Vater Staat als Autor
Nicht jedermann weiß, dass Vater Staat zu den produktivsten Autoren in Deutschland gehört, denn bei Gesetzen und Verordnungen wird er nicht als Verfasser genannt. Damit verzichtet er bescheiden auf Anerkennung, denn so manche Rechtsvorschrift wurde freudig begrüßt, wenn sie den langen Weg vom Referentenentwurf bis zum Gesetzblatt bewältigt hatte. In aller Munde war zum Beispiel die „Meldetechnische Durchführungsbestimmung für die Abgabe der Großkreditanzeigen nach Art. 394 CRR (Stammdaten- und Einreichungsverfahren) und der Millionenkreditanzeigen nach § 14 KWG (Gesamtverfahren)“. In Kindergärten und Strafvollzugsanstalten wurde das darauf fußende Spiel „Großkreditmeldung“ mit gezinkten Würfeln zum Renner.
Vater Staat sorgt auch für Importe aus Brüssel, die Freude in deutschen Büros auslösen. Kaum eine Festlegung der Europäischen Union wurde so populär wie die – um es kurz zu sagen – „Durchführungsverordnung (EU) 2021/632 der Kommission vom 13. April 2021 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Liste der Tiere, der Erzeugnisse tierischen Ursprungs, des Zuchtmaterials, der tierischen Nebenprodukte und Folgeprodukte, der zusammengesetzten Erzeugnisse sowie des Heus und des Strohs, die an Grenzkontrollstellen amtlich zu kontrollieren sind, und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2019/2007 der Kommission und der Entscheidung 2007/275/EG der Kommission (Text von Bedeutung für den EWR)“. Deutsche Abiturienten konnten und mussten diesen Titel auswendig aufsagen, wobei sich Vater Staat auf die Bundesländer mit ihrer Kulturhoheit stützte.
Erstmals gibt sich der Vielbeschäftigte nun namentlich als Autor zu erkennen. Seine engagierte Schrift unter dem Titel „Ich bin kein Stiefvater“ wird im Bürokratius-Verlag erscheinen und etwa eine Stunde Lesezeit kosten. Wichtigster Passus ist ein Plädoyer des Autors in eigener Sache:
„Zuweilen werde ich, Vater Staat, als ,Stiefvater‘ bezeichnet. Man mag dabei an Kindergärten, Schulen, Brücken, Straßen oder das Gesundheitswesen denken. Doch ein pauschales Urteil wäre ungerecht. Denn meinen Lieblingskindern, den Beamten, schenke ich die Pension. Und auch anderswo bin ich großzügig. Auf Parteispenden lege ich – bis zu einer gewissen Obergrenze – zehn Prozent drauf, obwohl mit den Parteien nun wirklich kein Staat zu machen ist. Man sollte mir dankbar sein, dass ich das Geld geballt ausgebe, statt mich in der ohnehin niemals ausreichenden Finanzierung von Kindergärten, Schulen und dergleichen zu verzetteln.“
Rainer Rönsch
Geboren in Lebensborn-Heim
Die Zeit des Nationalsozialismus machte Menschen zu Helden, Tätern und Opfern. Ein spezielles Kapitel dieser Zeit beschreibt der Soziologe Dirk Kaesler an Hand der eigenen Biografie in seinem Buch „Lügen und Scham“ – die Idee und die Praxis des „Lebensborns“, jenes der SS unterstellten Vereins, der für „rassisch und erbbiologisch wertvollen“ Nachwuchs sorgen sollte. Am Tag seiner Konfirmation erfährt er nicht nur, dass er in einem Lebensborn-Heim geboren wurde, sondern auch, dass beide Eltern dort tätig waren, also Täter sind. Sein Buch versteht Kaesler als späte Rache, denn sein damals anderweitig verheirateter Vater habe seine Mutter im Stich gelassen und damit Unglück über sie gebracht. Für ihn als Sohn sei es ein Glück gewesen, dass er nicht unter dem Einfluss des Vaters habe aufwachsen müssen.
