28. Jahrgang | Nummer 9 | 5. Mai 2025

Die Währungsunion – Auftakt zu einem großen Betrug

von Ulrich Busch

Am 18. Mai 1990 wurde zwischen der BRD und der DDR in Bonn der „Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ (WWSU) unterzeichnet. Damit wurde die seit 1948 bestehende währungspolitische Teilung Deutschlands beendet und ein entscheidender Schritt in Richtung Vereinigung der beiden deutschen Staaten getan. Zugleich erfolgte mit dem währungspolitischen Anschluss die Weichenstellung für den marktwirtschaftlichen Umbau in der DDR, so dass der „Beitritt“ nun nur noch eine Frage der konkreten Ausgestaltung und des Termins war.

Indem mit der Einführung der D-Mark in der DDR zugleich Richtung, Rechtsgrundlagen, Ablauf und Sequenz der Transformation geregelt wurden, ging die historische Bedeutung der Unterzeichnung des Staatsvertrages weit über die Modalitäten der Ausgestaltung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialordnung hinaus. Dies war weder Zufall, noch war es den konkreten Umständen des Jahres 1990 geschuldet. Vielmehr hatte die Währungsfrage in den Konzeptionen der Bundesregierung zur „Wiedervereinigung“ von Anfang an einen zentralen Platz eingenommen.

Seit 1952 galt die „sofortige Währungsvereinheitlichung“ als zentrale Ausgangs- und Schlüsselfrage einer „Wiedervereinigung“ der BRD mit der DDR. Deshalb begannen im Bundesfinanzministerium unter Horst Köhler und Thilo Sarrazin auch sofort nach der Grenzöffnung, also bereits im November 1989, entsprechende Vorarbeiten für die Schaffung einer baldigen „Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft“. Aber auch in der Bevölkerung der DDR gab es 1989/90 eine große Affinität gegenüber der D-Mark, so dass sich die Regierung bei der Ausarbeitung ihrer Reformmaßnahmen gezwungen sah, in dieser Frage dem „Druck der Straße“ nachzugeben.

Die Initiative dafür kam gleichwohl aus Bonn, indem Bundeskanzler Helmut Kohl am 6. Februar 1990 der DDR eine Währungsunion mit der BRD in Aussicht stellte. Das Angebot war jedoch nicht als ein Akt solidarischer Hilfe zur Ankurbelung der ostdeutschen Wirtschaft zu verstehen – eine solche wurde am 13. Februar sogar ausdrücklich abgelehnt –, sondern als Initial für den ordnungspolitischen Umbau der Wirtschaft und den Anschluss der DDR. In Bonn hielt man eine Zusammenarbeit mit der DDR nur dann für geboten, wenn damit ein „grundlegender Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems“ (Kohl) verknüpft war. Damit waren die Reformbemühungen der Modrow-Regierung bereits zum Scheitern verurteilt, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatten.

Dazu passte es, dass bereits zu Beginn der Verhandlungen über die WWSU der Entwurf des Staatsvertrages in Bonn fertig vorlag. Den Verhandlungspartnern aus der DDR blieb lediglich die Option, im Kapitel II, Art. 10 eine Klausel, worin die „Möglichkeit“ der späteren Einräumung eines verbrieften Anteilsrechts am volkseigenen Vermögen in Höhe des Umstellungsverlustes für Sparer formuliert ist, einzufügen und den Vertrag im Kapitel IV um eine soziale Komponente zu ergänzen.

Mit der Umsetzung des Vertrages wurde zum 1. Juli 1990 die Währung der BRD auch in der DDR eingeführt und die Deutsche Bundesbank damit zur Notenbank für beide deutsche Staaten. Was im Rückblick besonders auffällt, ist, dass die WWSU drei Monate vor der staatlichen Vereinigung stattfand, also noch im Rahmen der DDR, obwohl diese dadurch einen wesentlichen Teil ihrer staatlichen Souveränität einbüßte und den Spielraum für eine eigenständige Reform- und Transformationspolitik komplett verlor: Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages wurde die Umgestaltung der DDR-Wirtschaft zu „einer exklusiven Angelegenheit bundesdeutscher Ministerialbeamten und Regierungsexperten“ (Marcus Böick).

Mit dem Inkrafttreten der WWSU zum 1. Juli 1990 wurden nicht nur währungspolitische Tatsachen geschaffen. Dies war auch der erste und für alles Weitere entscheidende Schritt zu einer in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands „beispiellosen Schocktherapie“. Die Währungsunion bedeutete das abrupte Ende der zentralen Planwirtschaft in der DDR und leitete übergangslos, von heute auf morgen, den Wechsel zu einer kapitalistischen Markt- und Geldwirtschaft ein. Die Grundlage dafür bildete der erste Staatsvertrag. Mit ihm wurden die institutionellen Vorgaben und Regeln der westdeutschen Seite kompromisslos durchgesetzt.

Je größer der zeitliche Abstand, umso klarer traten die Konstruktionsfehler und Folgen der WWSU hervor. Diese zeigten sich sofort im Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um mehr als ein Drittel und im Zusammenbruch der Industrieproduktion um mehr als zwei Drittel. Rund 40 Prozent der Arbeitsplätze gingen Anfang der 1990er Jahre verloren. Dadurch kam es in Ostdeutschland zu einem beispiellosen Geburtenrückgang und einem anhaltenden Exodus der Bevölkerung.

