zunächst nur eine Behauptung. Die Belege dafür hätten umfangreicher sein können, zum Beispiel durch die Heranziehung von Dokumenten. Also, was will die AfD? Raus aus der Europäischen Union, raus aus dem Euro, eine Rückabwicklung internationaler Handelbeziehungen und das Ende der Globalisierung, einen starken Nationalismus, weniger Staat, eine Kürzung der Sozialausgaben, dafür aber mehr Freiheiten für Vermögende, mehr Macht für Großunternehmer, für Oligarchen, Wirtschaftsbosse und Reiche.

Durchaus erhellend ist der Hinweis des Autors auf die Schnittmenge dieser Forderungen mit der Programmatik der FDP. Hagelüken spricht in Bezug auf die AfD von einer „FDP-Politik im Quadrat“. Die CDU/CSU dagegen verschont er. Aber ist die Schnittmenge hier nicht mindestens genauso groß, wenn nicht sogar noch größer?! Hagelüken schreibt, die Umsetzung der AfD-Politik würde die deutsche Wirtschaft in eine „ökonomische Vollkatastrophe“ führen. Aber stimmt das? Die Wirtschaftspolitik Donald Trumps hat in den USA ökonomische und soziale Verwerfungen zur Folge, auch Unsicherheiten und Kosten für die ökonomisch schwächeren Handelspartner. Es ist bisher aber keine „ökonomische Vollkatastrophe“ erkennbar. Ebenso wenig in Italien, in Ungarn oder in Argentinien. Warum sollte es in Deutschland im Falle einer Regierungsbeteiligung der AfD anders kommen? Auf diese und ähnliche Fragen sollte eine qualifizierte Analyse eine überzeugende Antwort geben. Im vorliegenden Buch aber bleiben diese Fragen unbeantwortet. – Vielleicht ist die hier als „Ökonomie des Hasses“ apostrophierte Wirtschaftspolitik letztlich nichts anderes als eine Facette rechter Politik unter den Bedingungen eines autoritären Kapitalismus. Man sollte sie dann auch entsprechend, also ganz unspektakulär als rechte Wirtschaftspolitik behandeln.

Alexander Hagelüken: Die Ökonomie des Hasses. Wie Rechte von Trump bis AfD unseren Wohlstand zerstören und wie man ihre Wähler zurückholt. Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2025, 272 Seiten, 26 Euro.