Schon diese eingangs getroffene Wertung widerspiegelt die Zerrissenheit des Autors – er erforscht sowohl akribisch seine Familiengeschichte (auch mittels Erpressung) als auch die ideologischen Grundlagen und Regeln für die Praxis des Lebensborns. Eine Vielzahl von angeführten Originalquellen lässt die Leserschaft tief in dieses Kapitel der nationalsozialistischen Geschlechter- und Reproduktionspolitik eindringen. Gleichwohl ist für Kaesler nur der Vater Täter. Die Schuldfrage gegenüber der Mutter, den in den Heimen angestellten Sekretärinnen, Hebammen, Sozialarbeiterinnen wird nicht gestellt. Damit reiht sich das Buch ein in eine lange Zeit übliche Sichtweise der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Tätern, die sich erst in jüngster Zeit verstärkt auch „Mitläufern“ und „Mittätern“ zugewandt hat. Diese Sichtweise ist biografisch verständlich, verschenkt jedoch leider Potential.
Es gibt im Buch auch zahlreiche Hinweise auf weitere Publikationen und Filme zum Thema, sowie eine Auseinandersetzung mit gängigen Legenden zum Thema. Sie finden sich verstreut im Text, ein Literaturverzeichnis wäre hilfreich gewesen.
Viola Schubert-Lehnhardt
Dirk Kaesler: Lügen und Scham. Deutsche Leben. Vergangenheitsverlag, Berlin 2023, 324 Seiten, 18 Euro.
Literatur, nicht für den Deutschunterricht
Allein der Name der Edition, bei der das neue Buch von Frank Schäfer erschienen ist, hat etwas Besonderes und regt zum Nachdenken an: Kopfkiosk xl. Hm, was mag das sein? Die Reihe umfasst Bücher, die nicht alltägliche Dinge aufgreifen und gut zum Verlag (Reiffer Verlag) passen. So schrieb Karsten Weyershausen über Suizid im Showgeschäft, Frank Böker über Eishockey und nun eben Frank Schäfer über Schriftsteller, die „anders“ sind und nur am Rande Bestseller schufen. Keiner der Schriftsteller und Schriftstellerinnen wird wohl jemals im Deutschunterricht besprochen werden, ihre Bücher kommen nie auf die Liste der Pflichtlektüre. Ist auch besser so, denn die erwähnten Bücher werden womöglich eben deshalb gelesen. Der in Braunschweig lebende und die dortige Fußballmannschaft verehrende Schäfer schrieb spannend, wissenschaftlich fundiert und absolut lesenswert über Heino Jaeger, Jörg Fauser, F.W.Bernstein, Harry Rowohlt, Fanny Müller, Wenzel Storch, Studio Braun und viele Autoren mehr. Immer wieder blinzelt der Schalk aus den Zeilen und jede Menge Wissen wird in den Texten untergebracht. Man erfährt etwas über die Biografie der Schreiber und die Entstehungsgeschichte ihrer Werke. Für „Das wilde Lesen“ sollte man sich mehr Zeit nehmen, denn auf „einen Ritt“ ist es nicht zu schaffen. Irgendwann will man auch zu den Büchern greifen, die Schäfer einem sehr ans Herz legt. Ich griff jetzt schon zu Ror Wolf, Harry Rowohlt und Wenzel Storch. Jörg Fauser muss ich unbedingt noch lesen.
