28. Jahrgang | Nummer 3 | 10. Februar 2025

Antworten

Michael Krüger, Sporthistoriker, Professor i.R., Kriegsertüchtiger – In der Zeitschrift sportunterricht stellten Sie in einem Brennpunkt-Kommentar unter dem Titel „Kriegstüchtig“ fest: „Die charakterliche und physische Erziehung durch Bewegung, Spiel und Sport ist in diesem Sinn auch Teil der Erziehung zur ‚Kriegstüchtigkeit‘ in einem freiheitlichen Gemeinwesen.“ In Polen lernen bereits die Dreinzehnjährigen laut Stundenplan den Umgang mit dem Sturmgewehr. Wollen Sie das auch für Deutschland wieder einführen? In der End-DDR gab es schließlich auch das Fach „Wehrkunde“. Zuerst berichtete die taz über Sie, dann die NachDenkSeiten. In der  taz ist keine Kritik an Ihrer Position erkennbar, ganz anders in den NachDenkSeiten.

Der Brennpunkt in der Zeitschrift der Sportlehrer führte zu keiner weiteren Diskussion. Leibesübungen zur Kriegsertüchtigung – alles schon wieder normal in der heutigen Zeit!? Wenigstens die GEW hat in den vergangenen Jahren wiederholt gegen den größer werdenden Einfluss der Bundeswehr auf die Schulen Stellung bezogen.

Auf Antrag des BSW beschloss die Stadt Zwickau jüngst eine Werbeverbot für die Bundeswehr auf den städtischen Straßenbahnen. Es gibt doch noch positive Nachrichten!

 

Jeffrey Sachs, US-Ökonom und zwischen 2001 und 2018 Sonderberater wechselnder UN-Generalsekretäre – Zum Ukraine-Krieg vertreten Sie eine Auffassung, mit der Sie von den hiesigen politischen Parteien der Mitte und von den Mainstreammedien vom Putin-Versteher glatt zum Putin-Apologeten geadelt würden: „Dieser Krieg ist das Ergebnis eines langfristigen Projekts des Sicherheitsstaates der Vereinigten Staaten. Und damit ist der militärisch-industrielle Komplex gemeint, einschließlich des Pentagon, der CIA und der anderen Sicherheitsinstitutionen. Deren Ziel war es, die NATO auszuweiten, Russland einzukreisen, zu schwächen und möglicherweise einen Regimewechsel herbeizuführen oder das Land aufzuteilen.“ Und dann verkünden Sie auch noch: „Die scheidende Außenministerin, Annalena Baerbock, war, wie unser Außenminister, im Grunde eine Kriegsministerin, keine Diplomatin.“ Bei letzterer Schmähung hatten Sie Glück, dass unsere scheidende Außenministerin nicht Robert Habeck heißt. Anderenfalls hätten Sie jetzt dessen wahrscheinlich 1000. Strafanzeige wegen Beleidigung am Hals. (800 jedenfalls waren es nach Medienberichten bereits im November 2024.)

 

Nils Kreimeier & Timo Pache, Kollegen vom stern – Wenn Sie Interviews machen, lauschen Sie da nur andächtig oder denken Sie auch manchmal mit? Zugegeben, die Frage ist impertinent. Aber nicht unprovoziert: Denn Sie haben Herfried Münkler, der aus unerfindlichen Gründen immer noch als seriöser Historiker gilt, ins Mikro raunen lassen: „Die Russen […] arbeiten daran, das alte zarische Russland wiederherzustellen – mit militärischer Gewalt.“ Und haben nicht nachgehakt. Etwa: „Wow! Schon nach drei Jahren Krieg steht Moskaus bereits kurz vor Kiew und Odessa – da ist das zarische Reich ja fast schon wieder auferstanden …“

Aber wahrscheinlich passte der Münkler einfach zu nahtlos ins eigene Weltbild. Bleibt nur zu hoffen, dass Sie allabendlich die Türe fest verrammeln und ansonsten infolge Ar …, pardon, Gesäßflatterns ob des neuen Dschingis Khans im Kreml wenigstens unruhig schlafen.