Spiegelbildlich dazu boomte die Wirtschaft im Westen. Durch den millionenfachen Zustrom ostdeutscher Arbeitskräfte und die zusätzliche Investition von Sachkapital kam es hier kurzfristig zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch langfristig zu einem beachtlichen Niveauanstieg. Der „Aufbau Ost“ geriet dadurch zu einem „Aufschwung West“, während der Osten für ein bis zwei Jahrzehnte wirtschaftlich verödete.

Walter Romberg, Finanzminister unter Lothar de Maizière, dessen Unterschrift unter dem Staatsvertrag steht, sah rückblickend in der WWSU „eine dreifache Enteignung“ der Ostdeutschen: die Enteignung von ihrer Arbeit, die Enteignung durch die Entwertung kultureller, wissenschaftlicher und sozialer Leistungen und die Enteignung im Hinblick auf die Vermögen. Hätte er das Ergebnis, das er zehn Jahre später vor Augen hatte, bereits 1990 geahnt, so hätte er den Vertrag in der vorliegenden Form sicherlich nicht unterzeichnet.

Tatsache ist, dass der Staatsvertrag unter großem Zeitdruck und als politischer Kompromiss zustande gekommen ist. Wie so oft bei Kompromissen, verkörperte er letztlich keine optimale Lösung: Für die Ostdeutschen nicht, weil sie dadurch ein Drittel ihrer Geldvermögen sowie den größten Teil ihrer Industriearbeitsplätze und damit Einkommen, soziale Sicherheit und Wohlstand verloren, zudem die Anerkennung ihrer Lebensleistung, kulturelle Errungenschaften und anderes mehr. Für die Mehrzahl der Westdeutschen aber auch nicht, weil sie, nachdem der erste Boom vorüber war, durch die Vereinigungskosten finanziell belastet wurden.

Schaut man auf die Unternehmen, so fällt die Bilanz jedoch anders aus: Hier gibt es viele Verlierer, aber auch große Gewinner, vor allem im Westen. Dies gilt für die Handelsketten, die Banken, die Versicherungen, große Teile der Industrie und ganz besonders für den Immobiliensektor. Angesichts dieser durchwachsenen Bilanz ist es erstaunlich, dass über die WWSU immer noch so viele Mythen und Irrtümer im Umlauf sind, über deren ökonomische Grundlagen, die Umstellungskurse und über die ökonomischen wie sozialen Folgen, die bis heute in Ostdeutschland zu spüren sind. So glauben viele Menschen, die rasche Einführung der D-Mark in der DDR sei „alternativlos“, die „Ostmark“ (!) kaum etwas wert und die DDR längst „pleite“ gewesen. Tatsächlich aber war die DDR 1989/90 nicht insolvent und es bestand durchaus eine Chance, einen graduellen Weg in die Marktwirtschaft zu gehen, wie er zum Beispiel in Ungarn gewählt worden ist.

Die Binnenkaufkraft der DDR-Mark entsprach in etwa der der D-Mark. Deshalb war der Umstellungskurs von 1:1 für Löhne, Gehälter, Renten und andere Stromgrößen vollauf gerechtfertigt, die Umstellung der Spareinlagen zum Kurs von 2:1 jedoch nicht. Wenn hier mit Kursen von 4:1 oder höher argumentiert wird, so beruht dies auf einer Verwechslung von Binnenkaufkraft und Außenwert. Für die Währungsumstellung der Spareinlagen aber war einzig die Binnenkaufkraft relevant.

Eine andere Frage ist die nach den Wirkungen der Währungsumstellung für die ostdeutsche Wirtschaft. Es zeigte sich, dass der dadurch ausgelöste Anstieg der Lohnkosten in Verbindung mit der Kreditbelastung für viele Unternehmen ruinös wirkte. Hier wäre deshalb ein anderer Kurs wünschenswert und in Verbindung mit Lohnsubventionen und einer Entschuldung der Unternehmen auch möglich gewesen. Die mit der WWSU praktizierte Lösung war auf jeden Fall suboptimal, da für die ostdeutsche Wirtschaft ruinös und für die ostdeutsche Bevölkerung mit dem Verlust von Vermögen, Beschäftigung und Wohlstand verbunden. Gewonnen haben dabei vor allem westdeutsche Unternehmen. Die verbreitete Auffassung, die Einführung der D-Mark 1990 in der DDR sei insbesondere für die Ostdeutschen ein „exzellentes Geschäft“ gewesen, für die Westdeutschen aber ein „solidarisches Opfer“, ist dagegen nicht haltbar.

35 Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrages erscheint es angebracht, einmal darüber nachzudenken, ob die WWSU nicht Ursache und Indiz dafür ist, dass im Vereinigungsprozess der ordnungspolitische Umbau der DDR und die positiven Effekte für die westdeutsche Wirtschaft von Anfang an gegenüber der ökonomischen Entwicklung und Angleichung Ostdeutschlands Vorrang besaßen. Dies würde dann auch erklären, warum der Aufbau Ost so schwerfällig verlaufen ist und über den gesamten Zeitraum hinweg im Osten (je Einwohner) weniger Investitionen in neue Ausrüstungen getätigt worden sind als im Westen. Mit der Konsequenz, dass die verfassungsmäßig gebotene wirtschaftliche und soziale Einheit, ganz zu schweigen von der politischen und mentalen Einheit, in Deutschland bis heute nicht erreicht ist.