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Es ist schon einige Jahre her, da ich für die Jugendseite einer Thüringer Tageszeitung ein Interview mit dem Schriftsteller Wiglaf Droste anmeldete. Droste war schon damals mein Lieblingsautor und gastierte in Erfurt. Aufgeregt ging ich nach der Lesung auf ihn zu. Es wurde ein guter Abend mit Rauch in der Luft, Alkohol im Blut und einem guten Gespräch, das ich für die Veröffentlichung leider kürzen musste. In der Jungen Welt und vielen weiteren Zeitungen publizierte Wiglaf Droste kritische, ironische, manchmal unversöhnliche, aber immer wichtige Artikel. Er ließ sich nie verbiegen, schrieb die Wahrheit, sprach sie bei vielen Lesungen aus und eckte gerne bei Chefredaktionen und Politikern an. Geboren und aufgewachsen in Ostwestfalen, hatte Droste zunächst Rockmusiker werden wollen, ging dann aber ins Land hinaus, wurde Autor, Sänger, Vorleser und Koch. 2019 starb er. Sein langjähriger Redakteur Christof Meueler sprach mit Freunden und Verwandten, Zeitzeugen und Weggefährten und verfasste die vorliegende Biografie. So kann man sich endlich ein Bild vom „Tucholsky unserer Tage“ machen, wie er lebte, liebte, schrieb, trank und kochte. Das Buch „Die Welt in Schach halten“ ist hervorragend geschrieben, voller Spannung, mit Humor gewürzt und mit vielen Zitaten von Droste, Weggefährten und Zeitgenossen. Buchauszüge machen neugierig und lassen den Leser schnell zu einem Droste-Buch greifen. So soll es sein.
Thomas Behlert
Frank Schäfer: Das wilde Lesen. Verlag Andreas Reiffer, Meine 2023, 240 Seiten, 16,00 Euro.
Christof Meueler: Die Welt in Schach halten: Das Leben des Wiglaf Droste. Edition Tiamat, Berlin 2024, 320 Seiten, 30,00 Euro.
Das wilde Leben der Anita Berber
„Laster – Sehnsucht des Bürgers!“, schreibt der Autor Armin Fuhrer und scheint zu wissen, wovon er spricht. Der Titel „Sextropolis“ zielt auf genau dieses Publikum, genauso wie der leicht voyeuristische Blick auf Anita Berber, ihren ersten Sex mit einem viel älteren Mann, dem ehemaligem Liebhaber ihrer Mutter, sowie auf die folgenden reichlichen Skandale in ihrem kurzen Leben. Dennoch erwartet den Leser ein mit vielen Anekdoten garniertes, interessant zu lesendes Sachbuch über die Gesellschaft in den Zwanzigerjahren, durch die das Leben der Anita Berber wie ein roter Faden führt. Der jungen Frau, die auch in vielen Filmen mitspielte und durchaus wohlwollende Rezensenten fand, gelang es sogar, mit ihrer Tanzperformance den größten Saal Wiens bis auf den letzten Platz zu füllen. Künstlerische Anerkennung für ihre Tanzdarbietungen fand sie jedoch nicht und fühlte sich in ihren Ambitionen unverstanden, denn die Zuschauer waren eher an ihren Nacktszenen interessiert.
Die 1899 geborene Anita Berber war Filmstar, Tänzerin, Mode-Ikone und Skandalfigur zugleich. Im Text des Verlages heißt es: „Sie trug Frack und Monokel, lange vor Marlene Dietrich, sie lebte auf offener Bühne ihre Bisexualität und ihre Drogensucht aus, prügelte sich mit Kritikern, versuchte Gäste ihrer Aufführungen zu bestehlen – und geriet damit immer wieder in Konflikt mit den Normen der Gesellschaft.“
Man lernt im Buch einschlägige, damals berühmt-berüchtigte Lokale und Protagonisten jener Zeit kennen, die weitgehend vergessen sind. Oft starben die Szeneangehörigen jung, meist an ihren Alkohol- und Drogenexzessen. Fuhrer hat sich sehr intensiv mit der Zeit und diesem speziellen Milieu beschäftigt.
Das tragische Leben Anita Berbers ist das Spiegelbild einer wilden Zeit, der sogenannten „Goldenen Zwanziger“. Nirgends anders als im Berlin der frühen Zwanzigerjahre wäre ihre kurze, einzigartige Karriere möglich gewesen, heißt es. Dort ist sie die unumstrittene „Königin der Nacht“ und durchstreift zusammen mit ihrer Entourage regelmäßíg das wilde, exzessive Nachtleben. Gerne tat sie das im hochgeschlossenen Nerz, unter dem sie nackt war, was sie gerne zur Schau stellte.
Viele Anekdoten ranken sich um sie. Die berühmte Tanzszene im Film „Metropolis“ ist ihr aber, anders als im Buch behauptet, wohl nicht zuzuordnen. Andere Geschichten mögen auch den Public Relations geschuldet sein, denn Skandale und Sex verkaufen sich gut. Damals wie heute.