 

Sergei Karaganow, sicherheitspolitischer Vordenker in Moskau – Das russische Staatsmedium RT DE hat einen neuen Beitrag von Ihnen mit dem Titel „Russland muss zum Sturz gefährlicher politischer Eliten in Westeuropa beitragen“ online gestellt. Darin heißt es: „Russland muss auf die Unvermeidbarkeit einer nuklearen Eskalation in jedem Konflikt zwischen der NATO und Russland hinweisen. Diese Botschaft ist nicht nur wichtig, um einen Rüstungswettlauf zu begrenzen, sondern auch, um zu verdeutlichen, dass es sinnlos ist, konventionelle Waffen zu horten, die in Falle einer nuklearen Auseinandersetzung irrelevant werden.“

Gott sei Dank wird der westlichen Öffentlichkeit RT DE durch eine EU-weite Sperre vorenthalten, denn was Sie da verbreiten, ist ja reinste Kreml-Propaganda.

Leider allerdings heißt das nicht, dass es im Falle eines militärischen Konfliktes zwischen der NATO und Russland nicht genauso käme – nukleare Eskalation. Denn konventionell sind die russischen Streitkräfte der NATO haushoch unterlegen.

 

Joachim Gauck, Ex-Bundespräsident – Im Oktober 2024 gaben Sie der Berliner Morgenpost ein Interview; das Blatt machte Ihr markantestes Diktum zur Headline: „Es gibt zu wenig arbeitsfähige und arbeitswillige Bio-Deutsche“.

Mitte Januar kürte die sprachkritische Aktion „Unwort des Jahres“ an der Uni Marburg biodeutsch zum Sieger für 2024 und lieferte dazu folgende Begründung: Damit werde „‚Deutschsein‘ naturbezogen begründet, um eine Abgrenzung und Abwertung von Deutschen mit Migrationsbiographie vorzunehmen. Biodeutsch steht zusammen mit den zugehörigen Substantiven Biodeutsche, Biodeutscher in einer Reihe mit weiteren Wörtern wie Passdeutsche oder echte Deutsche, die dazu dienen, Menschengruppen, die vor dem Gesetz gleich sind, ungleiche Eigenschaften zuzuschreiben und sie somit hierarchisch zu klassifizieren. Diese mit dem Gebrauch von biodeutsch einhergehende Unterteilung in angeblich ‚echte‘ Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse ist eine Form von Alltagsrassismus.“

Und was besagt das nun im Hinblick auf Ihre alltagsrassistische Einlassung?

Alter schützt vor Torheit nicht? (Shakespeare) Oder: Je oller, je doller? (Volksmund)

Oder ganz anders? Am 5. September 2013 hatten Sie, so damals die Berichterstattung, bei einer Podiumsdiskussion mit französischen und deutschen Studenten in Marseilles dem Auditorium mit auf den Weg gegeben: Es „lohne sich immer, seine persönlichen Werte und Überzeugungen zu vertreten und sich selbst treu zu bleiben“.

 

Marianne Faithfull, Pop-Ikone – Ihre fiebrige Nebenrolle als noch minderjährige blonde, sexy hochgestylte zeitweilige Freundin von Mick Jagger und Anhängsel der Rolling Stones während Swinging Sixtees kostete sie fast das Leben, denn diese Periode endete für Sie in Depression und Heroinsucht, im Gefängnis und als Obdachlose auf der Straße. Doch mit 40 wurden Sie clean und schafften so den Absprung. Da hatte das Leben ihre einst glockenhelle Stimme (die zu jener Zeit nur die eines beliebigen Schlager-Sternchens war) bereits gut eine Oktave tiefergelegt, wie der Vergleich einer frühen Aufnahme Ihres größten Hits „As Tears Go By“ von 1964 mit einer älteren Fassung zeigt. Ihrer künstlerischen Ausstrahlung erschloss der Wandel neue Dimensionen. Spätestens 1979 stiegen Sie mit „The Ballad of Lucy Jordan“ endgültig in die Liga der Pop-Ikonen auf. Später reüssierten Sie auch als Kurt-Weill-Interpretin und als Schauspielerin, etwa in der berührenden Tragikomödie „Irina Palm“ von 2007 (siehe Blättchen 5/2007).

Jetzt sind Sie, 78-jährig, verstorben. Doch Ihre Stimme wird bleiben …