Bundeskanzler Olaf Scholz war vom 13. bis 16. April zu einem offiziellen Besuch in China. Erste Station war Chongqing, das mit 32 Millionen Einwohnern als größte Stadt der Welt gilt. Auf dem Programm standen dort der Besuch einer Produktionsstätte der Firma Bosch und ein sächsisches Forschungsprojekt mit der dortigen Universität. Weiter ging es in die Handelsmetropole Schanghai, schließlich nach Peking zu offiziellen Gesprächen mit Präsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang.
Nach dem Treffen betonte Präsident Xi, dass sich 2024 „die Etablierung der umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen China und Deutschland zum zehnten Mal“ jährt. Trotz der großen Veränderungen in der Weltlage habe sich das bilaterale Verhältnis immer stabil gehalten. „Solange man an den Prinzipien des gegenseitigen Respekts, der Suche nach Gemeinsamkeiten trotz Differenzen und des gegenseitigen Lernens voneinander festhält, können sich die bilateralen Beziehungen weiterhin stabil entwickeln.“ Deren Bedeutung gehe „weit über die bilaterale Dimension hinaus“. Kanzler Scholz erklärte zum Abschluss der Reise in Peking, beide Seiten hätten „sorgfältige, ausführliche, ehrliche Gespräche geführt und sehr intensiv über alle Fragen der bilateralen Beziehungen“ geredet, auch über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den Krieg in Gaza. „Natürlich sind die Fragen der Wirtschaftsbeziehungen ganz zentral gewesen.“
Scholz war von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet worden, einem Dutzend deutscher Spitzenmanager, darunter den Vorstandschefs von BMW, Mercedes-Benz und BASF. Begleitet wurde er auch von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne), Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Das Handelsblatt monierte bereits vorher, dass der Kanzler nach China mehrere Bundesminister mitnehme. Das sei „ungewöhnlich und fand sonst allenfalls im Rahmen von Regierungskonsultationen statt“. Die „eher chinakritischen Mitglieder der Bundesregierung, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)“ dagegen habe Scholz „zu Hause“ gelassen.
Der Stern meinte zum Abschluss der Reise feststellen zu müssen: „Außer Spesen nichts gewesen?“ Im „Lager des Kanzlers“ gebe man sich „halbwegs zufrieden“. Ansonsten seien die Ergebnisse „ernüchternd“: Für die Ukraine dürfte sich so schnell nichts ändern, China wolle sich nirgends in seine Angelegenheiten reinreden lassen und „De-Risking“ finde nicht statt. Die Wirtschaftswoche monierte: „Gilt etwa weiterhin: Wirtschaft first, Bedenken second?“ Wie weit dieses „De-Risking“ gehen solle, das mit der Chinastrategie der Bundesregierung 2023 beschlossen wurde, darüber würde sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch in Brüssel gestritten, während die USA Druck machen und weitere Exportbeschränkungen verhängen. China werde von Scholz „vor allem als wirtschaftlicher Partner bereist“. Auch die FAZ nörgelte, mit der Chinastrategie sei die Bundesregierung auf die Linie Brüssels eingeschwenkt, während die Reise nicht nach De-Risking aussehe und Scholz „an die Politik seiner Vorgängerin Angela Merkel“ angeknüpft habe.
Am 16. April endete Scholzens China-Reise. Am 22. April wurden drei deutsche Staatsangehörige festgenommen, weil sie für chinesische Nachrichtendienste in Deutschland wirtschaftliche und militärische Informationen ausgekundschaftet haben sollen. Am 23. April wurde Jian Guo verhaftet, Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah. Der ist EU-Parlamentarier und Spitzenkandidat der AfD für die diesjährige Europawahl. Guo soll über seinen Zugang als Mitarbeiter in Brüssel geheime Dokumente abgerufen haben, um sie China zuzuspielen. Guo stammt aus China, hatte in Dresden studiert und wurde inzwischen deutscher Staatsbürger.