In den Zwanzigerjahren war Berlin mit 3,6 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt der Welt. An jeder Ecke schossen nach Ende des Ersten Weltkriegs Bordelle, Lesben- und Schwulenkneipen, Varietés und Spielhöllen aus dem Boden. Hemmungslos frönten die Menschen ihrer Gier nach Leben und Amüsement. Und mittendrin Anita Berber, die wohl selbst für die wilden Zwanziger zu wild war, denn Konventionen waren ihr völlig egal.
Bei einer Tournee im Nahen Osten brach die Tänzerin am 13. Juli 1928 auf der Bühne in Beirut zusammen. Ihr Partner schaffte die Kranke zurück nach Berlin, dort kämpfte Anita Berber mit dem Tod und starb am 10. November 1928 mit erst 29 Jahren.
Ernst Reuß
Armin Fuhrer: Sextropolis, Anita Berber und das wilde Berlin der Zwanzigerjahre. BeBta Verlag, Berlin 2024, 304 Seiten, 24 Euro.
Verwirrung als Lebenserfüllung
Im fränkischen Provinzstädtchen Langenzenn ist seit vielen Jahren der musikalische Perlenfischer Christian Pliefke aktiv. Und er schafft es wirklich immer wieder, musikalische Schätze einzufangen. Sein „Fischereirevier“ liegt, wie der Label-Name „Nordic Notes“ suggeriert, auf Interpreten aus dem hohen Norden und Nordosten Europas.
Eine musikalisch ansprechende Einspielung ist das Solo-Debütalbum der finnischen Musikerin Venla Ilona Blom. Sie präsentiert mit „Nevrak“ eine überzeugende Mischung aus klassischen, folkloristischen und elektronischen Sounds. Dabei zeigt sie sich weniger esoterisch als Enya, weniger gefällig als Vangelis und weniger exaltiert als Kate Bush. Ihre musikalischen Inspirationen holte sich Blom bei Reisen rund um die Welt; aber auch der filmische Serien-Klassiker Twin Peaks hat mit dem Song „Good Night Laura Palmer“ Eingang in das Album gefunden.
Das Traumland Nevrak, das sich auch von nordischen Mythologien nährt, erweckt im titelgebenden Lied „At the Gate to Nevrak“ Gefühle von Traurigkeit, Freude und endloser Verwirrung („feelings of sadness, joy and endless confusion“). Geschrieben hat sie diesen Song bereits 2017 bei einem Aufenthalt im nepalesischen Kathmandu.
Das herausragende Lied „Blue in you“ widmet Blom allen Menschen, die mit Depressionen, Ängsten oder anderen psychischen Gesundheitsproblemen zu kämpfen haben. Inspirationsquelle war hier ein Gedicht der „Games of Thrones“-Schauspielerin Lena Headey.
Im Lied „Serendipity“ (auf Deutsch: Glücklicher Zufall) beschwört sie gar die positive Kraft chaotischer Zustände:
„For me, the fundamental fulfilment in life
is found in the moments of total confusion
where nothing matches – yet all is well.“
(Für mich liegt die grundlegende Erfüllung im Leben in den Momenten der totalen Verwirrung, in denen nichts zusammenpasst – und doch alles gut ist.)
Dabei hat sie wohl nicht die von den politischen Entscheidungsträgern hierzulande erzeugten Konfusionen im Sinn …
Thomas Rüger
Venla Ilona Blom: Nevrak. CD, Label Nordic Notes, 2024, etwa 16 Euro
WeltTrends aktuell
Im Vorwort des Herbst-Heftes (Nr. 202) der Zeitschrift für internationale Politik schreibt Erhard Crome: „Die derzeitige Bundesregierung hat sich dem Kurs der Biden-Administration gegen Russland untergeordnet, die Sprengung der Nord-Stream-Gasleitungen hingenommen und sich aktiv an den Wirtschaftssanktionen des Westens beteiligt. Damit wurden seit Jahrzehnten geschaffene Grundlagen des Industrie- und Exportmodells Deutschland und des Wohlstands seiner Bevölkerung ruiniert. Das unterminiert den sozialen und politischen Frieden im Land und hat mit den realen deutschen Interessen nichts zu tun.“
Das Schwerpunktthema des Heftes heißt indes „USA am Scheideweg“. Selbstverständlich geht es um die Präsidentschaftswahlen und ihre Folgen. Das Fazit der Beiträge: Donald Trump würde wohl den Ukrainekrieg abwickeln, wie es Joe Biden in Afghanistan gemacht hat, Benjamin Netanjahu aber würde er freie Hand lassen. Kamala Harris würde voraussichtlich die Biden-Politik fortsetzen. Ob das für Europa besser wäre, sei abzuwarten. Hoffnungen auf Harris könnten auf Sand gebaut sein.
Was von der Präsidentschaft Bidens bleiben wird, analysieren Roland Benedikter und Sabina Drescher: Während Biden bei der inneren Wiederversöhnung scheiterte, war er erfolgreich bei der „Neuverbindung mit Europa“ und richtete die Atlantik-Achse wieder auf. Allerdings stieg China während seiner Amtszeit endgültig zum zweiten großen globalpolitischen Schwergewicht auf, während versäumt wurde, eine „große Strategie“ für die China-Ära zu entwickeln.
Aus chinesischer Sicht schätzt Hongjian Cui ein, dass es bei der „langfristigen Wettbewerbs-Strategie“ gegenüber China bleiben wird; eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus würde die Unsicherheit in den Beziehungen beider Staaten erhöhen.
Dmitri Trenin resümiert in seinem Beitrag die Überzeugung einer Mehrheit der russischen Beobachter: Der Wahlausgang werde keinen Einfluss auf die USA-Politik gegen über Russland haben. Diese Politik werde „größtmöglich feindselig“ bleiben.
Unter den weiteren Beiträgen: Russland und Nordkorea: Neue Allianz (Ralf Havertz); Wofür steht Kamala Harris? (Joseph Gerson); Le Pen – die Zeitreisende (Philipp Ammon).
Die Potsdamer Zeitschrift ist zu beziehen über das Internet.
Aus anderen Quellen
In ihrem kürzlich in deutscher Übersetzung erschienenen Buch „72 Minuten bis zur Vernichtung – Atomkrieg. Ein Szenario“ schreibt die US-amerikanische Investigativjournalistin Annie Jacobsen: „Das in diesem Buch dargestellte Szenario dessen, was sich in den ersten Momenten nach dem Abschuss einer Atomrakete auf die USA abspielen könnte, basiert auf Fakten. Sie stammen aus Exklusivinterviews mit Präsidentenberatern, Kabinettsmitgliedern, Atomwaffenentwicklern, Wissenschaftlern, Soldaten, Luftwaffenpiloten, Angehörigen von Spezialeinheiten, Geheimdienstmitarbeitern, Katastrophenschutzexperten, Geheimdienstanalysten, Staatsbediensteten und anderen, die jahrelang diese grausigen Szenarios entworfen haben. Die Pläne für den atomaren Weltkrieg gehören zu den am strengsten gehüteten Geheimnissen der US-Regierung, deshalb führt dieses Buch und das hier durchgespielte Szenario die Leserinnen und Leser an die Grenzen dessen, was zu wissen erlaubt ist. Nach Jahrzehnten der Geheimhaltung freigegebene Dokumente ergänzen die Details mit erschreckender Klarheit.“
Philipp Sonntag: Atomkrieg – Ein Szenario?, blog-der-republik.de, 14.10.2024. Zum Volltext hier klicken.