Die Ampelparteien holten sofort frühere Äußerungen Krahs zu Russland und China hervor, die den derzeitigen offiziellen Feindbildern widersprechen, und beantragten eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag zum Thema „Bedrohung unserer Demokratie – Russland, China und die Rolle der AfD“. Die fand unverzüglich am 25. April statt. Den Aufschlag machte der Abgeordnete Dirk Wiese (SPD). Er begann seine Rede mit: „Erst die Vorwürfe schmieriger Geldzahlungen aus dem Kreml, jetzt mutmaßliche Spionage für China: Die AfD versinkt im Chaos der Vorwürfe von Geheimnisverrat und kriminellen Machenschaften. Was für eine geheuchelte Vaterlandsliebe!“ Abgesehen davon, dass die Sache mit den Geldzahlungen nach wie vor nicht gerichtsfest bewiesen ist, bleibt der Punkt, inwiefern eine etwaige Agententätigkeit des Mitarbeiters eines Abgeordneten diesem juristisch zuzuordnen ist.
Wiese sieht die Sache als „ernst“ an. Der „Verrat sensibler Informationen“ an Diktaturen wie Russland und China sei „nicht nur schäbig und moralisch verwerflich, sondern er schadet vor allem unserem Land massiv. Sie wollen ein schwaches Deutschland. Sie wollen die Grundfesten der Europäischen Union angreifen und zerstören. Sie stellen ein Sicherheitsrisiko für unser Land dar, eine Bedrohung für unsere Demokratie, eine Gefahr für Frieden und Sicherheit.“ All dies ist vordergründig an die Adresse der AfD gerichtet. Politisch betrachtet, in Bezug auf das deutsch-chinesische Verhältnis, steht es jedoch im Gegensatz zu dem, was Kanzler Scholz in Peking gesagt hat. Und das aus der SPD!
Der Abgeordnete Marc Henrichmann sprach für die CDU/CSU-Opposition – nicht so verklausuliert, sondern ganz offen – von einem „massiven Konflikt mit China“. Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz warf der AfD „devotes Hofschranzentum gegenüber China und Russland“ vor. Man kann den Eindruck gewinnen, dass er ebenfalls des Kanzlers China-Reise meinte. Konstantin Kuhle (FDP) blies in dasselbe Horn: „Deutschland steht im Fokus von Spionage aus China, weil China in erster Linie ein systemischer Rivale ist, der es auf wirtschaftliches, wissenschaftliches und militärisches Know-how aus Deutschland abgesehen hat.“ Das drückt das Gegenteil von gegenseitigem Respekt und der Suche nach Gemeinsamkeiten aus.
Danach meldete sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Wort und betonte: „Dass diese Festnahmen jetzt erfolgt sind, ist der Bedrohungslage geschuldet, vor der wir stehen. […] Über den Zeitpunkt haben die Ermittlungsbehörden entschieden.“ Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Der Zeitpunkt passt nur bedingt zu den Entwicklungen in Bezug auf EU-Wahl und AfD-Innereien. Aber er ist passgenau, um positiven Ergebnissen der China-Reise des Bundeskanzlers einen transatlantischen Riegel vorzuschieben. Der AfD ihren altbackenen „Patriotismus“ abzusprechen, scheint am Ende nur ein willkommener Beifang.
In Donaueschingen hatte die AfD für den 27. April ihren Wahlkampfauftakt für die Europawahl angesetzt, am Ende ohne Krah. In abendlichen Fernsehnachrichten kam als ein Organisator der Gegendemonstration in Donaueschingen ein Mann namens Christoph Schott zu Wort, präsentiert als „Kampagnendirektor von Avaaz“. Avaaz – in Deutschland bisher kaum bekannt – versteht sich als „weltweites Kampagnen-Netzwerk“, das (so Wikipedia) vor allem „Online-Aktivismus und Cyberaktivismus“ betreibt. Der Sitz ist New York City, die Organisation in den USA als gemeinnützig anerkannt. Zu den Begründern gehört der Geschäftsführer der Organisation „MoveOn“, die eine Vorfeldorganisation von Joe Bidens Demokratischer Partei ist, die Anschubfinanzierung erfolgte unter anderem über die Stiftung des US-Milliardärs George Soros. Mit anderen Worten, an der Organisation einer Demonstration gegen chinesischen Einfluss auf die deutsche Politik sind Leute beteiligt, die zu einer USA-Organisation gehören – was auch eine interessante Form global-politischer Auseinandersetzung ist.
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