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Theodore Postol, emeritierter MIT-Professor und während seiner beruflichen Karriere auch zeitweise wissenschaftlicher Berater des Chefs der Marineoperationen der US-Streitkräfte, äußert sich zu der jüngst vom US-Präsidenten verabschiedeten neuen geheimen Nuklerarstrategie Washingtons. Diese sei „eine stillschweigende Anerkennung des über zwei Jahrzehnte laufenden technischen US-Programms, das mehr als nur eine ‚leichte Modernisierung‘ von Waffenkomponenten war, sondern ein dramatischer Schritt in Richtung der Fähigkeit, Nuklearkriege mit beiden, sowohl mit China als auch mit Russland, zu führen und zu gewinnen“. Konkret verweist Postol auf einen „‚Superzünder‘, der bereits in alle strategischen ballistischen Raketen der USA eingebaut wird. Die Fähigkeit, chinesische und russländische nuklear bestückte Interkontinentalraketen (ICBM) in gehärteten Silos zu zerstören, erhöht sich auf mehr als das Doppelte“.
An anderer Stelle verweist Postol auf die eingeschränkten Möglichkeiten Russlands (und Chinas schon gar – W.S.) zur Früherkennung von Raketenstarts im Angriffsfalle, insbesondere auf „die Tatsache, dass die Russen derzeit nicht über Satelliten verfügen, die ihnen eine globale Warnung und Überwachung von Raketenstarts ermöglichen“.
Postols Fazit: „Angesichts all dessen werden die Führungen Chinas und Russlands keine andere Wahl haben, als Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die die ohnehin schon gefährlich hohe Einsatzbereitschaft ihrer Nuklearstreitkräfte weiter erhöhen. Dazu gehört eine intensivierte Worst-Case-Planung, die die Chancen einer nuklearen Reaktion auf falsche Angriffswarnungen erhöht.“
Theodore Postol: Biden’s ‚new‘ nuclear strategy and the super-fuse that sets it off, responsiblestatecraft.org, 28.08.2025. Zum Volltext hier klicken. (Zur deutschen Übersetzung hier klicken.)
Natylie Baldwin: Destabilizing the US-Russian Nuclear Balance (Interview Theodore Postol), consortiumnews.com, 14.07.2024. Zum Volltext hier klicken. (Zur deutschen Übersetzung hier klicken.)
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Zur aktuellen Lage in Libyen schreibt Wolfram Lacher: „Während das erste Jahrzehnt nach Gaddafis Sturz von Turbulenzen und wiederholten Bürgerkriegen geprägt war, herrschten seit 2022 Stillstand und Hinterzimmerdeals vor. Die Plünderung staatlicher Gelder, die ständig für heiße Konflikte und dramatische Wendungen gesorgt hatte, vollzog sich seither im Stillen. Politik ist in Libyen heute nicht mehr eine öffentliche Angelegenheit, sondern ein unsichtbares Geschehen – mit Intrigen und Arrangements nur weniger Akteure.“
Wolfram Lacher: Libyen – die Clans und das Geld, monde-diplomatique.de, 10.10.2024. Zum Volltext hier klicken.
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„Mehr als 2450 Jahre liegt der große Krieg der Griechen zurück, der sie in den Untergang trieb und jäh das kurze Jahrhundert der Blüte des Geistes, der Kultur und Politik der griechischen Antike beendete“, resümiert Michael Brie und fährt fort: „Was danach kam, lebte von diesem Erbe, bis es aufgebraucht war und Griechenland selbst zur Beute von Eroberern wurde. Kriege sind Lehrmeister. Doch es fehlen ihnen bis heute jene, die bereit sind, in ihre Lehre zu gehen, und – dem Aufruf von Antje Vollmer folgend – den Krieg endlich zu verlernen. Wie dichtete Aristophanes am Ende seines Stückes: „Lasst alles Gute wieder uns sammeln, das verloren. Die Waffen nieder!“
Michael Brie: Der Lehrmeister Krieg: Es gibt keine Gewinner, berliner-zeitung.de, 21.10.2024. Zum Volltext hier klicken.
Zusammengetragen von Wolfgang Schwarz.
Schlagwörter: Anita Berber; Ernst Reuß, Armin Fuhrer, Atomkrieg, Dirk Kaesler, FrankSchäfer, Krieg, Lebensborn, Libyen, Rainer Rönsch, Staat, Thomas Behlert, Thomas Rüger, Venla Ilona Blom, Viola Schubert-Lehnhardt, WeltTrends, Wiglaf Droste